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Im Lager der Apachen.

In dem während der letzten zwei Stunden so ruhigen Thal herrschte ein bewegtes Leben und Treiben. Die Krieger, welche die kurze Zeit der Ruhe benutzt, sprangen empor und ergriffen ihre Waffen, die Häuptlinge erteilten kurze Befehle, und vom Eingang der Schlucht her wieherten und stampften die Pferde, die ihre neuen Hüter mit jener untrüglichen Genauigkeit der Indianer in Beziehung auf Zeit und Ort von dem Weideplatz fast zur Sekunde des Mondaufganges nach dem Lager getrieben hatten.

Wonodongah hatte unbeweglich auf seinem alten Fleck gesessen, gleichsam als Wächter vor dem Zelt der schönen Spanierin. Er wußte, was folgen würde, und hatte beschlossen, sich ohne Widerstand darein zu fügen, da dieser doch vergeblich sein und nur das Handeln seiner Freunde für ihn erschweren mußte. Aus der Aufregung der Apachen und ihren Erzählungen am Nachmittag, als die Verfolger der Flüchtigen zurückkehrten, wußte er, daß die Zahl dieser Freunde sich jetzt nicht mehr auf Eisenarm allein – den Yankee hatte er ohnehin nicht gerechnet – beschränkte. Nur darüber war er zweifelhaft, ob die Apachen ihn selbst bei ihrem Unternehmen gegen die Hacienda mit sich führen oder ihn unter Bewachung in dem Lager zurücklassen würden.

Dieser Zweifel sollte jedoch bald gehoben werden. Der »Graue Bär« in Begleitung von vier oder fünf bewaffneten Kriegern näherte sich der Stelle, wo er saß und stellte sich vor ihn.

»Die Krieger der Apachen,« sagte er, »sind im Begriff, das Unrecht zu strafen, das die Bleichgesichter allen roten Männern angethan. Eine Rothaut hat verweigert, an ihrer Seite das Kampfgeschrei zu erheben. Sie wird dafür sterben auf den Trümmern des steinernen Hauses. Aber wir dürfen einen tapferen Krieger nicht in unserem Rücken zurücklassen, wenn er nicht sein Wort verpfändet, daß die Apachen ihren Gefangenen hier wiederfinden werden.«

Der Toyah sah seinem Feinde ruhig in das Gesicht. »Ich verstehe Dich, Gileno,« sagte er, »aber der Jaguar ist nicht gewohnt, müßig zu bleiben, wenn er eine Hand für seine Freunde erheben kann. Hier sind meine Arme; die Apachen sind Weiber, sie vermögen nicht den Adler zu halten, der seine Schwingen regen kann!«

Der Häuptling antwortete nur mit einem stummen Wink; zwei der Krieger traten vor und faßten die Arme des Comanchen. Er ließ sich stolz, ohne den geringsten Widerstand zu zeigen, an den Pfahl führen, an dem vorher der unglückliche Kentuckier festgeschnürt war, und dort anbinden, so daß er keines seiner Glieder zu regen vermochte.

Trotz dieser gefährlichen Lage schwoll das Herz des jungen Kriegers in Freude, weil er jetzt wußte, daß die Bande nicht beabsichtigte, ihn mit sich zu schleppen.

Während der Graue Bär in dieser Weise mit seinem Gefangenen verfuhr, hatte der Häuptling der Mescaleros sich auf einer anderen Stelle beschäftigt.

Lord Drysdale hatte sein kleines Reisezelt, das die Bande bei dem Überfall am vorigen Abend durch die Vorsorge des Couriers mitgeschleppt hatte, absichtlich mitten in der Schlucht und zwischen den Lagerstätten der beiden Stämme aufschlagen lassen, um seinen wilden Bundesgenossen nach dem schlauen Rat des Mestizen damit einen Beweis seines Vertrauens zu geben. Er beabsichtigte keineswegs, sich an dem Überfall der Hacienda zu beteiligen, da er wußte, daß sein Feind mit der Hauptschar der Abenteurer noch nicht eingetroffen sein konnte, und es seinem Gefühl widerstrebte, sich an Scenen des Mordes und der Plünderung zu beteiligen, wenn nicht dabei der Zweck seiner traurigen Irrfahrt erreicht werden konnte. Auch hatten die Häuptlinge bis jetzt keineswegs das Verlangen an ihn gestellt, sie bei ihrem Vorhaben zu unterstützen, sei es, daß sie dem neuen Bundesgenossen noch nicht recht trauten, sei es, daß sie fürchteten, er könne ihnen bei ihren Bewegungen nur hinderlich werden; der Lord und sein unglücklicher Gefährte hatten sich daher in das Innere des kleinen Zeltes zurückgezogen, während der Courier vor dessen Eingang sein Lager aufgeschlagen hatte und jetzt, müßig auf seine Ellenbogen gestützt, dem Gewühl des Aufbruchs zuschaute.

Zu ihm wandte sich mit seinem schleichenden, katzenähnlichen Tritt der einäugige Häuptling.

Volaros bemerkte ihn nicht eher, als bis der Mescalero ihm die Hand auf die Schulter legte und vertraulich neben ihm niederhockte.

»Die Krieger der Apachen,« sagte der Wilde, »sind im Begriff, gegen ihre Feinde zu ziehen. Warum ist der Wandernde Tod nicht an ihrer Seite?«

»Du hast in dem Kriegsrat gehört, daß Se. Excellenz nur gegen die langen Messer kämpfen wird, die über das Meer gekommen sind,« erwiderte der Courier. »Der Engländer ist ein großer Krieger, aber er spart seine Kräfte für die schlimmeren Feinde auf und überläßt seinen Freunden, den Apachen, alte Leute, die sie in dem Hause des reichen Mannes finden werden. Der Anteil eines großen Häuptlings, wie er ist, würde den Gewinn seiner Freunde schmälern.«

Die Antwort war ziemlich schlau auf die Habsucht des Wilden berechnet, würde ihn aber schwerlich ganz zufriedengestellt haben, wenn die Häuptlinge nicht schon, wie vorhin erwähnt, beschlossen gehabt hätten, den seltsamen Bundesgenossen gleich ihren Gefangenen im Lager zurückzulassen.

»Die Kinder einer roten Mutter,« fuhr der Mescalero fort, »haben geglaubt, daß ihre Feinde auch die Feinde ihrer Freunde sein müßten. Aber sie haben die Pfeife mit dem Sohn der großen Mutter aus Sonnenaufgang geraucht und vertrauen ihm. Er wird ihre Weiber und ihre Habe beschützen, während sie sich auf dem Kriegspfade befinden. Sie sind bereit, ihm den Befehl über dies Lager zu übergeben.«

»Ich fürchte, Häuptling,« sagte der Mestize vertraulich, »dieser Fremde wird sich auch damit nicht befassen wollen. Du hast erfahren, daß er sehr freigebig ist, aber diese Engländer sind ziemlich seltsame Käuze und so eigensinnig wie ein Maulesel. Nur davon magst Du überzeugt sein, daß, wenn es wirklich einem gefährlicheren Feinde gelten mag, dieser Mann mit dem blutlosen Gesicht das Blut nicht schonen wird!«

Die Schwarze Schlange betrachtete den Verteidiger des Engländers mit einem Ausdruck boshafter Schadenfreude.

