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Das achtzehnte Capitel.


Sein Buch der Autor schließet jetzt,
Das Beste kommt zu allerletzt.
Wie unsers Herrgotts Canzelei
Vertrug sich, ward der Dränger frei,
Ist kurz erzählt, wie es geschah,
Sit soli Deo gloria!
Gott schütz' das theure Vaterland,
Nehm' sein Geschick in gute Hand,
Segn' weit und breit das deutsche Blut,
Bring' bald uns unter einen Hut!

Markus starb nicht! Wie sich Unseres Herrgotts Canzlei wehrte gegen den grimmigen Feind, so wehrte sich der tapfere Rottmeister Markus Horn gegen den grimmen Tod. Und wie die große lutherische Stadt Magdeburg diesmal unüberwunden blieb, so ging auch Markus Horn als Sieger aus dem schweren Kampfe hervor. Durch lange Wochen lag er freilich ohne Bewußtsein, und am dreiundzwanzigsten März, an dem Tage, wo Herr Levin von Embden von der Laube des Rathhauses die gesammte Bürgerschaft der Altstadt aufforderte, all ihr Silber, es sei gelb oder weiß, der Vertheidigung der Stadt zu opfern, und wo mit herrlichster Begeisterung alles Volk sich gutwillig erzeigte, an diesem Tage war der Kranke von den Seinigen aufgegeben, und Herr Nikolaus Hahn sprach die Sterbegebete an seinem Lager. In der folgenden Nacht besserte es sich jedoch wieder, und als am Donnerstag post Misericordias Domini, als am sechzehnten April, Verhandlungen und Vorschläge zur Versöhnung zwischen der Stadt und Herrn Joachim von Gerstorf in des Herzogs von Mecklenburg Herberge und Gewahrsam gethan wurden, da schöpften die betrübten Seelen im Hause des Rathmanns Horn zum ersten Mal unter den heißesten Dankgebeten freien Athem. Markus hatte seine Mutter und die Regina Lottherin erkannt. Am folgenden Tage erkannte der verwundete Sohn auch seinen Vater, doch war er so matt, daß er kaum ein Wort über die Zunge bringen konnte. Solches dauerte bis Vocem jucunditatis; von da an besserte es sich zusehends mit dem Rottmeister; er fing an, einen merkwürdigen Appetit zu entwickeln, schlief durch Tag und Nacht, und die Klarheit seines Geistes kehrte mehr und immer mehr wieder. Das Jahr trat in den Frühling, in das Leben trat Markus Horn zurück.

Am Morgen des achten Mai, dem Donnerstag nach Trinitatis, blickte der Genesende, wieder einmal aus tiefem erquickenden Schlaf erwachend, durch die halbgeschlossenen Augenlider auf ein so liebliches Bild, daß er sich eine geraume Zeit lang nicht regte, um es nicht zu stören. Zu Füßen seines Bettes saß seine alte Mutter, das offene Liederbuch Martin Luther's im Schooß, die Hände darüber faltend und mit einem stillen Lächeln auf den Lippen zu dem Vater Horn und dem Töchterlein des Nachbars Lotther hinüberblickend. Diese Beiden saßen dicht nebeneinander, Hand in Hand; der Greis in einem hohen Lehnstuhl, die Jungfrau auf einem niedern Schemel ihm zu Füßen. Von Zeit zu Zeit streichelte der alte Rathmann der holden Regina die weichen Locken und flüsterte ihr ein liebkosendes Wort zu; dann legte jedesmal die Jungfrau den Finger auf den Mund und deutete mit glücklichem Lächeln auf den Kranken, und diesem traten die Thränen in die Augen, wie sie so lauschte mit zurückgehaltenem Athem. Hell und warm schien die Maisonne in's Fenster, Vögel zwitscherten in der blauen Luft, Kinderstimmen ließen sich hören. Dazwischen klang freilich leidergottes immer noch von Zeit zu Zeit ein dumpfer Knall, oder ein Rasseln, Stampfen und Klirren in der Gasse deutete auf das Vorüberziehen waffentragender Haufen; aber was war das in dieser holden Stunde der Genesung!

