Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Vorrede.

Wenn diese Briefe meine eigene Kinder wären, oder wenn ich sie an kindesstatt angenommen hätte, oder wenn sie als Gegenstände des Mitleidens zu einem besondern Werk der Barmherzigkeit berechtigt wären, so könnte ich nicht wohl grausamer gegen sie verfahren, als daß ich sie ohne Empfehlung, ohne Vorbitte, ohne ihre bescheidene Aufführung, ihren guten Verstand,und ihre liebenswürdige Laune, die ihnen bey allen Menschen Zutritt verschaffen werden, herauszustreichen, in diese kluge, gelehrte, weitsehende, alberne, altkluge und thörichte Welt hineinschicke. Man empfängt den Mann nach dem Kleide, sagen die Russen, und begleitet ihn nach dem Verstand. Einer guten Aufnahme können sie sich also schon versichert halten; denn sie sind nach der Mode gekleidet. Aber wegen der Begleitung? O, um diese bin ich ganz unbekümmert. Ist es nicht das allgemeine Schiksal aller Menschen, daß sie sich das Urtheil der Gesellschaft, in welche sie sich mischen, gefallen lassen müssen. Warum sollte diese gute Kinder einen Vorzug vor allen erwarten? Ich glaube, daß sie Verstand haben: Aber müssen es andre deswegen auch glauben? Urtheilen Sie über diesen Punkt wie sie wollen, meine Herren, mir bleibet es immer einerley. Was nicht von Herzen gehet, sagt man, das gehet auch nicht zu Herzen. Sie sind ja nicht meine Kinder.

Alles, was mir ihrentwegen einige Sorgen machet, ist ihre Sprache. Sie reden ganz frey von den Lungen weg, ohne darauf zu denken, ob sie jemand beleidigen, ob sie in ihrem Urtheil nicht zu streng und in ihren Ausdrücken nicht zu beissend seyen. Ich wollte es ihnen, ehe ich sie in die Welt schickte, abgewöhnen; es war mir aber unmöglich. Ihr Vater, sagen sie, der sie in seinem Alter gezeuget, wo man ohnehin mit der Welt weniger als in der Jugend zufrieden seyn könne, habe sie keinen andern Ton gelehret, und überhaupt ihnen den Grundsatz beygebracht, daß sie stets die Sprache der vertraulichen Freundschaft reden, und ein jedes Ding bey seinem eignen Namen, ohne ängstliche Umschreibungen oder zierliche Einkleidungen, nennen sollen; besonders wenn es darauf ankäme, daß duro nodo durus quaerendus sit cuneus.

Was sollte ich unter solchen Umständen gethan haben? Sollte ich sie zurück gehalten, in meinem Hause eingekerkert, und niemals vor jemandem haben erscheinen lassen? Ich glaube nicht, daß mir eine solche Ungerechtigkeit zugemuthet werden kann. Mir kamen sie als liebenswürdige Schwätzer vor. Die Materien, die ihnen so geläufig waren, intereßirten mich unwissenden Laien. - Ich habe sie lieb gewonnen. – Hier fängt mit freylich das Herz ein wenig zu pochen an. Wie, wenn diese Kinder nicht so wol gestaltet wären, als ich sie gefunden habe? Sommerfleken kriechen erst heraus, wenn man in die freye Luft kömmt. – Hier bleibe ich steken, meine Herren! Alles was ich jetzo noch thun kann, ist, daß ich feyerlich verspreche, die andere in meinem Hause sich aufhaltende niemals an das Tageslicht kommen zu lassen, wenn diese das Unglück haben sollten, Ihnen zu mißfallen. Aber in der That ich glaube, daß die Erschütterungen, die sie verursachen werden, der Wahrheit vortheilhaft sind. Die Asche fällt dadurch von den Kohlen, und was kaum noch glimmte wird wiederum in einen heilsamen Brand gesetzt. Lassen sie es also seyn, daß der Charakter, in welchen sie sich festgesetzet, Ihnen übermüthig vorkommt. Sollte nicht der vernünftige sie eben deßwegen von den gemeinen Pflichten der bürgerlichen Höflichkeit lossprechen?Und die gezüchtigte Mönche können meinetwegen auch einen Trost in ihrer natürlichen Strenge finden. Sie können sich schmeicheln so elend nicht zu seyn, als sie der spröde Geschmack dieser Tadelsüchtigen findet. Hören Sie nur, was diese leichtfertigen Kinder mir einmal auf meine Vorstellungen geantwortet haben:

»Wir müssen es uns freylich gefallen lassen, von jedermann beurtheilet zu werden. Die mit uns umgehen, kaufen ihr Recht darzu. Es ist sehr natürlich, daß unsere Beurtheilungen den Mönchen ebenso sehr mißfallen, als sie uns.« – Darauf konnte ich nichts sagen. Ich habe sie also mit der Erinnerung, auf ihrem Wege wenigstens die Mendicantenklöster zu vermeiden, von mir gelassen. O, riefen die Lose aus, sorgen sie nicht: Diese fette Ordensbrüder sind zu sehr in die Ruhe verliebt, als daß sie mit Leuten unsers gleichen, die sie zu denkenden Wesen machen könnten, Umgang pflegen sollten!

