Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Fortsetzung des IX. Briefs

den 13. May 1770

Dem für alle Welt gutthätigen Urwesen, fuhr mein alter erfahrener Lehrer fort, mochte man keine Vorliebe zwischen gleichen Geschöpfen beymessen; und dieses ist vielleicht die Ursache, warum ihm ein böses an die Seite gedacht worden. Krankheiten, Mißwachs, Donnerstreich, Ueberschwemmungen etc. waren die Beschäftigungen dieses unsichtbaren Bösen. Da nun der Mensch gefunden zu haben glaubte, daß Opfer dem wohlthätigen Schöpfer gefallen, so war es eine natürliche Folge, daß man es auch bey dem übelthätigen versuchen müsse. Dann wurden zum erstenmal zwey Altäre erbauet, und sie, um diesem kenntliche Unterscheidungszeichen zu geben, mit sinnlichen Vorstellungen besetzt. Eine weibliche Figur mit hundert Brüsten und Armen, Thieren- und Menschenbildern, war bey den Egyptern die gutthätige allgemeine Mutter der Natur. Eine Schlange, ein reissender Löwe, oder sonst ein scheusliche Nachahmung, mußte den schädliche Zerstörungsgeist vorstellen. Was anfänglich ein Bild, ein Unterscheidungszeichen war, wurde bey Kindern, welche künftige Begriffe an die erste sinnliche Bilder anhängen, und die einmal gefaßten eindrücke nicht leicht mehr ausfegen können, zu wirklichen mit Gewalt versehenen Gottheiten. Das mit solcherley Vorurtheilen aufgewachsene Kind wurde ein Mann. Dieser erkannte mit Mühe, daß Holz, Stein und Metall die Gottheit nicht selbst seyn könne. Doch wurde das Bild ein göttlicher Wohnsitz, und, damit dieser Palast nicht durch Regen und Wetter zerstöret würde, eine Hütte darüber gebauet, mithin ein der Gottheit gewidmeter Tempel. Ein Paar abgelebte, schon mit Vorurtheilen geborne und erzogene, mit abnehmenden Säften und Kräften, wieder der Kindheit sich nahende Männer, die dem Feldbau und Nahrungsgeschäft nicht mehr nachkommen konnten, widmeten sich der Reinlichkeit des Tempels. Die Eigenliebe und das wünschende Lob einer guten Verwaltung wird sie auch bewogen haben, das ihnen anvertraute Bild zu zieren, um damit, weil alles Sinnliche bey sinnlichen Menschen vorzüglich gefällt, ihrem Tempel mehrern Zugang zu verschaffen. Ihre Dienste, ihr Alter, forderten Belohnung. Sie bekamen einen Theil der Opfer, und wurden die ersten Götzenpriester.

Sie waren besorgt den Leuten herzusagen, was von ihren Gottheiten für für Gutes geschehen oder für Uebel abgewendet worden. Und, um es der Nachwelt aufzubehalten, wurden die ersten Denkzeichen in Bilder aufgehangen. Ich glaube, daß diese meine Anfangspriester ehrliche und uneigennützige Leute gewesen, die gehandelt wie sie gedacht. Allein, in der Folge gieng es, wie es zu gehen pflegt. Ein alter Vater, der Kinder hatte, ließ sich jezuweilen seinen Kirchendienst erleichtern. Der Junge, der noch die Gottheit im Holz verehrte, aß mit von dem Opfertisch. Wolleben und keine abmattende Arbeit haben, ist ein erwünschter Zustand. Er suchte seinem Vater im Amte zu folgen. Dazu gehören Verdienste. Er machte sich solche durch sein erfindsames Gehirn, durch Träume und Lügen. Er vermehrte die angebliche Wunderwerke; ersann Weissagungen; hatte Begeisterungen, und schwatzte unbekannte Dinge für den leichtgläubigen Pöbel. Und da haben sie meinen anfänglich dem natürlichen Gesetz nach ganz einfachen Gottesdienst wirklich zu dem ärgsten Greuel umgeschaffen.

