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5.
Prinzessin Rebenblüthe.

Wo sich der Rüdesheimer Berg erhebt,
Vergoldet von der Morgensonne Grüßen,
Dort steht ein Tempel, Waldesrauschen webt
Um seine Stirn, er schauet weit hinaus,
Belauschend still des Rheinstroms Wogenbraus,
Der breit und herrlich strömt zu seinen Füßen.
Als Kaiser Karl vom Ingelheimer Schlosse
Betrachtend einst hinaussah in das Thal,
Da schon der März aus hellem Sonnenrosse
Die Berge küßte mit des Frühlings Strahl,
Da sah er, wie vom Rüdesheimer Berge
Zuerst der Schnee in wilden Bächen schmolz,
Und, während rings noch lag des Winters Scherge,
Sein Haupt der Gipfel hob befreit und stolz.
Da, meint' der Kaiser, da im ersten Glühen
Der Frühlingssonne, wo sie fort und fort
Hinüberströmt, bis zu des Herbsts Versprühen,
Dort wär' für Reben ein erwünschter Ort.
Da ließ er Reben pflanzen rings hinaus,
Und als der Herbst die goldne Ernte brachte –
Ha, Kaiser Karl, dir blühten Schätze auf,
Die ich den kleinsten deines Ruhms nicht achte!

Nun auf der Höh' thront König Feuerwein
Mit Rebenblüthe, seinem Töchterlein.
Schon wartet sehnlich die geschmückte Braut,
Der Zögrung zürnend, unter Duftgewinden,
Es strömt aus Rosen, Geisblatt, blüh'nden Linden
Ein Meer von Wohlgeruch weit durch die Nacht.
Denn noch schwebt nächt'ges Dunkel auf den Höhn,
Des Mondlichts Woge spielt in Silberwipfeln,
Und lichte Wolken durch den Aether wehn.
Doch wenn der erste Morgenstrahl erwacht,
Und Morgenluft frisch athmet auf den Gipfeln,
Wenn in den Lüften Lerchenton wird laut,
Dann wird das schöne Elfenpar getraut. –
Versammelt längst schon sind des Reichs Minister,
Des Reiches Groß' und Würdenträger all,
Da stehet Riesling, als des Reichs Marschall,
Da stehen sie, gebietrisch nicht, noch düster,
In heitrer Klarheit um den Thron vereint;
Hier lebt nicht Eifersucht, hier lebt kein Feind,
Wie wenig will heut Muskateller ruhn,
Wie viel hat Herr Traminer heut zu thun!
Wie rüstig ist Gutedel! Er empfängt
Deputationen, eh' sie vorgelassen;
Er ordnet, daß die Menge nirgends drängt,
Denn ringsum strömt es zu in bunten Massen.
Und um den Thron wie wirrt es durcheinander
Von Rebenfürsten, Prinzen von Geblüt!
Von Rüdesheim, von Geisenheim selbander
Die Zwillingsbrüder, herrlich golddurchglüht,
Sie kamen her aus ihrem grünen Thal,
Und Aßmannshäußer, rot wie Morgenstrahl,
Und Ingelheimer, deß Rubinenglut
Enttäuschend hold in weicher Strömung ruht,
Und hundert Andre aus dem mächt'gen Stat,
Selbst Neckarwein, des Königs lust'ger Rat
Vor Allen aber nahe stand am Thron,
Der König liebte ihn wie einen Sohn,
Johannisberger, aller Prinzen Blüthe,
Hei! wie er herrlich Geist und Leben sprühte!
An seiner Hand die schönste Blum' im Kranz,
Von Worms die Herrin voller Duft und Glanz:
– Wen hebt's nicht höher bei dem holden Namen?
Fürstin Liebfrauenmilch mit ihren Damen.
Und so nach Würdigkeit, nicht nach der Ahnen
Gereihter Folge, war der Rang vertheilt,
Der Größt' und Kleinste auch, in gleichen Bahnen,
In gleicher Lust sich zu begrüßen eilt.

