Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Zehnter Brief.

Den 21ten May. 1770.

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Es kränket den Herausgeber ungemein, daß das Ende dieses und der Anfang des folgenden Briefs ganz und gar unleserlich geworden. Für dieses Mal hätte ich fast wünschen mögen, daß der Herr Pfarrer weniger Sorgfalt für meine Köchin gehabt haben möchte. Er gab ihr ein gebratenes Gansviertheil mit auf den Weg. Der galante Mann muß es gewußt haben, daß ein Frauenzimmer auf der Reise ohne eine kalte Küche nicht wohl fortkommen kann. Aber daß die Köchin gerade diese zwey Briefe in der Geschwindigkeit nehmen und ihren Braten damit einwickeln mußte, ist ein Zufall, um den ich gerne eine ganze Gans hingegeben haben würde, wenn ich ihn damit hätte verhindern können. Zum Glück zehret sie ihr Geschenk nicht ganz auf, sonst würde sie die Papiere unfehlbar von sich geworfen haben. Dank seye es der Mäßigkeit derer unter dem schönen Geschlecht, welche Essen und Trinken auf einer Reise für eine Sünde halten. Ein noch unabgenagter Theil des Schlegels rettete das Uebrige, was ich noch herzusetzen im Stand bin. Die Fettfleken haben das andere theils unleserlich gemacht, theils so erweicht, daß es ganz zerrissen war. So viel sehe ich freylich leyder ein, daß gerade wichtige Sachen fehlen werden – Allein, wer kann helfen?

Freylich diese neue Religiosen=Regul (denn die Bettler wollen keine Mönche seyn) auf einsames Leben, Busse und Betrachtungen gerichtet, und die heil. Stifter Franciscus und Dominicus sagen [saheten?] nicht vorher, daß eben diese einsame ungesellschaftliche Tugend zu einer unerschöpflichen Quelle von übertriebenem mithin schädlichem Vertrauen, Ehrgeiz, Reichtum und Mißbräuchen werden würden. Die falsche unterschobene Decretalen, deren unächte Geburt nun alle vernünftige Geistliche und Rechtslehrer, ein van Espen, Barthel und andere offenbar erkennen, hatten die unumschränkte Macht des heiligen Stuhls zu Rom bey den damaligen schwachen Zeiten so befestiget, daß Kaiser, Könige, Fürsten und Völker für den Bannstrahl zitterten. Diese nunmehr seltene oder doch nicht mehr zündende Wetterstreiche der römischen Allmacht, die in jenen Tagen den Monarchen seiner Länder beraubten, die Unterthanen ihrer Pflicht entbanden, Thronen umstiessen und Königreiche versenkten, waren auch der Hauptschlüssel zu dem von Clemens VI. neuerfundenen Kirchenschatz an Privilegien, Begnadigungen, Befreyungen von der bischöflichen Gewalt und Aufsicht, womit man diese geistliche Neulinge beschenkte. Sie scheinen über meine unverblümte Aeusserungen erschrocken, Herr Pfarrer; sie haben bis jezo weder Erfahrung noch Belesenheit genug; ich muß sie also überzeugen, daß ich weder der Erste noch der Einzige bin, der diese Befreyung von der bischöflichen Gewalt, womit man die Mönche ausstaffieret hat, für die Quelle vieles Unfugs ansiehet. Schon aus dem 68. Brief des Petri Blesensis welcher in dem Namen Richards Erzbischof von Canterbury an Alexander III. geschrieben, können sie sehen was in den damaligen Zeiten davon gedacht worden. »Was heißt, schreibt er, die Befreyung der Aebte von der bischöflichen Gewalt anders, als Halsstarrigkeit und Aufruhr befehlen, und Kinder gegen ihre Aeltern bewaffnen.« Er fährt in einem noch stärkern Ton fort, daß ich ihnen lieber die folgende Stelle in ihrer Original=Sprache anführen will. »Monasteria enim, quae hoc beneficium damnatissimae libertatis, sive Apostolica autoritate, sive, quod frequentius est, bullis adulterinis adepta sunt, plus inquietudinis, plus inobedientiae, plus inopiae incurrerunt; ideoque & multae domus, quae nominatissimae sunt in Sanctiate & religione, has immunitates aut nunquam habere voluerunt, aut habitas continuo rejecerunt.«Monasterias ... – Jedenfalls wird das Mönchstum insgesamt der Verdammnis anheimfallen, entweder durch die apostolische Autorität, oder, wenn es so weitergeht, daß sie immer mehr werden, wird es mehr Störungen des Kirchenlebens, mehr Ungehorsam, mehr Mangel an allem Lebensnotwendigen geben; die Vorrechte der Orden sollen aufgehoben werden. Wollen sie das Urtheil eines Mönchs, der unter den Canonisten gewiß nicht den letzten Platz behauptet, lesen, so schlagen sie Benedicts Oberhausers Praelectiones Lib. III. Tit. 36. auf, sie werden nach einer sehr vernünftigen und bescheidenen Vorstellung endlich die Worte finden: Exemptione enim maxime perdite est res Regularium.Exemptione ... – Ausnahmen von den Regeln sind eine Angelegenheit, die besonders sorgfältig festzulegen sind Und was dürfen wir weiter Zeugniß, da in der XXIV. Ses. der tridentinischen Kirchenversammlung Cap. 11. de Ref. die ausdrückliche Worte vorkommen: Exemtiones – – – hodie perturbationem in Episcoporum jurisdictione excitare, & exemtis occasionem laxioris vitae praebere dignoscuntur.Exemptiones ... – Ausnahmen sind heute eine Unordnung im kirchlichen Leben, und sie führen durch ihre liederliche Gewährung und Handhabung zum Untergang. Ich könnte sie mit noch mehr solchen Stellen bekannt machen; allein sie sehen aus diesen schon,daß ich mit ihnen nicht in den Tag hinein rede, sondern meine Urtheile auf die Aussage alter und neuer catholischer Männer gründe.

