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Siebentes Kapitel.
Vor dem Treffen

Im großen Wohnhause drüben herrsche indessen feierliche Stille. Beate sah, als sie demselben näher kam, wie man sich eben zu Tische setzte. Sie beschleunigte ihre Schritte um nicht vermisst und über ihr Wegbleiben befragt zu werden. Mit festem Willen kämpfte sie für jetzt ihr aufsteigend Weh zurück und beschloss den Bruder durch ruhige Mienen glauben zu machen, dass sie von ihrer ersten heftigen Sorge zurückgekommen.

Als Beate auf die Schwelle der Haustüre trat, fiel ihr ein Bursche auf, der aus dem Stalle eilend eine große Hahnenfeder zu sich steckte und noch einmal flüchtig zurückgrüßend um die Wohnhausecke bog.

Sie war bereits versucht, dieses fluchtartige Entfernen verdächtig zu finden, als auch der Oberknecht aus dem Stalle trat, hinter sich die Türe zuzog und sich beeilte, bei dem Morgenschmause zu erscheinen.

Dieser Umstand beruhigte Beaten wieder, und sie trat nun ohne Zögern in die große Stube.

Hier hatte man sich bereits in stiller, feierlicher Weise um den großen Ecktisch niedergelassen. Den Vorsitz führten Gotthards Eltern. Sie hatte ein besonderes, blankes Besteck für sich, vor ihnen stand ein hübscher Blumenstrauß. Einen tiefen Eindruck machte es auf den alten Dasselherrn, dass ihm der Sohn seinen gewohnten teuern Lehnstuhl, den er längst verkauft erachtet, am Tische zurecht gestellt hatte; man konnte merken, dass vom Augenblick des Wiedersehens dieses Möbelstückes die Stimmung des Alten entschieden zum Guten, zu neuer Liebe für den Sohn umschlug.

Da thronte er also wieder auf einem vornehmen Sitze, etwas erhöht gegen alle anderen, ein vornehmes Genügen kam über ihn, ein würdevolles Überprüfen der andern Gäste war ihm nahe gelegt, denn der eiserne Strafsohn war milde und ehrfurchtsvoll in Wort und Benehmen gegen ihn, und vom Gesinde hielt keines seinen immer erhabener werdenden Blick aus. Als nun gar die Morgensuppe mehr und mehr zu einem kräftigen Schmause sich erweiterte und plötzlich dort drüben auf einem Nebentischchen eine Flasche Wein in Sicht erschien, da kam der Geist der schönsten Tage über den behäbigen Greis, und der kluge Sohn verpflichtete ihn zu tief gefühltem Danke, dass er harmlos und unscheinbar Dinge zur Sprache brachte, über welche dem vielerfahrenen Vater das große Wort besonders zustand. Lächelnd und feuchten Auges betrachtete von Zeit zu Zeit Beate den glücklichen Vater, der über den Ehren des Augenblickes alle Schmerzen und Kränkungen der letzten Zeit vergaß; war er zu bedauern, war er zu beneiden?

Und der Bruder?

Es erregte der Schwester stille Schauer, denselben ruhig und milde um Vater und Mutter beschäftigt zu sehen, während er doch unmöglich über seine Zukunft ruhig sein konnte. Er musste wissen, dass, wenn die Heirat mit der Aarauerin zu Stande kam, er die Eltern heute nur versöhnlich in sein Haus gezogen habe, um sie später umso härter wieder von sich zu stoßen. Er musste sich sagen, dass er von jetzt an die Schwester zum Längsten im Hause, an seinem Tische gesehen – ja, dass die wenigen Lebensfreuden, die bisher an seiner Seite ausgehalten, sich verabschieden werden, sobald die unselige Herrscherin den ersten Schritt über seine Schwelle tat.

Und doch: Derselbe, der so sehr zu berechnen, vorauszusehen gewohnt war, wie harmlos und heiter, wie sorglos und unbekümmert saß er da! War auch das wieder Maske wie so oft? Konnte er lächeln, behagliche Reden führen, seine Gäste aufmerksam bewirten, während sein Geist über dunklen Plänen brütete und sein Herz in tiefem Aufruhr kochte?

Beate dachte dies und Ähnliches mit trübem Sinne und merkte kaum, dass endlich Zeit war, sich vom Tische zu erheben. Man verrichtete ein gemeinsames und kurzes Dankgebet, und das Gesinde entfernte sich dann schweigend aus der Stube, um sich für den Kirchgang zu rüsten.