Doch auch im Innern tief, in Felsenspalten,
In Bergesgrotten, welch ein reges Walten!
Die Hülsenelfchen thaten Küferdienste.
Die Rankenelfchen waren so beschäftigt!
Die Wurzelelfchen, tief im Berg gekräftigt,
Erwarben heut sich herrliche Verdienste,
Die mußten frischen Saft und Wasser tragen,
Und Maienthau zu all den Lustgelagen.
Und all die Quellengeistlein aus dem Thal,
Die kamen heut herbei in reicher Zahl
Aus ihren frischen Fels- und Brunnenklausen,
Geschäftig bei dem Dienertroß zu hausen.
Aus Sonnenstäubchen trug man auf Confekt,
An goldnen Früchten und an Purpurtrauben,
An süßen Nüssen gab es da zu klauben!
In Lilienkelchen ward gebraut der Sekt,
Die Glockenblumen sorgten für die Becher,
Und lebhaft waren all des Walds Gemächer,
Verdienste, tausendfach, stehn noch im Schatten,
Die Antheil an des Festes Glanze hatten.

Doch horch! Fanfarenklang! dreimal ertönet
Der Ruf des schönen Herold Ehrenpreis,
Es naht des Prinzen Zug! Anmutverschönet
Ruft Rebenblüth' den theuren Namen leis.
Und rauschend Antwort giebt ein voller Chor
Von Nachtigallen, jauchzend hoch empor,
Und selig fliegt, begrüßt vom ganzen Schwarme,
Prinz Waldmeister in der Prinzessin Arme.
Und Alles wirrt und schwirrt mit tausend Fragen,
Und läßt von jenem Abenteu'r sich sagen,
Und alles staunt und zürnet dem Erfrechen,
Und will an jenem Frevlerpar sich rächen.

Doch wie, Geliebte, spricht der Bräutigam,
Liegt nicht in deinem Blick ein stiller Gram?
Was will sich zwischen unser Glück noch drängen?
– Spricht Rebenblüthe: daß wir glücklich sind,
Trotz allem Glück will es mich doch beengen,
Denn, theurer Freund, ich weiß ein stilles Kind,
Ein sterblich Mädchen ist's, es muß entbehren
Des Glückes Becher, den wir freudig leeren.
Sie liebt, doch ungeliebt, und meine Macht
Läßt walten mich wohl über Mädchenherzen,
Doch über einen Jäger nicht, der rauh
Durchschweift das Waldgebirg bei Nacht und Thau,
Der wild dem Wilde folgt, und kalt verlacht
Mein holdes Winzerkind mit seinen Schmerzen;
Sie pflegt und hegt so freundlich meine Reben,
O könnt' ich jeden Lohn der Lieben geben!
– Du sollst es, Theure! spricht Waldmeister schnell,
Eh eine Stunde noch der Nacht geendet,
Hab ich des rauhen Jägers Herz gewendet,
Ich eile, daß dein Blick mir strahle hell!

Genug, so mahnet König Feuerwein,
Nicht jetzt, auf morgen spart's. Benutzet fein
Die kurze schöne Nacht. Der frühste Morgen
Fügt in einander meiner Kinder Hände,
Dann rufen mich auf's Neu des Reiches Sorgen.
Drum zürnet nicht, wenn ich mich von euch wende.
Ihr mögt mit Lieb und Glück dann gütig walten,
Doch heute laßt mich über euch noch schalten.

Drauf nimmt Gutedel vor dem Thron das Wort:
Es harrt, mein Fürst, aus mancher werten Landschaft,
Das hohe Par zu grüßen, die Gesandtschaft,
Darf nun ihr Gruß ertönen hier am Ort?
Der König winkt, Gutedel führet dar
Der Moselweine blonde Jünglingsschar.
Welch hold Geschlecht, welch blüh'nder Jugendglanz!
Geschaffen wie zur Liebe, wie zum Tanz!
So mild und schön, so frisch, so hell und klar,
So bringen sie der Braut die Huldigung dar.