Dem ungeachtet wurde es den Päbsten als sichtbaren, aber nicht mit genugsamen Soldaten versehenen Oberhäuptern der ganzen Welt zur unumgänglichen Nothduft sich eine geistliche Armee zu erschaffen, die durch das Bezwingen der innern Empfindungen, durch Gefangennehmung des Geistes, durch Himmel und Hölle, den unbelehrten Haufen zu blinder Folge leiten, und das nun in diese Welt versetzte Reich Christi seinen Statthaltern unterwürfig erhalten könnte. Die Erfindung war klug; die Menschenkinder unwissend; die Furcht vor der Hölle groß. Der Versuch gelang; die Fürsten wurden klein; der Pabst mächtig; und es war der Dankbarkeit gemäß, daß er seine streitende Völker mit Gnaden, mit Vorzügen, und nach Art der weltlichen Feldobersten auch ein bisgen mit Freyheiten zur Beute und marodiren dann und wann beschenkte. Die alte, schon lang gediente Regimenter der Benedictiner, Cistercienser, Prämonstratenser, Cartheuser etc. hatten bereits ihre gute Garnisonen und quiete vivere. Diese konnten mit ihren Reichtümern und gemilderten Zucht zufrieden seyn. Die wenige Weltgeistliche, die keinem Orden zugehörten, behandelte man als Landmilitz auf halbem Sold. Aber die neugeworbenen leichten Truppen, Franciscaner, Dominicaner, Augustiner und Carmeliter, die nach der Stiftung keine eigene Bagage haben durften, wurden mit ihrem Unterhalt der ganzen catholischen Welt zugewiesen, und ihnen das streifende Betteln nicht allein erlaubt, sondern als die gröste aller christlichen Vollkommenheiten sub conditione sine qua non geboten.

Nun hat es freylich, weil der leidige Fürst dieser Welt nicht ruhet, Menschenkinder, und was das ärgste ist, Geistliche gegeben, die das Betteln der Religiosen angefeindet und mit lästernden Federzügen geschmähet haben. Man wollte behaupten, Christus und seine Apostel hätten nie gebettelt. Man hat gesagt, der H. Paulus habe sogar in seiner schönen II. Ep. an die Thessal. c. 3: v. 8. 10. das Gegentheil behauptet: »Wir haben von niemand das Brod umsonst gegessen, sondern mit Arbeit und Mühe Nacht und Tag gewürket, auf daß wir niemand unter euch beschwerlich wären. – Denn als wir auch bey euch waren, zeigten wir euch an, daß so jemand nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.« Man glaubt, daß weil die Reguln der ersten Einsiedler, Mönche, des H. Benedicts und seiner Nachfolger, neben dem Gebet die Leibesarbeit zum Befehl gemacht, so könnten die neuen Ankömmlinge in dem Weinberg des Herrn auch noch selbst ihren Groschen verdienen. Allein, es bekam den Feinden der H. Bettelorden sehr übel. Man darf nur lesen, wie es dem obenangeführten Wilhelm von Saint Amour, Canonicus zu Bauvais, ergangen, als er, neben der Unterwürfigkeit, welche die Mönche den Bischöffen und Pfarrern schuldig wären, auch behauptete, es sey keine tugendhafte Handlung, freywillig ein Bettler zu werden; man sollte starke und gesunde Bettler strafen. Pabst Alexander IV., nennet sein Beginnen eine verdammte Empörung gegen die römische Kirche, nahm ihm sein Canonicat, und befahl unter Strafe des Bannes, die darüber ausgefertigte Bull in Paris zu verkünden.

