Ferdinand Raimund
Der Alpenkönig und der Menschenfeind
Ferdinand Raimund

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Sechster Auftritt

Voriger. Habakuk.

Rappelkopf.
He, Habakuk!

Habakuk.
Wie? Euer Gnaden wissen, wie ich heiß, und haben mich noch nicht gesehen?

Rappelkopf.
Nu, ich kann Ihn ja wo anders gesehen haben.

Habakuk.
Ja freilich, ich war zwei Jahr in Paris. Befehlen Euer Gnaden etwas?

Rappelkopf.
Ja! was ich sagen wollte – (Beiseite.) Ich trau dem Kerl nicht. (Laut.) Hat Er nicht ein Messer bei sich?

Habakuk.
Nein, ich werd aber gleich eins holen. (Will ab.)

Rappelkopf (erschrickt).
Untersteh Er sich, ich brauch keins mehr. Ich hab nur etwas abschneiden wollen. (Für sich.) Er wär imstande er holet eins.

Habakuk.
Ich weiß nicht, ich trag sonst immer ein Messer bei mir –

Rappelkopf (für sich).
Nun da haben wirs ja, das ist ein routinierter Mörder. (Laut.) Lieber Freund, ich werd Ihm ein gutes Geschenk machen, geh Er mir ein wenig an die Hand. Er weiß, ich bin der Bruder Seiner Frau.

Habakuk.
Habs schon weg, Euer Gnaden.

Rappelkopf (für sich).
Unbegreifliche Zauberei! (Laut.) Sag Er mir, wie behandelt denn mein Schwager seine Frau?

Habakuk.
Infam, Euer Gnaden.

Rappelkopf.
Was sagt Er?

Habakuk.
Oh, das ist ein sekkanter Mensch, der glaubt, die Leut sind nur wegen ihm auf der Welt, daß er s' mit Füßen treten kann.

Rappelkopf (für sich).
Nun bei dem hört man doch ein wahres Wort. Der redt doch, wie er denkt. (Laut.) Ja, es soll nicht zum Aushalten sein. Darum kann ihn aber auch meine Schwester nicht ausstehen. Nicht wahr?

Habakuk.
Ah, was fallt Euer Gnaden ein, sie weint sich ja völlig die Augen aus um ihn. Ich kann sie nicht genug trösten.

Rappelkopf.
Man hat aber erzählt, sie hätte ihn wollen gar ermorden lassen.

Habakuk.
Ah, hören Euer Gnaden auf. Euer Gnaden werden doch nicht auch so einfältig sein, das zu glauben.

Rappelkopf.
Ja, Er ist ja, glaub ich, mit dem Messer auf ihn gegangen.

Habakuk.
Ich? warum nicht gar, ich fall in Ohnmacht, wenn sie nur ein Hendel abstechen. Er war im Gartenzimmer, und kein Mensch hat sich hinausgetraut, und die Köchin hat einen Zichori gebraucht, und die Frau hat gschafft, ich soll einen ausstechen.

Rappelkopf (beiseite).
Mit dem ewigen Zichori! am End ists doch wahr.

Habakuk.
Er laßt ja keinen Menschen zu Wort kommen, der Satanas.

Rappelkopf (für sich).
Das ist ein impertinenter Bursch. Ein Verleumder. (Laut.) Und sag Er mir, ist denn Sein Herr ein gescheidter Mann?

Habakuk (verneinend).
Ah! (Vertraulich.) Wissen Euer Gnaden, wir reden jetzt unter uns, es ist nichts zu Haus bei ihm. (Deutet auf den Kopf.)

Rappelkopf (beiseite).
Nein, das ist nicht zum Aushalten. (Gibt ihm Geld.) Da hat Er, mein lieber Freund, Er hat mir schöne Sachen gesagt, ich bin sehr zufrieden mit Ihm, aber geh Er jetzt.

Habakuk.
Küß die Hand! (Für sich.) Aha, den freuts, daß ich über den andern schimpf. Er kann ihn nicht recht leiden. Ich muß noch ärger anfangen, vielleicht schenkt er mir noch etwas. (Laut.) Ja sehen Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein so zuwiderer Mensch ist mir nicht vorgekommen, und es gibt ihm alles nach, das ist gar nichts nutz, da wird er nie kuriert. Ich versteh nichts von der Medizin, aber ich glaub, wenn er einmal recht durchgewassert wurd, es müßte sich seine ganze Natur umkehren.

Rappelkopf.
Jetzt hat Er Zeit, daß Er geht. Den Augenblick hinaus, Er undankbarer Mensch, wie kann Er sich unterstehen, so von Seinem Herrn zu reden? Gleich fort, oder ich schlag Ihm Arm und Bein entzwei. (Sucht einen Stock.)

Habakuk.
So ists recht, jetzt fängt der auch an. (Im Abgehen.) Nun, den sag ich bald wieder was, das ist eine schreckliche Familie. Na, das ging' mir ab. (Geht brummend ab.)