Draus wird auf's Neu Gutedels Stimme laut,
Und rufend führet er die Traubensöhne
Des Ahrthals her in ihrer dunkeln Schöne.
In tiefem Purpur, fast violendunkel
Tritt her die Schar, durchströmt von Glut und Feuer,
Aus ihrem Auge blitzt Rubingefunkel,
Und stolz sind sie zu schaun, die ums Gemäuer
Der Wolkenhöh' von Altenahr sich schlingen,
Und rankend zu des Adlers Horste dringen,
Und die dort von Wallporzheims Felsenstufen
In ew'ger Fülle zum Genusse rufen.
Von schwarzem Schieferfels herabgestiegen,
Gewöhnt an ewig glüh'nden Sonnenbrand,
Gewöhnt an harter Felsenbrust zu liegen,
Ziehn heut sie her in's gartengleiche Land
Mit frohem Gruß für Bräutigam und Braut.

Und wieder tönt Gutedels Stimme laut:
Die Abgeordneten des Pfälzer Landes!
Sie waren meistens bürgerlichen Standes.
Es waren joviale runde Herrn
Mit freundlichen, vergnügtesten Gesichtern,
Sie lebten von der Welt ein wenig fern,
Und mancher drückte sich ein wenig schüchtern.
Doch waren alle da: der Deidesheimer,
Der Rupertsburger und der Wachenheimer,
Wer nennt sie all, die guten Freudenbringer:
Der Forster auch, sogar der Gimmeldinger!

Und weiter, wo durch Hessen strömt der Rhein,
Vom Scharlachberg und dort vom Nierenstein
Erschienen sie, die wackern Traubensöhne.
Und die die Nahe lieblich auferzog,
Die Laubenheimer Tochter, freudig flog
Zum Hochzeitstanz, daß sie das Fest verschöne.
Und gar vom Rheingau, kaum sind sie zu zählen
Die goldnen Jünglinge, frisch und beherzt,
Steinberger ist ihr Führer, gerne wählen
Sie ihn von seiner Burg, hoch schildumerzt.

Und so erschien aus allen Rebengauen,
Von allen Bergen und von allen Auen
Begrüßend eine Schar zum Freudenfeste,
Und alle waren froh willkommne Gäste.
Das war ein Wirren und ein Zauberduft,
Erathmend bebt und klingt die warme Luft
Vom Sprühn und Glühen all der goldnen Weine,
Die sich begrüßen hier am schönen Rheine!

Doch seht, was ist dort plötzlich für Gedränge?
Es drücken sich aus bunter Volkesmenge
Drei Weingestalten, handwerksburschenmäßig,
Mit Ellenbogen machen sie sich Platz,
Sie schimpfen, stoßen, drängen unablässig,
Und endlich springen sie mit wildem Satz
Zum Thron. Die sehr verdächtigen Gestalten
Sucht drauf Gutedel streng entfernt zu halten;
Schon aber steht das Kleeblatt vor den Stufen,
Und ihrer Einer spricht mit lautem Rufen:

Dieweil allhier man Hochzeit hält,
Hochedle Majestäten,
Und Sie sich festlich heut gesellt
Mit allen Herrn und Räten,
So hielten wir's daheim nicht aus
Und thäten auf uns machen,
Zu wünschen Ihrem edlen Haus
Die allerschönsten Sachen.

Aus Thüringen der Eine kommt,
Der Andre kommt aus Sachsen,
Und meint Ihr, daß es uns nicht frommt?
O dort auch Reben wachsen!
Der Dritte, ich, aus Schläsigen,
Vom Grüneberger Steine,
Zum Trotz all der hochnäsigen
Hochedlen Herrn vom Rheine.

Wir wissen's wohl, man spricht uns Hohn,
Und schilt uns eitel Essig,
Das ist, Herr König auf dem Thron,
Recht neidisch und gehässig!
Vom Handwerk sind wir doch so gut
Als wie die andern Meister,
Wir sind erfüllt von Willensmut,
Wenn gleich nicht große Geister.

