Ferdinand Raimund
Der Alpenkönig und der Menschenfeind
Ferdinand Raimund

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Neunter Auftritt

Vorige. Astragalus tritt ein.

Astragalus (wie er Sophie sieht, prallt er zurück und ruft).
Ha! (Er will zurück.)

Rappelkopf (sagt schnell).
Ich bins, ist kein Zweifel!

Sopie (hält ihn zurück).
Oh, bleib doch, lieber Mann! wir sind glücklich, daß wir dich wieder sehn.

Astragalus (reißt sich los).
Laß mich. Entweder gehst du oder ich.

Sopie (Mit Überwindung).
Nun so bleib, ich will gehn. (Geht seufzend ab.)

(Astragalus tritt mit empörter Miene vor, bleibt mit verschränkten Armen stehn und blickt wild umher, ohne Rappelkopf zu bemerken.)

Rappelkopf (betrachtet ihn vom Fuß bis zum Kopfe mit ungeheurem Erstaunen und spricht dann überzeugt).
Ich bins – Aufgelegt bin ich nicht gut, aber das kann nicht anders sein.

Astragalus (zu Lischen).
Was will Sie da?

Lischen (zitternd).
Fragen, ob Euer Gnaden nichts befehlen.

Rappelkopf.
Eine Angst hat alles vor mir, daß es eine Freude ist.

Astragalus.
Wo ist die Tinte?

Lischen.
Dort ist sie. (Deutet auf den Tisch.)

Astragalus.
Und Federn?

Lischen (ängstlich).
Die hab ich nicht.

Rappelkopf.
Jetzt hat die Gans keine Federn!

Astragalus.
Hol Sie welche! hat Sies gehört? Hinaus mit Ihr, Sie Schlange, Sie Basilisk, Sie Krokodil, Sie Anakonda!

Rappelkopf.
In der Naturgeschichte bin ich gut bewandert.

Lischen.
Gleich, Euer Gnaden. (Im Abgehen.) Der böse Feind hat ihn zurückgeführt. Ich laß mich nicht mehr sehn. (Ab.)

Rappelkopf.
Die lauft. Ich weiß nicht, ich gfall mir recht gut. Ein wenig rasch bin ich, das ist wahr.

Astragalus (entschlossen).
Ja! Ich will mein Testament machen.

Rappelkopf (für sich).
Testament? Nu wär nicht übel. Den Entschluß muß ich gleich unterbrechen. (Laut.) Grüß Sie Gott, lieber Schwager. Eben bin ich angekommen.

Astragalus.
Wer ist das?

Rappelkopf (entzückt).
Das ist ein eigner Anblick, wenn man vor sich selber steht.

Astragalus (schnell).
Was machen Sie hier? Warum haben Sie nicht geschrieben? Haben Sie meine Intressen mitgebracht? Wie stehts mit meinem Vermögen?

Rappelkopf (für sich).
Jetzt gehts recht, das möcht ich selbst gern wissen.

Astragalus.
Das Haus in Venedig soll nicht gut stehen, ist es verloren?

Rappelkopf (erschrickt).
Verloren? Wär nicht übel, (beiseite) mir wird selbst angst.

Astragalus.
Ich hab keine Intressen erhalten.

Rappelkopf.
Ich auch nicht.

Astragalus.
Sie müssen es haben, Sie haben mir es sonst geschickt, da steckt ein Betrug dahinter.

Rappelkopf.
So lassen Sie sich nur sagen –

Astragalus.
Ich laß mir nichts sagen – ich kenn die Welt, sie gehört zum Katzengeschlechte –

Rappelkopf.
Ich –

Astragalus (wütend).
Still –

Rappelkopf.
Wenn er nur nicht gar so schreien möchte, mir tun die Ohren weh.


Zehnter Auftritt

Vorige. Habakuk mit Federn.

Habakuk (zitternd).
Euer Gnaden, hier bring ich die Federn.

Astragalus (entsetzt sich).
Ha! Dieser Mörder wagt es, vor meine Augen zu kommen! (Nimmt den Stuhl vor und retiriert sich.) Komm mir nicht an den Leib! Bandit!

Rappelkopf.
Ach, das ist übertrieben. Wer wird sich denn vor dem Esel fürchten?

