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Wagner

Richard Wagner.

Geboren am 22. Mai 1813 in Leipzig.
Gestorben am 13. Februar 1883 in Venedig.

In den Schriften des großen dramatischen Reformators Richard Wagner ist ein Satz niedergelegt, der seinen Schöpfungen als Motto vorangestellt werden müßte, gewissermaßen als das Hauptleitmotiv, – als die kürzeste, einfachste Erklärung aller seiner musikalischen Bühnen-Werke. Er heißt: »Ich kann den Geist der Musik nicht anders fassen als in der Liebe!« – Ich meine, diese Worte sind ein Schlüssel, der uns alle die Wagner'schen dramatischen Herrlichkeiten weit sicherer erschließt, als ganze Bücher voll langathmiger Erklärungen und grüblerischer Auseinandersetzungen. Mit eben diesem Satze vor Augen versteht unsere Seele Alles, Wagner's Kämpfe und Siege. – Aber es ist nicht der Coloß eben dieser, eine Welt seit Jahren bewegenden Musik, von der diese Zeilen reden sollen, können und dürfen, – es gilt nur die Umrisse des äußeren Lebens dieser so ungewöhnlichen Erscheinung zu zeichnen, um die Wege zu verfolgen, die der Componist des Parcifal gewandelt, Wege, die eine lange Strecke hindurch nur mit Dornenhecken eingefaßt waren, bis die seltene Huld eines Königs für ihn leuchtende Rosen aufblühen ließ. – –

Wagner hat seine äußere und innere Entwicklung zum größten Theil selbst aufgezeichnet und seinen Biographen somit das Material in die Hand gegeben.

Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren. Sein Vater war dort Polizeiactuar und wurde seiner Familie bereits ein halbes Jahr nach der Geburt eben dieses Sohnes durch den Tod geraubt. Die spätere Wiederverheirathung der Mutter, mit dem Schauspieler und Maler Ludwig Geier, gab dem Knaben in dem Stiefvater einen liebevollen Erzieher, der aus dem kleinen Richard einen tüchtigen Meister der Palette zu bilden hoffte, da das Kind ein besonderes Interesse für die Wunderwelt der Farben an den Tag legte. Das Atelier wurde und blieb sein Lieblings-Aufenthalt. Nicht der Zeichenstift, den man ihm in die kleine Hand drückte, war es aber, der ihm lieb wurde, – einzig und allein die Farben. – Des kleinen Richard Augen leuchteten auf, wenn bei irgend einer Studie des Malers ein intensives Roth oder strahlendes Blau und Goldgelb zu Tage trat. Wer hätte ahnen können, daß diese Kinderfreude einst wieder in geläuterter Gestalt auferstehen würde in tönendem Gold, Blau und Roth. – Ludwig Geier starb, als sein Stiefsohn kaum das 7. Jahr vollendet. Das Asyl der Malerwerkstatt verschloß sich nun für den Knaben und die damals berühmte Kreuzschule in Dresden bekam zwei Jahre nach dem Tode Geier's einen 9jährigen, auffallend fleißigen Schüler aus Leipzig: – Richard Wagner. Es war aber kein Kind mehr, das sich jetzt mit brennendem Eifer den alten Sprachen, sowie der Wissenschaft der Geschichte und Mythologie zuwandte, – die Lehrer erstaunten über die Energie des körperlich so zarten unermüdlich Lernenden. Gar früh gerieth ihm ein Band Shakespeare's in die Hand und der große Dichtergeist zog den Knaben derartig an, daß er nicht eher ruhte, als bis man ihm englischen Sprachunterricht ertheilte, einzig und allein damit er seinen geliebten Freund in der Ursprache zu lesen vermochte. – Das Verlangen stand gebieterisch in der jungen Seele auf, sich ebenfalls in dramatischen Dichtungen zu versuchen. Richard Wagner entwarf damals blutige Trauerspiele nach griechischem Muster, – – übersetzte schon in Tertia die ersten 12 Bücher der ihn entzückenden Odyssee und wagte sogar seinen Shakespeare in sein geliebtes Deutsch zu übertragen. Aber auch eine selbstständige Massenmord-Tragödie entstand in jener Zeit nach »berühmten Muster«, – in welcher in den verschiedenen Acten nicht weniger als 42 Personen ums Leben kamen, die obendrein in den letzten Acten als Geister über die Bühne schritten. – Seltsam, daß ihm die Musikstunden, die man ihm aufzwang, keinerlei Freude machten, sein Clavierlehrer prophezeite ihm sogar, daß niemals ein ordentlicher Spieler aus ihm werden würde. – Da hörte Richard Wagner zum ersten Mal eines Abends den Weber'schen Freischütz und die Begeisterung für diese Schöpfung loderte empor in hellen Flammen. Diesem gewaltigen Eindruck folgte, bei Gelegenheit eines Besuches in der alten Lindenstadt, ein womöglich noch tieferer: – der Sechzehnjährige wurde in einige der berühmten Gewandhausconcerte mitgenommen und hörte dort Beethoven'sche Symphonien, Ouvertüren, sowie seine begleitende Musik zu Goethe's Egmont. – Die Hand der holden Kunst gebieterisch streckte sich nach dem jugendlichen Enthusiasten aus, die Musik zog ihn gewaltsam in ihre Arme, um ihn nie wieder zu lassen. –