Man treib' mit uns, sagt man uns nach,
Die Kinder in die Schule;
Wir zögen ein Loch im Strumpfe jach
Zusammen ohne Spule;
Drei Männer hielten Einen kaum,
Der uns im Leibe spüret –
Wir setzen solchem Lug und Schaum
Entgegen was gebüret.

Herr König, das bedingen wir
Uns aus, man soll uns achten,
Und unsern Glückwunsch bringen wir
Aus tiefsten Herzensschachten:
Von Naumburg der, von Grünberg ich,
Der Meißner nicht vergessen,
Und unsre Fraun empfehlen sich
Der gnädigsten Prinzessen.

Der König lächelt, Alles blickt mit Lachen,
Wie drauf die Drei den schönsten Kratzfuß machen,
Doch Neckarwein, der lust'ge Rat, springt zu,
Die Narrenkappe in drei Stücke reißt er,
Du, edles Kleeblatt, spricht er, wardst mein Meister,
Die Narrenkappe theile würdig du!
Und wie noch Alle drüber sich ergehen,
Steckt er als Orden ihnen an die Fetzen. –

Zuletzt noch naht bescheiden eine Schar,
Sie scheinet unbekannt am reichen Ort,
Man fragt umher: Wer sind die Kinder dort?
Sie stellen hold und anmutsvoll sich dar.
Sie treten näher – doch mit zorn'gem Blick
Gutedel weist die Schüchternen zurück.
Doch schon hat die Prinzessin sie erschaut,
Und steigt vom Throne und begrüßt sie laut.
Und sieh, es ziehn in lieblich bunter Reih
Die Feld- und Wiesenblumen all herbei,
Kornblum' und Maienglöckchen im Verein,
Vom Aehrenfeld, vom kühlen Uferrain;
Und die erblühn dem schattig dunkeln Walde,
Und die gebar die sonnenreiche Halde,
Vom Perlenglanz des Thaus umspielet lose,
Geführt von Heidenelk' und Waldesrose.
– Euch, meine Schwestern, sollt ich nicht empfangen?
Ruft gütig aus die glückerfüllte Braut,
Ach, an der Erde Mutterbrüsten hangen
Wir Alle gleich, und seine Quellen thaut
Der väterliche Himmel uns herab,
Und beut uns seinen Strahl dem wir erglühen!
Uns beut die Erde ein gemeinsam Grab,
Und neuen Frühling stets, neu zu erblühen.
Ja, laßt uns Schwestern bleiben immerdar!
Und freudig küßt die Fürstin aus der Schar
Jedwede Blum' und spricht: Und wer von allen
Den Prinzen, Rittern, mir will wohlgefallen,
Der achte diese Farben gleich den meinen,
Und Tanz und Spiel soll uns heut gleich vereinen,
– Willkommen ist die Schar. Zum Tanze stellt
Sich Par um Par, in heitrem Wort gesellt,
Doch Einen noch betrachten wir vor Allen,
Dem gar zu gut der Fürstin Wort gefallen.
Erratet ihr ihn? Herr Wachholder heißt er,
Die Blume der verliebten schönen Geister.
Er flieget hoch erfreut vor Aller Blicken
Flugs auf ein herzig blau Vergißmeinnicht,
Und säuselt überströmend von Entzücken,
Und Liebe schwört er ihm beim Sonnenlicht!

Verblühet bald ist unter Spiel und Tanz
Der blauen Sommernacht Violenkranz.
Der Nachtigallen laute Jubeltöne
Sie schwollen noch einmal in Zauberschöne,
Durch Busch und Strauch und Berg und blüh'ndes Thal,
Geht Lust und Jubelklang im Mondesstrahl.
Die Stunden schwinden, matter ziehn die Sterne,
Ein Tagessstreifen färbt die blasse Ferne.
Gewalt'ger kommen schon die Windeswogen
Durch's Meer der Luft von Osten hergeflogen.
Der Mond schickt seine Sterne all zur Ruh,
Und schließt ermattet drauf die Augen zu.