Sie werden werden vielleicht sagen, Herr Pfarrer, ich träume mir meine Heiden selbst, wie ich sie haben wolle. Es kann seyn. Wer aber den menschlichen Empfindungen und dem Zusammenfluß unserer unbelehrten Begriffe nachdenkt, wird mir wenigstens eingestehen müssen, daß der allmähliche Lauf meiner Folgerungen nicht ganz ohne Wahrscheinlichkeit sey, und wer weiß, ob wir nicht etwas ähnliches bey unsern aufgeklärten Zeiten antreffen könnten. Ueberhaupt wollte ich aber nur sagen, daß alle Gesetzgeber gute Absichten gehabt, die aber in der Folge durch menschliche Leidenschaften der Hoffart, Ehrgeitzes und Eigennutzes in Laster und Unordnungen ausgeartet. Wir wollen jene politischen Männer, einen Solon, einen Lycurg nicht betrachten, weil sie keine neuen Glaubenslehren eingeführet haben, sondern sich nur der angenommenen bedienten, um ihre Mitbürger im Zeitlichen durch Zucht, Sicherheit und Recht, glücklicher zu machen. Lesen sie aber nur bey einer müßigen Stunde aus des Plutarchs Lebensbeschreibungen, hier in diesem Quartband, den Numa Pompilius, der als der zweyte König des noch rohen, zusammengeraften römischen Volks, sich einer Religion bedienen mußte, um durch übernatürliche Zwangsmittel, durch Geheimnisse, durch ausserordentliche Bewegungen des Gewissens, sich ein gesittetes Volk zu bilden. Er entlehnte die Gottheit der benachbarten Griechen. Er hatte alle fruchtbare Erzählungen des Homers zu seinen Diensten. Von dem Guebre oder Parsis borgte er die stäte Erhaltung eines H. Feuers, und vertraute solches den selbsterdachten Vestalinnen an. Mit einer einzigen unsichtbaren Gottheit hat der sinnliche Pöbel nicht genug. Numa fand es für gut alles mit anzunehmen, was den Zweck bey andern angesehenen Nationen erfüllete, und doch wurden noch in der folgenden Zeit ein Haufen minderer Gottheiten für alle Gelegenheiten, Zustände und Erfordernisse hinzugeschaffen. Der Gesetzgeber war unschuldig, was die Beysätze der Nachkomen betrift. Und eben so gieng es ja bey dem, von dem allwissenden Gott selbst belehrten, auserwählten Volk. Das deutlichste, durch den Finger des Allerhöchsten geschriebene, durch ihren Erlöser Mosen erklärte Gesetz, welches noch dabey mit einer menge feyerlicher Ceremonien, Beobachtungen, Warnungen und Wunderwerken das vollkommene Vertrauen und die Aufmerksamkeit des Pöbels reizen und sich angenehm machen können, wurde bey allen Anlässen, bey jedem Durchzug durch ein fremdes Land, mit denen daselbst angetroffenen Mißbräuchen und falschen Gottheiten vermehret. Ich bewundere mithin gar nicht, daß das einfache, liebreiche und nur auf wenige Hauptsäulen gebaute christliche Gesetz schon zu den Zeiten der Apostel in Mißdeutungen, Beyschläge und Abartungen gegangen, welche seither tausendfach vervielfältiget worden. Dieses ist aber gewiß, Herr Pfarrer daß vor Entstehung der beynahe unzählbaren Menge von Mönchen, Religiosen und Regularen, unser Gottesdienst reiner, der Begriff von einer majestätischen Gottheit viel herrlicher, der Abscheu vor Laster und Sünden stärker, die Trennung von den wahren Glaubenssätzen im Occident seltener, und unser Vaterland im Innern glücklicher gewesen.