Richard Wagner, ganz berauscht von jener neuen gewaltigen Welt, die sich ihm in Tönen erschlossen, – träumte nun davon, zur Stelle ein großes Trauerspiel zu schreiben, mit Musikbegleitung. – Zu ihrer Composition mußte man aber, das leuchtete ihm ein, nothwendiger Weise Generalbaß studiren! Wie das aber anfangen, ohne Geld auszugeben und irgend welches unliebsames Aufsehen zu erregen?! Der junge, angehende Musikstudent wußte Rath, – lieh sich für eine Woche das ernste Werk Logier's, die Methode des Generalbasses, und ging an die harte Arbeit mit einer Freude, wie etwa ein Altersgenosse zum Ball. – Das Ding war aber doch schließlich nicht so leicht, als Richard Wagner sich's gedacht hatte, – allein diese Erkenntniß schreckte ihn nicht etwa ab, sondern reizte und fesselte vielmehr diese eigenartige Natur nur noch mehr. Er grübelte über der ungewohnten Beschäftigung bis zur Erschöpfung und mühte sich Tag für Tag bis in die tiefe Nacht hinein. Da endlich brach, wie ein blendendes Licht, die Erkenntniß herein, daß er jetzt erst seinen eigentlichen Beruf entdeckt habe: – er wollte Musiker werden. Welch eine Wandelung! Was würden die Seinigen zu einem Entschluß sagen, der alle bisherigen Studien für immer bei Seite schob?! Würde man ihm überhaupt erlauben, diesen Weg zu gehen, den er selber jetzt als den einzig richtigen erkannte zu einem großen und erwünschten Ziele? – Der angehende Musiker zweifelte an dieser Erlaubniß und sah die schwersten Kämpfe voraus. So beschloß er denn, einstweilen nur im Stillen zu arbeiten, bis denn endlich jener Tag kam, wo er mit einer ersten Sonate, einem Quartett und einer Arie hervortrat und zugleich unumwunden erklärte, daß er beschlossen habe, sich der Tonkunst ganz und ungetheilt zu widmen. Es war kein Wunder, daß Mutter, Freunde und Vormund diesen überraschenden Wunsch zu bekämpfen suchten, umsomehr als ein wiederaufgenommener regelrechter Musikunterricht durchaus keine befriedigenden Resultate ergab. – Die trockene Methode stieß ihn immer von Neuen ab, – – er wollte nicht nach Regeln lernen vor den Tasten, – wohl aber konnte Richard Wagner stundenlang vor dem einfachen Clavier träumen und seltsame Tongebilde schaffen, seinen Phantasien sich überlassend. Eine, damals für großes Orchester gedachte und im Leipziger Theater aufgeführte Ouvertüre, erregte freilich nur, durch ihre Absonderlichkeit, einen Heiterkeitsausbruch des Publikums. – Wenn er sich nun diesem seinem wunderlichen Schaffen überließ, lagen J. A. Hoffmann's spukhafte Geschichten neben ihm auf dem Musikpult und gespenstisch waren denn auch meist jene Compositionen, die da über die Tasten huschten. Auch ein Schäferspiel entstand in jener Zeit, gleich nach der ersten Bekanntschaft mit der Pastoralsymphonie Beethoven's, in diesem rastlos arbeitenden jungen Geiste. –

