Ferdinand Raimund
Der Alpenkönig und der Menschenfeind
Ferdinand Raimund

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Zweiter Aufzug

Erster Auftritt

Thronsaal im Eispalaste des Astragalus, mit hohen Säulen geziert, die silberartig erglänzen. Im Vordergrunde ein hoher Thron von pittoreskem Ansehen, als wäre er aus unregelmäßigem Eis geformt.

Auf ihm Astragalus als Alpenkönig. Eine lange lichtblaue weißgestickte Tunika, weiten griechischen Mantel. Weißen Bart, auf dem Haupte eine smaragdene Krone. Vor ihm knien im Kreise ideal gekleidete Alpengeister. Weiße kurze Tunika, mit grünen Folioblättern garniert.

Chor.
Hehr zu schauen auf dem Throne
Bist du, Fürst der Alpenflur,
Denn dich schmückt der Tugend Krone,
Du vertilgst des Lasters Spur.

Astragalus (steht auf und spricht).
Auf des Thrones eisgen Stufen
Horcht ich gern noch eurem Chor.
Doch laßt uns den Fremdling rufen,
Denn die Zeit tritt mahnend vor.

Alpanor.
Lange steht er schon bereitet
In der Halle vor dem Saal.
Auch ist er schon angekleidet,
Wie dein Wink es uns befahl.

Astragalus.
Höhnt ihn aus, wenn er erscheint.

(Rappelkopf in einem drapfarben Reiseüberrock, gleichen Gamaschen mit silbernen Knöpfen, schwarzem Haar, etwas hoher Stirne, wird hereingebracht.)

Ein Alpengeist.
Fürst, hier ist der Menschenfeind.

(Alle lachen.)

Rappelkopf.
Nun? Was ist da Spaßigs dran?

Alpanor.
Weißt du wohl, warum sie lachen?
Unter einem Menschenfeind
Dachten sie sich einen Drachen,
Der als grimmer Ries erscheint.
Und nun sehn sie einen Zwergen,
Wer soll 's Lachen da verbergen?
Von dem Unsinn mußt du lassen,
Freund, das ist ja ganz verkehrt.
Du willst alle andern hassen?
Und bist selber nicht viel wert.

Rappelkopf.
Versteht sich. Du wirst mir sagen, was ich zu tun hab. (Für sich.) Verdammtes Hexenvolk!

Astragalus.
Du bist die Wette mit mir eingegangen, du wollest dein Gemüt in edleres verkehren, wenn du die Fehler deines jetzigen erkennst.

Rappelkopf.
Das hab ich gsagt im Angesichte von vier Zeugen: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Nun gib mir Überzeugung, oder laß mir Ruh in meinem Wald.

Astragalus.
So hör mich an. Damit du kannst in solchem Seelenspiegel schauen, so will ich deinen Geist aus deinem Leib entführn und ihn in eines neuerschaffnen Körpers Haus verbannen.

Rappelkopf.
Das will sagen, mein Geist wird von einer Bouteille in die andere hinübergefüllt, das ist schon nichts, da kann schon eine Spitzbüberei geschehen, bei dieser Füllung muß ich dabei sein. Da kann er ausrauchen, oder verwechselt werden. Ich traue niemand mehr.

Astragalus.
Er wird es nicht. Ich schwör es bei des Chimborassos eisgekröntem Haupte. Du wirst dein Denken, Wollen, Handeln, Fühlen genau in eines andern Bild erblicken.

Rappelkopf.
Und was gschieht dann mit mir, geh ich so ohne Seel herum, oder bekomm ich wo eine andere zu leihen?

Astragalus.
Du wirst als Bruder deiner Frau erscheinen.

Rappelkopf.
Diese Verwandtschaft hätt ich mir nie träumen lassen.

Astragalus.
Doch ganz die Kraft der eigenen Gesinnungen behalten.

Rappelkopf.
Das heißt, ich werde aussehn wie mein Schwager und denken, was ich will.