»Der Eilende Wind redet gut,« sagte der Mescalero. »Der Mann mit zwei Vätern ißt das Brot dieses Fremden. Aber er irrt sich, wenn er meint, daß die Apachen nur mit mexikanischen Weibern fechten werden. Hat mein Sohn von meinen jungen Kriegern nicht den Namen des Crucifero gehört?«

»Ich erinnere mich dessen, Schlange. Er wird unter den Verteidigern der Hacienda sein. Ich habe sogar gehört, daß der Bursche den Ruf eines schlimmen Feindes der Rothäute hat. Aber ein Tapferer macht noch keine Armee, und es fehlt Euch nicht an tüchtigen Kriegern.«

»Mein Sohn würde eine schlimme Stunde zubringen,« sagte der Indianer lauernd, »wenn er dem Crucifero gegenüber stehen sollte.«

»Pah! Er ist ein Mensch wie ein anderer, und führt er eine gute Büchse, so sind mein Auge und meine Hand nicht minder sicher. Ich fürchte ihn nicht, und wenn er der Teufel selbst wäre!«

Der einäugige Häuptling beantwortete die Prahlerei mit einem höhnischen Lächeln.

»Mein Sohn hat ein schlechtes Gedächtnis!« sagte er. »Er hat vergessen, daß wir bereits früher zusammengetroffen sind.«

»Wir beide, Mescalero? – Da irrst Du Dich! Ich habe zwar viel von Dir gehört, aber der Zufall hat gewollt, daß ich immer nur mit den südlichen Stämmen Deiner Nation zu thun gehabt habe. Der Fliegende Pfeil und der Springende Wolf kennen mich.« Die dunkle Röte, die bei der so unerwarteten Bemerkung des Indianers sein Gesicht überflogen hatte, strafte diese Ableugnung Lügen.

»Fünf Sommer,« bemerkte der Häuptling, »sind nicht genug, um einen Mann unkenntlich zu machen, auch wenn er die Haare um seinen Mund wachsen läßt, wie ein Waschbär. Hugh! Der Eilende Wind möge sich an die Ufer des Sees mit dem grünen Wasser Der See Aquaverde. erinnern. Die Tochter des Mannes, den er nicht fürchtet, hat nur drei Monden in dem Wigwam eines Häuptlings gewohnt.«

Das Gesicht des Couriers war leichenblaß geworden bei diesen Worten, und er starrte den Redner an, als sähe er ein Medusenhaupt.

»Heilige Jungfrau!« stammelte er, »Rothaut, was willst Du damit sagen? Jener Mann, den Ihr den Kreuzträger nennt, wäre doch nicht …«

Er hatte mit dem Ausdruck des Entsetzens und der Furcht krampfhaft den Arm des Häuptlings ergriffen. Seine blauen Lippen zögerten, den Namen auszusprechen, und sein ganzes, sonst so sicheres und freches Wesen war wie mit einem Schlage verschwunden.

Der Häuptling nickte ihm grinsend zu und schien sich an seinem Schrecken zu erfreuen. »Der Eilende Wind,« sagte er, sich erhebend, »fliegt durch die Prairie, aber die Kugel des Crucifero ist schneller als sein Roß. Mein Sohn weiß, daß die Rache süß ist, aber er wird jetzt auch wissen, daß für ihn allein Sicherheit bei seinen Freunden, den Apachen, ist. Wir sind seiner Treue gewiß!« und er stimmte in den langgezogenen Ruf ein, mit dem soeben sein Gefährte ein Kommando zum Aufbruch rief.

Binnen fünf Minuten waren alle Krieger auf dem Rücken ihrer Pferde. Die Häuptlinge erteilten ihre letzten Weisungen an die zurückbleibenden Wächter, und der wilde Zug brauste in den phantastischen Lichtern und Schatten des Mondscheins gleich einem Heer finstrer Nachtgeister dahin.

Obschon Makotöh und Wiskontah fast alle Krieger ihrer Banden zu dem Angriff auf die Hacienda mitgenommen und nicht im entferntesten ahnen konnten, daß sie gefährliche Feinde in ihrem Rücken zurückließen, so hatten sie doch keineswegs die nötigsten Vorsichtsmaßregeln versäumt. Ein erfahrener Krieger und Häuptling, den das Alter nicht mehr für die raschen Bewegungen des Überfalls geeignet erscheinen ließ, aber zugleich nur strenger und grimmiger gemacht hatte, war mit neun Indianern zum Schutz des Lagers und zur Bewachung der Gefangenen, wohl auch der neuen Bundesgenossen, zurückgelassen. Der Medizinmann und die Weiber bildeten außerdem eine hinlängliche Macht, um einen vereinzelten Angriff abzuwehren.

Der alte grimmige Krieger, dessen Name, von der eigentümlichen Bildung seines Gesichts hergenommen, »Nachteule« war, stellte alsbald zwei Posten an dem Eingang der Schlucht aus, ließ die Feuer aufs neue anschüren und setzte sich an einem von ihnen nieder, wo er den gefesselten Comanchen im Auge hatte, den er mit finstern, haßvollen Blicken betrachtete. Der Wahrsager hatte sich zu ihm gesellt, und beide rauchten, über irgend einer Bosheit oder Teufelei brütend, die Pfeifen, während die Weiber und die anderen Wächter mit jener Gleichgültigkeit gegen die Gefahr ihrer Angehörigen im Kampf die Ruhe suchten. Der Toyah stand unbeweglich an seinen Pfosten gefesselt und bald unterbrach nichts mehr die Stille des Lagers, als von Zeit zu Zeit ein Schnarchen der Schläfer oder ein leises Wimmern, das von einer im tiefen Schatten der Felsen liegenden Stelle herzukommen schien.


Der Augenblick des Abzugs der Bande war derjenige, in welchem die junge Comanchin ihren Freunden auf der Höhe über der Schlucht den kühnen Entschluß kundgab, sich wieder in das Lager der Apachen, also in den Rachen des Wolfes zu begeben.

Da die erste Viertelstunde nach dem Abzug noch unter dem Geschwätz der Weiber und den lauten Vorbereitungen für die weitere Wache hinging, konnte die Verhandlung auf der Höhe des Felsens ohne größere Besorgnis der Entdeckung geführt werden.

