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Im Keller zu Johannisberg
      
 Da tummelt sich Kobold und Zwerg,
      
 Die haben heut zu putzen,
      
 Zu scheuern und zu stutzen
      
 Fünfhundert Stückfaß in die Rund
      
 Tief in des Felsgewölbes Grund.
      
 Zum Kellerloch hinaus, hinein,
      
 Im hellen Morgensonnenschein,
      
 Mit winz'gen Küferwaffen
      
 Was giebt's so viel zu schaffen?
Heut Abend giebt ein Festgelage
      
 Der Rebenfürst im Keller hier,
      
 Drum muß fein glänzend noch bei Tage
      
 Gesäubert werden das Revier.
      
 Der ganze Hofstat will erscheinen
      
 Mit allen Anverwandten,
      
 Dazu von all den edlen Weinen
      
 Die Herren Abgesandten.
      
 Drum wird kein Augenblick verloren,
      
 Drum ist's ein Tummeln und Rumoren,
      
 Mit klipp und klapp geht's wirbelbunt
      
 Tief in des Kellers Grund.
Da tönt's: Juhu! durch's Kellerloch.
      
 – Hei, Neckarwein! was machst du doch?
      
 Komm her, du lustiger Kumpan,
      
 Und greif mit bei der Arbeit an!
      
 Schön Dank, so spricht der lust'ge Rat,
      
 Bin ein zu wicht'ger Mann im Stat,
      
 Aus jedem Munde tönt mein Lob,
      
 Eu'r Küferwerk ist mir zu grob. –
      
 Ein Pfeifen und ein Jauchzen schallt,
      
 Wie Neckarwein sich stolz geberdet.
      
 Schweigt, spricht der lust'ge Rat, ihr werdet
      
 Mich als Minister sehen bald.
      
 Doch jetzt, seht her, den süßen Knaben,
      
 An dem sich Götteraugen laben,
      
 Ich stell' euch, Zwergkoboldenschar,
      
 Hier meinen Freund Brennnessel dar. –
      
 Brennnessel fliegt in Freundschaftsglut
      
 Den Nächsten flugs in die Umarmung,
      
 Doch ach, bei seiner Liebeswut
      
 Schreit Alles Zeter und Erbarmung:
      
 Das ist ein Kerl, der sticht und brennt –
      
 Hei, laß uns los, beim Element!
      
 So laßt denn die Begrüßung ruhn,
      
 Spricht Neckarwein, es giebt zu thun
      
 Ein prächtig Werk, ein Werk der Rache,
      
 Ich fordr' euch All' zu unsrer Sache.
      
 Da drunten wohnt ein Pfäfflein rund,
      
 Das schilt mit lügnerischem Mund
      
 Auf Reben- und auf Traubensaft,
      
 Und läugnet unsre Zauberkraft,
      
 Doch insgeheim thut er sich gütlich
      
 Und schafft das Leben sich gemütlich.
      
 Das wär' allein schon strafenswert,
      
 Denn wer uns liebt soll's offen künden.
      
 Doch seine Schuld wird noch vermehrt –
      
 Brennnessel mag sie euch ergründen.
Und als Brennnessel nun erzählet
      
 Vom wilden Kampf der letzten Nacht,
      
 Wie, ob auch mancher Tapfre fehlet,
      
 Doch unvollendet blieb die Schlacht.
      
 Erschlagen mancher Fackelträger,
      
 Und des Gefolges beste Jäger,
      
 Da tönt es: Rache! rings zuhauf,
      
 Beistand geloben Alle drauf.
      
 – Doch sprich, wie ward's nach jenem Niesen
      
 Von deinen überkräft'gen Prisen?
      
 Ich hört' es, spricht Brennnessel wieder,
      
 Da früh ich in der Küche lauschte,
      
 Wo schon Frau Ursula's Stimme rauschte.
      
 So hört: Sie fielen endlich nieder
      
 Wie überreife Frucht vom Baum,
      
 Die halb zerschlagnen, matten Glieder
      
 Vermochten sie zu rühren kaum.
      