Nun, Herr Pfarrer, fuhr der Gutmann fort, weilen es einmal der H. Vater so haben will, oder wegen der steten Einsprechung des H. Geistes nicht fehlen kann;

Gutmann wird hoffentlich diese Unfehlbarkeit nicht im Ernst gemeinet haben, sonst könnte er unmöglich so gut wie Febronius denken, welcher in seiner Antwort auf das Urtheil der Universität zu Cölln über sein Buch N. 2. sagt: Nesciunt fane, aut non praevident Domini de stricto Collegio, quantum haec (infallibilitas R. Pont. & ejusdem independentia à Concilio generali scilicet) Universitatis gloriae atque authoritati apud prudentiores detrabant; imprimis quidem apud eos Catholicos, qui Historiae Ecclesiasticae, Sacrorum Canonum, & Conciliorum studio non praeoccupatis animis incumbunt; deinde & apud Protestantes, de quibus cognitum est, quantumillaprincipia (quibus Ecclesia Catholica sine omni praejudico caret) abhorreant, quantumque ha nostram Religionem illis suspectam faciant, Tom. II. p. 2.Nesciunt ... – Die Kirche oder die tonangebenden Kollegien wissen nicht, (die Konzilien schweigen über die Unfehlbarkeit des Papstes) daß die Genehmigung für den Buchdruck (die ohne Vorurteil erteilt werden sollte), bei den Protestanten für sinnlos gehalten wird und der katholischen Kirche mehr Schaden als Nutzen bringt.

weil auch andere Päbste, Urbanus, Clemens, Eugenius und Sixtus alle die IV. Calixtus III. Alexander VI. Bonifacius IX. Leo X. und Pius V. Nach des P. Chasainus Priv. Regul. Tract. II. Cap. 4. einhellig bezeugen, daß ein Ordensmann sich des Bettelns nicht schämen dörfe, weil ihnen Christus und seine Apostel darunter den Vorgang gemacht hätten; so muß der H. Paulus in angezogener Stelle nicht für ganz Europa, sondern nur für die Thesalonicher geschrieben haben. Denn die Worte sind merkwürdig, welche ich in der durch obige und andere Päbste, besonders durch das allgemeine Concilium von Vienne, bestätigten Regul des H. Francisci lese, wo im 6ten Cap. geschrieben stehet: »Die Brüder sollen sich nichts eigen machen, kein Haus, kein Ort und keine Sache; sondern als Fremde und Ankömmlinge in dieser Zeitlichkeit, die in Armuth und Demuth dem Herrn dienen, sollen sie vertrauensvoll auf Allmosen ausgehen. Sie hätten sich dessen nicht zu schämen, weil der Herr selbst sich zum Armen in dieser Welt gemacht hat. Dieses ist die Erhabenheit der höchsten Armuth, welche euch, liebste Brüder, zu Erben, zu Königen des Himmelreichs einsetzet. Sie hat euch in Sachen armgemacht, aber in Tugend erhöhet. Diese sey euer Theil, welche euch in das Land der Lebendigen einführet.« Es muß also schon gebettelt seyn; da hilft nichts mehr dafür. Pabst Sixtus V. soll auch gar die fürchterliche Inquisitores haereticae pravitatis ihres strengen Amts gegen alle Bischöffe, ihre Vicariaten, Pfarrer, und die ganze Welt, erinnert haben, wann sich jemand gelüsten lassen würde, dem Betteln der Mönche Einhalt zu thun. So stehet es wenigstens im Compend. Privil. Mendic § 7.