Es fiel Beaten auf, dass Gotthard plötzlich düster aussah und dem hinausgehenden Oberknechte mit den Augen folgte; nach einer Weile stand er selber auf, um dem Knecht zu folgen.

Beate kannte die Art ihres Bruders gut genug, um zu erraten, dass hier eine wichtige Sache auszutragen sei. Jetzt fiel ihr auch der fremde Bursche wieder ein, der sich kurz zuvor so verdächtig aus dem Staube gemacht und sie fragte sich, ob nicht dieser Umstand mit dem Benehmen des Bruders zusammenhänge. Schwerlich hätte sie der Versuchung, dem Bruder forschend zu folgen, widerstehen können, wenn nicht die Gegenwart der Eltern sie in der großen Stube festgehalten hätte.

Der Vater ließ ihr auch nicht lange Zeit, ihren Gedanken nachzuhängen, und indem er sich abermals in den gar zu teuren alten Lehnstuhl niederließ und sein Schnupftuch behaglich über beide Knie legte, fragte er des Breitesten nach den Vorfallenheiten und Veränderungen im Hause, seit er es verlassen; dann ging er auf die wichtige Andeutung Gotthards, dass er heiraten wolle, über und fragte, was sie meine und wer denn wohl die Auserwählte sei. Dieser Gegenstand zog auch die immer stille Mutter lebhaft an, und sie sagte, eh' noch Beate auf die Fragen ihres Vaters antworten konnte:

»Ich verlass' mich auf den Gotthard, und ich weiß, er nimmt sich keine, die ihm nicht gefällt – und die …«

»Nicht auch Vermögen hat«, fiel der alte Dasselherr mit würdevoller Miene ein: »Da ist der Gotthard zu klug, und seiner Wirtschaft kann nicht schneller ausgeholfen werden!«

»Ich höre das Erste läuten, und die Kirchgänger machen sich auf den Weg«, sagte Beate mit bewegter Stimme und blickte durch das Fenster.

»Ja, dann wollen wir uns auch zurechtmachen. Wo ist der Sohn?« sagte der alte Dasselherr, sich mühsam im Lehnstuhl aufrichtend: »Und hörst Du, Beate? Forsch' ein wenig nach – von wegen Gotthards Braut – uns ziemt's zu warten, bis er's selber eingesteht!«

In diesem Augenbick kam Gotthard zurück, entschuldigte sein kurzes Wegbleiben und versprach, ohne Aufenthalt nach der Kammer gehend, sofort sich zum Kirchgange bereit zu machen … Nicht so rasch gefasst nach einem scharfen Zusammentreffen war in diesem Augenblick der Oberknecht des Hauses. Er stand noch wie betäubt auf dem Futterboden neben seiner Kleidertruhe und starrte auf die goldgelbe Hahnenfeder nieder, welche er zitternd in den Händen hielt.

Diese Hahnenfeder wollte er vor einer Weile eben zur Probe auf seinen Sonntagshut stecken und dann wieder herab nehmen, als sein Meister plötzlich hinter ihm stand und mit greller Stimme sagte:

»Wem trutzt die Feder heute?«

Dem Oberknecht sanken die Arme nieder, er vermochte nichts zu sagen, regungslos blieb er stehen.

Gotthard aber trat ihm gegenüber, und durch das Feuer des Auges mehr als durch den Nachdruck der Stimme wirkend fuhr er fort:

»Du brauchst mit nichts zu gestehen. Ich weiß alles. Heute vor Beginn des Gottesdienstes, unter den Linden an der Kirche, soll's zum Singen und Schlagen kommen – Der Barther aus Glanthal wird dabei sein – und Du und andere auf seiner Seite!«

»Ihr wisst's – was soll ich's weiter leugnen?« sagte der Oberknecht mit lasser Stimme.

»Nun gut, dann wisse, ich stehe gegenüber; – ich steh' und sage Trutz dem frechen Robbler, und mein Wille ist's, dass Du zu mir stehst mit allen Deinen Kameraden!«

»Meister …«

»Ja oder nein?«

»Was mich angeht …«

»Schon gut – die anderen sollen Dir nicht Sorge machen, ich habe sie gewonnen!«

Gotthard sah ihn noch einige Sekunden mit durchdringendem Auge an und entfernte sich dann, ohne ein Wort hinzuzufügen …

Der Morgen war milde, der Himmel klar, es war ein rechter Tag des Herrn. Aus allen Richtungen kamen Gruppen und Züge von Kirchengängern, welche ihrem Ziel mit ernst-gemessenen Schritten entgegen strebten.

