Ferdinand Raimund
Der Alpenkönig und der Menschenfeind
Ferdinand Raimund

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Sechzehnter Auftritt

Vorige. Rappelkopf öffnet die Tür und bleibt stehen.

Rappelkopf.
Holla, da gehts zu, nur hinauf auf die Köpf! Das ist ein Gesindel. (Geht in die Mitte des Zimmers und klatscht in die Hände. Schadenfroh.) Bravo! Bravissimo!

Salchen.
Jetzt schauts den an. Was will denn der da?

Marthe.
Nu was will Er? Was schaut Er?

Rappelkopf.
Sie will ich nicht. Sie Altertum! Was kost die Hütten da? Was muß ich zahlen, wenn ich euch alle hinauswerfen darf?

Salchen.
Ah, der hat einen kuriosen Gusto.

Marthe.
Er impertinenter Mensch, was untersteht Er sich denn, da hereinzukommen –

Salchen.
Und uns Grobheiten anzutun.

Christian (halb schlaftrunken).
Werfts ihn aussi!

Marthe (verdrüßlich).
Halt's Maul! (Zu Rappelkopf) Was hat denn Er zu befehlen, ich kann meine Kinder schlagen, wie ich will.

Andresel.
Nun ja, was geht denn den Herrn mein Buckel an? Die Schläg sein unser Mittagmahl.

Der Bub unterm Bett. Sultel! Huß huß!

Der Hund.
Hau hau!

Marthe und Salchen.
Hinaus mit Ihm!

Rappelkopf.
Still! kein Wort reden! (Zieht zwei Geldbeutel hervor und klingelt damit.) Geld ist da! Dukaten sind da! Die gehören alle euch. Verstanden? Also freundlich sein. Die Zähn herblöcken. Euer Gnaden sagen. Gschwind! Bagage! Gschwind!

Marthe.
Euer Gnaden, wir bitten um Verzeihung. Gehts, Kinder, küßt den gnädigen Herrn die Hand. Kriegts was zu schenken.

(Die Kinder kriechen hervor.)

Andresel (lacht dumm).
Dukaten hat er? Gehts, Buben, küssen wir ihm die Hand.

(Sie küssen ihm die Hände.)

Rappelkopf.
Ist schon da die Brut.

Alle drei Buben.
Euer Gnaden, bitt gar schön um ein Dukaten.

Christian.
Bringts mir auch welche her!

Salchen.
Schamts euch nicht? er foppt euch nur.

Rappelkopf.
Was will die Frau, da, für die Keischen? Ich kauf s'. Wenn s' noch so teuer ist.

Marthe.
Ah, Euer Gnaden machen nur einen Spaß. Was wollten S' denn mit der miserablichen Hütten da?

Rappelkopf.
Das geht Sie nichts an. Hat Sie genug an zweihundert Dukaten?

Marthe.
O mein, Euer Gnaden! So viel Geld kanns ja gar nicht geben auf der Welt, da wären wir ja versorgt auf unser Lebtag.

Salchen.
Aber die Mutter wird doch nicht die Hütten verkaufen? Was wird denn mein Franzel sagen, wenn ers hört?

Andresel.
Mutter, gebts ihm s', es ist nicht mehr wert.

Marthe (freudig).
O du lieber Himmel, das ist a Glück! Wenn nur mit mein Mann was zu reden wär!

Andresel.
Vater! steht der Vater auf! Oder wir verkaufen 's Haus, und den Vatern auch dazu.

Marthe.
Du Mann! (Für sich.) Nein, die Schand vorn Leuten! Er kann sich gar nicht rühren. (Während dieser Rede liebkost der Hund Rappelkopf, welcher ihn mit dem Fuß von sich stößt. Der Hund bellt auf ihn. Marthe laut.)
Die Hütten kannst verkaufen, stell dir vor, zweihundert Dukaten kriegen wir dafür.

Christian (schlaftrunken).
Ist zu wenig – viel zu wenig.

Salchen.
Wenn er s' nur nicht hergebet!

