Ferdinand Raimund
Der Alpenkönig und der Menschenfeind
Ferdinand Raimund

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

(Langsam verwandelt sich die Bühne in ein kurzes Zimmer in Rappelkopfs Hause. In der Mitte ein großer Spiegel. Tag.)

Achtzehnter Auftritt

Sophie, von Malchen und August geführt, setzt sich weinend in einen Stuhl.

Malchen.
Trösten Sie sich, teure Mutter, der Vater wird schon wieder zurückkehren, wenn er ausgetobt hat. Wie oft verließ er nicht das Haus und lief den Bergen zu.

Sopie.
Ach Kinder, es ist eine böse Ahnung in meinem Busen, die mir jede Hoffnung raubt, daß wir ihn gesund und wohlbehalten wiedersehen.

August.
Wenn Sie mir nur erlauben wollten, ihm nachzueilen, ich wollte alle Mittel anwenden, ihn zu besänftgen.

Sopie.
O lieber August, Ihr Anblick würde ihn nur noch mehr erbittern. Eben weil er Sie hier weiß, ist sein Unmut zur Raserei geworden.

Malchen.
Da kommt Lischen mit Habakuk, vielleicht hat man schon Nachricht gebracht. (Lischen, eilig Habakuk hereinziehend.)

Lischen.
Da komm Er herein, Er abscheulicher Mensch, und erzähl Er der gnädgen Frau den ganzen Vorfall! Stellen sich Euer Gnaden vor, mit dem Habakuk hat er den letzten Auftritt gehabt. Wegen dem Habakuk ist er fort.

Habakuk.
So red Sie nur nicht so einfältig! Was kann denn ich dafür?

August.
Der Mensch ist ja blaß wie eine Leiche.

Sopie.
Warum hat Er denn das nicht gleich gemeldet, wo war Er bis jetzt?

Lischen.
Auf den Kornboden hat er sich versteckt, aus lauter Angst vor den gnädgen Herrn. Er hat ihn ja ermorden wollen.

Alle.
Wen?

Lischen.
Der Habakuk den gnädigen Herrn.

Alle.
Nicht möglich!

Lischen.
Nicht möglich? Er hat es ja selbst gestanden. Sehen Euer Gnaden nur diese Mörderphysiognomie, er bringt noch das ganze Haus um.

Habakuk.
Ah, das ist ja eine schändliche Person. Euer Gnaden, ich bitt, daß ich mich an ihr eine halbe Stund vergreifen darf. Das kann ich ja nicht leiden.

Lischen.
Untersteh Er sich und komm Er her, Er Missetäter!

Malchen.
Du wirst dir doch keinen Scherz erlauben, Lischen?

Sopie.
Sprech Er, Habakuk! Warum zittert Er denn so?

Habakuk.
Aus lauter Zorn, ich benimm mich gegen alle présence d'esprit, ich war zwei Jahr in Paris, und mir schnappen die Füß zusammen.

August (gibt ihm einen Stuhl).
Hier setz Er sich nieder und erklär Er sich über die Sache.

Habakuk.
Ich kann mich nicht anders erklären, als daß ich, wie Euer Gnaden geschafft haben, einen Zichori hab ausstechen wollen, und wie der gnädige Herr ein Messer bei mir erblickt, so hat er behauptet, ich hätt ihn gschwind unter der Hand umbringen wollen. Laßt mich nicht zu Wort kommen, schüttelt mich wie einen Zwetschkenbaum und fragt mich, wer mich gedünget hat. Ich wollt antworten: Die gnädige Frau braucht einen Zichori. Wer aber diesen Zichori gar nicht aus mir herauslaßt, das war er. Denn kaum hab ich das Wort: »Die gnädige Frau« gesagt, so ist er schon mit beiden Füßen bis auf den Blavon hinauf gsprungen. Hat immer geschrien, meine Frau will mich ermurden lassen, hat mich einen Habällino hin, den andern her geheißen, und hat mich mir nichts dir nichts bei der Tür hinausgeprügelt. Von wo ich mich aus lauter Desperation auf den Kornboden versteckt hab. Bis mich dieses intrigante Frauengeziefer heruntergestöbert hat und jetzt die ganze Gschicht auf eine so verkehrte Weise erzählt.