Viele trug auch heut zur festlichen Belebung des Sonntagmorgens bei.

Es war der Tag der Fahnenzüge aus fünf benachbarten Ortschaften, welche vor achtzehn Jahren vom Hagelschlag getroffen, gelobt hatten, jährlich an diesem Tage nach Wengern zu ziehen und gemeinschaftlich um Abwendung solchen Unglücks zu bitten. Zudem trafen heute di Auswanderer nach Amerika noch einmal in ihrer Pfarrkirche zusammen, um dann für immer Abschied von der Heimat zu nehmen. Das Brautpaar, welches heute eingesegnet werden sollte, gehörte zu denselben, weshalb die Hochzeitsfeier ungewohnter Weise auf den Sonntag verlegt war.

Obwohl nun für die Kirchgänger heute manches zu sehen und zu erwarten stand, so machte es doch nicht wenig Aufsehen, als der junge Dasselherr mit seinen Eltern in Ruh' und Frieden unter den Kirchgängern erschien. Die Spannung im Dasselhofe war ja jedermann bekannt, noch gestern konnte, wer nur hören wollte, aus dem Munde des alten Dasselherrn die bittersten Klagen über Nichtbeachtung, Not und Entbehrungen vernehmen – und da gingen nun Vater und Sohn zusammen nach der Kirche, mit versöhnten Mienen, in friedlichem Gespräche, als hätte niemals eine trübe Stunde ihre Liebe unterbrochen.

Wer hat nun diese Versöhnung herbeigeführt? fragte man sich. Tat es der herzlose Sohn? Dann war er ja nicht gar so grausam, als man gern behauptete. Oder tat es der weiche nachgiebige Vater? Dann mussten die Leiden desselben doch nicht gar so unerträglich gewesen sein.

So dachten viele, welche verwunderte Augenzeugen unserer Kirchgänger waren; einige derselben widerstanden sogar der Versuchung nicht, sich an die Seite der Dasselfamilie zu nesteln, um so vielleicht, während die selbst gesprächig taten, ein und das andere Wort des Aufschlusses hervorzulocken.

So war der Sechter der erste an Gotthards Seite und versuchte nach höflicher Begrüßung einen Vorrat von Neuigkeiten mit Würde loszuwerden.

»Habt Ihr gehört«, begann er, »was man sagt, was es heute noch geben soll.«

»Ei, nun?« fragte Gotthard wie halb und halb zerstreut.

»Ei, die Robbler sollen kommen, von allen vier Winden sollen sie kommen – sie wollen sich herausjucken und ein böses Gedresch mit Faustring und Messer ist zu fürchten!«

»Nicht übel – und wer ist das Oberhaupt auf jeder Seite?« fragte Gotthard scheinbar ruhig.

»Von den Übergrenzen der Barther aus Glanthal; von unsern Burschen hier herum ist's noch nicht recht gewiss.«

»Nun, was bringt denn die Robbler wieder gegen einander?« fragte Gotthard.

»Ei – sagen darf man's ja. Es heißt – zwei Freier prahlen und raufen heute um die schöne Aarauer Luzia. Für die ist's natürlich wahrer Augentrost, wenn's tüchtig drunter und drüber geht – sie soll auch dem Tapfersten ihre Hand versprochen haben, wenn er recht auffällig vor den Leuten Meister bleibt. Nun, Gott verzeih's dem lieben Unmaß, aber ich seh' ein großes Würgen und Schlagen kommen!«

»Hat da wieder das Amt keine Kunde?« rief der alte Dasselherr jetzt mit hocherhabenem Nachdruck.

»Es hört davon, wenn alles im Reinen ist!« sagte der Sechter spottend und prüfte den Eindruck seiner Worte auf Gotthards Gesichte.