Aber da muß ich ihnen, Herr Pfarrer, doch einen Spaß erzählen, der beynahe die Päbste in Harnisch und Sorgen gebracht hätte. Die Bettelmönche behaupteten, sie hätten gar nichts Eigenes; viel mehr gehöre so gar das Brod, welches sie essen, der Kirche; mithin sässen sie nur in einem bestimmten Genuß; das Eigentum aber gehöre dem Pabst und der römischen Kirche. Dieser Saz wäre schon noch so mit hingegangen. Aber einige sich klüger oder heiliger dünkende Religiosen, Ocham Bonagratia und der Ordensgeneral Michael Caerennas behaupteten weiter: Christus der Herr als das Urbild, dem die Franciscaner in allem zu folgen geschworen haben, hätte auch kein Eigentum in einiger Sache, sondern nur allein den Gebrauch gehabt. Da stutzte Johannes XXII. als dieses Vorgeben ruchbar wurde. Denn er merkte, daß man daraus die Folge ziehen könnte, daß also weder der Pabst, noch ein anderes Kirchenoberhaupt, auch nicht das mindeste Eigentum haben dörfe, weil doch der Jünger nicht über seinen Meister seyn könne. Mithin würde man das Patrimonium Petri ziemlichen Zweifeln ausgesetzt haben. Er suchte also die Mendicanten von diesem in dem perusinischen General=Capitul bestätigten, und auf eine Constitution Nicolai III. gegründeten Satz abzubringen. Da sie aber auf keine Art sich dazu bequemen wollten, begab sich der Pabst, mittelst eines öffentlichen zu Avignon angeschlagenen Edicts, alles Eigentums so seine Vorfahrer über jene Güter und Sachen angenommen hatten, die dem Orden Francisci gegeben oder geschenkt würden. Dadurch gedachte er sie zum Geständniß zu bringen, daß sie wenigstens von dem was sie genössen auch einen eigentümlichen Besitz haben müßten. Die Religiosen waren aber mit dieser päbstlichen Entsagung so übel zufrieden, daß der P. Bonagratia di Bergamo in einem öffentlichen Consistorio der Cardinäle sich darwider beschweret und gesetzt hat. Doch da dem Pabst allzuviel daran gelegen war, den Satz der Mendicanten zum Nachtheil der Kirche nicht aufkommen zu lassen, so wurde solcher in einer Bulle Cum inter non nullos Ao. 1323. als ketzerisch verdammt, Christo dem Herrn und seinen Aposteln ein Eigentum zugeschrieben, und der P. Bonagratia auf ein Jahr zum Dank seiner mit so vieler Strenge behaupteten gar zu grossen Armuth eingesperret. Und damit ist dieser grosse Streit mit Beyhülfe sophistischer Distinctionen, die, Gott weiß, blosse Wortspiele sind, gehoben.