Die Sonne kommt! so ruft der König aus.
Schnell füllet sich des Tempels Säulenhaus,
Der König steht mit aufgehobnen Händen,
Und auf den Stufen kniet das schöne Par,
Empfängt des Königs heil'ge Segensspenden,
Und Sonnengold umleuchtet den Altar.
Die Sonne kommt! Ein Rosenmeer umgießet
Holdselig ihre leuchtende Gestalt,
Und Purpurglut um Wolkenbilder fließet,
Sie steigt empor mit Zauberallgewalt.
Ein Riesentempel ist der mächt'ge Himmel
Aus lichten Pfeilern über's Land gebaut,
Von Wolkenspiel und farbigem Gewimmel
Als Kuppel hoch unendlich überschaut.
Stumm sind die Nachtigall'n, doch aus der Frische
Bethauter Thäler wirbelt Lerchenchor,
Und Morgendampf, umwogend Wald und Büsche
Aus duft'gen Wiesengründen steigt empor.
Und horch! tief aus des Niederwaldes Schatten
Vielstimmig tönt ein voller Liederstrom,
In Lebenskraft will er sich freudig gatten
All dem lebend'gen Klang im Himmelsdom.
Wer sind die Sänger von so vollem Ton?
Wer ist die junge Schar? Ihr kennt sie schon,
Sterbliche Jünglinge sind's, die den Morgen
Begrüßend, singen auf der Wanderschaft.
Hell tönt der Chor, die luft'gen Geister horchen,
Wie es so herrlich rauscht in Jugendkraft:

    Die Sonn' hat mich gewecket
    Mit ihrem ersten Strahl,
    Vom Nebel überdecket
    Liegt noch das weite Thal.
         Wachet auf, wachet auf!
         Frühling ist draußen,
         In sprudelndem Lauf
         Die Bäche brausen!
         Hoiho! Hoiho!
Und thürmten die Wolken sich ohne Zahl,
Der Nebel zerreißt vor der Sonne Strahl!
         Hoiho!

    Die ihr da unten träumet,
    Verschlaft die Stunde nicht,
    Die Welt steht schon umsäumet
    Vom freien Sonnenlicht!
         Nur des Morgens Glut
         Ist freudiges Leben,
         In des Abends Hut
         Will die Kraft verschweben!
         Hoiho! Hoiho!
Wer das junge, das blühende Leben veracht',
Vermodre im Dunkel der alten Nacht!
         Hoiho!

Das Lied verhallt, und siehe aus dem Chor
Der Schau'nden Einer sprechend tritt hervor:

Seht, welch ein duftig blüh'nder Rebengarten
Ist rings des Rheines grünes Uferland!
Die Burgen selbst, der Vorwelt morsche Warten,
Umflicht das ewig schöne Rebenband.
Es pflanzet ihre blühenden Standarten
Die Gegenwart mit vielgeschäft'ger Hand,
Und aus der rohen Urkraft jener Tage
Erblüht Erinnerung als Märchensage.

O quellt und strömt, ihr reinen Lebensmächte!
Was man zu jeder Zeit mit ächter Lust
Genießen kann, das ist gewiß das Aechte.
Natur bleibt ewig jung, an ihrer Brust
Gedeihet noch die Kraft, die ungeschwächte,
Und ringt sich frei aus Moder, Staub und Wust.
Selbst um die Schranke, die ihr aufgedrungen,
Hat segensreich sich Laub und Frucht geschlungen.

Hier ist das Land der Jugend und des Lebens,
Der Jugend freiem Drang gehört die Welt.
Gesegnet sind die Tage jedes Strebens
Das frischen Sinns der Jugend sich gesellt!
Und habt ihr nach dem blüh'nden Ziel vergebens
Gerungen, dumpf von Schranken rings umstellt,
Kommt her, und suchet, eure Kraft zu retten,
Der freien Gotteswelt geweihte Stätten!

