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Zwischen Beiden

Gräfin Klotilde d'Arminges an Fräulein Zabel Sivry
von den Bouffes-Parisiens.

Sonntag.

Geehrtes Fräulein!

Seien Sie nicht allzu erstaunt, wenn Sie diesen Brief erhalten. Obgleich wir uns von Ansehen und dem Namen nach kennen (und das aus gewissen Ursachen), gebe ich doch zu, daß wir beide nicht gerade dazu bestimmt schienen, miteinander zu korrespondieren. Verzeihen Sie, Graf Maxime ist schuld daran, mein Mann und Ihr ... Freund. Seit zwei Tagen und ebensoviel Nächten ist Herr d'Arminges nicht nach Hause gekommen. Gewiß steht es ihm frei, sich zu zerstreuen, wie und wo es ihm beliebt. Niemand ist weniger zum Aufpasser geschaffen als ich. Indessen, eine so lange Abwesenheit ist doch geeignet, mich ängstlich zu machen. Der Graf ist ein korrekter Mann. Hat er mich nicht mit einem Worte verständigt, so muß es ihm eben unmöglich sein. Nun ist Ihnen wohl bekannt, daß Herr d'Arminges, der nicht mehr der Jüngste ist, an Herzschwächen leidet, die ihm oft Stunden lang jede Lebensregung und Bewegung nehmen. Diese Perioden der gänzlichen Apathie erfordern eine ganz besondere Pflege und die Behandlung durch einen Specialisten. Ist er vielleicht auf seinen Abwegen von einem solchen Anfall überrascht worden? Das ist es, was ich befürchte.

Mein Mann hat mich Freitag abend verlassen, um in den Klub zu gehen. Der Sonntag ist bald vorüber, und er ist noch nicht wieder da. Ich habe nach dem Klub geschickt; man hat ihn dort weder am Freitag noch an den folgenden Tagen gesehen. Ich habe mir sogar die Freiheit genommen, ein zuverlässiges Hausmädchen zu Ihrer Portierfrau zu senden, wertes Fräulein; es wurde ihr gesagt, daß Herr d'Arminges sich seit zwei Tagen nicht hätte blicken lassen. Ehe ich nun die Polizei in Bewegung setze (was mir sehr zuwider ist), wollte ich mich direkt an Sie wenden. Ich hoffe, daß Sie, in Anbetracht der Umstände, die mich zu diesem Schritte bestimmen, falls Sie es wissen, mir sagen werden, wo sich Graf Maxime befindet, oder wenigstens, ob er in Sicherheit ist und ob es ihm gut geht.

Sie würden mich, geehrtes Fräulein, zu größtem Danke verpflichten.

Gräfin d'Arminges.

 

Fräulein Zabel Sivry an Gräfin d'Arminges.

Gnädige Frau!

Da Sie Graf Maxime Freitag abend gesehen haben, so sind Sie glücklicher als ich, die seit Donnerstag nachmittag weder einen Besuch noch eine Mitteilung von ihm erhalten hat. Wir haben an jenem Tage zusammen bei Fontana einige Einkäufe gemacht. Unter anderem kauften wir einen Schmetterling aus Brillanten, der, wie ich glaube, für Sie bestimmt war; er wünschte beim Aussuchen meinen Rat, den ich ihm nach besten Kräften gab. Das ist meine letzte Kunde. Auch ich bin in Unruhe, da ich weder an eine so lange Abwesenheit noch an ein solches Stillschweigen gewöhnt bin und, wie Sie, fürchte, den Graf habe der bewußte Anfall getroffen ... Ich hätte mir freilich nie erlaubt, mich zuerst an Sie zu wenden; indessen muß ich gestehen, daß auch ich, so diskret wie möglich, in Ihrem Hause habe Erkundigungen einziehen lassen. Darf ich hoffen, gnädige Frau, daß, wenn Sie endlich Nachricht von Herrn d'Arminges erhalten, und wenn er außer Stande sein sollte, mir diese zukommen zu lassen, Sie die ganz besondere Güte haben würden, mich zu beruhigen? Ich meinerseits werde Sie unverzüglich von allem in Kenntnis setzen, was ich nur irgend über den Gegenstand unserer gemeinsamen Sorge in Erfahrung bringen kann.

Empfangen Sie, gnädige Frau, die Versicherung, meiner größten Hochachtung

Zabel S...

Gräfin d'Arminges an Fräulein Sivry.

Einverstanden, geehrtes Fräulein. Wer von uns beiden zuerst etwas erfährt, wird die andere benachrichtigen. Ich meinerseits weiß im Augenblicke immer noch nichts.

P. S. Meinen Dank, daß Sie bei Fontana die Wahl des Grafen geleitet haben. Der Schmetterling ist reizend, äußerst geschmackvoll.

Fräulein Sivry an Gräfin d'Arminges.

Montag.