Ich sage das im engsten Vertrauen, mein l. Herr Pfarrer; denn es wären beyde unglücklich, wenn so etwas von ihnen oder mir herkommend weiter erzählet würde. Ich würde so arg als Febronius und Lochstein, und Neuberger, und Kollarius, und der einsichtige G-B-g-t. in unsern Tagen, und wie Muratori, Alexander Natalis, Erasmus, Petrus de Marca, Gerson, Petrus de Vinci, Willh. v. St. Amore in ältern Zeiten, verketzert. Denn sie müssen wissen, daß es in allen Zeiten redliche, geschickte, und, wol zu merken, catholische Männer gegeben, die ihre Gedanken frey und nach Hilfsmitteln geseufzet haben. Ich hoffe, was ich oben gesagt, dem Herrn Pfarrer begreiflich zu machen. Unerwiesen sollen sie nichts auf mein Wort glauben. Wir müssen schon wieder auf die ersten Jahrhunderte der Kirche zurückgehen, wenn unsere Urtheile aus der reinen Quelle geschöpfet werden sollen.

Diejenigen, welchen das Glück beschehret gewesen den Heiland der Welt selbst zu sehen, und seine Lehren zu hören, fanden in seinem Wandel, Sitten und Predigten lauter Liebe des Nächsten, gesellschaftliche Tugenden, freundliche Duldung aller Menschen und liebreichen Ruf für die Sünder. Die Apostel und Jünger, welche allein den Befahl, die Gewalt und die Gabe hatten, das christliche Gesetz fortzupflanzen, theilten sich in die nahen und entfernten Gegenden. Sie errichteten ihre Diöcesen noch ganz im Verborgenen. Sie bekümmerten sich nicht um weltliche Macht, sondern blieben für sich der Obrigkeit unterthan; und ihre Lehrlinge haben sie eben auch dahin angewiesen. Sie wollten nicht hoch angesehen seyn. Sie zwangen keinen Menschen zur Aufnahme ihrer Lehrsätze. Alles, warum sie sich kümmerte, war die Offenbarung der Wahrheit und Erklärung des göttlichen Worts. Niemand waren sie beschwerlich, da sie sich mit eigener Handarbeit ihren Lebensunterhalt erwarben. Es hieß bey diesen heil. Männern: Verba docent, exempla trabunt.