Wenn in der Welt verworrnem Wechselgange
Euch Hoffnung hob, euch Irrthum niederschlägt.
Wenn längst gebleichet ist die blüh'nde Wange,
Wenn morsch zerfällt, was ihr gebaut, gehegt –
Wollt trauernd, feiernd ihr nun trüb und bange
Beseufzen, was ein Blitz in Schutt gelegt?
Wer feiert fällt; das ewig Ruh'nde modert,
Aus frischer That nur neues Leben lodert.

Sei's Vaterlandes Glück, der Musen Wonne,
Sei's eures eignen Lebens enger Kreis,
Frisch, brechet in des Augenblickes Sonne
Vom Lebensbaum das ewig grüne Reis!
Dann neu erquickt, gestärkt am Lebensbronne,
Mit jungem Sinn, wenn auch an Jahren greis,
Erbaut auf's Neu, die eben erst zerfallen,
Erbaut auf's Neu der Hoffnung Säulenhallen!

Hier von der Höhe laßt die Blicke schweben:
Rings, allumher im weiten blüh'nden Thal
Seht ihr den Wein schon in den jungen Reben,
Der euch durchglühet einst mit Wonnestrahl.
Noch sproßt's, noch treibt's in rankenden Geweben,
Bald gährt der Most, bald glänzt in bunter Wahl
Purpur und Gold! So quillt, wie aus den Reben,
Aus neuer Jugend stets ein neues Leben.

O Rheinstrom, sei gegrüßt, an's Herz geschlossen!
Des schönen Schaffens sei uns du ein Bild!
So laßt auch uns gleich jenen Rebensprossen
Nicht rasten, bis der Welt wir treuerfüllt
Den Wein der Freiheit golden frisch erschlossen,
Und froh den Durst der schmachtenden gestillt,
Den Wein der Lieb', aus vollen reifen Trauben!
Und unsre Lieder – soll'n sie uns nicht rauben! –

Ein Freuderuf! So geht's in's Thal hinab.
Und König Feuerwein erhebt den Stab,
Und segnet sie und segnet seine Reben,
Und segnet seiner Kinder holdes Par.
Und spricht: Erwachet all', erwacht zum Leben,
Ihr Weine, gebt der Welt ein reiches Jahr!
Gedeiht und blüht! Daß jedem freud'gen Zecher
Die goldne Welle blink' im Labebecher,
Daß nie ein Lied ihm fehle mir zum Preise,
Und nie die Lust im frischen Jugendkreise! –
Und sieh, des Festes Feier ist vollbracht,
Auf alle Welt das schöne Pfingsten lacht,
Und freud'gen Herzens ziehn im Morgenstrahle
Die Musensöhne mit Gesang zu Thale:

Noch ist die blühende goldene Zeit,
O du schöne Welt, wie bist du so weit!
Und so weit ist mein Herz, und so blau wie der Tag,
Wie die Lüfte, durchjubelt von Lerchenschlag!
Ihr Fröhlichen, singt weil das Leben noch mait:
Noch ist die schöne, die blühende Zeit,
         Noch sind die Tage der Rosen!

Frei ist das Herz, und frei ist das Lied,
Und frei ist der Bursch, der die Welt durchzieht,
Und ein rosiger Kuß ist nicht minder frei,
So spröd und verschämt auch die Lippe sei.
Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuß sich beut,
Da heißt's: Noch ist blühende goldene Zeit,
         Noch sind die Tage der Rosen!

Ja im Herzen tief innen ist Alles daheim,
Der Freude Saten, der Schmerzen Keim.
Drum frisch sei das Herz und lebendig der Sinn,
Dann brauset, ihr Stürme, daher und dahin!
Wir aber sind allzeit zu singen bereit:
Noch ist die blühende goldene Zeit,
         Noch sind die Tage der Rosen!


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