Weil dann endlich die Bettelmönche eine obschon masquirte Gattung Eigentum haben dörfen, und doch nicht arbeiten mögen, sollen, oder können, so müssen sie sich das Nöthige freylich schenken lassen; oder weil die Gemeinheit der Güter unter den Christen aufgehoben und die alte Schenksucht für die Kirchendiener ziemlich erkaltet ist, so muß man sie betteln lassen. Ich habe nichts darwider, aber von mir bekommen sie nichts, so lange ich überzeugt bleibe, daß ein unbemittelter Kranker, ein presthafter Alter und ein mit Kindern beladener arbeitsamer Taglöhner ärmer als ein Bettelmönch ist. Ich kenne selbst, sagte er, vernünftige Mendicanten, die nichts mehr wünschen, als daß man ihnen den Bettelsak zustricken möge. Ich habe mit einem dergleichen noch nicht vor langem über diese Sache gesprochen, da ich ihm unläugbar erwiesen, daß das 4te carthagiensische Consilium Ao. 398 in der 51. 52. 53. Constitution so gar den Weltpriestern die Handarbeit mit den Formalien geboten: Clericus quantumlibet verbo Dei eruditus artificio victum querat. Clericus victum etc. vestimentum sibi artificiolo vel agricultura, absque officii sui dumtaxat detrimento praeparet. Omnes Clerici, qui ad operandum validi sunt etc. artificiola etc. litteras discant.Clericus ... – die Geistlichen sollen in Landwirtschaft und Handwerk, in Kunst und Literatur arbeiten Wobey ich mich erinnerte, daß der H. Augustinus, der dieser Kirchenversammlung mit beygewohnet, kurz darnach in einem besondern Tractat sich der Handarbeit gegen die das Faullenzen vertheidigende Klöster angenommen und ihnen bewiesen habe, daß der H. Paulus nicht, wie sie vorgeben wollen, von der Arbeit geistlicher Unterweisung der Gläubigen, sondern wirklich von körperlichen Beschäftigungen gesprochen habe. Der Ordensmann gab mir zur Antwort: Ich solle dagegen lesen, was der H. Thomas beynahe eintausend Jahr später dem Betteln für eine schöne Apologie geschrieben, und dabey bewiesen habe, daß Christus der Herr selbst gebettelt, als er den Zachäum vom Baum herabsteigen heissen, um bey ihm zu übernachten. Er wies mich ferner an den heil. Bonaventura, welcher sich der Gründe des heil. Thomas bediene um den Bettelsak im Credit zu erhalten. Allein endlich mußte er doch eingestehen, daß ebenbesagter Ordensgeneral kaum 30. Jahre nach dem Tod des hei. Stifters schon die Mängel seiner Mönche in einem zu Paris den 23. Aprill 1257 geschriebenen Brief so abschildert wie man sie noch findet. Er sagt darinnen: »Wenn ich die Ursache suche, warum der Glanz unsers Ordens sich verdunkelt, so finde ich eine Menge von Geschäften, für welche man mit heissem Hunger Geld verlanget, und es ohne Vorsicht annimmt, ob es gleich der größte Feind unserer Armuth ist: Ich finde den Müssiggang einiger unserer Brüder, welche in einem unnatürlichen Zustand zwischen Betrachtung und Handlungen sich einschläfern: Ich finde ein umschweifendes Leben bey vielen, welche, um ihrem Leib Gemächlichkeit zu verschaffen, ihren Beherbergern zur Last sind, und anstatt der Erbauung die Leute ärgern: Ich finde die ungestüme Foderungen, die den Leuten eben solche Furcht vor unsern Brüdern einjagen als ob ihnen Diebe begegneten: Die Grösse und die Besonderheit der Gebäude, welche unsere Ruhe störet, unsern Freunden beschwerlich ist, und und argen Urtheilen der Menschen aussetzet: Die Vermehrung des allzuvertrauten Umgangs, den unsere Regul verbietet, die zu allerley bösen Vermuthungen Anlaß giebt und unserm guten Namen schadet: Die Begierde nach Begräbnissen und Testamenten, die uns den Haß der Geistlichkeit, besonders der Pfarrer, zuziehet: Die allzuöftere Veränderung der Wohnpläze, welche ebenfalls die Ruhe störet, eine Unbeständigkeit bezeichnet, und der Armuth schädlich ist: Endlich die Grösse des Aufwands; denn unsere Brüder sind nicht mehr mit wenigem zufrieden, und die Gutthätigkeit ist erkaltet. Wir sind mithin jedermann zur Last, und werden es ins künftige noch mehr werden, wenn nicht dem Uebel bald gesteuert wird.«

Was halten sie, Herr Pfarrer, fragte Gutmann von dieser schon vor fünf Jahrhunderten nach dem Leben entworfenen Schilderung? Haben sich die Mönchen seither gebessert? Oder hat nicht vielmehr die Prophezeyung dieses heil. Vaters zugetroffen? Ich denke, wenn sie nicht etwas schlimmer geworden sind, so seyen sie doch wenigstens nicht um ein Haar besser. Das Unglück hat gewollt, daß sie gleich nach der ersten Fundation einen Pabst bekommen haben, der enthusiastisch für sie dachte. Das war Gregorius IX. Wenn er schon kein Franciscaner war, so ließ er sich doch in ihrer Kutte begraben, und ertheilte ihnen mit sämtlichen Bettelorden so viel Privilegien, Exemtionen und Freyheiten, daß beynahe der liebe Gott in dem hohen Himmel selbst keine Rubrik mehr finden könnte, in welcher ihm nicht der Pabst schon den Rang abgelaufen.