 Doch von des Niesens Dreiklang war
      
 Herbeigelockt die Dienerschar,
      
 Nachtwächter mit bestürzten Mienen,
      
 Der Küster, Kantor auch erschienen.
      
 Kann's denn, sie hörten's nie im Leben,
      
 So übermäß'gen Schnupfen geben,
      
 Daß man sich nieset halb zu Tode?
      
 Sie meinten, das wär' neue Mode.
      
 Doch brachten sie sie schnell zu Bette,
      
 Und ruhig ward des Kampfes Stätte.
      
 Doch meint ihr, nun sei Alles aus?
      
 Heut Morgen ward's erst recht ein Graus!
      
 Frau Ursula, als der Tag erschienen,
      
 Gab ihre noch verstörten Mienen
      
 Schon früh den Morgenlüften preis,
      
 Das Frühstück glänzend zu bedienen,
      
 Denn das versteht sie, wie man weiß.
      
 Wie herrlich dampfte schon vom Tische
      
 Des Morgentrankes braune Flut,
      
 Das Backwerk auch, das weiße, frische,
      
 Ihr däucht's ein ganz unschätzbar Gut,
      
 Des Butterfasses gelbe Frucht
      
 Birgt sie in kühler Blätterhülle,
      
 Und in gewölbter Schale Bucht
      
 Bringt sie des Honigs goldne Fülle.
      
 Dann fügt sie zu des Süßen Gabe
      
 Geschlagnen Rahms holdsel'ge Habe,
      
 Und ordnet – denkt's euch selbst ausführlich –
      
 Und ordnet Alles zart und zierlich,
      
 Und steht erwartend, daß der Gast
      
 Verlasse seine nächt'ge Rast.
      
 Jetzt tritt er ein, noch halb umdüstert
      
 Vom Wirrsal dieser bunten Nacht;
      
 Von Ursula wird, hold geflüstert,
      
 Der Morgengruß ihm dargebracht.
      
 Der runde Hausherr auch erscheinet,
      
 Er ist noch grämlich und ergrimmt;
      
 Da sitzen nun die Drei vereinet
      
 Beim Frühmahl, wortkarg und verstimmt.
      
 Der Hausherr ist sehr übler Laune,
      
 Er tadelt dieß und tadelt das,
      
 Und bricht in Aergers Uebermaß
      
 Zum Streit, kaum weiß man über was,
      
 Schnell die Gelegenheit vom Zaune.
      
 Frau Ursula's geläuf'ge Zunge
      
 Ist, stets entgegnend, schnell im Schwunge,
      
 Und in dem neu entstandnen Krieg
      
 Behält sie lebhaft kühn den Sieg.
      
 Der Gastfreund spricht begüt'gend drein,
      
 Nimmt Dame Ursula in Schutz,
      
 Der Hausherr ahnt – ihm leuchtet's ein –
      
 Geheimes Bündniß, offnen Trutz,
      
 Schlägt auf den Tisch, daß fast in Trümmer
      
 Zusammenrasselt mit Geklirr
      
 Des Morgentrankes zart Geschirr,
      
 Und eilt erbebend aus dem Zimmer. –
      
 Geh', undankbarer Wüterich!
      
 Ruft Ursula ihm nach erbittert,
      
 Daß fast die Kehle ihr erzittert:
      
 Geh' nur, noch heut verlaß ich dich,
      
 Und dann sieh zu, wie du im Haus
      
 Kommst mit der eignen Weisheit aus!
      
 – Geh' sie zum Teufel! ruft zurück
      
 Der Wütrich nochmals durch die Thür:
      
 Geh' sie zum Teufel! –
                    Doch zum Glück
      
 Ging dahin nicht die schwer Gekränkte,
      
 Im Gegentheil, sie ging zur Tasse,
      
 Die sie von Neuem voll sich schenkte,
      
 Und flugs mit kräftig braunem Nasse
      
 Ein lindernd Oel goß auf den Schmerz,
      
 Der brennend wogte durch ihr Herz. –
      
 Doch nun hält's auch den Langen nimmer.
      
 Entrüstet greift er nach dem Stabe,
      
 Und geht, entfliehend solchem Streite,
      
 Mit seiner leichten Reisehabe
      
 Trotz Ursula's Nöt'gen in die Weite.
      