»Da wird ja wohl die Aarauerin dem Robblerfeste auch beiwohnen?« fragte Gotthard lächelnd und mit leichter Ironie: »Versteht sich! Versteht sich! Wie einstmal bei Ritterspielen die Edelfräulein obenan saßen und den schönen Preis dem Tapfersten erteilten, so wird die Luzia heute auch dabei sein.«

Pfiffig forschend blickte der Sechter bei diesen Worten Gotthards auf und war betroffen über den Spott, der in dem Tone dieser Worte lag.

Gotthard aber fügte ruhig hinzu:

»Da sollte mich's nur freuen, wenn der übermütigen Schönen die Freude doch verdorben würde!«

»Hm«, druckste der Sechter und sah verlegen in die Ferne, »das wäre immerhin – das wäre freilich … Nun, dort kommt die schöne Husarin ja!«

Ein Wägelchen, das einzige unter den wandernden Kirchgängern, erschien auf der Höhe nach Bürglen zu und hob sich mit seinem Gespann gar stattlich von dem Wolkenhimmel ab.

Trotz der ziemlichen Entfernung konnte man drei Personen deutlich unterscheiden, die im Wagen saßen, und der alte Dasselherr, dessen Augen die Gabe der Weitsichtigkeit in hohem Grade besaßen, bemerkte ernsthaft:

»Das Seltsame ist mir nur, dass der gute Aarauer sich von seiner Rauf- und Preistochter nur so herumführen lässt, ohne einmal mit väterlicher Gewalt recht dreinzufahren. Es ist, als säh' ich ihn leibhaft zucken und zappeln über das, was er heute wieder mit erleben soll – aber dabei wird's auch sein Bewenden haben! Es ist eben ein Unglück, wenn ein Mann und Vater so gar keinen Schwung, so gar keinen Zorn im Blute hat!«

Er merkte nicht, dass er mit diesen Worten seinem eigenen Charakter keinen Lobspruch hielt; die Mutter aber blieb jetzt mit Beaten hinter den Männern zurück und sagte leise:

»Ich denke eben über das große Unglück nach, das einem Burschen zustoßen wird, der die tobige Aarauerin einmal heimführt. Und doch muss man wünschen, dass sie bald an Mann gebracht wird, weil doch jede Mutter mit Sorgen daran denkt, dass ihr eigener Sohn in die Schlinge der wilden Hummel geraten könnte. Für unsern Gotthard hoff' ich doch eine ganz andere Hausfrau. Der ist viel zu klug und hält zu sehr auf seine Hausmacht, als dass er so eine schöne Wilde erwählen sollte!«

Beate schwieg und war froh, dass ein Anlass die Aufmerksamkeit wieder nach anderer Seite lenkte.

Einige Burschen überholten eben unsere Kirchgänger und ließen, aufgeregt und rauflustig in Worten und Gebärden, ziemlich offen ihre Streitabsichten merken. Dies brachte das Gespräch wieder auf die bedenkliche Sitte der Robblerkämpfe, die der alte Dasselherr um jeden Preis polizeilich abgeschafft wissen wollte, während Gotthard meinte, dass die Sitte ohnehin ihre raueste Seite schon verloren habe und jetzt doch mehr eine natürliche Kraftäußerung des Volkes sei; wenn nicht, wie vielleicht heute, Beimischungen von bösen Leidenschaften hinzukämen, liefen die Faustkämpfe doch meist wie Studentenduelle ungefährlich ab.

Die Sache war richtig, und ein Blick auf frühere Zeiten ließ den Unterschied auch bald genug erkennen.

Die Robbler bildeten vor Zeiten förmliche Gilden; sie waren ein wildes, zügelloses und weit und breit gefürchtetes Volk; ihre Raufereien wurden förmlich ausgeschrieben.

Das Zeichen des Robblers war eine Hahnenfeder auf dem Hut. Er duldete nicht, dass auch sonst noch jemand eine trug.

Es galt als Standesbedingung, dass jeder Robbler Trutzlieder konnte.

Kamen ihrer zwei, die gespannt waren, zusammen, so sangen sie erst aus dem Stegreif Trutz, und danach ging der Zweikampf los. Diese Rauflust entsprang aus einer Überfülle von Kraft, die bei vielen bis zu solcher Höhe schwoll, dass sie, von dumpfer Wut ergriffen, in die Wälder liefen und Bäume ausrissen, nur um ihre Überkraft abzuleiten.