Dieser Pabst hatte eben damals die Decratalen herausgegeben, welche vorzüglich aus den – – – Constitutionen des hoch – – Innocentius III. verfaßt worden. Die heiligste Väter wurden da zu lauter Sonnen, die alles erwärmen, alles beleben. Da es aber auf die Sonne nicht allein ankömmt um einen ausgestreuten Saamen Keim und Wurzel fassen zu machen, so sah man die von der bischöflichen Aufsicht befreyte Bettelorden als die tüchtigste Gärtner an, das dürre Gewissen des Pöbels zu begieriger Auffassung des fremden römischen Saamens zu behaken und in steter Begiessung mit ihren Cancel- und Schullehren zu unterhalten. Wer die Ao. 1654. zum drittenmal gedruckte Privilegia Regularium, pariser Ausgabe in Folio, lieset, der muß erstaunen, mit welcher Kühnheit der päbstliche Pönitentiarius Chasainus, ein Franciscaner=Mönch behauptet, daß, nachdem einmal Paulus III. und IV. Gregorius XIII. Sixtus V. Clemens VIII. und andere, ihrem Orden die ausserordentlichen Begnadigungen und Freyheiten aus dem grossen Meer der päbstlichen Vollmacht zufliessen lassen, die nachfolgende heilige Väter, als z. B. Martinus V. und Gregorius XV. solche ihnen nicht mehr wirksam nehmen können oder wollen. Artig ist der Schlupfweg, durch welchen sie sich helfen wollen. Es hieß: Ja, es ist zwar wahr, unsere Privilegien sind dadurch wiederrufen; allein nachdem eines andern, z. Ex. des Benedictiner- oder Cistercienser-Ordens dabey nicht gedacht worden, und wir mit diesen in einem gemeinschaftlichen Genuß aller päbstlichen Befreyungen stehen, so bleiben wir als Theilhaber von dem auch in unserm Besitz. Sie, die jure proprio nichts besitzen wollen, berufen sich auf eine fünfhundertjährige Verjährung. Und wenn es nur so ohne einen allzugrossen Lermen möglich wäre, so möchten sie gar gerne dem tridentinischen Concilio eine wächserne Nase drehen. Man arbeitete auf dieser Kirchenversammlung mit Ernst auf Seiten der Bischöffe an Abschaffung dieser ihre Rechte kränkenden Befreyungen. Besonders haben sich die spanischen Bischöffe dabey hervorgethan. Freylich konnte man nicht in Abrede seyn, daß grosse Unbequemlichkeiten aus derselben entstehen; allein, wie es öfters guten Anstalten zu gehen pflegt, man befriedigte sich mit einer sehr alltäglichen Ausrede: »Die Aufhebung, hieß es, oder Einschränkung dieser Freyheiten komme dem Pabst ganz alleine zu.« Sie können mehrers hievon in den Memoires sur le Concile de Trente p. 578. finden. Damit man sich aber von dieser Ausflucht eine recht gute Würkung möchte versprechen können, so mußte der Cardinal Simonetta an den spanischen Hof vorstellen: »Die Bischöffe suchten nichts anders darunter, als eine freye und uneingeschränkte Gewalt über ihre Kirchen zu erhalten, welches am Ende dem König und dem Reich zu einem grossen Nachtheil gereichen würde.« Den ganzen Hergang aber bey dieser Kirchenversammlung, wegen der Exemtionen, muß man bey dem Fra Paolo lesen. Man findet da, wie die Ordensgenerale gelernet und den Bischöffen vorgeworfen haben, daß, wenn man das Altertum hervorsuchen und die Mönche der Episcopal=Aufsicht, nach der Vorschrift des calcedonensischen Concilii, wieder unterwerfen wollte, so müsse es freylich in allem befolgt werden. Sobald als die Bischöffe die Lebensart wieder angenommen haben würden, die ihre Vorfahren geführet, so könne man ihnen die Klöster wieder untergeben, wie vordem geschehen. Es wäre aber nicht billig, daß sie die Aussicht begehrten, so lange sie nicht selbst so lebeten wie die Superiores der Klöster leben müßten. Die päbstliche Legaten, welche das nützliche Werkzeug der römischen Macht nicht verlieren wollten, fielen ihnen bey; und da blieb es bis auf ein weniges beym Alten. So erzählet ungefehr Sarpi die Sache. Aber ich muß ihnen dabey sagen, Herr Pfarrer, daß dieser Mann alzufrey geschrieben, und daher seine Werke in Rom sehr übel angesehen worden sind. Ihn selbst hat man 1606. in Bann gethan, und ein Jahr darauf ermorden wollen. Vitorio Siri in dem ersten Theil seiner Memorie recondite, S. 434. will aus den Briefen des französischen Gesandten d'Alincourt gelesen haben, der päbstliche Nepot, Cardinal Borghese, habe, wie Sarpi es selbst nennet, diesen Stilum curiae Romanae über ihn verhängt: Aber ich will es nicht glauben; denn gewiß, es wäre gar zu abscheulich. Van Espen sagt indessen: Ex his intelligimus, quanta scandala & contentiones per haec privilegia S. S. Canones & Jus Commune per Romanos Pontifices Saec. IX. & X. concudi coepta in ecclesia sint exorta & usque modo perseverent, ut non immerito eorum totalis revocatio saepius expetita fuerit.Ex ... – Man hat Kenntniss von Skandalen und unwürdigen Handlungen des Glaubenseifers der Privilegierten unter den Päpsten des 9. und 10. Jahrhunderts, als immer mehr Ausnahmen von den Vorschriften unverdienterweise gemacht wurden, ohne daß jemals ein völliger Widerruf erfolgte.