Habakuk.
Die gnädige Frau laßt fragen, ob sie noch nicht herüberkommen darf.

Astragalus.
Nein.

Habakuk.
Sie weint aber so abscheulich.

Astragalus.
So soll sie schöner weinen, hahaha, oder ich fang zum lachen an.

Habakuk.
Wenn sie aber krank wird?

Astragalus.
Die Gicht in ihren Leib! Und ins Spital mit ihr!

Rappelkopf (beiseite).
Das ist ein kurioser Humor.

Habakuk.
Ah, verzeihen Euer Gnaden, aber das ist zu stark. Ich war zwei Jahr in Paris, aber –

Astragalus (aufspringend).
Wenn Er es noch einmal wagt, dieses unerträgliche Sprichwort in meinem Haus ertönen zu lassen, so – zahl ich hier Seinen Lohn in vorhinein. (Er wirft ihm einen Geldbeutel vor die Füße und trifft damit Rappelkopf an das Schienbein.)

Rappelkopf (zieht den Fuß auf).
Sapperment hinein, achtgeben, das müssen harte Taler sein.

Astragalus.
Hab ich Ihnen weh getan?

Rappelkopf.
Ich glaub, ich hab ein Loch im Fuß.

Astragalus.
Gschieht Ihnen recht. (Zu Habakuk.) Wenn Er also dieses Wort noch einmal sagt, so geht Er an der Stelle aus meinem Dienst. Wenn ich auch nicht dabei bin. Nehm Er!

Rappelkopf.
Es ist meine ganze Manier. (Zu Habakuk.) Nu apport!

Habakuk.
Euer Gnaden, um diesen Preis kann ich mich nicht darauf einlassen, denn ich habe keinen Stolz, als daß ich zwei Jahr in –

Astragalus (faßt ihn am Halse).
Ich erdroßle Ihn, wenn Er noch einen Buchstaben mehr dazu sagt.

Habakuk.
Zu Hülfe! Zu Hülfe!

Rappelkopf (springt dazwischen).
Aber Herr Schwager, das hätt ich meinem Leben nicht geglaubt.

Astragalus (hält ihn noch immer).
Wo warst du zwei Jahr, warst du in Paris?

Habakuk (schreit ängstlich).
Nein, in Stockerau.

Astragalus.
Also geh hin, wo der Pfeffer wächst. (Stoßt ihn zur Tür hinaus.)

Rappelkopf.
Ich find doch, daß ich etwas Abstoßendes in meinem Betragen habe. Wenn das so fortgeht, so käm ich mit mir selbst nicht draus. Ja so! Mein Geld muß ich wieder einstecken. Wir haben ja eine Kassa, das ist kommod, wenns der eine wegwirft, hebts der andere auf. Und wenn nur das nicht wär, daß, was ihm geschieht, auch mir geschehen muß. Und wie lang er draußen bleibt, ganz erhitzt, wenn er sich erkühlt, so kriegen wir die Kolik. (Astragalus tritt ein.)

Astragalus.
Weil ich im Wald keine Ruh hab, so sollen sie auch von mir keine haben. Denn sie sind boshaft, sie könnten mich vergiften. (Setzt sich in einen Stuhl.)

Rappelkopf.
Das sind so übertriebene Sachen. Wenn er nur etwas mit sich reden ließ'. Herr Schwager!

Astragalus (wendet ihm den Rücken zu).
Hinaus! Ungeheuer!

Rappelkopf.
So hab ichs akkurat gemacht. (Laut.) Aber warum denn? Wir sind ja die besten Freunde.

Astragalus.
Ich bin keines Menschen Freund. Und Sie will ich gar nicht ansehen. Ihr Gesicht ist mir verdächtig.

Rappelkopf.
Sie werden mich doch für keinen Betrüger halten?

Astragalus.
Das nicht, aber man erinnert sich an einen, wenn man Sie ansieht.

Rappelkopf.
Ah, das ist impertinent, diese Grobheit hätt ich mir nicht zugetraut. Und doch erinnere ich mich auf ähnliche Worte.

Astragalus (zum Fenster hinaus).
Halt, wer schleicht da zur Tür hinaus? Donner und Blitz, das ist der junge Maler, der war bei meiner Tochter.

Rappelkopf.
Jetzt wirds angehn.