Als eine Sturmperiode dürfte wohl die Studentenzeit Wagner's bezeichnet werden, als das Nicolaigymnasium hinter ihm lag und er die Leipziger Universität bezog, um philosophische und ästhetische Collegia zu hören. Wie ein Taumel erfaßte es ihn da plötzlich und zog ihn unaufhaltsam fort, – er tauchte unter in den hochgehenden Wogen eines leichtsinnigen Jugendtreibens, – selbst die Musik wurde bei Seite geschoben und vernachlässigt. Aber das Erwachen kam zum Glück bald und mit ihm der Ekel vor dem wüsten Vergeuden der Kraft und Zeit. Mit tiefem Ernst wandte er sich nun einem streng geregelten Musikstudium zu, und ein stilles Cantorstübchen im sogenannten, jetzt längst verschwundenen Zwinger, von Weinlaub umsponnen, mit dem Ausblick auf den alten Stadtgraben, wo der Cantor der Thomasschule Theodor Weinlig sein beschauliches, der strengen Kirchenmusik geweihtes Leben dahinfließen sah, nahm den jungen Feuergeist auf. – Da war es denn der Bau der Fuge und die Schöpfungen eines Johann Sebastian Bach, die Richard Wagner dort kennen und rückhaltlos bewundern lernte. Der »irrlichterirende« Geist wurde von ruhiger, fester Hand zu seinem eigenen hohen Nutzen und Frommen in ebene Bahnen gelenkt, die allzu üppig wuchernde Phantasie von einem klugen Gärtner beschnitten. Freudig und unermüdlich zugleich gab sich der geniale Schüler dieses Lehrmeisters nun den contrapunktistischen Studien hin, innig schlossen sich der Lehrende und Lernende zugleich aneinander. Bald beherrschte Richard Wagner diese strenge Wissenschaft in so hohem Grade, daß er mit Genugthuung festen Boden unter seinen Füßen fühlte und Theodor Weinlig ihn bereits nach einem halben Jahre aus seinem Unterricht entließ und für musikalisch selbstständig erklärte. – Das freundlichste Idyll, in diesem bewegten Künstlerleben, war für immer vorüber.

In den Compositionen jener stillen Lehrzeit läßt sich ein auffallender Läuterungsproceß nachweisen: der Wagnerische musikalische Satzbau war einfach und natürlich geworden, die J. A. Hoffmann'schen Gestalten gingen nicht mehr um wie früher, und eine Symphonie, wie auch eine Concertouvertüre, wurden in dem tonangebenden Gewandhausconcert mit Beifall aufgeführt.

Der Sommer des Jahres 1832 führte Richard Wagner auf kurze Zeit nach Wien und Prag. – In letzterer Stadt dichtete er einen tragischen Operntext: »Die Hochzeit«, mit dessen begonnener Composition er, nach der Rückkehr nach Leipzig, seinen alten Lehrmeister überraschte. Leider wurde das ganze Opus in einem Moment der Aufwallung – Wagner's Schwester tadelte nämlich das Textbuch – vernichtet. –

Ein Jahr später wurde in Würzburg unter den Augen eines tüchtigen Sängers, Wagner's Bruder, nach einem Gozzi'schen Märchen jene, jetzt wieder hier und da aufgeführte dreiactige Oper: »die Feen« komponirt. – Sie entstand, nach Wagner's eigenen Andeutungen, unter dem Einfluß Beethoven-, Weber- und Marschner'scher Musik. Da schon enthüllten sich bereits die Anfänge jenes Wagner'schen poetischen Leitmotivs: »Ich kann den Geist der Musik nicht anders fassen als in der Liebe!« Diese erste, mit Beifall in einzelnen Bruchstücken aufgenommene Oper, zeigt nämlich die Gestalt eines liebenden, sich opfernden Weibes. – Zu einer Gesammtaufführung in Leipzig kam es aber zum Kummer des jungen Componisten nicht.

Von seiner ersten Thätigkeit als Musikdirigent in Magdeburg, wo Wagner hauptsächlich nur italienische und französische Opern aufführte, berichtet er selbst:

»Das Einstudiren und Dirigiren jener leichtgelenkigen französischen Modeopern, machte mir oft kindische Freude, wenn ich vom Dirigentenpulte aus links und rechts das Zeug loslassen durfte.« –

Es mag auch der heiter zwanglose Verkehr mit den Gestalten der Bühnenwelt gewesen sein, der den jungen Musiker fesselte und zu immer neuen dramatischen Versuchen anregte. Die Oper »das Liebesverbot« entstand und wurde von dem leichtlebigen Völkchen mit besonderem Vergnügen unter dem Componisten einstudirt und aufgeführt. Leider hatten die Sänger und Orchestermitglieder offenbar mehr Freude au diesem Opus als später die Hörer. –