Jetzt fing das aufmerksame Mütterlein doch eine Bewegung des Sohnes auf und fragte, sich vorbeugend:

»Wachst Du, mein Sohn? Hast mit Gottes Hilf' wieder gut geruht?«

Und die beiden Andern traten an das Bett, und Markus bot Beiden die abgemagerte Rechte und flüsterte:

»Dank, Dank für Eure Lieb' und Güt', mein Vater! Dank, tausendmal Dank, Regina!«

Nun saßen sie Alle dicht um das Bett des jungen Mannes und unterhielten sich über die Hoffnungen einer bessern Zukunft und über die Vorkommnisse des Tages, und wenn auch einmal ein Geschütz seine grimmige Stimme lauter als gewöhnlich erschallen ließ und die Fenster von dem Krach erzitterten, so achteten sie es wenig.

Es mochte wohl zehn Uhr sein, als es an der Thür klopfte, und der Buchdrucker Lotther auf den Zehenspitzen in's Gemach trat. Sein Gesicht hatte einen ernsten, bedenklichen Ausdruck, welcher dem Rathmann sogleich auffiel. Letzterer trat dem guten Nachbar deshalb entgegen und führte ihn gegen das Fenster, wo er sich von ihm etwas zuraunen ließ, worüber er erst schnell aufsah, dann die Achseln zuckte.

»Ihr könnt Euch darauf verlassen, es ist keine Täuschung; ich hab's von Einem, der ihn hat fallen sehen.«

Der Rathmann trat zu dem Bett seines Sohnes zurück und sagte mit milder Stimme zu diesem:

»Markus, der Nachbar bringt eine Nachricht, welche – – wenn es Dir nicht das kranke Blut in unnöthige Wallung bringt – es ist nämlich Einer soeben erschossen, so der Stadt viel Schaden zugefügt hat und noch zufügen konnte.«

Markus hatte, während die beiden Männer zusammen gesprochen hatten, verstohlen die Hand Regina's gefaßt und ihr auch zugeflüstert; jetzt ließ er die Hand und sagte wie Einer, der im höchsten Glück von einer ganz gleichgiltigen Sache hören soll:

»Sprecht nur, lieber Vater, bitte, erzählet, lieber Meister; ich kann Alles anhören.«

»Der Hauptmann Johannes Springer ist todt!« sagte der Rathmann; die beiden Frauen schlugen die Hände zusammen, Markus aber blieb ganz theilnahmlos, und seine Augen hingen nach wie vor an dem süßen Gesichte Regina's.

»Er ist wirklich und wahrhaftig todt!« erzählte der Buchdrucker mit fliegender Hast. »Ist die vorige Nacht nach seiner Art wieder sauvoll gewesen und geht heut' morgen nach sieben Uhren mit seinen Trabanten ins Feld aus dem Sudenburgerthor, da gehet er hin und wider bei dem neuen Rondel, wahrscheinlich um die heiße Stirn zu kühlen. Er sollt' bald kalt genug sein. In den Steinkuhlen brennt der Feind ein Stück los, und die Kugel trifft den Hauptmann am Bein, unter dem Knie, in das dicke Fleisch an der Wade. Da lag der grobe Unflath! Laufen die armen Weiber, so im Graben arbeiten, hinzu, und wie er nach Wasser schreit, bringen sie ihm ihren Kofent, ihn zu kühlen. Er stirbt ihnen aber bald unter den Händen, und wär's nach meinem Willen gangen, man hätt' das Aas draußen im Feld verfaulen lassen. Wenn man es genau bedenkt, wie's in der Welt zugehet, so muß man sich doch sehr verwundern. Da soll nun heut' Abend um zehn Uhr der Steckenvoigt Joachim, der mit den Gefangenen untreulich gehandelt und sonsten das Regiment von sich geworfen und verrätherisch Spiel gespielt hat, gehängt werden auf dem Neuen Markt. Weshalb stirbt nun dieser andere viel größere Verräther den Tod eines ehrlichen Kriegsmannes? Das begreif' ein Anderer!«

»Es ist ein roher, böser, gottloser Mann gewesen, dieser Springer,« sprach der Rathmann. »Hat unehrlich gehandelt an seinem eigenen Fleisch und Blut, seinen Kindern und Weib, hat unehrlich gehandelt an dieser Stadt, der er mit aufgerichteten Fingern schwor. Nun steht er vor einem höhern Richter, dem wollen wir den letzten Spruch überlassen. Gott schütze die Stadt!«