Den jungen Offizier berührte die Antwort des Mädchens auf seine Frage, die wir am Schluß des vorigen Kapitels mitteilten, wie ein Donnerschlag. Er wußte sich selbst keine Rechenschaft zu geben von dem Interesse, das er an der jungen Indianerin nahm, aber er fühlte, daß er ohne Zögern sein Leben für die Retterin des seinen opfern könne, und konnte den Gedanken nicht fassen, daß er müßig zusehen solle, wie sie schutzlos sich aufs neue in die Hände der Wilden liefere.

»Nimmermehr!« sagte er entschlossen, »als Mann und Offizier werde ich es niemals zugeben, daß dieses tollkühne Wagnis stattfindet. Eisenarm, Kreuzträger, Sie werden mir beistehen, das Mädchen von diesem Gedanken zurückzubringen!«

»Und dennoch wird er ausgeführt werden müssen, wenn der Jaguar nicht geopfert werden soll,« sagte der Kanadier. »Es sind elf solcher Schufte unten, die uns genug zu schaffen machen werden, und ich kenne diese Teufel hinlänglich, um zu wissen, daß jedes alte Weib noch dem gefangenen Todfeind ihres Stammes das Messer in das Herz stoßen würde, ehe sie seine Befreiung zuließe, selbst auf Kosten ihres eigenen Lebens. Der Gefangene muß also einen Freund in seiner Nähe haben, der ihm im Augenblick der Not die Mittel giebt, sich selbst zu verteidigen. Wonodongah ist im Besitz meines Messers; ich habe es selbst gesehen, daß er es glücklich aufnahm; er muß es in einem Versteck verborgen halten, sonst würden es die Schelme sicher entdeckt haben, als sie ihn dort an den Pfahl schnürten.«

»Aber Comeos Flucht muß den Verdacht der Indianer erregt haben,« warf der Offizier ein, »man wird sie töten oder wenigstens mißhandeln und festnehmen, wenn sie es wagt, wieder das Lager zu betreten!«

»Auch dafür hat es keine Gefahr,« meinte der Jäger. »Das Mädchen hat ihre Entfernung schlau genug angefangen, diese Burschen sind sicher in dem Glauben, der verliebte Häuptling der Mimbrenos habe sie mitgenommen in sein Lager. Es kommt uns jetzt zu statten, daß unser alter Freund da die Vorsicht hatte, ehe wir die Pferdehüter überfielen, aus dem Mädchen einen so hübschen Prairiejungen zu machen, als nur je einer die Büffel gejagt hat, und diese Schufte müßten noch schärfere Augen gehabt haben, als sie ohnehin besitzen, wenn sie bei der Flucht in solcher Entfernung den kleinen Betrug erkannt haben sollten. Das einzige Augenpaar, das sie in der Nähe gesehen, hat der Schuß Windenblütes selbst geschlossen, und Sie werden nicht glauben, Monsieur, daß ein Weib, bloß weil es eine dunklere Farbe hat, als Sie, weniger für ihren leiblichen Bruder zu thun bereit ist, als für einen Fremden.«

Dieser Bemerkung gegenüber verstummte der Preuße; er fühlte, daß er sich der größeren Einsicht und Erfahrung der beiden Älteren fügen müsse und bestand nur noch darauf, daß Comeo wenigstens zu ihrem Schutz seinen Revolver mitnehmen solle, von dem sie bereits einen so mutigen und geschickten Gebrauch gemacht hatte. Aber auch hierin widersprach ihm unter Zustimmung des Kreuzträger der Trapper, indem er als Grund anführte, daß die Waffe leicht von den Wilden bemerkt werden könnte und dann ihr Mißtrauen erwecken müßte.

So wurde denn beschlossen, daß das junge Mädchen allein ihrer angeborenen Klugheit in der Benutzung des günstigen Augenblicks überlassen werden solle.

Es fand zunächst, als das Dringendste, eine kurze Beratung über die Art und Weise statt, in welcher der Angriff zur Befreiung der Gefangenen erfolgten solle. Bei der großen Übermacht der Gegner und der mangelhaften Bewaffnung – die Zahl der kühnen Abenteurer bestand uns nur vier Männern, den jungen Diaz eingerechnet, und ihre Bewaffnung aus drei Büchsen, einer schlechten Flinte und zwei Messern und dem Revolver des Offiziers, – mußte jeder Schritt genau vorher erwogen werden.

Dem Angriffsplan gemäß sollte der Trapper seine junge Pflegebefohlene, gleichsam sein Mündel, mit Diaz bis in die Nähe der am Eingang der Schlucht ausgestellten Schildwachen begleiten, während Kreuzträger und der junge Offizier auf der Höhe der Felsen zurückblieben. Diese Wahl war zum Verdruß des Preußen und vielleicht auch nicht ganz nach dem Wunsch der Indianerin, ausdrücklich von Eisenarm selbst getroffen worden, er fürchtete, daß das Ungestüm des Offiziers ihn in der Sorge für Comeo leicht zu einer Unvorsichtigkeit hinreißen und so den ganzen Plan vereiteln könnte.

Der Abschied war kurz, obschon jeder fühlte, daß es leicht ein Abschied für das Leben sein könne! Ein kurzer Händedruck, dann verließen Comeo, der Kanadier und der junge Vaquero die schützende Stätte und waren gleich darauf hinter den Felsen verschwunden.

Der Offizier erklärte jetzt seinem bejahrten Gefährten, daß er den früheren Beobachtungsposten Comeos am Rande der Felsen, wo er die Aussicht auf den Grund der Schlucht hatte, einnehmen wolle, und nachdem der Kreuzträger ihn in ein sicheres Versteck geleitet hatte, entfernte sich dieser, ohne sich weiter die Mühe zu nehmen, dem jungen Mann seine Absicht mitzuteilen.

Eine Stunde war auf diese Weise in tiefer Stille vergangen, und der Stand des Mondes zeigte die erste Morgenstunde. Der Wegweiser war zu seinem Gefährten zurückgekommen und hatte neben ihm seinen Beobachtungsposten angenommen. Er schien von dem Ergebnis seines Streifzuges sehr befriedigt, denn er rieb sich die Hände und flüsterte dem Offizier zu, es sei, wie er bei der gewohnten Fahrlässigkeit der Rothäute sich gedacht, und sie würden die Mittel finden, in jedem Augenblick mit leichter Mühe in die Schlucht zu gelangen.

Während auf dem Grunde derselben anscheinend alles in tiefer Stille geblieben, war dies in Wirklichkeit doch nicht der Fall. Die Nachteule und sein Gefährte, der Medizinmann, vertrieben sich die Zeit auf ihrer Wache mit verschiedenen Plänen, welche Marter sie den Gefangenen, die bereits in ihren Händen waren, und die noch hinein geraten würden, anthun könnten, und als jetzt ein neues stärkeres Wimmern ihre Aufmerksamkeit erregte, versuchte der Wahrsager mit aller ihm zu Gebote stehenden Beredsamkeit den nunmehrigen Kommandanten des Lagers für eine Handlung abscheulicher Bosheit zu gewinnen.