Rappelkopf (allein).
So kann man seine Leute kennenlernen. Von meiner Frau redt er nicht so schlecht, er getraut sich nicht, weil er mich für ihren Bruder hält. Aber für einen Mörder ist er doch zu dumm, ich hab ihn für pfiffiger gehalten. Es wird doch auf den Zichori hinauskommen. Was mich das für eine Überwindung kostet, mit all diesen Menschen zu reden! Aber ich muß meine Untersuchung vollenden, weil ich sie begonnen habe und weil ich in nichts zurücktrete, wenn ich nicht muß, wie heut im Walde.


Siebenter Auftritt

Voriger. Lischen.

Lischen.
Die gnädige Frau läßt fragen, ob Euer Gnaden eine Tasse Tee befehlen.

Rappelkopf.
Ich danke. (Für sich.) Die werd ich auch in die Kur nehmen. (Laut.) Was macht meine Schwester?

Lischen.
Sie ist sehr betrübt.

Rappelkopf.
Weswegen?

Lischen.
Unseres gnädigen Herrn wegen.

Rappelkopf.
Wegen mir?

Lischen.
Ah, wegen Ihnen nicht.

Rappelkopf (faßt sich).
Ja so. (Für sich.) Die kennt mich auch nicht. (Laut.) Und was macht meine Nichte?

Lischen.
Sie spricht mit ihrem Bräutigam.

Rappelkopf (für sich).
Himmel und Hölle! (Faßt sich. Laut.) Was ist denn das für ein Mensch?

Lischen.
Ein sehr liebenswürdiger Mensch.

Rappelkopf.
Was heißt das, macht er Ihr auch die Cour?

Lischen.
Nun, das wäre der Wahre, er wagt es ja kaum, ein anderes Mädchen anzusehen. Das wird ein handfester Pantoffelritter werden. Ich glaube, er hat mir bloß darum noch keinen Heller zum Geschenke gemacht, damit er nur meine Hand nicht berühren darf. Er und mein Fräulein taugen ganz zusammen, und es ist himmelschreiend, daß der gnädge Herr seine Einwilligung nicht gibt.

Rappelkopf (rasch).
Da hat er recht, wenn er sie nicht gibt. Der junge Mensch hat keine Achtung vor ihn.

Lischen.
Ei bewahre, er schätzt ihn weit mehr – verzeihen Euer Gnaden, wenn ich so von Ihren Herrn Schwager spreche – aber weit mehr, als er es verdient.

Rappelkopf (für sich).
Es ist, als ob sie sich alle verschworen hätten wider mich. Geduld, verlasse mich nicht! (Laut.) Ich will Ihr etwas schenken, aber sag Sie mir in der größten Geschwindigkeit alle üblen Eigenschaften Ihres Herrn.

Lischen.
In einer Geschwindigkeit, das ist ohnmöglich, gnädger Herr.

Rappelkopf.
Warum nicht?

Lischen.
Weil, wenn ich jetzt diesen Augenblick anfange, ich morgen früh noch nicht fertig bin.

Rappelkopf.
Wo ich nur die Geduld hernehme, das alles anzuhören!

Lischen.
Es ist schon genug, daß er ein Menschenfeind ist. Ich begreife gar nicht, wie man bei einem so großen Vermögen, einer gutmütigen Frau, einer wohlerzogenen Tochter und einem so hübschen Stubenmädchen ein Menschenfeind sein kann.

Lied
Ach, die Welt ist gar so freundlich
Und das Leben ist so schön.
Darum soll der Mensch nicht feindlich
Seinem Glück entgegenstehn.
Alles sucht sich zu gefallen,
Liebend ist die Welt vereint,
Und das Häßlichste von allen
Ist gewiß ein Menschenfeind.

Heitrer Sinn nur kann beglücken,
Nur die Freude hebt die Brust,
Nur die Liebe bringt Entzücken,
Und der Haß zerstört die Lust.
Doch wenn alle sich erfreun
Und der Stern des Frohsinns scheint,
Sitzt im düstern Wald allein
Drauß der finstre Menschenfeind.

Sieht man nur die goldne Sonne,
Wenn sie auf am Himmel steigt,
Wie sie schon mit holder Wonne
Allen Wesen ist geneigt:
Dann kann man die Welt nicht hassen,
Die 's im Grund nicht böse meint,
Man muß nur die Lieb nicht lassen,
Wird man nie zum Menschenfeind. (Ab.)

Rappelkopf (allein).
Schrecklich! Muß ich mich auch noch ansingen lassen! Das sind Beleidigungen nach den Noten, und ich darf den Takt nicht dazu schlagen. Und alles bleibt auf einem Wort! Wer kommt?


Achter Auftritt

Voriger. Sophie. Lischen.

Sopie (stürzt rasch herein).
Bruder, er kommt!

Rappelkopf.
Wer kommt?

Lischen.
Der gnädge Herr!

Sopie.
Mein Mann!

Rappelkopf.
Ich komm! (Schlägt sich begeistert an die Brust.) Endlich einmal. Solang die Welt steht, war noch niemand so neugierig auf sich selbst als ich.

Astragalus (ruft noch vor der Tür).
Daß niemand zu mir gelassen wird!

Rappelkopf.
Meine ganze Stimme. Ich hör mich schon. (Tritt zurück.)


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