Astragalus.
Wart, du kommst mir nicht mehr aus. (Springt zur Tür hinaus und stößt Rappelkopf der ihm im Weg steht, auf die Seite.)

Rappelkopf.
Ich bin ja ein rasender Mensch. Ich fang mir ordentlich an selbst zuwider zu werden. Das hätt ich meinen Leben nicht gedacht.

Astragalus (von innen, schreiend).
Sie müssen herein, ich lasse Sie nicht los.

Rappelkopf.
Hat ihn schon bei der Falten.

Astragalus (von innen).
Herein, sag ich.

Rappelkopf.
Und wie er schreit! und das geht alles auf meine Rechnung. Bis die Gschicht ein Ende hat, ruiniert er mir noch meine ganze Brust.

(Astragalus zerrt August an der Hand herein.)

Astragalus.
Herein, du Verführer meines Kindes! Wie können Sie es wagen, mein Haus zu betreten? Wer gibt Ihnen ein Recht dazu?

Rappelkopf.
Das ist wieder gut gesprochen, das gefällt mir.

August (ganz bleich).
Meine Liebe, Herr von Rappelkopf, und meine redlichen Absichten.

Astragalus.
Sie sollen gar keine Absichten haben, weil Sie keine Aussichten haben.

Rappelkopf.
Bravo!

Astragalus.
Ich kann mein Kind verheiraten, an wen ich will, denn ich bin Vater.

Rappelkopf.
Bravissimo!

Astragalus.
Und es ist eine Frechheit von Ihnen, daß Sie sich gegen meine Erlaubnis in mein Haus zu schleichen suchen, um mein Kind von dem Gehorsam gegen seinen Vater abzubringen.

Rappelkopf.
Sehr schön, ich muß mich selber loben.

August.
Herr von Rappelkopf, ich beschwöre Sie bei allen Gefühlen, welche Ihr leidenschaftliches Herz je bestürmten, haben Sie Nachsicht mit den meinigen. Ich kann ohne Ihre Tochter nicht leben, ich war drei Jahre abwesend, und meine Gesinnungen haben sich nicht verändert. Ich besitze ein kleines Vermögen, habe mich in meiner Kunst verbessert, schenken Sie mir Ihre Einwilligung, nie werde ich Ihre Gnade vergessen, und Sie werden einen dankbaren Sohn an mir gewinnen.

Rappelkopf.
Das ist kein gar so schlechter Mensch, er soll doch nicht so hart mit ihm sein.

Astragalus.
Ich traue Ihren Worten nicht, denn Falschheit blickt aus Ihrem Auge. Darum wagen Sie es nicht mehr, meine Schwelle zu betreten. Eh steht mein Tor hungrigen Wölfen offen, eh laß ich Raben unter meinem Dache nisten, eh will ich giftge Schlangen an dem Busen nähren, eh laß ich alle Seuchen hier im Hause wüten und will die Pest zu meinem Tische laden, eh ich nur Ihrer Lunge einen Atemzug in meinem Schloß erlaube.

Rappelkopf.
Das ist ein Unsinn ohnegleichen. Es ist beinah nicht zu glauben, daß ein Mensch so sein kann.

August.
Herr von Rappelkopf, wenn Ihnen das Leben eines Menschen etwas gilt, so reizen Sie meine Leidenschaft nicht auf das höchste – Herr von Silberkern, nehmen Sie sich meiner an.

Rappelkopf.
Ich kann ja nicht, ich bin froh, wenn er mich selber nicht hinauswirft.

August.
Also wollen Sie mir mit Gewalt das Leben rauben?

Astragalus (boshaft).
Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mir es zum Geschenke machen wollten.

Rappelkopf (entrüstet).
Ah, das ist infam – Herr Schwager (Geht auf Astragalus zu.)

Astragalus (fährt heftig auf ihn los).
Schweigen Sie! Sie sind auch im Komplott mit ihm, aber ich schwöre es Ihnen bei dem glühenden Eingeweide des Vesuvs: wenn Sie es wagen, mein Kind in dieser Leidenschaft zu unterstützen, wenn Sie nur eine Miene machen, meine Ansichten zu mißbilligen, so werden Sie ein Andenken nach Venedig mit zurücknehmen, daß ganz Italien darüber in Entsetzen geraten soll. (Ab ins Nebenzimmer.)


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