»Seit der Meuterei,« sprach der Buchdrucker, »ist auch er wie von einer unsichtbaren Hand geschlagen gewesen. In seinen trunkenen Zeiten hat er immer nach seinem Leutnant Adam Schwartze und seiner Beiläuferin, der Hanne von Gent geschrien, hat sich auch sonsten gräulich angestellt um das Weib, als er es nicht fand in seinem Quartier. Darüber ließe sich auch eine Geschichte erzählen; fortgelaufen ist sie dem Hauptmann nicht, denn all ihren Schmuck und alles Gold und alle Kleider hat er gefunden, sie aber nicht. Hab' schon eben gehört, der Rath wolle nun all' das Gut des losen Hansen seiner Ehefrau und seinen Kindern zuschreiben.«

Den Namen Adam Schwartze hatte Markus bereits wieder im halben Schlummer nachgesprochen; jetzt schlief er ganz fest, doch ein wenig unruhiger als in den letzten Zeiten. Dunkle, blutige Gestalten schwebten durch seine Träume; er sah den Leutnant Adam von Bamberg nackt, mit zerfleischten Armen, wie er ihn im Zeisigbauer gesehen hatte; er sah den schrecklichen Schützen vom Sanct Jakobsthurm; er sah die schöne, wilde Johanna von Gent und den Hauptmann Hans Springer im blutigen Reigen. Auch andere Gestalten erblickte er schaudernd. Gestalten aus seinem frühern wilden Leben. Das Wundfieber kehrte ein wenig wieder, und die arme Mutter durchwachte eine neue bange Nacht, sorgte aber unnöthigerweise. Die kräftige Natur des jungen Mannes überwand eben siegreich alle Folgen der bösen Wunde. Am vierundzwanzigsten Juni verließ Markus zum ersten Mal das Bett und wankte, auf einen Stab und den Arm des alten Vaters gestützt, zum offenen Fenster, einen Blick in die Gasse zu werfen und einen Athemzug Sommerluft zu thun. Es war der Tag Johannis Baptistä und große Freude im Hause des Rathmanns Horn und in der alten, berühmten Lotther'schen Buchdruckerei. Am Abend dieses Tages zündeten die Feinde in allen Lagern und Schanzen: in der Schelmenschanz' zu Buckau, um Diesdorf, in der Blutschanze auf der Steingrube, in der Neustadt, zu Krakau, kurz überall die Johannisfeuer an und schossen all ihr Geschütz, groß und klein, dreimal ab. Die Knechte aber steckten brennende Strohbündel auf die Spieße, liefen jauchzend umher, tanzten um die Feuer und schrien:

»Jetzt tanzen wir um Sanct Johannis Feuer, wer über's Jahr noch lebt, der hänge die Kronen auf!«

Schrieben wir hier gleich Herrn Sebastian Besselmeier, Herrn Heinrich Merkel oder Herrn Johannis und Elias Pomarius eine Geschichte dieser großen und schrecklichen Belagerung, so würden wir noch von manchem Scharmützel, manch kühnem Ausfall, mancher guten List, manch wackerm Schuß und Treffer berichten müssen. Wir thun das eben so wenig, wie wir dem feinen Politikus Herrn Mauritius auf all seinen gewundenen Wegen nachgehen können. Wir sagen nur, daß dieser Heros des Lutherthums seinen Plan gegen den Kaiser, dessen Schwert er vor Magdeburg trug, jetzt so ziemlich fertig hatte. Schon hatte eine geheime Zusammenkunft zwischen ihm und dem Markgrafen Johann von Brandenburg-Cüstrin zu Dresden stattgefunden, und verbunden hatten sich beide Fürsten »zur Erhaltung der Selbständigkeit und Freiheit des heiligen römischen Reiches, zum Schutze des protestantischen Glaubens und zur Befreiung der beiden Gefangenen Karl's des Fünften, nämlich des guten Johann Friedrich's und Philipp's von Hessen.«

Das auszuführen, hatte man aber natürlich der Hilfe der Fremden nöthig, und manch geheimnißvolle Botschaft lief hin und her zwischen dem Lager vor Unseres Herrgotts Canzlei und der Stadt Paris in Frankreich.