Die Vorurtheile, welche ihr Ansehen noch immer in unserer Kirche durch die Unwissenheit der Mönche behauptet haben; die Vorurtheile, über welche Wieland mit allem Recht klaget:

Verwünschtes Vorurtheil, du Mutter unsrer Pein,
Wie würden, ohne dich, so viel Socrate sein?
Du blendest den Verstand mit trügerischer Klarheit?
Mit manch entlehntem Zug der göttlich schönen Wahrheit
Schmückst du Idolen aus, die nimmermehr Cardan,
Der Weisen Don Quixott, verwirrter sehen kann.

Diese sind es, wieder welche der Verfasser zu Felde ziehet. Er zeiget, welches die eigentliche Lehren der Kirche seyen, und was als unnüze Spreuer von dem Korn abgesondert werden müsse. Wenn es mir, als einem in göttlicher Wahrheiten ungelehrten Laien, zu urtheilen erlaubt wäre, so wollte ich fast sagen, man sehe aus diesen Briefen nur zu deutlich, daß die catholische Religion, und die Religion der Mönche zwey von einander unterschiedene Dinge seyen. Diese erste Sammlung kann als eine Einleitung angesehen werden. Wir das Publikum geneigt seyn, die in dem dreyzehnten Brief angezeigte Materien abgehandelt zu lesen, welches der Verleger bald genug merken wird, so können sie stückweise erscheinen. Sie haben den guten Endzweck, ein reines von allen eigennüzigen Zusätzen geläutertes Christenthum einzuführen. Die Beweise sind, so viel ich davon urtheilen kann, bündig und aus den besten Quellen geschöpft. Herr Gutmann hat alles Geschick zu einem solchen Unternehmen. Er kennet die Welt, er kennet die Geistlichkeit, er kennet die Triebfedern, welche die ganze Maschine der Kirchenhierarchie in Bewegung setzen; er hat Belesenheit und Beurtheilungskraft genug,

Den Einkleidungen der Gedanken siehet man es freylich an, daß die vorkommende Wahrheiten auf dem Zimmer bey einem Vertrauten ohne alle Zurückhaltung abgehandelt worden. Es wäre meine Pflicht gewesen ihnen eine solche Wendung zu geben, daß man ihnen dieses Vertrauliche nicht so sehr angemerkt hätte. Aber ich wagte es nicht, das Salz, welches mit vollen Händen darinnen ausgstreuet ist, zurück zu behalten, und die Ausdrücke zu mildern. Der Vernünftige wird es mir vielleicht Dank wissen, daß ich ohne die mindeste Abänderung alles, wie es der Hr. Pfarrer an seinen Freund geschrieben, habe stehen lassen. Die andern werden hoffentlich nicht böse werden, wenn ich ganz frey bekenne, daß weder ihr Lob noch ihr Tadel von einer Erheblichkeit sey.

Wenn ich nicht gerne die reine Wahrheit gestünde, so könnte ich, mit dem Herausgeber des IX Theils von Tristrams Geschichte, an einem gewissen Tag diese Briefe vor meiner Hausthüre gefunden haben. Und wer wollte alsdann etwas darwider einwenden? Ich halte es aber immer für besser, wenn man auch in solchen Dingen, die an sich gleichgültig sind, der Wahrheit getreu bleibet. Der Freund des Herrn Pfarrers, an welchen diese Briefe geschrieben worden sind, hatte einige Jahre eine Köchin, in die er viel Vertrauen setzte. Ich weiß nicht was Gelegenheit gegeben haben mag, daß die vieljährige Dienste ihm oder der Köchin nicht mehr gefielen; ob ... oder ob ... Genug, sie sahe sich um einen andern Dienst um, und verdingte sich zu mir. Ob sie gleich ein wenig ins Alter sticht, so kann sie doch unter der Aufsicht meiner Frau meiner Küche wohl vorstehen. Gerade an dem Tage ihrer Abreise hatte ihr ehemaliger Herr Fremde, und spielten eben Solo, als sie ihn um alte Papiere ansprach ihre Habseligkeiten sauber einpacken zu können, daß ihnen durch das Fahren auf dem Post wagen kein Schaden geschehen möge. Er konnte die Magd nicht aufhalten, und wollte sich doch auch in seinem Solo nicht irren lassen; er gab ihr daher nur die Antwort, in seinem Zimmer an einem gewissen Ort, den er ihr anzeigte, würde sie finden. Das gute Mensch kam an den unrechten Pack, sie erhaschte den ganzen Bündel der vertrauten Briefe, welche ich hier bekannt mache, und vielleicht noch bekannt machen werde, und packte sie mit alle dem Ihrigen auf das beste darein. Wer weiß, wie viel Bänder und Spitzen, und Kleinigkeiten den Hausrath eines Frauenzimmers, und wenn es auch nur eine Köchin ist, ausmacht, der wird gar leicht begreifen, daß die ganze Menge dieser Briefe kaum hinreichend gewesen, ihr die Dienste zu leisten, die sie foderte. Sie kam zu mir. Und da ich bey dem Auspaken einige Papiere sah, die ganz überschrieben waren, und sie dieselbigen nur von sich warf, so wurde ich neugierig darauf etwas davon zu lesen. Kaum entdeckte ich aber, daß es ein Briefwechsel zweyer Geistlichen in Religionssachen seye, als ich die Magd ersuchte mir sorgfältig alle diese Papiere zusammenzulesen. Was kann natürlicher seyn, als daß ein Laie, wenn wenn er von Priestern solche Materien abgehandelt findet, die einen die einen unmittelbaren Einfluß in die Religion haben,und der gegenwärtigen Denkungsart der Grossen angemessen sind, seine Begierde nicht mehr zurückhalten kann, alles zu wissen, was Männer, die es besser verstehen müssen, davon urtheilen? Ich ergriff die Feder und schrieb alles ab. Mein guter Engel hatte mir dieses eingegeben; denn ich bin noch nicht fertig gewesen, als der ehmalige Herr meiner Köchin ihr die Briefe angelegentlich abfoderte. Ich habe sie ihr gegeben, und sie schikte sie ihm zu.