In seinen Werken T. 3. p. 546. Ad Conc. Later, tert. Es hat einige gegeben, welche glaubten, Gutmann hätte seine Beweise eben nicht von einem Muratori, van Espen und solchen Männern hernehmen sollen, wider deren Religions=Eifer viel eingewendet werden könne. Ihre Vertheidigung gehet mich, als den Herausgeber, nichts an; und wer würde mir als einem Laien glauben? Aber das Lob eines Mannes, welches er dem van Espen zu geben sich nicht entbrechen konnte, ob er gleich ein frommer Verfechter aller alten Lehrsätze ist, will ich gleichwol nicht verschweigen. Mein Mann ist der D. Kaufmanns, der als ordentlicher Censor zu Cölln im Jahre 1655. den 8. Febr. sich also von ihm vernehmen lassen: Auctor in hoc opere postumo Juris Ecclesiastici fontes sublimi speculatione scrutatus, reconditos SS. Canonum sensus penetrandi, autoritate & ratione academicas Sacr. Decretorum interpretationes fulciendi, alia ex aliis declarandi, Ecclesiae catholicae sanctitatem in fidei & morum purissimis regulis ostendendi, scientiam Juris simul & antiquitatis Ecclesiasticae peritissimus ita exhibet, ut post innumeros Juris Ecclesiastici Tractatores Juris=Consultis tam qui in Academiis versantur, quam qui Tribunalibus Ecclesiasticis operas suas addicunt, theoriae & praxeos subsidia imprimis commendanda praebent.Auctor ... – Die Zensoren sind oft nicht in der Lage, den Inhalt eines Buches zu beurteilen und erteilen oder verweigern die Lizenz nach Gutdünken. Wenn Gutmann für sich nicht im Stand wäre zu urtheilen, so würde ihn dieses Lob von einem Mann, wie Kaufmanns ist, schon berechtigen, dem van Espen einen beynahe blinden Glauben zuzustellen. Muratori hat seine grosse Verdienste, welche ihm vorige Zeiten nicht streitig machen konnten, und unsere Tage zu erkennen anfangen.

Da jedoch die Bettelmönche ihre Privilegien und Exemtionen einmal haben, so wollen wir beyde uns auch nicht darwider auflehnen. Wenn es die Bischöffe und unsere klügere Weltgeistliche geschehen lassen, so sey es. Doch es läßt sich von den gegenwärtigen Zeiten vieles hoffen. Die vor einigen Jahren zu Paris niedergesetzte Commißion, welche aus Bischöffen, Prälaten und Magistrats=Personen bestunde, beschäftigte sich mit Untersuchung und Abschaffung einiger Mißbräuche, unter welchen auch folgende stunden. »3.) Monachi per suas exemtiones vigilantiae & inspectioni proprirum Episcoporum subtracti, sine medio subjiciunturromano Pontifici, à cujus oculo non habent quod metuant. 4.) Mendicantium continuae excursiones ad quaestum non paucis e junioribus fuerunt & sunt occasio naufragii innocentis.«Monachi ... – 3. Auf Grund der Befreiung der Mönche von der bischöflichen Aufsicht haben sie Eigentum, das eigentlich der Kirche gehören sollte, und schalten damit ohne Furcht vor irgendeiner Aufsicht. 4. Die Bettelmönche fahren fort damit, sich das Eigentum der Armen und Waisen unter verschiedenen Vorwänden anzueignen und diese zugrunde zu richten. Viele solcher Mißbräuche sind, wie sie wissen, schon 1768. abgeschaft worden, und es ist kein Zweifel, daß nicht nach und nach eine gänzliche Verbesserung erfolgen werde. Nehmen sie hier die Chur=Maynzischen Verordnungen gegen die Mönche vom 30. Jul. dieses Jahres mit nach Hause, sie werden finden, daß die Erzbischöffe nicht nur ihre Gerechtsame kennen, sondern sie auch auszuüben anfangen.