»Die Eule der Apachen,« sagte er, »hat niemals erfahren, was es heißt, die Faust eines Bleichgesichts an seiner Kehle zu haben. Ihr Tomahawk hat den weißen Männern den Schädel gespalten, ehe sie ihren Hals erreichen konnten. Es sind Hunde, aber ihre Sehnen sind stark und ich war dem Tode sehr nahe. Die Nation der Mescaleros hätte ihren weisesten Medizinmann verloren und die Nachteule einen Freund, der dafür sorgen wird, daß der Name eines tapfern Kriegers in seinem Volke fortlebt.«

Der alte Häuptling begnügte sich mit dem gewöhnlichen Ausruf, mit welchem die Indianer ihr Interesse und ihre Aufmerksamkeit ausdrücken.

»Der große Geist liebt vor allem seine Diener. Er wird zürnen, daß man ihn in meiner Person beleidigt hat, ohne daß der Beleidiger dafür den Tod empfangen.«

Der alte Krieger lächelte grimmig, indem er die Hand auf die Schulter des Rachsüchtigen legte.

»Mein Vater will ein Medizinmann sein,« sagte er, »und er weiß nicht, daß die Schmerzen jenes Bleichgesichts schlimmer sind, als der Tod?«

»Sie sind noch viel zu gering für ihn,« rief mit Erbitterung der Wahrsager. »Die Nachteule möge ihn in meine Hand geben und sie soll sehen, daß jenes Stöhnen wie der Gesang des Spottvogels klingt gegen das Geschrei, was ich ihn erheben machen will. Aber die Eule ist kein Häuptling mehr unter den Gilenos, sie fürchtet den Zorn Makotöhs!«

Dies war die empfindlichste Reizung, die dem alten Krieger angethan werden konnte, und sein faltenreiches Gesicht färbte sich augenblicklich mit der dunklen Glut des Ärgers.

»Rakongah, die Nachteule der Gilenos,« rief er prahlend, »war ein Häuptling seines Volkes, als die Mutter des Grauen Bären ihn noch in der Wiege von Birkenrinde an den Stangen ihres Wigwams schaukelte. Seine Hand tötete den Büffel und schlug die Bleichgesichter, als Makotöh noch den Bogen der Knaben nicht spannen konnte. Die Stimme Rakongahs wird gehört in seinem Volke und keiner wird ihm verbieten, zu thun, was er für gut findet.«

»So möge er es beweisen,« sagte der Wahrsager trocken, »indem er mir gestattet, jene Unke ihr Totenlied singen zu lassen.«

»Nimm ihn! er möge sterben!«

Der rachsüchtige Priester – denn als solche sind die Gaukler und Medizinmänner unter den Indianern zu betrachten, – ließ sich dieses nicht zweimal sagen, sondern stand sogleich auf und begab sich nach der dunklen Stelle, von der das jammervolle Stöhnen die ganze Zeit über erklungen war. Einige Augenblicke darauf sahen die Lauscher auf der Höhe der Felswand ihn einen dunklen Gegenstand herbeischleifen, der sich, in die Nähe des Feuers gebracht, als der hilflose Körper eines Menschen auswies.

Der Leser wird sich erinnern, daß Kreuzträger und der Offizier am Tage vorher mit ihren Gefährten sich auf dem Rückzug vor den Wilden und im Kampfe mit denselben befanden, als das Ringen zwischen dem gerade nicht sehr achtungswerten, aber mindestens tapfern und unerschrockenen Kentuckier und dem Wahrsager stattfand, also auch von dessen Folgen nichts bemerkt hatten. Sie erkannten daher den Unglücklichen, der, aller Kleider beraubt, jetzt von seinem erbitterten Feinde herbeigeschleppt worden, nicht sogleich. Aber der Anblick war so gräßlich, daß er nichts desto weniger ihre volle Teilnahme in Anspruch nehmen mußte und der Offizier nur mit Mühe einen Schrei des Entsetzens unterdrücken konnte.

Es war in der That John Meredith, den der Wahrsager herbeigeschleppt und jetzt mit dem Oberkörper an den zweiten Pfahl gelehnt hatte, an den bei der Marter am Nachmittag sein glücklich entkommener Gefährte gebunden gewesen war.

Welcher Verbrechen der Kentuckier sich in seinem Leben auch schuldig gemacht haben mochte – und es waren deren gewiß nicht wenige! – die entsetzliche Strafe, die ihm geworden, mußte dieselben sühnen. Der Kopf des Unglücklichen bildete eine einzige blutgeronnene Masse. Der Kentuckier war von der Hand seines anfangs besiegten Feindes, wie wir wenigstens angedeutet haben, skalpiert worden und seine Kopfhaut mit dem vollen dichten Haupthaar bereits an dem aus einer bemalten Büffelhaut bestehenden Mantel desselben als schreckliche Zierde befestigt. Aber der kräftige Mann hatte die entsetzliche Operation überlebt und selbst die unsäglichen Schmerzen bisher überstanden; denn die Grausamkeit der Apachen hatte ihn nach der Skalpierung in einem Winkel des Grundes liegen lassen, ohne daß sich einer um sein Wimmern und sein Leiden anders kümmerte, als daß man diese noch verhöhnte. Seine Hände und Füße waren gebunden geblieben, und so hatte er selbst sich nicht die geringste Hilfe leisten und nur darin eine Linderung suchen können, daß er den wie Feuer glühenden Schädel an die Steine und die kühlere Erde drückte.

Es ist unglaublich, welche körperlichen Leiden der Mensch zu überstehen vermag, ehe die unsterbliche Seele sich von dem Körper scheidet. Hundertmal in diesen langen Stunden hatte der Unglückliche nach dem Tode gerufen, und seine wilden Flüche hatten sich mit den Resten der Gebete vermischt, die noch aus einer unschuldigeren Kindheit und vielleicht den Lehren einer frommen Mutter in seinem Gedächtnis zurückgeblieben waren, bis seine Kraft brach, und er nur noch halb bewußtlos in Stöhnen und Wimmern seinen Schmerz äußern konnte. Aber der Tod war nicht gekommen, seine Leiden waren noch nicht zu Ende!

Die Klagelaute seines Opfers schienen dem in jeder teuflischen Quälerei wohlerfahrenen Gaukler nur Freude und Genugthuung zu gewähren, und mit einer wahren Wollust bereitete derselbe die neuen Martern vor, während er von Zeit zu Zeit einen boshaften Blick hinüber nach dem anderen an seinen Pfahl gefesselten, aber zu seinem Bedauern seiner Macht entzogenen Gefangenen warf, wie um auch ihn an die bevorstehenden Qualen zu erinnern.