Nun waren freilich die Robbler weder als förmliche Genossenschaft, noch der Zahl nach mehr so reichlich wie früher vorhanden, nur in den Bergen um Hohenganz und in einigen Taldörfern saßen noch einzelne echte Robbler, die von Zeit zu Zeit an einander gerieten oder Genossen unter den Dorfburschen warben, mit denen sodann förmliche Schlachten geliefert wurden. Die Sieger und namentlich ihre Führer erreichten ein hohes und lange dauerndes Ansehen, und es gab Robbler, denen wiederholte Triumphe höher angeschlagen wurden als die Ahnen einem adeligen Hause.

Einer der ersten und gefürchtetsten Robbler der Gegend war der Barther von Glanthal, er zählte bereits mehr als ein Dutzend große Siege, die er teils im Einzelkampf, teils im Streite mit Genossen erfochten. Er lebte noch getreulich nach der alten, strengen Sitte, und kein überlieferter Aberglaube war ihm unbedeutend genug, um ihn nicht wie eine Glaubenslehre wert zu halten. Obwohl von Natur mit Riesenstärke ausgestattet, hatte er doch nicht unterlassen, schon mit seinem sechzehnten Jahre seine Kraft nach Väterweise zu erhöhen, indem er am Karfreitage Wein in eine Flasche füllte, diese fest verschloss und in einen Ameisenhaufen vergrub; nach Jahr und Tag wurde die Flasche wieder hervorgenommen und daraus getrunken, was der natürlichen Stärke ungemein an Kraft zulegen sollte.

Seit drei Jahren war von größeren Robblerkämpfen nichts vernommen worden, und es war daher zu begreifen, dass sich heute die Nachricht rasch verbreitete und nicht geringe Spannung erregte, schon deshalb, weil die Genossen, wie immer, sehr geheim angeworben waren und daher Eltern und Hausherrn selbst nicht wussten, ob ihre Söhne und Knecht auch beim Kampf sein werden.

Trotzdem für heute bestimmt war, dass die Robbler und Genossen ihre Hahnenfeder erst kurz vor Eröffnung des Kampfes aufstecken sollten, so verrieten doch manche durch ihr aufgeregtes Betragen, ja durch zeitweises Aufstecken der Hahnenfeder ihre Kampfgenossenschaft und gaben hie und da Veranlassung, dass auch andere, die zurückhaltender waren, wider Willen entdeckt wurden.

Dies widerfuhr auch einem jungen Manne, den niemand in dem Bunde der heutigen Robbler vermutet haben würde – Gotthard, unserm jungen Dasselherrn.

Denn er hatte in der Nähe des Pfarrdorfes eben eine ruhige Unterhaltung mit seiner Begleitung geschlossen, als sieh abermals ein Trupp Burschen, aufgeregt und die Hahnenfeder auf den Hüten, näherte, und einer derselben rasch an Gotthard herantrat, ihm einige Worte ins Ohr sagte und sich wieder entfernte.

»Was will der Bursch?« sagte der alte Dasselherr, ungehalten über die respektlose Vertraulichkeit mit seinem Sohne.

»Verstand ich es ja selbst kaum«, erwiderte Gotthard, sichtlich ungehalten, »das Volk ist eben über die Schnur hinaus, und da muss man etwas Nachsicht haben!«

Er griff nach seiner Brusttasche und schien nach einem Gegenstande zu suchen; da kam, als er die Hand wieder zurückzog – freilich nur für das forschende Auge der Schwester – eine breite, goldgelbe Hahnenfeder zum Vorschein, wie sie die eben vorübereilenden Burschen auf den Hüten trugen.

Beate erblasste und konnte ihrer Mutter, die eben harmlos eine häusliche Frage an sie gerichtet, nicht sogleich erwidern.

Sollte der Bruder, weil es einen Kampf um die Aarauerin ab, sich selbst in den Bund der Streitenden mengen wollen? Sollte er Leben und Ehre wirklich wagen, um die Neigung einer so gefährlichen, tollen und unerringbaren Braut? …

Beate fühlte sich unheimlich durchschauert von einem so unerforschlichen Bruder, der fort und fort, bei aller äußeren Ruhe, in Verwicklungen und Plänen stak, die in demselben Augenblicke neue Gefahren heraufbeschworen, wo eine Gefahr kam glücklich überwunden war …

Von nahen Wengern her tönte jetzt das zweite Glockenzeichen; der Gottesdienst musste also schon nach kurzer Pause seinen Anfang nehmen.


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