Gleich nach dem Erscheinen dieser Oper fiel der erste dunkle Schatten auf den Weg des jungen Dirigenten, – die Magdeburger Theatergesellschaft löste sich auf und eine lange Zeit der schweren Sorge, – des Hangens und Bangens in »schwebender Pein« brach herein. Richard Wagner wandte sich vergeblich nach Berlin, um durch eine Aufführung seiner neuen Oper wiederum eine bescheidene Stellung zu erringen, – vergebens: Täuschungen – Versprechungen – Vergessen – waren das Endresultat. – Da meldete sich der junge Dirigent in halber Verzweiflung nach Königsberg, wo man eben einen Musikdirektor suchte, und er betrachtete es als ein so großes Glück, als er diesen Posten erhielt, daß er, der nun den Himmel voller Geigen hängen sah, eine, wie er selbst gesteht, »im Leichtsinn übereilte Ehe« mit einer allerliebsten, bildhübschen Schauspielerin schloß. – Die Folge dieses Schrittes war dann zunächst der feierliche Einzug der »Frau Sorge«, die sich bei dem jungen Paar einmiethete, um es nicht mehr zu verlassen und in größter Anhänglichkeit überall hin zu begleiten. – Mit dem frischen, fröhlichen Schaffen war es aus. Tag und Nacht erfüllte den Ringenden der heiße Wunsch, aus der Kleinheit und Erbärmlichkeit der Verhältnisse herauszukommen; Beide, der Mensch wie der Künstler, schrieen nach Befreiung. Ueberall hin streckte Wagner damals die Hände aus, – auch nach Paris, – um die Fesseln zu sprengen, die ihn umwanden, – Alles vergebens. Und doch keimte und erwuchs in eben diesem harten Boden die stolze Schöpfung des Rienzi.

Im Herbst 1837 siedelte Richard Wagner als erster Musikdirector nach Riga über an das neue, unter Holtei's Leitung eröffnete Stadttheater. In dem Einerlei des Tageslebens und dem drückenden Ringen mit den kleinlichsten, häuslichen Martern sind Stunden der Erhebung zu verzeichnen, wo es in der Seele des in Ketten Geschmiedeten so berauschend sang und klang, daß er alles Elend vergaß: »Duette und Terzette, fünf glänzende Finale's, fanden sich von selbst,« schreibt Wagner in Erinnerung an eben diese schwere Zeit. Die Arbeit allein entrückte ihn der Umgebung, er fühlte, wie ihm glänzende Schwingen erwuchsen, zu hohem Fluge. Nur fort, – fort aus der qualvollen Enge dieser Verhältnisse! –