Lischen.
Er hat einmal behauptet –

Habakuk.
Daß Sie eine niedrigdenkende Seele ist, die einen Mann von meinen Meriten ins Unglück hineinstürzen will.

Sopie.
Genug jetzt, mit diesen Albernheiten. Also das ist die Ursache, die meinen Mann in solche Wut geraten ließ? Des Mordes hält er mich verdächtig? So ungereimt diese Zumutung auch ist, so gibt sie doch einen Beweis, wie gemein er von meinem Charakter denkt.

Malchen.
Beruhigen Sie sich, liebe Mutter!

August.
Wer sollte glauben, daß ein gesunder Verstand so phantastisch ausarten könne?

Lischen.
Der gnädge Herr hatte immer etwas Düstres an sich, selbst wie er noch Buchhändler war, seine Bücher waren immer gut aufgelegt, er aber nie.

Habakuk.
Er ist ein Hypokontrolist. Er hat zu reizende Nerven.

Lischen (lacht).
Es ist schrecklich – dieser Mensch war zwei Jahr in Paris und ist so einfältig wie eine Auster.

Habakuk.
Diese Person fällt noch von meiner Hand.

Sopie (zu Lischen).
Und du hast ihn aus dem Hause laufen sehen?

Lischen.
Dem Walde zu. Nachdem er vorher die große Schlacht gegen alle Möbel gewonnen hatte.

Sopie (weint).
Ach du lieber Gott, mir bangt um sein Leben, ich kann nicht ruhig bleiben mehr, ich muß selbst hinaus –

August.
Bleiben Sie –

Malchen.
Ach August, der Alpenkönig hat uns getäuscht.

August.
Ich verwünsche diesen Kobold.

(Donnerschlag. Der Spiegel öffnet sich, man sieht auf einem schroffen Fels den Alpenkönig sitzen. Im Hintergrunde ferne Berge, blauer Himmel.)

Sopie.
Himmel, welche Erscheinung!

August, Malchen.
Er ist es!

Sopie.
Wer?

Habakuk.
Der Aschenmann!

August, Malchen.
Der Alpenkönig!

Lischen.
Ach, daß der Himmel erbarm! (Sie schließt die Augen.)

Astragalus.
Warum verfluchst du mich?

August (kniet).
Du Wunderwesen, dessen Macht wir nicht erklären können und die doch unleugbar, weil sie dem Auge und dem Herzen sich zugleich verkündet, du hast uns deinen Schutz gelobt. Und doch ward diesem Haus so tiefes Leid, daß ich beinahe fürchten muß, du könntest meiner Liebe Glück durch ihres Vaters Unglück nur bezwecken.

Malchen (kniet).
Wenn du die Stelle kennst, auf der sein Fuß jetzt irrt, so rett ihn, hoher Klippenfürst.

Sopie (kniet).
Ich verstehe meiner Kinder Worte nicht, doch wenn meines Mannes Herz in deinen Zauberbanden liegt und darum sich von uns gewendet hat, so gib es frei, wir werden dich dafür stets als ein gutes Wesen ehren.

Lischen (kniet).
Hoher Alpenkönig! Ich traue mich zwar nicht, mein Auge zu dir zu erheben, warum? das weiß ich schon. Aber wenn du ein galanter Herr bist, so wird auch die Bitte einer hübschen Kammerjungfer etwas bei dir gelten.

Habakuk (kniet).
Ich bitt auch ganz erschrecklich, Euer gesteinigte Hochheit!

