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Indessen harrt der Bräutigam
      
 Waldmeister, angstvoll der Befreiung.
      
 So nah nach langer Sehnsucht kam
      
 Ihm schon des höchsten Glücks Verleihung,
      
 Die holde Braut mit süßem Hoffen
      
 Harrt längst schon seiner Gegenwart,
      
 Und nun, so kurz vor'm Ziel, betroffen
      
 Vom Unglücksfalle streng und hart!
      
 Verdrießlich unerwünschte Lage!
      
 Hier eingepfercht und eingesperrt,
      
 Von mancher zudringlichen Frage
      
 Gepeinigt und herumgezerrt!
      
 Denn mit ihm stak in dem Gefängniß
      
 Ein Pflanzenpöbel jeder Sorte:
      
 Kamillen, keck und frech von Worte,
      
 In grobem Scherz mit zweien Pilzen,
      
 Recht niedrigen Schmarotzerfilzen.
      
 In gelber Haube Butterblumen,
      
 Die wußten mit geläuf'gen Kehlen
      
 Von ihren Vettern, ihren Muhmen
      
 Die schönsten Dinge zu erzählen.
      
 Und Knöterich und wilder Kümmel
      
 Betrugen gar sich wie die Lümmel,
      
 O welch unsägliche Bedrängniß!
      
 Wie sehr beklagt er sein Verhängniß. –
Jetzt schreitet, nach genoßnem Mahle,
      
 Der Pflanzenkund'ge auf sein Zimmer.
      
 Legt sich zu Bett, der Kerze Schimmer
      
 Erlischt, und läßt dem Mondesstrahle
      
 Im engen Raume freies Walten.
      
 Doch unsern Freund Botanikus
      
 Flieht lange heut des Schlafs Genuß.
      
 Verworrne halbe Traumgestalten
      
 Umgaukeln ihn, es ist so schwül:
      
 Das Fenster auf! da strömet kühl
      
 Herein der Nachtluft leichtes Fächeln.
      
 Doch noch nicht will die Ruh ihm lächeln.
      
 Er wirft sich hin, er wirft sich her,
      
 Und stets erneut sich die Beschwer.
      
 Bald ist's als prüf' er eine Blüthe
      
 Genau mit seinem Brillenglase –
      
 Fährt aus, und fühlt – o ew'ge Güte!
      
 Quer sitzend etwas auf der Nase.
      
 Unsinniger Traum! ruft er mit Groll,
      
 Und gibt sich eine andre Lage.
      
 Doch schon auf's Neu beginnt die Plage.
      
 Jetzt sticht's und beißt's – es macht ihn toll!
      
 Die Mücken sind nicht zu ertragen!
      
 Jetzt kribbelt's, krabbelt's, wirrt und schwirrt's,
      
 Jetzt knistert's, raschelt's, piepst es, girrt's,
      
 Jetzt summt und brummt's wie Mott und Unken,
      
 Jetzt leuchtet's auf wie Feuerfunken –
      
 Entsetzlich graunerfüllte Stunden!
      
 – Doch halt! Jetzt, jetzt hat er's gefunden:
      
 Die Kräuter in der Kapsel grün
      
 Betäubend gift'ge Düfte sprühn,
      
 Das wird es seyn. Hinaus zum Fenster,
      
 Ihr Störenfriede, Dunstgespenster!
Doch kaum gehoben ist der Riegel,
      
 Da schwirrt's heraus wie Spatzenflügel,
      
 Und rauscht und flattert ihm um's Haupt,
      
 Fast ist der Athem ihm geraubt.
      
 Ein blauer Dunst erfüllt das Zimmer,
      
 Dazwischen leuchtendes Geflimmer,
      
 Und nun durch's Fenster huscht's im Nu.
      
 Das wirft der Zugwind klirrend zu,
      
 Reißt auf die Thür, und strömt und weht
      
 Schnell durch des Zimmers fernste Ecken,
      
 Und angedonnert fast vor Schrecken
      
 Der zitternde Professor steht.
      
 Jetzt faßt er sich, er fliegt hinaus,
      
 Doch finster ist's im ganzen Haus.
      
 Er tappt umher in halbem Traume,
      
 Ergreift ein Schloß an jener Wand,
      
 Oeffnet die Thür mit schneller Hand,
      
 Und steht auf's Neu in dunklem Raume.
– Wer ist da? tönet ängstlich leise
      
 Und schlummertrunken eine Frage.
– Verzeiht, daß ich so nächt'ger Weise
      
 Den süßen Schlaf zu stören wage –
Und sieh, da fällt ein Mondesschimmer
      
 Durch's Fenster, und bleibt auf der langen
      
 Gestalt mit voller Klarheit hangen,
      
 Erleuchtend Ursulas stilles Zimmer,
      
 Und helles Licht läßt an der Wand
      
 Ein freundlich Schäferbildchen sehen:
      
 Damon und Phyllis Hand in Hand,
      
 Und rings die Schäflein weiden gehen. –
      
 Da schreit entsetzt Frau Ursula,
      
 Und einer Ohnmacht ist sie nah,
      
 Sie überfällt ein Schreckensbann,
      
 Was hat sie nur? was ficht sie an?
      