Der alte Wegweiser drückte in ihrem Versteck krampfhaft die Hand seines Gefährten. »Die heilige Jungfrau sei ihm gnädig,« flüsterte er. »Es ist wahrhaftig der arme Teufel, den wir am Nachmittag mit an den Marterpfahl gebunden sahen. Was hat der Schurke mit ihm vor? Ich wollte einen Finger meiner Linken drum geben, wenn wir das Zeichen Bras-de-Fers hörten, damit meine Kugel dem Satan das Spiel verderben könnte!«

Der ehrliche und menschenfreundliche Wunsch des Wegweisers ging aber nicht in Erfüllung; weder von Comeo noch ihren Begleitern ließ sich eine Spur erblicken, und der indianische Zauberer konnte ungestört die Vorbereitungen seines scheußlichen Vorhabens vollenden; diese bestanden darin, daß er aus dem Feuer in den Schoß seines Mantels eine Anzahl glühender Kohlen sammelte.

Die Nachteule sah ihm mit stoischer Ruhe, ihre Pfeife rauchend, zu, ohne ein Zeichen der Zustimmung oder Mißbilligung zu geben; für ihn war der Skalpierte ein Gegenstand vollster Gleichgültigkeit.

Der Medizinmann trat jetzt zu dem Verstümmelten, und mit einem teuflischen Lachen schüttete er einen Teil der glühenden Kohlen auf den seiner Haut beraubten blutrünstigen Schädel. Der Kentuckier stieß ein Geheul des Schmerzes aus, das weithin in den Felsen ein schreckliches Echo weckte. Da seine Arme und Füße noch immer gefesselt waren, vermochte er nicht, sich von dieser glühenden Asche zu befreien, die an dem blutigen Schädel festklebte und bis in das Hirn hinein zu brennen schien. Er wälzte sich unter dem Hohngelächter und dem Frohlocken seines Feindes wie ein rasendes Tier auf dem Boden, und sein Gebrüll versammelte in wenigen Augenblicken die erweckten Schläfer um die schreckliche Scene und rief selbst den Lord mit seinem Begleiter und die erschrockenen Damen aus ihren Zelten.

Die Weiber und Krieger bildeten einen Kreis um das Opfer dieser boshaften Rache, innerhalb dessen der gefürchtete Zauberer mit grotesken Sprüngen und seine wilden Beschwörungen zeternd, den Unglücklichen umtanzte, wobei er von Zeit zu Zeit frische Kohlen auf den Kopf des Ärmsten zu werfen suchte. Die Scene war zu sehr nach dem Geschmack der grausamen Krieger und alten Hexen, als daß sie ihr hätten Einhalt thun sollen, und der Lord wurde von dem Mestizen daran verhindert, der ihn fast mit Gewalt abhielt, sich einzumischen.

Zweimal hatte der Kreuzträger seine Büchse erhoben, um der schändlichen Mißhandlung ein Ende zu machen, aber ein Blick auf den gefesselten Comanchen, der unbewegt auf die Qualen des Unglücklichen niedersah, ließ ihn wieder der Klugheit Gehör geben. Dennoch hätte er vielleicht ihr Gebot aus den Augen gesetzt, wenn nicht in diesem Augenblick von einer andern Seite dem Leidenden Beistand gekommen wäre.

Der Kreuzträger und der Offizier sahen nämlich plötzlich die schlanke Gestalt Windenblütes aus dem Schatten auftauchen, und mit leichtem Schritt über den Platz eilen. Sie stieß furchtlos die über diese Kühnheit erstaunten Krieger und Weiber zur Seite, trat zu dem sich in Todesschmerzen krümmenden Mann und streifte mit sicherer Hand die Asche von seinen Wunden. Dann sprang sie behend zu dem Steinbecken, in dem sich das Wasser der Bergquelle sammelte, tauchte ihr wollenes Tuch in die kühle Flut und legte dasselbe zurückkehrend auf den rauchenden Schädel des Kentuckiers.

Ein Blick unbeschreiblichen Dankes aus den blutunterlaufenen Augen des Mannes lohnte ihr.

Der Zauberer hatte anfangs, ganz starr über dies Beginnen, das Mädchen schweigend gewähren lassen, jetzt aber brach sein Zorn aus.

»Was untersteht sich die Tochter einer Comanchen-Hündin?« schrie er erbittert mit drohenden Gebärden. »Will die verlaufene Dirne die Peitsche ihrer Herren auf den Schultern fühlen, daß sie ein dem großen Geiste gebrachtes Opfer stört?«

Comeo war ruhig neben ihrem Schützling stehen geblieben, als hätte sich das, was sie gethan, ganz von selbst verstanden. Nur ein flüchtiger Blick hatte den Bruder gestreift, aber sein Ausdruck ihn bedeutet, daß der Moment der Entscheidung gekommen und ihre Aufgabe allein sei, die Aufmerksamkeit von ihm abzulenken.

»Der große Geist,« sagte die Jungfrau ruhig, »hat den Apachen wie den Comanchen die Medizinmänner gegeben, daß sie mit ihrer Weisheit die Wunden und Krankheiten heilen sollen, nicht die Schmerzen vermehren. Der große Zauberer der Mescaleros muß ein sehr schwarzes Herz in der Brust tragen, daß er eines Sterbenden spotten kann.«

Der Zauberer that einen Sprung vor Wut über diese dreiste Erwiderung. »Schleppt sie hinweg, die Tochter einer räudigen Hündin!« schrie er. »Sollen wir uns von dieser Thörin gebieten lassen, die in unser Lager kommt und geht, wann sie will? Wenn sie es wagt, noch ein Wort zu reden, soll sie die Strafe des Bleichgesichts teilen! Ist der Häuptling der Gilenos ein Kind geworden, daß er sich von einem Weibe Trotz bieten läßt?«

Der grimmige alte Häuptling hatte in der That die Einmischung der jungen Comanchin ebenso übel vermerkt, wie sein Gefährte. Er streckte die Hand drohend gegen das Mädchen aus und sagte gebieterisch: »Die Krieger der Comanchen haben den Tomahawk von sich geworfen und kochen an ihren Feuern, indes ihre Weiber durch die Prairie laufen. Wo ist die Tochter eines fremden Stammes während einer Nacht und eines Tages gewesen, daß sie aufs neue wagt, ihr Angesicht unter meinem Volke zu zeigen?«

Mit der Schlauheit ihres Geschlechtes umging das Mädchen, das zu stolz war, zu lügen, die Frage.

»Ist Mechocan, der Fliegende Pfeil der Mimbrenos nicht ein Häuptling?« erwiderte sie. »Er ist auf dem Kriegspfad gegen die Bleichgesichter, und ein Mädchen ist zu ihren Freunden zurückgekehrt, um auf seine Rückkehr zu warten.«

Die Antwort stimmte zu sehr mit der Annahme überein, die man im Lager der beiden Stämme über das Verschwinden des Mädchens gehegt hatte, als daß sie Verdacht hätte erregen können. Um die Moralität dieser Erklärung kümmerte man sich weniger. Der alte Häuptling begnügte sich daher, zu sagen: »Es ist gut! Die Weiber eines Comanchen sind dazu da, das Lager eines tapferen Apachen zu versüßen, aber sie dürfen sich nicht in das Thun der Männer drängen. Geh' zu dem Feuer der Weiber, und die Strafe soll Dir geschenkt sein.«

Die junge Toyah rührte sich nicht von ihrem Platz – ein Seitenblick hatte sie belehrt, daß die gefangene Haciendera sich eben ihrem Bruder näherte.