Marthe.
Der Mann weiß gar nicht, was er redt. Sie können s' habn, Euer Gnaden, es ist schon alles in der Ordnung.

Rappelkopf.
Da kauf ich alles, wies da liegt und steht.

Marthe.
Oh, da drauß ist auch ein Kuchel, da hängt a Menge Kuchelgschirr.

Andresel.
Und Mäus gibts, die sind gar nicht zu bezahlen.

Rappelkopf.
Also da ist's Geld. (Wirft ihnen Geld hin.) Und jetzt augenblicklich hinaus. Alle miteinander. In zwei Minuten will ich keins mehr sehen.

Salchen.
Sieht die Mutter, jetzt kommts halt doch auf Hinauswerfen heraus.

(Während dieser Reden haben die Kinder alles nach und nach zurückgeräumt, so daß die Bühne im Vordergrunde frei von Möbeln ist, bis auf einen Stuhl, auf den sich Rappelkopf setzt. Franzel tritt ein.)

Franzel.
Guten Abend, der Franzel ist da!

Rappelkopf.
Da kommt noch so ein Halbmensch.

Salchen.
O lieber Franzel, schau nur den Fremden an, dem hat die Mutter die Hütten verkauft, er wirft uns alle 'naus. Er hat s' schon zahlt.

Franzel.
Aber Mutter, was fallt Euch denn ein? Gebts ihm doch 's Geld zurück, dem abscheulichen Menschen.

Marthe.
Warum nit gar – das gib ich nimmer her, keinen solchen Narren finden wir nicht mehr. Seids still, von dem Geld könnts euch heiraten.

Salchen.
Aber wo bleiben wir denn? Es ist ja schon bald Nacht.

Marthe.
Ums Geld lassen s' uns überall hinein. He! Kinder, Vater, Mutter, auf, auf! wir müssen alle fort.

Andresel.
Das wird ein Auszug werden! Ich freu mich schon.

Marthe.
Aufsteh, Mann! (Sie zerrt ihn auf und führt ihn vor.)

Rappelkopf.
Ist er krank?

Marthe.
Nu, ich glaubs.

Rappelkopf.
Schon lang?

Marthe.
Halt ja, das ist gar ein altes Übel, das ist noch vom vorigen Jahr.

Rappelkopf.
Das ist nicht wahr! es ist vom Heurigen. Hinaus mit ihm!

Christian.
Ich geh nicht fort, bis ich das Geld nicht hab. Ich bin ein Mann, ich hab etwas im Kopf, so will ich im Sack auch was haben.

Marthe.
Ich hab schon 's Geld, (zieht ihm den Rock an und setzt ihm den Hut auf) so geh nur zu! Jetzt Kinder, packts zusammen.
(Hansel nimmt den Hund an einen Strick.)
Der Christoph führt die Großmutter.
(Sie heben die Alte aus dem Bett und geben ihr die Krücke in die Hand. Auf Hänschen.)
Du führst den Hund, und ich mein Mann.

Rappelkopf.
Und das Kind? Was gschieht mit den?

Andresel.
Das nimm ich unterm Arm.

Rappelkopf.
Das ist ein Hottentottenvolk. Seid ihr in Ordnung jetzt?

Andresel.
Ja. Eingspannt ists.

Rappelkopf.
So fahrt hinaus.

Salchen.
So müssen wir denn wirklich fort, aus unsern lieben Haus –

Christoph (weint).
Wo wir alle geboren und verzogen sein.

Salchen.
Meiner Seel, der Herr kanns nicht verantworten, was der Herr mit seinen Geld für ein Unheil anstift.

Sextett

Salchen.
So leb denn wohl, du stilles Haus,
Wir ziehn betrübt aus dir hinaus.

Alle (bis auf Rappelkopf).
So leb denn wohl, du stilles Haus,
Wir ziehn betrübt aus dir hinaus.

Salchen.
Und fänden wir das höchste Glück,
Wir dächten doch an dich zurück.