Die Heyden, welche vom natürlichen einfachen Gesetz durch ihre eigennützige, verschmitzte und habsüchtige Pfaffen zum Aber- und Irrglauben nach und nach verführet, und nach Art des grossen gemeinen Haufens zu einer unsinnigen Vielgötterey verleitet worden sind; die Juden, bey welchen der kleine öhlreiche Kern des von Gott durch Mosen gepredigten Gesezes mit Füssen getretten wurde, weil ihre Schriftgelehrte für besser oder einträglicher hielten um die Schalen zu zanken, und einander unter dem Namen Pharisäer, Sadducäer und Essäer zu verfolgen: Ich sage Heyden und Juden fanden bey der christlichen Lehre das Einfache der Gottheit wieder. Unser Heiland hatte Matth. VII. 12. den Grundstein des natürlichen Gesetzes zur Hauptregel vorgeschrieben: »Darum, alles, was ihr wollet das euch die Leute thun sollen, das thut ihnen auch; denn das ist das Gesetz und die Propheten.« Der Heyde fand da, was ihm die griechische Philosophen vorgesprochen hatten. Aber er traf auch im V. C. 43. 44. [Matth. 5, 43] noch eine Vollkommenheit an, die der die der menschliche Natur bisdahin nicht unter die moralische Pflichten gerechnet hat. »Ihr habt gehöret, daß gesagt ist, du sollst deinen Nächsten lieben, und hassen deinen Feind. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, thut Gutes denen die euch hassen, und bittet für die, die euch verfolgen und beleidigen.« Diese Gutthätigkeit, die nur am göttlichen Sinn predigen konnte, mußte nothwendig das Vertrauen auf eine Lehre vermehren, welche schon mit der eigenen Ausübung seiner Jünger, und mit offenbaren Wunderwerken bekräftiget war. Nirgends ist anbey ein schweres Joch in den Evangelien den Christen nachgehalset. Von denen noch auf uns fortgepflanzten guten Werken, war Beten und Allmosen geben den Heyden nicht anstößig, und den Juden bereits geboten. Letztere hatten auch nach dem Gesez das Fasten, nicht bloß die Enthaltung vom Fleisch gelernet. Und dieses ist nach der Erklärung beyder geschickter Männer, Don Calmet in seinem biblischen Wörterbuch Art. caresine so wohl, als im zweyten Band der Kirchenhistorie des Abbe Fleury, wo er von den Büchern des Tertullians redet, in den ersten Zeiten nicht geboten, sondern nur von jenen eingeführet worden, die den Ausspruch Christi Matth. XI: 15. Marc. II: 20. als eine Erinnerung über den zeitlichen Verlust des Erlösers und eine Vorbereitung zu dem Osterfest angesehen, oder durch den Trieb der Andacht sich eine Faste auferleget haben. Zumalen die Jünger des Herrn ja selbst, wie der 14. v. des obigen Cap. Matth. beweiset, nicht gefastet haben. Ich bin überzeugt, Herr Pfarrer, daß Andachtsübungen, die nicht als eine unumgängliche Nothwendigkeit befohlen sind, sondern nur angepriesen werden, weit mehrere Nachahmer bekommen. Dem Zufolge glaube ich, daß wirklich die ersten Christen strenger und fleißiger, als wir, gefastet haben. Die Kirche hat uns nun gewisse Zeiten vorgeschrieben. Wir sind schuldig sie zu hören; ich rede also nicht dagegen, sondern ich wollte nur damit beweisen, daß die den Juden und Heiden neben dem Glauben gepredigte gute Werke nicht so enge und so unmenschlich gewesen, als ein Franciscaner, der vom Geißlen, haariger Kutte und Cilicien prediget, und ohne allen Grund daher schwazt. Ich bleibe dabey, die Lehre war einfach, dem natürlichen Gesetz gemäß; die unbegreifliche Geheimnisse glaubte man mit einfältigem Herzen, als nothwendige Folge des Vertrauens das man auf den Lehrer und dessen Jünger hatte. Aller Pracht, alle äusserliche Gepränge, aller Reichtum waren verbannet, weil sich vorzüglich Arme dem Christentum widmeten, die Verfolgungszeiten auch noch nicht gestatteten öffentliche Zusammenkünfte der Gläubigen bey hellem Tag zu veranstalten, und weil man dem Pracht und Aufpuz der Gözentempel und Synagogen nichts nachahmen wollte. Gott verzeihe mirs, Herr Pfarrer, wenn ich ein Gleichniß mache, das unserer Geistlichkeit nicht anständig ist: Aber wenn ich die Vorwürfe und Meynungen der Heyden lese, welche sie den Christen geheget, so finde ich, daß damals die klugen Römer eben den Begriff gehabt haben müssen, den jezt ein sich klug glaubender P. Lector von den Freymäurern hegt. Lesen sie, was Fleury darüber bey Gelegenheit des Gesprächs von Minutius Felix zwischen Octavius und Celilius geschrieben hat.