Astragalus.
So ists. Dadurch kannst du dich überzeugen, wie gegen dich dein Weib, dein Kind und der von dir gehaßte Maler denken. Doch daß du auch an deinem Ebenbild den höchsten Anteil nimmst und dich in ihm genau ergründest und betrachtest, so hängt dein künftig Schicksal ganz von dem freien Handeln dieses Doppelgängers ab. Und was zu deinem Nutzen oder Nachteil wird durch ihn in deinem Haus geschehn, das wird, wenn er verschwindet, unveränderlich dir bleiben.

Rappelkopf.
Also wenn er mir mein Haus verkauft, kann ich nachher auf der Straße wohnen? Ah, das ist eine schöne Einquartierung.

Astragalus.
Auch ist dein Leben selbst an seines festgebunden, und wenn er es verliert, solang er statt dir lebt, stirbst du mit ihm und wirst durch ihn erkranken auch, wenn es der Zufall fügt, daß ihm ein bös Geschick Gesundheit raubt.

Rappelkopf.
Zwei Menschen und nur ein Leben! Jetzt fangt sogar die Natur zum ökonomisiern an. Da hats der Tod kommod, der nimmt s' gleich Paar und Paar. Nun gut, so laß denn sehen, was deine Taschenspielerei vermag. Der Prozeß ist eingeleitet. Ein unendlich verwickelter Fall, der wird in hundert Jahren nicht aus. Also was gschieht denn jetzt? Hab ich noch meinen Geist, oder hat ihn schon ein anderer? Bin ich schon mein Schwager, oder bin ich noch der Schwager meines Schwagers?

Astragalus.
Es wird dich jeder für den Bruder deines Weibs erkennen. Darum hab ich in deinem Äußern dich gestaltet so wie ihn. Ihr Alpengeister, führt ihn fort und bringt ihn an des Berges Fuß. Dort werdet ihr ein leichtberädert Fahrwerk finden, zwei rüstge Maultier vorgespannt, mit Staub bedeckt, als kämen sie von weiter Reise aus dem Land der welschen Glut. Sie bringen schnell ihn vor sein Schloß, dort werde seinem Übermut Beschämung, Überzeugung, Strafe.

Rappelkopf.
Nun gut, so will ich dies Asyl der Falschheit noch einmal betreten. Ich geh und übergeb dir meinen Geist, von dem ich weiß, daß er so wenig Fehler hat, als die Donau Linienschiffe trägt, als Eicheln auf dem Kirschbaum wachsen und blondes Haar in deinem grauen Bart. (Ab mit den Alpengeistern, nur Alpanor bleibt zurück.)

Astragalus.
Sein Starrsinn ists, der mich zu festen Hoffnungen berechtigt, denn hat er sich erkannt, wird ihn mit gleicher Heftigkeit der Trieb zur Besserung erfassen, als seine kräftge Phantasie den Wahn des Hasses jetzt umklammert hält. Alpanor! Hast du den Bruder seines Weibs zurückgehalten, daß er nicht heute morgens schon von seiner Reise in des Menschenfeindes Schloß eintrifft?

Alpanor.
Es geschieht in diesem Augenblick. Der Alpengeist Linarius leitet seiner Pferde Zügel und setzt ihn aus in einer wüsten Felsengegend, so lang, bis, großer Alpenkönig, du die Ankunft ihm erlaubst.

Astragalus.
Und ich will scheinbar mich in ihn verwandeln
(er verwandelt sich in Rappelkopfs Gestalt in seiner ersten Kleidung)
Und so durch Trug zu seinem Besten handeln.
Wie auf des Schlosses Dache die metallne Spitze
Das Haus bewahret vor der Wut der Blitze,
Will ich den Haß, den er sich gen die Welt erlaubt,
Herniederleiten auf sein eignes Haupt.
Dort mag die Donnerwolke sich entleeren
Und Glut durch Glut hellflammend sich verzehren,
Bis aus der Asche wird zum neuen Leben
Die Liebe gleich dem Phönix sich erheben.

(Beide ab.)


Zweiter Auftritt

Verwandlung

Wilde Felsengegend. Im Hintergrunde ein hoher praktikabler Fels, welcher von der rechten Kulisse aber zwei Dritteil der Bühne bis ohngefähr zwei Schuh weit von der linken sich erstreckt und in einem steilen Abhang endigt. Auf ihm ist eine gedeckte Reisekalesche mit zwei Schimmeln sichtbar. Die Pferde stehen schon ganz an dem Abhange des Felsens.