»Bringt die Dirne weg und braucht die Peitsche!« schrie der Zauberer.

Ein kurzer stöhnender Laut ließ sich vom Eingang der Schlucht her vernehmen, wurde aber nur von der Bedrohten bemerkt, die ihren Kopf horchend zur Seite neigte.

Einige der Weiber, alte Hexen, die dem schönen Mädchen aus einem ihnen verhaßten Stamme ohnehin feind waren, wollten sie in der That ergreifen, aber Comeo wehrte ihnen mit einer ruhigen Gebärde.

»Ich bin gekommen, diesen Mann zu beschützen,« sagte sie, »nur Feiglinge mißhandeln einen Wehrlosen!«

»So beschütze Dich selbst, Tochter einer verlaufenen Hündin!« brüllte der alte Häuptling und riß den Tomahawk aus dem Gürtel, um ihn nach dem kühnen Mädchen zu schleudern. In diesem Augenblick hob Comeo den Arm, das Zischen einer Kugel zerriß die Luft, der Knall einer Büchse krachte in den Ohren der erschrockenen Apachen, und die Nachteule stürzte, durch den Kopf geschossen, zu den Füßen der jungen Indianerin nieder.

Comeo benutzte die Erstarrung plötzlichen Schreckens, die sich aller umher bemeistert zu haben schien, um mit dem elastischen Sprung einer Pantherin sich nach der Richtung zu stürzen, wo ihr Bruder stand, der bei dem Knall des Schusses den wilden gellenden Kampfruf seines Volkes ausstieß.

Dieser Ruf fand von zwei Seiten her, von dem Eingang der Schlucht, wo die eine der ausgestellten Schildwachen gestanden, und von der Felsenspalte, die das Bett des Gebirgsbaches bildete, eine kräftige Erwiderung.

Aber das heldenmütige Mädchen, das sich aufopfernd in die Gefahr gewagt, sollte nicht ihre Absicht erreichen, sich schützend vor die Brust ihres Bruders zu werfen, bis die Freunde heran wären. Indem sie aus dem Kreise der Überraschten eilen wollte, faßte die Hand des Beschwörers ihr fliegendes langes Haar und riß sie zu Boden, während seine andere Hand nach dem Tomahawk griff, der dem erschossenen Häuptling entfallen.

Das Schmerzensgeheul des unglücklichen Kentuckiers hatte, wie erzählt, nicht allein den Engländer und seine Begleiter, sondern auch die gefangene Haciendera, die Braut des Grafen Boulbon, aus ihren Zelten hervorgescheucht.

Doña Dolores warf nur einen Blick auf die Vorgänge am Feuer, und obschon sie sogleich bemerkte, daß ihre Person nicht bedroht sei, hatte sie doch mit dem flüchtigen Blick schon genug gesehen, um von Entsetzen überwältigt, auf den Stein niederzusinken, der früher dem jungen Comanchen zum Sitz gedient hatte.

Das plötzliche Erscheinen Comeos und ihr Einschreiten zu Gunsten des Mißhandelten hatte eben die Aufmerksamkeit aller nach jener Seite hingelenkt, als die zitternde Mexikanerin einige leise Worte an ihr Ohr schlagen hörte.

»Die Feuerblume der Prairie,« flüsterte eine Stimme in ihrer Nähe, »hat ein mutiges Herz. Wenn sie noch im Besitz des Messers ist, das ein Freund ihr gab, ihre Ehre zu beschützen, kann sie damit etwas thun, das ihr Leben und Freiheit sichert!«

Dolores wandte sich nach der Seite um, von welcher die Worte kamen, und erblickte jetzt erst den ehemaligen Tigrero ihres Vaters bewegungsunfähig an den Pfahl gefesselt.

Das Gefühl der Dankbarkeit, vielleicht auch ein tieferes, ließ sie sofort sich erheben und einen Schritt auf den Gefangenen zu thun.

»Heilige Jungfrau! Wonodongah, was geht hier vor? Kann, ich etwas thun für Dich?«

»Still, Señora!« flüsterte der junge Mann, dem die gemeinsame Gefahr das Gefühl einer gewissen Gleichstellung mit der vornehmen und stolzen Dame gab, – »Vorsicht um Deiner selbst willen, Herrin! Die Feuerblume möge wissen, daß Freunde in der Nähe sind, zu ihrer Befreiung bereit. Aber sie wird für den ersten Augenblick des Kampfes einer schützenden Hand bedürfen. Ist das Messer noch in Deinen Händen?«

»Hier, hier ist es! Nimm es und brauche es für Dich und mich! Mein Vater wird Dir reich die Rettung seiner Tochter lohnen!«

Ein Ausdruck von Kränkung und Stolz flog über das dunkle Antlitz des Gefangenen, aber er unterdrückte mutig diese Regung und antwortete nur: »Diese Hände müssen gefesselt bleiben, wenn die Herrin der hundert Häuser es verschmäht, einen armen Indianer selbst zu befreien.«

»Was soll ich thun, Wonodongah, sprich?«

»Die Feuerblume,« flüsterte der Comanche, »möge sich langsam und mit Vorsicht mir nähern, es darf niemand auf sie sehen! So – ein Schnitt mit dem Messer wird die Riemen zertrennen, die meine Handgelenke um den Pfahl binden, sie möge mir dann das Messer geben und ihr Leben einem Freunde vertrauen.«

Die Haciendera that, wie der »Jaguar« ihr anempfohlen. Sie trat wie zufällig oder von Neugier an der Scene um den anderen Pfahl getrieben näher zu dem Gefangenen. Alle Indianer, Männer und Weiber befanden sich abseits – in ihrer Nähe, etwa zehn bis fünfzehn Schritt entfernt bemerkte sie nur den Engländer mit dem Mestizen, die aber gleichfalls ihre Aufmerksamkeit den anderen Vorgängen zugewendet zu haben schienen.

Sie hatte nicht bemerkt, daß das scharfe Auge des Couriers sie gestreift und von Zeit zu Zeit zu ihr zurückkehrte.

Jetzt war sie in der That hinter dem Pfahl und ihre von Aufregung zitternde Hand berührte die Hände des Gefesselten und suchte nach dem Knoten der Riemen.

Es war, als ob diese notwendige Berührung einen elektrischen Schlag durch die Körper des Mannes und des Weibes erzittern ließe.