Vor allen Dingen, – Sie können beruhigt sein. Der Graf ist wieder aufgefunden. Während wir uns über seine Gesundheit und sein Schicksal Sorge machten, betrog er uns, – ganz einfach. Aber die Vorsehung hat ihn gestraft. Hier die Geschichte in zwei Worten:

Als der Graf Sie Freitag abend verließ, ging er nicht in den Klub. Er besuchte einen seiner Freunde, Jules Clair, Börsenmakler, der ihn nach ... Bellevue geführt hat – ja gnädige Frau, nach Bellevue, bei Paris. Dort, an einer Waldlichtung steht eine unscheinbare Villa, und in dieser Villa wohnt eine exotische Dame, Spanierin, sagt man, und zwei junge Mädchen – ihre Mädchen, sagt sie. Alle drei sind sehr zuvorkommend gegen die Pariser, besonders wenn sie Geld haben und adlig sind wie Herr d'Arminges. Ich weiß nicht, welche Art von Zeitvertreib man den beiden Freunden geboten hatte, genug, der Graf wird plötzlich, wie Sie befürchtet haben, von seinem Leiden befallen. Entsetzen bei den Damen des Hauses, Verlegenheit bei Jules Clair, der kein reines Gewissen hatte. Man schickt zum Arzt, der sagt: »Da ist nichts zu machen ... Acht haben und abwarten«. Schön. Jules Clair wagt es nicht, Ihnen zu schreiben; er harrt getreu bei seinem Freunde aus, immer in der Hoffnung, daß dieser wieder zu sich kommen werde ... Aber die Tage vergehen. Der arme Börsenmakler denkt verzweifelt an die Folgen des Abenteuers, – an Ihre Angst und damit an den Eingriff der Polizei ... Da hat er den guten Einfall, mir zu schreiben und mir alles zu gestehen.

... So, Frau Gräfin; jetzt wissen Sie soviel wie ich. Ich fürchte, Sie werden in der ersten Aufwallung gleich nach Bellevue eilen wollen, zu den Spanierinnen. Gestatten Sie mir, Ihnen in Bescheidenheit einen Rat zu geben? Gehen Sie nicht da hin; überlassen Sie das mir. Sie würden sich dort nur blosstellen; das sind Leute, die ich leider besser kenne, als Sie. Ich verstehe die Sprache, die man dort führen muß. Die Angelegenheit wird, glauben Sie mir, schnell und sicher geordnet. Noch ein anderer Vorteil, im Fall Sie davon abstehen: wenn ich den Grafen zu Ihnen bringen lasse, können Sie sein Abenteuer ignorieren und sich einfach stellen, als glaubten Sie, er hätte bei mir sein Leiden bekommen. Das scheint mir für Sie, wie für ihn, bequemer zu sein.

Ich füge mich selbstverständlich Ihren Wünschen und bitte Sie, gnädige Frau, die Versicherung meiner größten Hochachtung entgegenzunehmen.

Zabel S...

Gräfin d'Arminges an Fräulein Sivry.

(Telegramm)

Sie haben vollkommen Recht, verehrtes Fräulein. Ich lege alles in Ihre Hände und danke Ihnen.

Ihre ergebene
Gräfin d'Arminges.

Gräfin d'Arminges an Fräulein Sivry.

Dienstag früh.

Alles in Ordnung. Nachdem der Graf einige Stunden auf seinem Zimmer verbracht, kam er, Dank der Fürsorge unseres Hausarztes wieder zu sich. (Er ist auf und hat heute schon etwas gegessen; sein Abenteuer scheint ihm ein bischen peinlich zu sein. Aber ich bin brav gewesen und habe weder auf Bellevue noch auf die Spanierinnen angespielt. Es gilt als stillschweigendes Übereinkommen, daß der Unfall bei Ihnen stattgefunden hat.

Und nun, da wir beide außer Sorge sind, verehrtes Fräulein, liegt mir daran, Ihnen für die Diskretion, den Takt und die Aufopferung zu danken, die Sie mir in dieser Angelegenheit bewiesen haben. Ich wußte schon (ganz Paris weiß es), daß Sie ein reizendes Wesen und eine gefeierte Künstlerin sind, aber gestatten Sie mir, Ihnen zu versichern, wie freudig überrascht ich war, in der Theaterwelt, von der man so übel redet, ein Zartgefühl und eine Feinheit des Benehmens zu finden, die ich selbst in meinen Kreisen vergebens gesucht hätte.

Ich bleibe Ihre Schuldnerin, denn so etwas läßt sich natürlich nicht vergelten. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen zum Andenken an unsern »spanischen Schrecken« den Schmetterling verehre (leider ein Symbol), den mir der Graf vorige Woche geschenkt hat. Sie haben ihn ausgesucht, also gefällt er Ihnen, und ich hoffe, Sie werden ein Kleinod nicht zurückweisen, das ich getragen.

Ich werde es Ihnen heute nachmittag gegen drei Uhr selbst überbringen. Sollten Sie zu Hause sein, so wäre es mir ein besonderes Vergnügen, Sie zu begrüßen.

Ihre ganz ergebene
Gräfin d'Arminges.

P. S. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie um die Adresse Ihrer Modistin bitten. Wir bewundern alle so sehr Ihre Capotes und Toques, aber weder Reboux noch Virot wissen, wer für Sie arbeitet. Sie verraten es mir, nicht wahr? Wir können doch wirklich dieselbe Modistin haben, da ... Beinahe hätte ich etwas Unpassendes geschrieben.

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