Indessen siehet man daraus, wie demüthig, und mit was sanftmüthigem Eifer der noch im Verborgenen aufwachsende christliche Haufen, nur mit gutem Exempel, ohne Macht, mithin auch ohne Zwang, Proselyten geworben hat. Freylich haben sich unter diesen im Grund vereinigten Nachfolgern der Apostel schon in den ersten Jahrhunderten Irrlehrer eingefunden. Man brachte über Geheimnisse neue Meinungen auf. Aber man darf auch sagen, l. Herr Pfarrer, daß dieses nur eine Frucht jener Anhänger gewesen, die dasjenige, was über unsere Begriffe ist, mit einem unnüzen Schulgeschwäz erklären wollen, und vielleicht eben dadurch verfinstert haben. Sie waren entweder mit stoischen oder platonischen Logomachien gesättiget, und um ein Bisgen gelehrt zu thun, mußte die edle Einfalt, womit der Christenhaufen undemonstrierliche Geheimnisse glaubte, nun der unsinnigen Ergotterey aufgeopfert werden. Ob der liebe Gott ein Wohlgefallen daran haben könne, daß man Sachen, die seine unendliche Weisheit unserm endlichen Verstand verborgen, mit Gewalt errathen, und als unumstößliche Wahrheiten durch Wortspiele herdemonstrieren wollen, will ich jezo nicht untersuchen: Ich wenigstens zweifle sehr daran. Indessen hat doch die unfehlbare Kirche für gut befunden, die eine Partie dem leidigen Satan als Eigentum zu schenken, die Lehrer der Gegenmeinung aber unter die Schaar der Heiligen zu versetzen. Und mit diesem Ausspruch per majora wollen wir in Gottes Namen zufrieden seyn, Herr Pfarrer.

Daß es aber an Sectirern nicht gefehlet, weil von Ao. 40. bis 100. bereits 14; im zweyten Säc. 42; im dritten aber wieder 29. unterschiedene; mithin 85erley ungleiche Schriftausleger in unserm catholischen Ketzer=Register namentlich aufgezeichnet stehen. Ich mag nicht erwähnen, daß im 4ten Jahrhundert etlich- und 80. andere benennet sind. Und so gab es immer einige frische Recrouten; so daß nur das 9te 10te, und 11te Jahrhundert von neuen Meinungen frey geblieben; vermuthlich weil damals die Laien in der äussersten, die Geistliche aber in einer sehr grossen Unwissenheit vergraben gelegen sind. Im Orient hat die Bilderstürmerey, während dem 8ten Jahrhundert den meisten Lermen gemacht, und neben den Saracenen sind die Kaiser durch die innerliche Zerrüttungen sehr geschwächt worden. Das longobardische Reich war mit den Päbsten in unterschiedliche Händel verwickelt; und da gerade in diesen Zeiten das Christentum allererst angefangen durch die Predigten derer Heiligen Gallus, Kilian, Willibrod, Bonifacius, etc. sich in unserm Vaterlande auszubreiten, so mußten wohl die gröstentheils gezwungene Catechumeni wie das Echo nachsprechen, und glauben was man ihnen vorsagte. Mit dem H. Bonifaz wurden nun auch die Mönche in Deutschland bekannt, verschiedene Klöster fundirt und der Kirche bey uns das erste mächtige Ansehen gegeben. Im 9ten Jahrhundert hatte der Pabst Carln den grossen, und dieser jenen nöthig. Die heiligste Väter Servi Servorum dei, waren durch die Schwäche der griechischen Kaiser schon so kühn geworden, daß sie dann und wann dem Monarchen, ohne dessen Gefallen und Bekräftigung sie nicht Päbste seyn konnten, sehr derbe aus der Entfernung ungestraft zugeschrieben haben. Wir lesen daß bereits Stephanus III. sich von Menschen auf den Schultern tragen lassen. Man giebt der Sache zwar den Anstrich, daß seine Weisheit und Tugenden ihn so liebenswürdig gemacht, ut suorum humeris fuerit deportatus ad Basilicam Lateranensem etc. Gott bewahre mich, daß ich es als einen ausserordentlichen Stolz auslege; aber freylich ist unser Heiland mit einer gelehnten Eselin und seine Jünger mit ihren Füssen zufrieden gewesen. Sonsten könne man freylich auch noch anmerken, daß dasjenige, was diesem Stephano aus Liebe geschehen, bey seinen Nachfolgern eben zu keiner Schuldigkeit hätte werden sollen. Ich wollte nur soviel sagen: Daß, nachdem gedachter Stephanus am ersten unter den Päbsten die Alpen überstiegen und sich mit Pipin in dem Occident gewissermassen getheilt hatte, nachdem Hadrian I. welcher die salutationem & adorationem honorariam der Bilder in Kirchen und Häusern öffentlich befestiget, durch seinen an den fränkischen Hof abgeschickten Nuncius wider die Langobarden um Hilfe gerufen, und nochmals der grosse Carl für Leo III. geleisteten Beystand wirklich zum Kaiser in Occident ausgerufen worden; daß nach allem diesem sich nicht so bald ein Zweifler mehr ganz offen darstellen durfte, um zwey vereinigten Monarchen, die den Glauben mit dem zeitlichen Tod und ewiger Verdammniß sehr überzeugend predigen konnten, zu widerstreben. Bey dieser Vereinigung; bey der unumschränkten Macht des Kaisers, der die ganze weitläufige Monarchie nur durch seine Ministerialen verwalten ließ; bey dem Eifer, den er gesegneter Weise für die Religion hatte; bey der ausserordentlichen Unwissenheit der Laien; (schier hätte ich Versuchung den Kaiser mit auf die Liste zu sezen); und da sich derselbe nothwendig seiner Caplanen als gelehrter Schreiber bedienen mußte, diese Leute aber alle gewissermassen Ordensgeistliche gewesen sind; so können sie gar leicht den Schluß machen, daß, je mehr diese Geistlichkeit an Macht und Ansehen zugenommen, je eifriger sie auf Glücksgüter und zeitliche Regiersucht bedacht gewesen, je weiter sie sich eben dadurch von ihrem ersten Zweck der Demuth, der Handarbeit, der Armuth, des Gehorsams und andächtiger Sitten entfernt haben. Glauben sie nicht daß ich dieses alles selbst erdenke. Ich will ihnen einen Gewährsmann nennen, wider welchen sie nichts einwenden werden. Sie werden finden, daß er alt genug ist sie zu überzeugen, daß es eben keine lange Reihe von Jahren erfordert habe, die Demuth in Stolz, und den Gehorsam in Macht und Ansehen zu verwandeln. Lesen sie hier was der H. Bernhard in seinem Tract de Mor. & Offic Episc. c. IX. schreibet: Miror, quosdam in nostro Ordine Monasteriorum Abbares hanc humilitatis regulam odioso contentione infringere, & sub humili (quod pejus est) habitu & tonsura tam superbe, ut, cum ne unum quidem verbulum de suis imperiis subditos suos praetergredi patiantur, ipsi proliant Ecclesias, ut emancipentur, redimunt se, ne obediant. Non ita Christus.