Im Frühjahr 1838 waren die beiden ersten Acte seines Rienzi beendet, – der Contract mit dem Rigaer Theater aber auch und Richard Wagner erneuerte ihn nicht. – – Es trieb ihn unaufhaltsam in die Ferne – nach London und Paris. Ohne hinreichende Mittel, ohne irgend welche bestimmte Aussichten, ohne einen Freund, der ihm in der Fremde die Hand entgegengestreckt hätte, begab der junge Musikdirector sich mit seiner treuen Gattin muthig an Bord eines Segelschiffes zur Fahrt nach London. Sie währte lange und war an seltsamen Begebenheiten und Unfällen reich, aber – die Idee des »fliegenden Holländers« wurde auf ihr geboren. Die englische Weltstadt selber dagegen fesselte jenen Reisenden nur kurze Zeit, der da träumend durch die nebelerfüllten Straßen wandelte: er streckte immer wieder von Neuem voll heißer Sehnsucht die Arme nach Paris aus. Es war ihm aber ein nur langsames Vorwärtsschreiten beschieden, – die armseligen Mittel mußten zu Rathe gehalten werden von dem jungen Ehepaar. Die Stadt Boulogne-sur-mer wurde die erste Station auf dem Wege von London nach der Seinestadt, dem Ziel des brennendsten Verlangens des Musikers. – – Und da fügte es denn ein gütiges Geschick, daß dem steuerlos Dahintreibenden eine edle Künstlergestalt entgegentrat, ein liebenswürdiger, allezeit hülfsbereiter Mensch, der damals schon berühmte Componist Giacomo Meyerbeer. Der jugendliche Deutsche legte nun dem erfahrenen Meister, der ihm zufällig in den Weg kam, die vollendeten Nummern seines Rienzi vor. Der glücklichere College erkannte auf den ersten Blick in die Noten die Bedeutung der Arbeit, wandte dem Fremden das herzlichste Interesse zu nach allen Richtungen hin und ebnete ihm den Weg nach Paris durch warme Empfehlungen. Welch ein Glück in all der Noth! – Der Name Meyerbeer erwies sich gradezu als ein Zauberschlüssel, der alle Thüren öffnete, – sogar die Pforten zum Theater de la Renaissance. Wagner's Oper »das Liebesverbot« wurde zur Aufführung angenommen, ein neuer französischer Text geschaffen, – – der Himmel lichtete sich über dem Haupt des Kämpfenden. Da brach, wie ein plötzlich auftretendes Gewitter, der Bankerott des Theaters herein, – – der endlose Landregen getäuschter Hoffnungen folgte ihm und rauschte nieder ohne Ende, – Alles erschien wiederum grau in Grau. – Der stolze junge Deutsche mit seinem wenig schmiegsamen Wesen, blieb damals auch seinen gefeierten Kunstgenossen fern, die in Paris lebten, dem genialen Berlioz, dem auf Händen getragenen Liszt, Halervy, Cherubini, Habeneck und Anderen, nur an einige Gelehrte und Maler schloß er sich an. So stieg denn die heimliche, bittere Noth nur zu rasch, bis die Ankunft Meyerbeer's in Paris wieder etwas Sonnenschein brachte. Sein Schützer brachte den jungen Musiker zum Director der großen Oper und befürwortete, daß man Richard Wagner mit der Composition einer Oper für dies damals erste Institut der Welt beauftragte. Der fliegende Holländer tauchte in Folge dessen im Entwurf wieder auf, – ein französisches Textbuch sollte nach dem deutschen, das Wagner rasch zusammengestellt hatte, hergestellt werden. – Meyerbeer freute sich herzlich der gewonnenen Aussichten und reiste beruhigt nach Deutschland zurück. Kaum war aber der mächtige Protector von der Scene verschwunden, als man die Composition für die große Oper einem Franzosen übertrug, – die farbenprächtige Fata morgana löste sich in Nebel auf. – Dagegen übertrug man dem jungen Deutschen die Anfertigung von Melodien-Arrangements aus französischen Opern, aber nur für das damals besonders beliebte Cornet à pistons. Der künftige Schöpfer des »Lohengrin« und der »Tetralogie«, des »Tannhäuser«, des »Tristan« und »Parcifal« saß in der Fremde in einem Dachkämmerlein und schob jene Arbeitsblätter, die ihm das tägliche Brot erwarben, oft genug unwillig bei Seite, um sich in seinen Rienzi weiter zu vertiefen, den er nun für Dresden zu vollenden hoffte, – an eine Aufführung in Paris dachte Richard Wagner nicht mehr. – Wie gereizt seine damalige Stimmung, beweisen verschiedene Journalartikel, die er für die Gazette musicale schrieb, – Alles nur als Brotarbeit. Unter den verschiedenen Aufsätzen rein musikalischen Inhalts, in denen seine Erbitterung zu Tage trat den herrschenden Zuständen gegenüber, erschienen auch zwei Novellen, von denen er selber berichtete, daß seine Verzweiflung die Muse gewesen, – sie trugen den Titel: »Eine Pilgerfahrt zu Beethoven« und »das Ende eines Musikers in Paris« – von eigenen trostlosen Erlebnissen erfüllt. – Wie eine Erlösung aus den Wirrnissen des Kampfes mit dem Dasein stieg eine neue Schöpfung in der Künstlerseele auf, – – die Gestalt »Sentas«, – jenes holden Weibes, das sich aus Liebe opfert. Mit dem »fliegenden Holländer« gestaltete Wagner die erste deutsche Volkssage künstlerisch und zeigte sich als Dichter einem Stoffe gegenüber, der ihn mit zwingender Gewalt erfüllte. – In einer kleinen Landwohnung in Meudon bei Paris, im Frühling 1841, während die Nachtigallen ringsum sein Versteck schlugen und die Fliederbüsche an sein Fenster klopften, wurde die Musik wach zu seiner Dichtung, der erste schöpferische Versuch nach einer Pause von fast 10 Monaten. – Voll Seelenangst hatte er sich gefragt, ob wohl alle die einst so stürmende Kraft noch da sei für ein großes Werk, – ob nicht der Goldquell der Töne verschüttet wurde von dem erstickenden Sand des jammervollen Frohndienstes, in den er sich begeben. – – Aber sieh! – der jungen Palme gleich, deren Haupt ein Stein beschwerte und die weiter stolz emporwuchs, die Last in der Blätterkrone emportragend, so erhob sich der kühne Bau des neuen Werkes. – In üppiger Frische quollen die Melodien unaufhaltsam hervor, – der Matrosenchor und das köstlich frische Spinnerlied erklangen – und der Componist jauchzte auf wie ein beschenktes Kind, als er gewahrte, daß er noch, wie er selber sagte, ein wirklicher Musiker sei. –

Sieben Wochen voll geheimen Glückes zogen nun im Fluge dahin, – – der fliegende Holländer war mit seiner Senta auf ewig vereint: – die Oper vollendet. –