Vielleicht denken sie nun über alles, was ich ihnen so weitläufig her erzählet habe, ich seye auch ein Klosterstürmer, und wolle alles was Mönch oder Religios heißt kurzum abgeschaft wissen. Nein, Herr Pfarrer, dermalen denke ich noch nicht so, ob ich gleich ihre Nothwendigkeit nicht einsehe; und also würden sie mir Unrecht thun. Alles was ich als ein guter catholischer Christ wünsche, besteht nut darinnen: Daß die Zahl der Bettelmönche bis zur richtigen Verhältniß mit dem Staat worinnen sie leben vermindert, das Betteln abgestellt, ihre unnöthige den ächten Grund des Glaubens verunstaltende Andächtereyen ausgeschaft, und die Mendicanten dem Land als geistliche Mitglieder nützlich gemacht würden. Das sind vier Punkte, die ich als pia desideria ansehe. Aber nachdem man in der Welt allerley Systeme schmiedet, und ein müßiger Kopf, wie jezo der meinige ist, doch allemal ein Kopf bleibt, der für sich das Recht zu denken nicht als ein päbstliches Geschenk, sondern aus der natürlichen Folge dessen, was mir in die Sinne fällt, haben darf, so bediene ich mich zuweilen meines Rechts. Ein ehrlicher Mann kann allemal in seinem Gehirn eine Schublade für verlorne Concepte haben. Die meinige ist ziemlich groß, weil mein bisgen Erfahrung und vielverträgliche Menschenliebe mir oft die beobachteten Mängel unsers gesellschaftlichen Lebens zurückrufet, und ich mich als ein unumschränkter Monarch meines Gehirns sodann eben so gut berechtiget halte, Idealverbesserungen zu träumen, als Plato und des Wielands Diogen, unmögliche Republiken zu erschaffen.

Nun gute Nacht für heute. Wenn sie begierig sind mich meine Träume beichten zu hören, Herr Pfarrer, so gönnen sie mir Uebermorgen die Ehre eines Besuchs. Morgen muß ich ein wenig medicinieren, weil das böse Wetter, und eine kleine Mahnung meines Zipperleins mich erinnert, daß einige Unreinigkeiten, die mich gar leicht krank machen könnten, weggeschaft werden müssen.

Lieber Herr Bruder! Es ist mir ein besonderes Vergnügen, daß ich dir meine Aufzeichnungen über meine Gespräche mit Herrn Gutmann abschreiben kann, und aus deiner letztern Antwort weiß, daß dir damit ein Gefallen geschehe. Ich habe den Mann wirklich von Herzen liebgewonnen. Für einen guten Christen muß ich ihn erkennen; ob er aber auch gut catholisch sey, das kannst du besser, als ich, beurtheilen. So viel ist gewiß, daß, wenn er einen Satz vorbringt, der mir nur ein wenig ketzerisch scheinet, so ist er gleich mit einem Buch da. Er schlägt mir die Stellen auf. Ich darf sie französisch oder deutsch selbst lesen; das Welsche verdeutscht er mir; und weil sein Büchervorrath zahlreich ist, so fehlet es ihm nie an aufrichtigen Beweisen. Samstag schreibe ich dir wieder.

Morgen kommt der Dechant zur Visitation, und erst Mittwochs Nachmittag fähret er nach Haus. Wenn du mir auf Uebermorgen ein Essen Spargel und ein halbduzend junge Hühner schicken könntest, wollte ich es gern bezahlen. Dieser Besuch kostet mich wieder über 20. fl. In Gottes Namen! Dem der da bellt, muß man mit einem fetten Brocken das Maul stopfen. Adieu!


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