Astragalus (steht auf).
Ich dacht es wohl, es wandle euch Besorgnis an,
Weil mein Geschäft so üblen Anfang nimmt.
Doch sorgt euch nicht, ich bin ein kluger Handwerksmann,
Der seinen Vorteil schon voraus bestimmt.
Denn wenn man sprödes Erz geschmeidig sucht zu biegen,
So lasse man es in des Ofens Bauch erglühn.
Und so muß sein Gemüt in Hassesflammen liegen,
In wilder Leidenschaft die Seele Funken sprühn,
Dann kann ich seinen Wahn durch Überzeugung schmieden
Und seiner Denkart ihre alte Form verleihn.
Von selbst schließt mit der Menschheit er dann neu den Frieden
Und wird sein Wirken freudig ihrem Wohle weihn.
Drum, was ihr Böses mögt in baldger Zukunft schauen,
Wenn ihr bei nächster Sonne wieder ihn erblickt,
Doch mögt ihr kühn und treulich auf mein Wort vertrauen,
Noch eh sie sinkt, hat Alpenkönig euch beglückt.

(Sinkt in seine frühere Stellung zurück. Das Spiegelglas erscheint wieder.)

Sopie.
So unerklärbar dieses Phantom mir ist, so hat es doch Trost in meine Seele gesendet. Begleitet mich nach dem Gemach, das uns die Aussicht nach dem Wald hin bietet, vielleicht sehen wir schon einige von den Boten zurückkehren, welche ich nach meinem Manne ausgesendet habe. Dort sollt ihr mir auch Aufklärung über den Alpenkönig geben.

(Sophie, Malchen, August ab.)


Neunzehnter Auftritt

Habakuk. Lischen.

Habakuk.
Nein, was einem in unserm Haus für Erscheinungen begegnen, das geht in das Entsetzliche hinüber. (Stellt sich vor Lischen.)

Lischen.
Nu was gibts, Monsieur? Was sieht Er mich so an?

Habakuk (gezogen).
Sie hat mich auf das Schafott bringen wollen, darum hab ich Ihr in dieser Welt nichts mehr zu sagen, als –

Lischen.
Daß Er zwei Jahre in Paris gewesen ist, Er abgeschmackter Mensch?

Habakuk.
Oui, Mademoiselle, und dieses Bewußtsein gibt mir die Kraft, Ihre Gemeinheit zu verachten. (Geht pathetisch ab.)

Lischen (allein).
Und ich werde mich in des gnädgen Herrn Zimmer verfügen und mich in den zerbrochenen Spiegel schauen, ob ich meine ganze Schönheit noch besitze. Dann werde ich die zerrissenen Liebesbriefe zusammenkehren und diese mit Füßen getretenen Empfindungen ganz langsam in den Kamin hineinschaufeln. So sind die Männer, ihre Liebesschwüre sind lauter Wechsel an die Ewigkeit, in diesem Leben zahlt sie keiner aus. Wenn ich wieder auf die Welt komme, so werd ich ein Mann und will gar keine von meinen jetzigen Eigenschaften behalten als die Eroberungskunst.

Ariette
Ach, wenn ich nur kein Mädchen wär,
Das ist doch recht fatal,
So ging' ich gleich zum Militär
Und würde General.
Oh, ich wär gar ein tapfrer Mann,
Bedeckte mich mit Ruhm!
Doch ging' die Kanonade an,
So machte ich rechtsum.

Nur wo ich schöne Augen säh,
Da schöß ich gleich drauf hin.
Dann trieb' ich vorwärts die Armee
Mit wahrem Heldensinn.
Da flögen Blicke hin und her,
So feurig wie Granaten.
Ich sprengte vor der Fronte her,
Ermutigt die Soldaten.

Ihr Krieger, schrie' ich, gebt nicht nach!
Zum Sieg sind wir geboren,
Wird nur der linke Flügel schwach,
(aufs Herz zeigend)
So ist der Feind verloren.
So würde durch Beharrlichkeit
Am End der Preis errungen
Und Hymens Fahn in kurzer Zeit
Von Amors Hand geschwungen.

Dann zög ich ein mit Sang und Spiel,
Die Mannschaft parodierte.
Wär auch der Lorbeer nicht mein Ziel,
So schmückte mich die Myrte.
So nützte ich der Kriegskunst Gab,
Eroberte – ein Täubchen.
Dann dankt ich die Armee schnell ab
Und blieb' bei meinem Weibchen. (Ab.)


 << zurück weiter >>