Nach dieser Erhebung kam wiederum die Ernüchterung, neben den nimmer rastenden Alltagssorgen, die neue Angst und Erregung im Gedanken an eine schnelle Aufführung in Deutschland. – Briefe über Briefe flogen von der Hand Wagners hinaus nach allen Richtungen. Von München und Leipzig traf gar bald ein abschlägiger Bescheid ein, man fand den Stoff durchaus nicht geeignet für Deutschland. Wiederum trat der edle Meyerbeer in großherziger Weise ein, und ihm allein gelang es, die Annahme der Oper am Berliner Hoftheater zu erwirken. – Inzwischen ebnete eine schöne Frauenhand die Wege nach Dresden. Eine geniale, hochherzige Sängerin, eine hinreißende Darstellerin, Wilhelmine Schröder-Devrient, ließ nicht nach, bis man Richard Wagner's Rienzi für Sachsens Hauptstadt erwarb. Ihm sollte dann der fliegende Holländer folgen, – das versprach man der vergötterten Frau und das meldete sie voll Jubel dem fernen Componisten. So durfte sich denn der junge Musiker endlich leichten Herzens zur Rückkehr nach Deutschland rüsten. – Drei lange Jahre hatte ihn die »Weltluft« mit eisiger Kälte angeweht, wie er schrieb, am Rhein grüßten ihn die ersten Rosen. »Mit hellen Thränen schwur ich armer Künstler meinem deutschen Vaterlande ewige Treue«, berichtete er – als die Rheinnixen ihm aus den grünen Wellen entgegen winkten, jenen Wellen, die den Nibelungenhort bargen. – – In seiner kleinen Reisetasche aber trug Richard Wagner damals ein altes Volksbuch: die Sage vom Tannhäuser und der Frau Venus. –

Die Reise ging, an der Wartburg vorüber, ohne Rast und Ruhe nach Dresden. – – Die Opernverhältnisse der sächsischen Residenz waren für den Heimkehrenden zum Glück die denkbar günstigsten. Eine Schröder-Devrient und ein Tichatschek, der mächtige Tenorist, so wie noch andere vortreffliche Künstlerinnen und Sänger, warteten hier auf den Componisten des Rienzi und gingen unter seiner Leitung mit Feuereifer ohne Verzug an die Proben. – Eine Zeit kam, wo Richard Wagner wie auf Wolken einherschritt, – ein Glücksgefühl ohne Gleichen durchströmte ihn. – liebevoll kam man ihm warm entgegen, – er sah alle seine Wünsche in Bezug auf sein geliebtes Kind, seinen Rienzi, in der vollkommensten Weise erfüllt, – nirgend trat ihm eine Beschränkung entgegen. – Die Königliche Bühne zeigte sich freigiebig nach allen Seiten und die Sänger trugen ihn auf Händen. So kam denn der Abend des 19. Oktobers heran, der einer erregten, erwartungsvollen Menge Wagner's Rienzi in der denkbar vollendetsten Aufführung brachte. Der jugendfrische Enthusiasmus, der das ganze Werk durchweht, riß das Publikum hin, – eine Schröder-Devrient als Adriano, – Tichatschek als Rienzi entflammten durch ihre eigene Begeisterung auch den ruhigsten Hörer. Die Ausstattung war prachtvoll, – das Ganze zog vorüber wie ein herrliches Bild mit Musikbegleitung. Die Vorstellung währte damals von 6 Uhr Abends bis ½12 Uhr in der Nacht und war begleitet von einem Jubel ohne Gleichen. Und in einer dunkeln Logenecke schmiegte sich eine junge, bald lachende, bald weinende Frau, die selbstloseste treueste Gefährtin, die sich nun in dem süßen Gedanken wiegte, daß nun doch jene ewige, strenge Arbeit, die ihr den geliebten Mann vom Morgen bis zum Abend entzog, aufhören werde. – Ach, sie fing erst recht an.

Der Componist selber hätte sich einen derartigen Erfolg seiner Schöpfung nicht träumen lassen, – er war berauscht von dem lange entbehrten Glück. – Und wenige Wochen später sah sich der, vor Kurzem noch so unbekannte, verlassene Musiker – zum Nachfolger des von ihm so leidenschaftlich bewunderten Carl Maria von Weber ernannt: – Richard Wagner war nun Dirigent der Königlich sächsischen Hofcapelle. – –

Kurze Zeit nach dem glanzvollen Erfolge des Rienzi durfte der neue Capellmeister seinen fliegenden Holländer einstudiren und schon am 2. Januar legte sich das Gespensterschiff in Dresden vor Anker. Die Wirkung war aber trotz der wunderbaren Wiedergabe der Senta durch Wilhelmine Schröder-Devrient nicht der erwartete. Das protze Publicum zeigte sich enttäuscht. – Es hatte ein ähnliches farbenprächtiges Bild wie den Rienzi von seinem neuen Capellmeister erwartet, gleichsam eine Gestalt in lang dahinfliegendem Purpurmantel, – statt dessen stellte sich das Ganze doch nur als ein Gemälde Grau in Grau dar, – eine nordische Gespenstergeschichte wurde erzählt. – Freilich enthüllte sich ein Seelengemälde in Tönen voll erschütternder Tragik, – – das seltsame Werk pochte zwar an die Herzen, aber es wandte sich nicht an die Sinne, und das war doch eine gar zu große ungeahnte Ueberraschung. Schöne Romanzen-Stoffe sollten vorgeführt werden, verlangt man, mit möglichstem Pomp und blitzendem Gold – aber keine düstern Balladen in schleppenden, farblosen Gewändern. Wenn Liszt später von eben dieser Oper Wagner's sagt: »daß kein Poet seit Byron ein so bleiches Phantom in so düsterer Nacht aufgerichtet«, so empfand das große Publicum eben dies Schemen lediglich nur als ein beklemmendes Etwas und wehrte sich gegen diesen Eindruck. Nur eine kleine Gemeinde nahm schon damals eben so dankbar wie tief ergriffen dies schlichte Liebesdrama auf. –