Auf dem Sattelpferde sitzt der Alpengeist Linarius, als Postillion gekleidet. Im Wagen Herr von Silberkern, so gekleidet wie Herr von Rappelkopf zu Anfange des zweiten Aktes. Er droht mit einem Stock dem Postillion und schreit heftig.

Silberkern.
Halt! Halt! Was treibt Er denn, Er verwünschter Kerl, ich bin ja des Todes, wo führt Er mich denn hin?

Linarius.
Geduld, mein Herr, wir werden gleich am Ziele sein.

Silberkern.
Das ist ja keine Möglichkeit, der Kerl ist besoffen wie eine Kanone, er muß glauben, da unten ist ein Weinkeller. Ich massakrier Ihn, Er verflixter Lumpenhund. Was treibt Er denn mit Seinen gottverdammten Schimmeln?

Linarius.
Ich habe meine Pferde ausgespannt.

Silberkern.
Untersteh Er sich, Er infamer Mensch! wir stürzen ja hinab.

Linarius.
Wer wird denn da viel Sprünge machen? das Trinkgeld ist mir ein für allemal zu schlecht. Adieu, mein Herr!

Silberkern.
Wo will Er denn hin?

Linarius.
Ich reite durch die Luft –

(Die Pferde bekommen Flügel. Linarius erhebt sich mit ihnen bis in die halbe Höhe des Theaters. Der Wagen bleibt stehen, zugleich fällt der hintere Teil des Felsens herab, und nur das Stück, worauf die Kutsche ist, bleibt stehen.)

Du bleibst zurück auf diesem Fels und genießest hier die Luft. Zur rechten Zeit spann ich die Pferde wieder vor. Dann bitt ich mir ein tüchtig Trinkgeld aus. Bis dahin lebe wohl und unterhalt dich gut. Juhe! Zum Alpenkönig heißt das Posthaus hier. Ihr Schimmel, hi! stoßt euch an keinen Stein! Lebt wohl, Herr Passagier, und bleibt mir fein gesund! (Fliegt fort und blast das Posthorn dabei.)

Silberkern.
Verdammter Hexenspuk! Der Kerl fliegt herum wie eine Fledermaus. Flieg zum Geier, falscher Rabe! Ich brauche deine Pferde nicht. (Er will heraussteigen.) I potz Hagel, was ist das? Ich kann ja nicht heraus. Der Wagen hängt ja in der Luft. Das ist ja aufs Verhungern abgesehen. Verflixter Kerl, komm zurück! Es rührt sich nichts, ich sehe keinen Menschen, nicht einmal Ochsen weiden hier. Ich bin der einzge in der ganzen Gegend. (Schreit.) Hört mich denn niemand?

Echo.
Niemand – (Entfernter.) Niemand – Niemand – Nieman –

Silberkern (stampft mit dem Fuße).
Ich ersticke noch vor Zorn –

(Der Fels, auf dem der Wagen steht, öffnet sich wie eine Höhle und in ihr sind eine Menge kleine Alpengeister aufeinanderkauernd gruppiert, welche mit schadenfroher Miene aus vollem Halse lachen. Auch aus den Gebüschen, welche um den Fels angebracht sind, sehen einige schelmisch hervor.)

Alpengeister.
Hahahahaha!

Silberkern (schnell, räsonierend, mit dem Stock herumfechtend).
O du Geistergesindel, du unsichtbares Lumpengepack, komm herauf zu mir, ich schlag dich tot. Das ist eine verflixte Geschichte.

(Neues Lachen und schnelles Vorfallen der Kurtine, welche ein Zimmer in Rappelkopfs Hause vorstellt.)


Dritter Auftritt

Mehrere Dienstleute stürzen auf die Bühne. Sophie von der Seite.

Sopie.
Wo, wo ist mein Bruder?

Dienstleute.
Er kömmt soeben die Treppe herauf. Hier ist er schon.

Sopie.
Holt Herrn von Dorn und meine Tochter. Das Gepäcke in das grüne Zimmer.


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