 Es steht ein Wirtshaus, grün umsponnen,
      
 Zur »schönen Aussicht« hart am Rhein,
      
 Und dort quartieret er sich ein,
      
 Dem Haus des Haders froh entronnen. –
      
 Nun tobt der Schwarze durch das Haus,
      
 Es ist ein Schauder und ein Graus!
      
 Er schilt und fluchet auf den Wein,
      
 Der all die Aufregung der Nacht
      
 Und all das böse Blut gebracht,
      
 Beschließt und schwöret Stein und Bein
      
 Zu hassen ihn sein Leben lang,
      
 Er sei ein Gift und Teufelstrank!
Habt ihr's gehört, ihr Weinkobolde?
      
 Wohlan, in meines Prinzen Solde
      
 Steht Mancher, glühend schon von Rache,
      
 Kommt, macht mit uns gemeine Sache
      
 Für die erschlagnen Fackelträger
      
 Und des Gefolges beste Jäger!
      
 – Und durch des Felsgewölbes Grund
      
 Tönt's: Rache! schon von Mund zu Mund,
      
 Nun wird geschafft und wird geputzt,
      
 Nun wird gescheuert und gestutzt,
      
 Sie tummeln sich, sie fliegen, stürzen,
      
 Die Arbeit rüstig zu verkürzen,
      
 Die Feierstunden zu gewinnen,
      
 Das Werk der Rache zu beginnen.
Hört an, noch Eins, spricht Neckarwein,
      
 Für sonst'ge Lust und Neckerei'n
      
 Ist auch gesorgt. Da sind Kameraden
      
 Von mir beim Feste, ungeladen.
      
 Studenten sind's – was staunet ihr?
      
 Daß sie Kameraden sind von mir?
      
 Sie sind's, das kann ich euch versichern,
      
 Mögt ihr auch spotten, mögt ihr kichern.
      
 Als ich in Heidelberg studirte,
      
 Schlug ich die Quarten himmlisch schön
      
 Und wenn ich glanzvoll renommirte,
      
 War's eine Lust mir zuzusehn!
      
 Was steht ihr noch? was staunt ihr Thoren?
He, Narr, was giebst du unsern Ohren
      
 Für fremde Worte da zu hören!
      
 Was sind denn Quarten? Was Studenten?
      
 Wozu, bei allen Elementen,
      
 Hast du die Quarten denn geschlagen?
      
 Willst du uns wiederum bethören?
      
 Geschwind, wir halten dich beim Kragen,
      
 Was sind Studenten? schnell laß hören!
Ihr Zwergkobolde, Küferpack,
      
 Die ihr aus eurem Kellersack
      
 Kaum thut auf's Leben einen Blick,
      
 O Himmel! wie seid ihr zurück!
      
 Gleich will ich das Recept euch geben,
      
 Mag's eure Phantasie beleben:
      
 Nehmt Jugend, Hoffnung, Lust und Scherz,
      
 Nehmt glüh'nden Sinn, ein freies Herz,
      
 Nehmt Blüthenkränze und Gesänge,
      
 Von Freud und Leid ein bunt Gedränge;
      
 Gießt wacker drauf krystallne Flut,
      
 Das treibt das Blut, das schürt den Mut.
      
 Viel Anspruch nehmt und viel Genügen,
      
 Bei wenig Geld ein groß Vergnügen;
      
 Nehmt Narrentheidung, goldne Träume,
      
 Verstand und Thorheit mischt zusammen,
      
 Und setzt es, daß es lustig schäume,
      
 Dann auf der Lieb und Freundschaft Flammen;
      
 Laßt's sprühn und glühn, und seid gewärtig
      
 Mein herrlich Meisterstück ist fertig!
– Das muß man sehn, das muß man sehn!
      
 Tönt's neubegierig in die Runde,
      
 Denn was ein Narr uns preist als schön,
      
 Gewiß ist's närrisch aus dem Grunde!
      
 Nun tummelt euch und putzet,
      
 Nun scheuert und nun stutzet,
      
 Und wenn sich neigt die Sonne,
      
 Beginnt die Feierwonne!