Die nächste musikalische That Wagner's nach dem fliegenden Holländer war das »Liebesmahl der Apostel«, eine biblische Scene für Männerchor und Orchester, im Style Gluck's, sowie die Einführung der 9. Symphonie Beethoven's. Er begleitete dies Riesenwerk mit der schwungvollsten Programm-Erklärung. Sein Muth erlahmte nicht, so gering auch im Allgemeinen der Dank war, den man seinen neuen Arbeiten entgegenbrachte, und so schmerzlich seine Hoffnungen auf eine häufige Aufführung seiner Opern fort und fort getäuscht wurden. Man schickte ihm fast überall die eingesandten Partituren zurück, kaum mit einigen oberflächlichen Entschuldigungen, gar oft war das Packet nicht einmal geöffnet und die Arbeit geprüft worden. – welcher unerschöpfliche Fonds von Energie und Selbstvertrauen wohnte doch in diesem Künstlerherzen! – Die Hamburger Bühne brachte zwar den Rienzi, aber ohne Erfolg. – In Cassel war es der berühmte Geigenkönig Spohr, der sich liebevoll des jungen Componisten annahm, ihm einen warmen Brief schrieb und Wagner's fliegenden Holländer aufführen ließ. Auch in Berlin durfte das düstere Geisterschiff landen, es fand eine ungleich günstigere Aufnahme als in Dresden. – – Zeichen der größten Sympathie drangen inzwischen aus der Ferne zu dem Schöpfer des packenden Werkes und erfüllten ihn mit freudiger Genugthuung. – »Von jetzt an«, schreibt Wagner, »verlor ich immer mehr das eigentliche Publicum aus den Augen, die Gesinnung einzelner, bestimmter Menschen nahm für mich die Stelle der Masse ein. Ich wandte mich unwillkürlich nicht mehr an die mir fremde Masse, sondern an die individuellen Persönlichkeiten, die mir nach ihrer Stimmung und Gesinnung deutlich waren. So gewann ich die Fähigkeit eines höheren, deutlicheren Gestaltens. Ich streifte, ohne hierbei mit Absichtlichkeit zu Werke zu gehen, das gewohnte Verfahren des Gestaltens in das Massenhafte immer mehr von mir ab, trennte die Umgebung von dem Gegenstände, der früher oft gänzlich in ihr verschwamm, gänzlich ab; hob diesen deutlicher hervor und gewann so die Fähigkeit, die Umgebung selbst, und opernhafter, weitgestreckter Ausdehnung, zu plastischen Gestalten zu verdichten.« –

Inmitten dieser Anschauungen brachte Richard Wagner seinen Tannhäuser zur Vollendung und schaute weiter und immer weiter, mit den Augen eines Sehers, dem Glanze seines langsam nahenden Schwanenritters Lohengrin entgegen. – Dazwischen aber ließ ein kurzer Aufenthalt in einem böhmischen Bade, das den Erholungsbedürftigen wunderbar erfrischte, und dann ein Blick auf das herrliche Nürnberg, die ersten dichterischen Notizen zu seinen Meistersingern entstehen. – Auch ein Trauermarsch, der die, endlich aus England heimkehrende, Asche Carl Maria von Weber's zur Gruft in die Heimath geleitete, ist aus jener Zeit zu verzeichnen. Daneben arbeitete der Rastlose den Plan zum Lohengrin mit fieberhafter Hast aus.

Wiederum an einem October-Abend ging in Dresden 1845 eine neue dramatische Schöpfung Wagner's über die Bühne, der Tannhäuser, mit Tichatschek als Titelhelden und Wilhelmine Schröder-Devrient als herrlichste Venus. – die Aufnahme jedoch war seltsamer Weise eine kühle, fast abweisende, eine Haltung des Publikums, die wir heute nicht mehr zu begreifen vermögen. – Außer dem milden Licht des Liedes vom Abendstern wollte nichts zünden und den meisten Widerspruch erfuhr damals hier die Ouvertüre.