Indem der grosse Haufen so dachte, und auf eine Menge weltlicher Ausschweifungen verfiel, gab es dennoch immer noch einige wenige, die auf die Reguln zurücksahen. Benedict, Abbt von Unian suchte die verlorne Zucht wieder herzustellen. Man hat noch von ihm den zu Aachen verfertigten Codicem Regularum: Allein, da einmal die Mönche durch ihre bereits besessene, und mit Einführung der Leibeigenschaft sogar, und Feudalrechten ein bisgen tyrannisch vermehret , grosse Güter des Wohllebens gewohnt gewesen; so nahm nach des Fleury Zeugnis die gute Ordnung wieder so schnell ab, daß man gegen das ende des 9ten Jahrhunderts in vielen Klöstern kaum einen Mönch finden konnte, der seine Regul zu lesen im Stande gewesen ist. Auch im 10ten Säculo entstunden abermal einige Verbesserungen, doch ohne lange Dauer. Reichtum und Müßiggang sind keine Stützen für Frömmigkeit und eingezogene Verläugnung der Welteitelkeiten. Anstatt der von dem gemeinsamen heil. Stammvater so ernstlich gebotenen Arbeit, wurde zwar das Chorsingen zu gewissen Stunden eingeführet: Allein, wir wissen es beyde, daß diese Uebungen ohne Andacht und ohne Gegenwart des Geistes bloß mit der Gurgel und den Lippen verrichtet wird, woran dem allerhöchsten Gott eben nicht sonderlich viel gelegen seyn mag.