Gegen Ende Augusts war das Bündniß zwischen Heinrich dem Zweiten von Frankreich und Navarra und Herrn Moritz von Sachsen, des heiligen römischen Reiches Erzmareschalk und Kurfürst, zu unendlichem Schaden dessen, was man damals die deutsche Nation nannte, abgeschlossen worden, und Herr Moritz sprach leise seinen Wahlspruch: Fortes fortuna adjuvat, welches nach seiner eigenen Uebersetzung hieß:

»Vielleicht glückt's mir auch!«

An so etwas wie die Schlacht bei Sievershausen, zwei kurze Jahre nach dieser Berennung von Unseres Herrgotts Canzlei, hat er wohl dabei nicht gedacht.

Bereits am dreißigsten August ward ein Waffenstillstand vor Magdeburg ausgerufen und sind nach einem vorläufigen Vergleich alle Feindseligkeiten eingestellt worden.

Am vierten September kam der Herr von Heideck mit seinem Canzler Christof Arnold zur Unterhandlung in die Stadt.

Am neunten September zogen des Rathes Abgeordnete aus der Stadt zu Wolf Tiefstetter's Losament in der Steinkuhle und setzten daselbst die Verhandlung fort.

Am achtundzwanzigsten September war Handlung zu Wittenberg, und die Herren von Magdeburg fuhren dahin zu Tage.

Am elften October wurde dem Rath, den Schöffen, Hundertmannen und Gemeinden von der ganzen Verhandlung in der Steingrube und zu Wittenberg Bericht abgestattet, und Feinde und Freunde gingen im Feld zusammen und hielten gute Zwiesprach miteinander.

Am neunzehnten October musterte und zahlte die Stadt ihre Reisige und Knechte aus.

Am dritten November ritt der Herr von Heideck wiederum in die Stadt, und wiederum zog der Rath in die Steinkuhle.

Am vierten November wurde der Vergleich unterzeichnet. Die Stadt entsagte dem Schmalkaldischen Bunde, welcher gar nicht mehr vorhanden war, zahlte dem Domcapitel, dem sie über eine Million Schaden gethan hatte, 50 000 Gulden, lieferte dem Kurfürsten von Brandenburg zwölf Geschütze aus und erkannte das Erzstift, Kursachsen und Kurbrandenburg zu gleicher Zeit für ihre Herren, welches man das Tripartit nannte. Ferner versprach die Stadt gegen den Kaiser und das Haus Oesterreich keinen Bund einzugehen und 50 000 Gulden Kriegskosten zu zahlen.

Schleifung der Mauern und Wälle, Einnahme kaiserlicher Besatzung und Geständniß der Thorheit und Strafbarkeit wurde standhaft verweigert, und ihrerseits erlangte die Stadt, was sie durch ihr Aushalten in langer Noth und Bedrängung hatte haben wollen: Aufhebung der Reichsacht, kaiserliche Begnadigung der Besatzung und Bürgerschaft, Bestätigung der Privilegien und – Freiheit vom Interim und freie Religionsübung.

Sicherheit und Verzeihung erhielten die fremden Schutzgenossen bis auf den Doktor Erasmus Alberus. Er mußte, wie schon früher mitgetheilt wurde, aus der Stadt; »zu grob« hatte er es dem Kurfürsten gemacht. –

Am neunten November hält Moritz von Sachsen, nachdem die Belagerung ein Jahr und einen Monat gedauert hat, endlich auf dem Altstadtmarkt vor dem Roland. An seiner Seite hält ebenfalls zu Roß der Reichscommissarius Herr Lazarus von Schwendi. Die durch die Glocke von Sanct Johannis zusammengerufene Bürgerschaft harrt erwartungsvoll des Kommenden, in spe et metu, wie Herr Heinrich Merkel sagt.

Da treten stattlich und feierlich vom Rathhaus her die Bürgermeister, Schöffen und Hundertmannen und schreiten vor bis zum Bilde Kaiser Otto's. Bis dahin reitet ihnen der Kurfürst mit seinem Gefolge entgegen, und die Schlüssel von unseres Herrn Gottes Canzlei werden in seine Hand gelegt.