Im nächsten Augenblick setzte die Haciendera das scharfe Messer, das sie in ihren Kleidern verborgen getragen, an die Riemen und that einen kräftigen Schnitt. In demselben Moment krachte auch der Schuß Eisenarms und seine Kugel schmetterte die »Nachteule« zu Boden.

Die Haciendera stieß unwillkürlich einen Schrei aus, ließ das Messer zu Boden fallen und versuchte, von dem gellenden Kampfruf, mit dem der Toyah, die befreiten Hände schwingend, das Angriffsgeschrei seiner Freunde erwiderte, erschreckt nach ihrem Zelte zurückzuflüchten.

Vergeblich faßte der Jaguar nach der Hand, die ihn soeben zum Teil befreit, um das Messer aus ihr zu empfangen und mit raschem Schnitt sich seiner anderen Bande zu entledigen; Doña Dolores war bereits mehrere Schritte fortgestürzt, das Messer lag zu seinen Füßen, seine Arme waren frei, aber die Bande, die Brust und Leib noch immer fest an den Pfahl schnürten, verhinderten ihn, es zu ergreifen. Während er sich noch wütend, aber vergeblich in seinen Banden wand, bot sich seinen Augen ein Schauspiel, das alles Blut in seinen Adern erstarren und sein Herz stillstehen machte!


Die beiden Verbündeten auf der Höhe der Felsenwand hatten kaum das Erscheinen Comeos unter den Apachen in der Schlucht bemerkt, als Kreuzträger dem Offizier zuflüsterte, daß es Zeit sei, sich zurückzuziehen.

Welches erhöhte Interesse auch der junge Mann jetzt an den Vorgängen da unten nehmen mochte und wie besorgt er um das Schicksal des Mädchens war, er begriff, daß er ihr nicht besser dienen könne, als indem er sich den Weisungen seines älteren Begleiters fügte, und er folgte ihm daher vorsichtig auf ihrem Rückzug durch das Buschwerk, bis die größere Entfernung ihnen gestattete, sich zu erheben.

Zu seinem Erstaunen bog der Wegweiser, statt an der Seite hinabzusteigen, auf welcher am Tage der Methodist seine Flucht bewerkstelligt hatte, nach der Stelle hin, wo der Kampf mit den Apachen und ihre glückliche Flucht über die breite und tiefe Felsspalte stattgefunden hatte.

»Sie irren sich in der Richtung, Señor Kreuzträger,« sagte leise der junge Mann, »wir werden hier die Schlucht nicht ohne die größte Mühe und vielen Zeitverlust hinabklettern können und zu spät kommen.«

»Unbesorgt, Señor Teniente!« lautete die Antwort. »Ich bin nicht umsonst vorhin auf Kundschaft ausgewesen. Es war, wie ich mir dachte! Diese Schurken, so schlau sie sind, übersehen doch gerade oft die einfachste Vorsicht, wie Sie gleich sehen werden. Ich glaube selbst, daß wir in wenigen Augenblicken die Büchsen unserer Freunde knallen hören werden, und eben deshalb habe ich diesen Weg gewählt.«

Sie standen jetzt an der Stelle, wo Windenblüte das Ende des Lassos, der die gefährliche Brücke ihres Entkommens gebildet, um den Baumstumpf geschlungen hatte. Der Offizier fing an, zu begreifen; er beugte sich nieder – der am andern Ufer der Felsspalte von der Hand Kreuzträgers abgeschnittene Lederstrick befand sich in der That noch hier und hing über die Felswand nieder. Die Apachen hatten ihn nach dem Kampf selbst benutzt, um an der Felswand zu dem Wasser niederzusteigen und dort den Leichnam ihres von dem Sturz zerschmetterten Kameraden zu suchen, sich aber begnügt, die seidene Leibbinde des Offiziers abzulösen und sich um den nutzlosen Lederstrick dann weiter nicht bekümmert.

»Schnell, Leutnant!« flüsterte der Alte, »halten Sie Ihre Waffe fest und folgen Sie mir!«

Sich an den Strick klammernd, ließ er sich über den Rand der Felswand niedergleiten und stieg mit seiner Hilfe an ihr hinab. Obschon der Lasso nur etwa bis zu einem Dritteil der Tiefe niederreichte und die überhängenden Bäume ein tiefes Dunkel bis zum Grunde des Baches schufen, war von hier ab das Niedersteigen doch verhältnismäßig leichter, und nachdem der Wegweiser gewartet, bis sein Gefährte das Ende des Strickes erreicht hatte, setzte er mit größter Hast, aber mit Vorsicht, sich allein auf das Tasten verlassend, den gefährlichen Weg fort. Sein Fuß hatte eben den steinigen Grund des kleinen Baches betreten, als der Knall der Büchse Eisenarms und der Kampfruf des Jaguars an sein Ohr schlug. Ohne weitere Vorsicht zu beobachten, sprang der Alte, dem Offizier zurufend, rasch zu folgen, jetzt vorwärts in dem engen Bett des Wassers und riß die überhängenden Zweige auseinander, die sich dicht über seinem etwa vier Fuß hohen Niederfall in das Steinbecken wölbten.

Die Schlucht, die Stätte des begonnenen Kampfes, lag von dem Scheine der Feuer und dem von den Schatten der Felsen und Bäume durchbrochenen Mondlicht erhellt vor ihm.

Das erste, was er sah, war der junge Vaquero, wie er sich gegen drei Indianer heldenmütig verteidigte, nachdem er seine Büchse abgeschossen, aber gefehlt hatte. Zugleich sah er, wie die Flammen des Feuers über zwei dunkle Körper, die sich krampfhaft in ihnen wälzten, hoch emporsprühten.

Der eine Krieger der Apachen hatte eben seine Flinte auf den Jüngling angeschlagen, während die andern beiden, die sich nicht Zeit genommen, ihre Bogen oder Lanzen zu holen, mit dem Tomahawk auf ihn eindrangen; denn die Wächter des Lagers hatten nach der ersten Überraschung des Überfalls sich sofort kräftig zur Wehr gesetzt und befanden sich immer noch, selbst, wenn ihr weißer Bundesgenosse an dem Gefecht keinen Teil nahm, in der großen Mehrzahl von acht gegen vier.

Die Büchse des Kreuzträgers flog an seine Wange, der sichere Schuß krachte und der Apache, dessen Kugel dem Vaquero den Hut vom Kopf gerissen, stürzte zu Boden.