Und damit ich es kurz mache: Zu Zeiten des H. Bernhards im 11ten Jahrhundert klagte dieser Ordensverbesserer: »Daß zwar die Mönche äusserliche Kutten trügen, die nach den Reguln verfertiget seyen, aber ihre Seelen liessen sie nackend ohne Frömmigkeit, Demuth und andere Tugenden. Er straft an ihnen die Unmäßigkeit ihrer Gastereyen, den Ueberfluß in Kleidern, Betten, Pferden, Gebäuden etc.« Und wenn man die ganze Beschreibung, die er macht, nach des Fleury Uebersetzung im 14ten Band auf das Jahr 1126. zusammen nimmt, so sollte man glauben, dieser heil. Mann habe erst vor wenig Wochen geschrieben. Wenigstens copieren die heutigen Mönche treflich das damalige Original: Nun, dafür wollen wir sie sorgen lassen. Sie haben für ihre Gelübde und Seelen Rechenschaft zu geben; mithin gehet es mich und sie, Herr Pfarrer, nichts an. Sie haben vernünftige, gelehrte Leute; diese werden schon wissen wie man ein Mäntelgen darüber ziehet. Die Päbste aus ihren Orden haben ihnen Privilegien und Dispensen gegeben. Und endlich sind sie auch nicht zu mehrerm verbunden, als wozu sie sich durch einen Eid anheischig gemacht; d. i. so zu leben, wie es in ihrem Kloster heutzutage üblich ist.

Recrouten muß ein jedes Kloster haben. Sehr jung nehmen sie Leute an. Ein Knabe von 15. Jahren der 13. Worte Latein und ein wenig sophistisches Schulgeschwätze, oder etwas Musik versteht & non vitiati corporisnon ... – Man wundert sich, daß selbst die Äbte kleiner Klöster so hochmütig sind und deshalb in der Bevölkerung gehaßt und verachtet werden. ist, der von der Welt keine Kenntnis hat, dem seine Aeltern keine Erziehung gegeben, oder kein Vermögen verlassen können, gehet zu Herbstzeiten, gegen das Ende des Schuljahrs mit einem vergoldeten Buch, das man Prämium nennt, in die Vacanz. Er kommt in eines oder mehrere solche Klöster. Man giebt ihm da zu essen und zu trinken. Die Herren sind freundlich mit ihm. Der Hr. Prälat examiniert den Buben und schenkt ihm etwas. Das Wohlleben stehet ihm an. Er siehet keine von Fasten, Sorgen und Arbeit ausgemergelte Körper. Er findet, daß die Hrn. Beamte, alle Weltpriester und das Volk, jedem Geistlichen, so bald er nur Pater geworden, mit gebeugtem entblößtem Haupt so viel, wo nicht mehr, Ehre, Respekt und Unterwürfigkeit bezeugen als dem Junker in seinem Dorf. Der Herr Prälat, die Hofherren, denkt er, sind auch wie ich in das Kloster gekommen; und warum sollt ich es nicht ebenmäßig werden können? Der Beruf ist damit fertig. Der Jüngling hält an und wird aufgenommen. Und da haben sie einen Kirchenpater in herbis. Trift den jungen Menschen das Glück, daß er einen vernünftigen Moderatorem oder Novizenmeister bekommt, so kann er einen wakern Mann geben. Wiewol er doch allemal gut mönchisch studieren, und nur wissen oder lesen darf, was man ihm vorlegt. Ich kenne, sagte er, rechtschaffene Leute darunter, die mehr denken, als sie sagen und schreiben dörfen. Aber, der grosse Haufe ***


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