Nun spricht der Canzler Doctor Ulrich Mordeisen der Stadt den Huldigungseid vor, und es kommen die Worte:

»Nachdem sich die Stadt nunmehr ergeben –«

Und ein unwirsch Murmeln geht durch die Menge, und vor tritt Herr Levin von Embden und ruft:

»Vertragen! nicht ergeben!«

Und der Kurfürst neigt sich mit entblößtem Haupt und spricht:

»Es ist vertragen, soll auch vertragen sein und bleiben!«

Da recken denn die Bürger und der Rath die Schwurfinger in die Luft und schwören dem Canzler nach:

»Der römischen kaiserlichen Majestät und dem heiligen Reich, auch Euer Kurfürstlichen Gnaden gelobe und schwöre ich, daß ich der Römisch-Kaiserlichen Majestät und auf derselben sonderliche Bewilligung Euer Fürstlichen Gnaden getreu und gewärtig sein, vor Schaden warnen und ihr Bestes nach meinen höchsten Vermögen fördern und mich in Allem gegen dieselben verhalten will, wie einem getreuen und gehorsamen Unterthanen gebühret und wohlanstehet. Ich will auch auf hochgedachter Kaiserlicher Majestät obbemeldete Bewilligung Euer Fürstlichen Gnaden zu jeder Zeit für meinen rechten Herrn erkennen und halten, bis so lange höchstgedachte Kaiserliche Majestät und Euer Fürstliche Gnaden gemeine Stadt an andere Herrschaften weisen. Und das alles will ich nicht lassen, weder um Gunst, Gabe, Freundschaft, noch um einer andern Sache willen, alles getreulich und ohn' Gefährde, als mir Gott helfe und sein heiliges Wort!«

Ueber diesen Eid ist die Zeit hingegangen, wie sie über so manchen andern Eid, wie sie über den Kurfürsten Moritz von Sachsen selbst ging. Gott schenke allen deutschen Städten den Geist, der im Jahr nach Christi Geburt Fünfzehnhundertundfünfzig und im folgenden Jahr so gut stritt für:

Unseres Herrn Gottes Canzlei.

Nach all dem Sturmgeläut eine Hochzeitsglocke! Was sollte werden aus der Welt, wenn nicht nach jedem blutigen Streit um das Recht und die Ehre die Wiegenlieder der Mütter erklängen?

Wir finden, daß bereits am achten September 1553 dem Doctor juris Markus Horn und seiner Ehefrau Regina, geborene Lottherin, ein Söhnlein geboren wurde, dessen Pathen Herr Sebastian Besselmeier, der Buchdrucker Michael Lotther und Frau Margaretha Hornin waren. Wir finden, daß Anno 1563 der Buchdrucker Lotther mit großem Gepränge begraben wurde. Seinen Tod hatte er sich von dem Abendtanz, welcher am Donnerstag vor Fastnacht von den vornehmsten Geschlechtern auf dem Gildehaus der Seidenkramer gehalten wurde, geholt. Mit gar keinem Gepränge wurden um Bartholomäus Anno 1565 der Rathmann Ludolf Horn und seine Ehefrau Margaretha in ein Grab gelegt. Beide starben in einer Stunde an der Pest, welche um diese Zeit wieder einmal, allein in der Altstadt, nahe an fünftausend Opfer forderte.

Der Name Markus Horn erscheint noch einmal mit großen Ehren in den Verhandlungen des 26. Juni 1570 zu Halle auf dem großen Landtag.

Im August 1584 blühten die Reben in unserer lieben Frauen Weinberg zum zweiten Mal und setzten neue Trauben an. Auch die Rosen und Obstbäume standen wieder in Blüthe. In diesem köstlichen Herbst soll Regina Hornin sanft entschlafen sein. Genaueres läßt sich über den Tod der beiden Ehegatten nicht angeben, da die Kirchenbücher von Sanct Ulrich in dem Brand von 1631 untergingen.

Jedenfalls ist aus Markus und Regina ein wackeres Paar geworden, welches Glück und Leid erlebt, Kinder erzeugt und die Eltern begraben hat und endlich selbst in die Erde gesenkt worden ist.

So machen wir einen kurzen Schluß und setzen an's Ende die Worte, mit welchen der künstliche Meister Augustin von Brack seine Contrafactur der Stadt Magdeburg »jetzt im MDLI Jahr vom Römischen Reich belägert« in die Welt sandte:

»Alles fürzumalen, was nur gemalet werden kan, were viel zu viel, auch dem, was gemalet ist, die rechten lebendigen Farben zu geben, wolte nicht allein hie über Malers, sondern auch über Redners Kunst seyn. Denn es doch nicht mehr als eitel todte Bilder unnd Buchstaben sind, welche das Leben des Handels nicht erreichen, als wie mans gegenwertig für Augen gesehen und im Hertzen gefühlet hat.«

Druck von E. Baensch jun. in Magdeburg.

 


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