Mit einem Sprung war der alte Mann über das Becken auf dem Boden der Schlucht und im nächsten Augenblick an der Seite des Jünglings. Er hörte mehr, als daß er es sah, daß der Offizier ihm folgte und sah nur noch, indem er mit der abgeschossenen Büchse einen Tomahawkschlag parierte, wie der Offizier. – – – –


Die Zahl der von dem Grauen Bären und der Schlange zurückgelassenen Krieger belief sich auf zehn. Zwei hatte der den Befehl führende alte Häuptling als Wachen an dem Eingang der Schlucht nach zwei verschiedenen Seiten ausgestellt. Auf eine dieser Schildwachen war Comeo bei ihrer offenen Annäherung an das Lager gestoßen und hatte sich in ein kurzes Gespräch mit dem noch jungen und daher weniger misstrauischen Krieger eingelassen währenddessen der Trapper und Diaz sich unbemerkt in seine Nähe schleichen und ein Versteck gewinnen konnten Als der Apache hierauf dem Mädchen die Erlaubnis erteilt hatte, weiter zu gehen, hatten sie die Gelegenheit abgewartet und, der traurigen Notwendigkeit des Krieges nachgebend, den Ahnungslosen mit ihren Messern getötet ehe er einen Alarmruf auszustoßen vermochte.

Während hierauf Comeo dem Kentuckier zu Hilfe eilte und den Wortwechsel mit dem Zauberer und dem Häuptling hatte, waren ihre beiden Begleiter unbemerkt bis zum Eingang der Schlucht gelangt und wachten über ihr Leben, wie in dem verhängnisvollen Augenblick der Schuß aus der Büchse Eisenarms bewies.

Es war sehr natürlich, daß der Trapper, durch diesen Schuß das Mädchen gerettet glaubend, dem mächtigsten Drange seines Gefühles folgte und dem jungen Comanchen, seinem Zögling, zueilte!

Ohne anfänglich einen bestimmten Verdacht zu hegen, hatte doch Volaros aufmerksam die Annäherung der stolzen Haciendera an den gefesselten Comanchen nicht aus den Augen gelassen. Keine Bewegung der Señora war ihm entgangen, und als der Schuß des Trappers an sein Ohr dröhnte, begriff er mit Blitzesschnelle, daß zwischen den Angreifern und dem Gefangenen und der Haciendera ein Einverständnis herrschte, und daß unter den Angreifenden sich wahrscheinlich ein Mann befand, der alle Ursache hatte, sein Todfeind zu sein.

Mit derselben Gedankenschnelle bedachte er, was allein ihn retten könne, und sein Entschluß war gefaßt.

Er sah, wie die Haciendera, von Schrecken überwältigt, ihr Werk nur halb that und, das rettende Messer fallen lassend, nach ihrem Zelte eilte; er sah, wie die mächtige Gestalt des Trappers mit hochgeschwungener Büchse herbeieilte und die zwei indianischen Krieger, die sich ihm entgegen warfen, mit einem Schwung seiner furchtbaren Waffe zur Seite schleuderte. Mit zwei Schritten war er an der Seite der fliehenden Dolores, umfaßte die Halbohnmächtige und setzte mit der freien Rechten die scharfe Spitze seines eigenen Messers auf ihre Brust.

Eisenarm war etwa noch zwanzig Schritte entfernt, erhob unwillkürlich die Büchse an seine Wange, ließ sie aber sogleich weder sinken, da er sich erinnerte, daß er sie bereits abgeschossen hatte, und war bereit, auf den Mestizen loszuspringen, denn er hatte die Señora erkannt.

Aber dessen gebieterischer Haltruf fesselte ihn machtlos an seine Stelle.

»Ein Schritt weiter!« donnerte der Mestize ihm zu, »eine Bewegung, und beim heiligen Kreuz von Puebla – dieses Messer ist schneller als Du!«

Der Comanche stieß ein Brüllen aus, das dem Laute des erzürnten Löwen glich, wenn er sich an den Ufern des Mozambique auf den Jäger stürzen will, der sein Junges getötet hat. Er wand sich mit der Kraft der Verzweiflung in seinen Banden, daß die Lederstricke sich dehnten und der Pfahl im Boden wankte, aber sie hielten fest, und der Stahl des Halbblütigen blitzte unheimlich auf dem Busen der Haciendera.

»Halt' ein – bei dem Gott der weißen Männer! töte sie nicht!«

»Und beim Teufel! ich werde es, wenn Ihr mir nicht zur Stelle mein eignes Leben sichert und mich und meine Begleiter frei entlaßt! Schnell schwört! oder ich stoße zu!«

Der Jaguar streckte flehend die Hände nach seinem Freunde, dem Jäger, aus.

»Dann wird ein großer Schurke mehr frei durch die Prairie laufen,« sagte dieser, indem er unwillig den Kolben seiner Büchse auf die Erde fallen ließ. »Aber es geht leider nicht anders! Laß die Doña los, Schuft, und Du magst Deine Haut unversehrt behalten!«

»Schwört – beide!«

»Bei meinem Wort – Urfehde auf drei Tage! Und nun hilf Dir selbst weiter, Jaguar, denn ich muß nach unseren Freunden sehen, und jene Burschen scheinen sich gleichfalls noch nicht zufrieden zu geben.«

Die Worte waren von einem Pfeil veranlaßt, der in handbreiter Entfernung an ihm vorüber zischte und von einem der beiden Apachen abgeschossen war, die sein Kolben beim Beginn des Gefechtes zu Boden geschlagen. Der eine lag mit gebrochenem Schädel an der Stelle, wo er gefallen, aber der zweite war nur betäubt gewesen und hatte sich rasch wieder emporgerafft.

»Mach' Dich aus dem Staube, Rothaut,« sagte der Jäger, indem er, der Gefahr eines zweiten Bogenschusses ruhig Trotz bietend, seine Büchse wieder zu laden begann, »oder Du sollst bald etwas Besseres in Deinem Hirn spüren, als Dein elendes, befiedertes Rohr ist! Fort mit Dir, Halunke, oder ich schieß' Dich nieder wie einen Rehbock!«

Der Apache wagte jedoch nicht, die Kugel des gefürchteten Schützen abzuwarten oder sich mit ihm in einen Kampf einzulassen, und entfloh eilig, seine Gefährten im Stiche lassend. Jetzt erst kehrte sich der Jäger wieder zu seinem jungen Freunde.

Er fand diesen frei neben der jungen Haciendera knieen, die er aus ihrer Ohnmacht zu erwecken sich bemühte.

Der Mestize hatte nicht sobald das Wort Eisenarms empfangen, als er die Dame sanft auf den Boden gleiten ließ, das ihr entfallene Messer aufhob und dem Comanchen sich näherte.

»Der große Jaguar hat gehört, was sein Freund versprochen. Er wird mein Leben schützen und das meiner Gefährten?«

»Der Eid eines Kriegers ist kein Hauch! Eile Dich!«

Zwei kräftige Schnitte lösten alle Bande des Comanchen, der Mestize reichte ihm das Messer und trat, die Arme über die Brust kreuzend, zurück zu dem Zelt des Engländers.

Hier stand Lord Drysdale, auf die große Lochaber Axt gestützt, und zu seinen Füßen kauerte der Malaye mit seinem Krys. – – – – – – – – – – – –



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