 Und die botanische Gestaltung
      
 Verliert vor Schrecken auch die Haltung,
      
 Versinket, keiner Sylbe mächtig,
      
 In Schweigen, dumpf und mitternächtig.
Inzwischen hat den Schrei gehört
      
 Der Hausherr. Eilig aufgestört
      
 Ergreift er was zur Hand ihm kam.
      
 Doch siehe da, wie wundersam!
      
 Ein rosenfarbnes Meßgewand
      
 Wirft er sich um mit flücht'ger Hand,
      
 Und stürzt herbei mit Kerzenlicht,
      
 Schreck und Besorgniß im Gesicht.
      
 Nun blicket sich in Dreivereinung
      
 Erstaunt das würd'ge Kleeblatt an,
      
 Die kurze rosige Erscheinung,
      
 Der lange sommernächt'ge Mann,
      
 Und, der gewünschten Ohnmacht nah,
      
 Im Bund die dritte, Ursula.
      
 Kein Wort noch bricht das starre Schweigen –
      
 Doch sieh, da tanzt in buntem Reigen
      
 Durch's Fenster eine Glühwurmschar,
      
 Und immer mehr, Nachtfalter, Motten,
      
 Und Käfertroß und ganze Rotten
      
 Von nächtlich spukendem Geflügel,
      
 Da sind sie wieder! die entsetzt
      
 Zuerst den Langen aufgehetzt.
      
 Er bebt, es sträubt sich ihm das Har,
      
 Er meinet mit gelöstem Flügel
      
 Das wilde Heer zu schauen gar!
Der Rosenfarbne faßt sich schnell,
      
 Schlägt um sich, tödtet auf der Stell
      
 Die nächsten seiner winz'gen Feinde,
      
 Der Andre thut es nach dem Freunde.
      
 Und muthig dringet ein und an
      
 Mit dem Pantoffel der Kaplan,
      
 Schon springen sie im Mordgerase
      
 Umher, die Wände fast hinan:
      
 Da, wie sie durch die Lüfte hauen,
      
 Zwei Kämpfer, herrlich anzuschauen:
      
 Da, mitten in der Schlacht Gewühl,
      
 Fährt beiden prickelnd ein Gefühl
      
 Mit Stich und Kribbeln in die Nase;
      
 Und plötzlich hebt ein Niesen an,
      
 Daß sich die Kräfte fast erschöpfen,
      
 Der lange und der kurze Mann
      
 Sie halten fest sich bei den Köpfen.
      
 Und Ursula, sie sieht's mit an;
      
 Vor Schreck und Angst will sie zerfließen,
      
 Doch schon fällt auch auf sie der Bann,
      
 Schon hört man sie auch heftig niesen.
      
 O Himmel, Himmel, welche Pein!
      
 Da stehn sie nun im Mondenschein,
      
 Wie sie sich drehn, wie sie sich wenden,
      
 Das Schreckensniesen will nicht enden! –
Doch draußen in der Mondeskühle
      
 Welch ein Getümmel und Gewühle!
      
 Ein Racheruf, ein wildes Klagen,
      
 Manch kühner Streiter ist erschlagen,
      
 Gefallen mancher Fackelträger
      
 Und des Gefolges beste Jäger,
      
 Und Alles ruft und schwöret Rache
      
 Den Frevlern unter jenem Dache.
Zur Ruhe mahnet Gundermann
      
 Mit gar erleichtert frohem Herzen,
      
 Er sieht entzückt den Prinzen an,
      
 Dahin sind Angst und alle Schmerzen.
      
 Wachholder gar, der Haushofmeister,
      
 Die Blume anstandsfroher Geister,
      
 Küßt hold erfreut die Hand des Fürsten,
      
 Ruft nach Essenzen und nach Bürsten,
      
 Des Prinzen Gallakleid zu säubern
      
 Von allem Anflug, Staub und Falten,
      
 Schwört ew'ge Rache jenen Räubern,
      
 Und seine Glut will nie erkalten.
Waldmeister ruft: Genug des Spiels,
      
 Wir müssen fort, es drängt die Zeit,
      
 Kommt, ihr vergesset eures Ziels,
      
 Und meine Braut vergeht vor Leid.
      
 Doch schwer ist's, wo er schwillt am vollsten,
      
 Des Kampfes Wogendrang zu hemmen,
      
 Brennnessel kämpft am allertollsten;
      
 Da hilft kein Rufen, hilft kein Stemmen,
      
 Noch Drohn, mit Mühe nur und Not,
      
 Fügt man sich endlich dem Gebot,
      
 Doch Alles schwört bei seinem Leben
      
 Den Frevel niemals zu vergeben.
      
 Dann ordnet Alles sich im Fluge
      
 Zum buntgeschmückten Hochzeitszuge,
      
 Und dann, auf glatter lust'ger Diele
      
 Geht's fort zum heiß ersehnten Ziele.