Aber warum haben denn diese Briefe gedrukt werden müssen? Warum muß der Welt der Briefwechsel zweyer Freunde vorgelegt werden? Es kann ihnen nur ein schlechter dienst damit geschehen seyn. Dieses sind freylich Fragen, die mein Gewissen ein wenig beunruhigen; und wenn ich der Welt einen eben so schlechten Dienst gethan habe, als diesen beyden Freunden, so werde ich mich kaum noch zu fassen wissen. Aber sie wissen es ja, meine Herren! Der Oncel Tobias hatte nicht allein sein Steckenpferd, auf welchem er fleissig geritten hat, sondern alle andere Menschen nähren ein solches Thier. Die Armuth meines Geistes läßt mich nicht hoffen, daß ich jemals als Autor gedrukt werde; sollte ich denn die Gelegenheit so muthwillig aus den Händen gelassen haben, bey der ich wenigstens als ein Herausgeber unter die Presse komme. Die Herren Critiker mishandeln die arme Schriftsteller, daß einem die Lust vergehen soll. Ahmet man nach, so ist das ewige Klagen, man lasse sein Original weit über sich; will man selbst Original seyn, wie viel wie viel gehört nicht darzu? Abaelardus Virbius sagt: »Wenn man es uns ebenso schwer machen will Originale zu seyn, als Copien zu werden, was hat man anders im Sinn, als uns in Maulesel zu verwandeln?« Bey solchen Aussichten muß ein bescheidener Mann in sich selbst Mistrauen sezen, oder die Ruthe der Critik fühlen. Inzwischen ist es doch, alles wol erwogen, ganz recht, daß die Herren Critici kein Mitleiden kennen, und durch nichts zu bestechen sind. Aber ich fordere doch die Nachsicht, auf die ein Herausgeber meiner Art Ansprache machen kann.

Hernach, amusirten mich diese Briefe. ist es möglich, daß ich glauben könnte, ich sey der Einzige, der sich an ihnen ergözen und unterrichten könne? Findet sich nach den Regeln der Kunst vieles daran auszusetzen; stößt man sie ohne Barmherzigkeit unter die schlechte Schriften; Wirft man dem Verfasser vor, daß er geschrieben habe:

Ohn Achtsamkeit, Beruf und Zwang,
Ohn Ordnung und Zusammenhang.

So antworte ich:

Ist dies nicht stets erlaubt gewesen?
Er schreibt ja, wie die meiste lesen.

Ob diese Briefe aber alsdann noch werden gelesen werden, wenn uns beyde Staub und Moder decken, ist eine Frage, deren Beantwortung auf keinen Grundsätzen beruhet. Man siehet oft so geschwind den Untergang eines guten als eines schlechten Buchs. Dem sey wie ihm wolle; ich halte mich überzeugt, daß meine Correspondenten die Wahrheit geredet, und ihre einander freundschaftlich mitgetheilte Gedanken können der Welt auf eine oder die andere Art Nützlich werden. Mir sollen sie wenigstens soviel nuzen, daß ich mich mit mehrerm Ernst auf die Wissenschaften zu legen; die Unwissenheit, die man mit Vorsatz zu unterhalten gesucht hat, zu vertreiben; die Religion nicht mehr in nichts bedeutenden Nebendingen zu suchen, und mit meinen eigenen Augen zu sehen anfangen werde. Wenn viele nach Durchlesung dieser Briefe eine gleiche Entschliessung fassen, so habe ich den Trost, daß mich meine Hofnung nicht hintergangen habe.

Geschrieben den 1. Jenner 1771.

Der Herausgeber.


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