Alle.
Und fänden wir das höchste Glück,
Wir dächten doch an dich zurück.

(Alle Paar und Paar ab. Sie sehen sich im Abgehen betrübt um, auch der Hund.)

Der Hund (mit gedämpftem Ton gegen Rappelkopf im Abführen).
Hau hau! Hau hau! (Geht hinten nach, von Hänschen an einem Strick geführt.)


Siebzehnter Auftritt

Rappelkopf allein.

Lied mit Chor

Rappelkopf (springt vom Stuhle auf).
Jetzt bin ich allein, und ich will es auch bleiben,
Will mich mit der Einsamkeit zärtlichst beweiben,
Will gar keine Freunde als Berge und Felsen,
Verjag das Schmarotzergesindel wie Gelsen,
Will nie dem Geschwätze der Weiber mehr lauschen,
Da hör ich viel lieber des Wasserfalls Rauschen.
Zu Pagen erwähl ich die vier Elemente,
Die regen geschäftig die riesigen Hände.
Den Westwind ernenn ich zu meinem Friseur,
Der kräuselt die Locken und weht um mich her,
Und wenn ich ein hohes Toupet vielleicht schaff,
Frisiert mich der Sturmwind gleich à la Giraff.
So leb ich zufrieden im finsteren Haus
Und lache die Torheit der Menschen hier aus.
(Tritt in die Mitte des Theaters zurück und starrt vor sich hin. Nah an der Hütte ertönt sanft der Chor nach der vorigen Melodie.)

Chor.
So leb denn wohl, du stilles Haus,
Wir ziehn betrübt aus dir hinaus.

Der Hund.
Hau hau!

Rappelkopf (tritt vor).
Ich will nichts mehr hörn von den boshaften Leuten,
Verachte die Dummen und fliehe die Gscheidten.
Und ob sie sich raufen, und ob sie sich schlagen,
Und ob sie Prozesse führn und sich verklagen,
Und ob sie sich schmeicheln, und ob sie sich küssen,
Und ob sie der Schnupfen plagt, wie oft sie niesen,
Und ob sie gut schlafen, und was sie gegessen,
Und ob sie vernünftig sind oder besessen,
Und ob wohl in Indien der Hafer ist teuer,
Und obs in Pest regnt und in Ofen ist Feuer,
Und ob eine Hochzeit wird oder ein Leich:
Ha! das ist mir einerlei, das gilt mir gleich.
Ich lebe zufrieden im finsteren Haus
Und lache die Torheit der Menschen hier aus.

(Wirft sich in den Stuhl. Weiter entfernt von der Hütte:)

Chor.
So leb denn wohl, du stilles Haus,
Wir ziehn betrübt aus dir hinaus.

Der Hund.
Hau hau!

(Es wird finster.)

Rappelkopf (springt auf und schleudert den Stuhl zurück, auf dem er saß).
Und wollte die Welt sich auch gänzlich verkehren,
Und brächte der Galgen die Leute zu Ehren,
Und läge die Tugend verpestet am Boden,
Und tanzten nur Langaus die Kranken und Toten,
Und brauchten die uralten Weiber noch Ammen,
Und stünde der Nordpol in glühenden Flammen,
Und schenkte der Wucher der Welt Millionen,
Und würden so wohlfeil wie Erbsen die Kronen,
Und föcht man mit Degen, die ganz ohne Klingen,
Und flögen die Adler und fehlten die Schwingen,
Und gäbs eine Liebe, gereinigt von Qualen,
Und schien' eine Sonne, beraubt ihrer Strahlen:
Ich bliebe doch lieber im finsteren Haus
Und lachte die Torheit der Menschen hier aus.

(Er eilt zurück und öffnet die Fensterbalken. Der Wald erglüht im Abendrot, welches auch Rappelkopf bestrahlt. Er blickt düster hinaus und von ferne erschallt der)

Chor.
So leb denn wohl, du stilles Haus,
Wir ziehn betrübt aus dir hinaus.

Der Hund.
Hau hau!


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