Die Composition des Lohengrin wurde 1847 beendet. Aber wie manche Thräne mag wohl auf die Blätter der Partitur gefallen sein, aus den Künstleraugen, wie wogte und wühlte es in Wagner's Seele, die durch den Mißerfolg seines geliebten Kindes, Tannhäuser, so tief verletzt worden war! Und dennoch schritt er fest und mit hocherhobenem Haupte weiter auf seinem, von ihm als allein richtig bezeichneten Wege, nur das eine Ziel erstrebend: möglichste musikalische Wahrheit und Klarheit der Aussprache und des Ausdrucks, Einheit der Conception und der Schreibweise, – inniges, unzertrennbares Verwachsen des Stoffes mit der Form. – Immer mehr nahmen ihn seine Gedanken und Tonträume gefangen, mit immer deutlicher hervortretender Abneigung wandte er sich von seiner Hofcapellmeister-Beschäftigung ab, immer schwerer wurden ihm alle jene Pflichten, die ihm seine äußere Stellung auferlegte. – Und dennoch mußte er ihn festhalten, diesen Ehrenposten, als einzige Rettung vor dem ihn, nach wie vor, umwogenden Sorgenmeer. Ach, nur einmal in tiefer Verborgenheit in den deutschen Sagenborn tauchen, die Mär vom Siegfriedliede nachdichten dürfen, oder vom Kaiser Rothbart, oder von Manfred dem Hohenstaufensohn! – Auch eine andere hohe Gestalt schwebte damals an ihm vorüber, den Musiker gleichsam streifend mit seinem weißen leuchtenden Gewande: – Jesus von Nazareth. Dann aber brach der bekannte Maiaufstand herein, – ein Sturm fuhr über das sonst so ruhige Dresden hinweg, alte Gedanken und Empfindungen, Hoffnungen und Träume durcheinander wirbelnd, wie einen Haufen welker Blätter. –

Richard Wagner begrüßte diesen Aufruhr als den Beginn einer Völkererhebung zum Heile Deutschlands – und ließ sich fortreißen, zu der erschreckten Menge in diesem Sinne zu reden. Er mußte deshalb fliehen, – – seine Laufbahn in dem lieben Sachsenlande war in Folge jener offenen Partheiname, beendet für immer. –

Auf dem Wege nach Paris geschah es, daß er in Weimar kurze Rast hielt, um dort den großherzigsten, geistvollsten Freund zu finden, den sein Künstlerherz sich nur immer zu wünschen vermochte: Franz Liszt. – Bei ihm fand der Rastlose Alles, was er jetzt und zukünftig brauchte: Trost für das, was ihn quälte, Hülfe in den unaufhörlichen Bedrängnissen des Alltagslebens und Förderung seines musikalischen Schaffens in einer so selbstlosen Weise, wie es nur eben dieser seltene Mensch und Künstler vermochte. Was Liszt für Richard Wagner gethan, bis zum letzten Moment seines Lebens, welche Opfer er ihm im Stillen freudig immer wieder von Neuem gebracht, – wer hat dies wohl erschöpfend gewürdigt? – Nur zu einem kleinen Theil enthüllt sich seine Größe in dem veröffentlichen Briefwechsel zwischen Liszt und Richard Wagner, aber es giebt auch eine geheime Geschichte dieser Freundschaft, die neben der offenkundigen herläuft, welche von der sich stets gleichbleibenden, unerschöpflichen Güte und Vornehmheit dieser längst nicht genug gepriesenen Menschen- und Künstlererscheinung redet. – Das Herzensmotto dieses Gottbegnadeten war und blieb das Goethewort: »Edel sei der Mensch, hülfreich und gut!« – Franz Liszt allein verdankt man die Einführung der Schöpfungen Wagner's, der musikalischen wie der dichterischen, in die Welt, alle nachfolgenden Anerkennungen damals, auch die Robert Schumann's, in Brendel's »Zeitschrift für Musik« erscheint nur als ein Echo, – er war der erste, wahre Heerrufer des Freundes. – In Paris, wohin Wagner nach seiner Ausweisung aus der deutschen Heimath sich zunächst wandte, beschäftigte sich der Vereinsamte, Heimwehkranke, viel mehr mit schriftstellerischen Arbeiten als mit der Composition. Auch philosophische Probleme waren es, die ihn in jener Zeit mächtig anzogen, es war ein tief ernstes Studium, dem er sich mit Leib und Seele hingab. –

Er veröffentlichte zunächst die Schrift »die Kunst und die Revolution« – und legte dann sein künstlerisches Glaubensbekenntniß in einer größeren, geistvollen Studie nieder: »das Kunstwerk der Zukunft«. Auch wurde der erste Bund von »Oper und Drama« fertig gestellt. Eine kleine Episode uns seinem damaligen Pariser Aufenthalt zeigt den fieberhaft erregten deutschen Musiker und Dichter in der fast angstvollen Unruhe und Erregung seiner ununterbrochenen Arbeit. – Es galt, nämlich eilte seiner Operndichtungen in das Französische zu übertragen. Ein junger, bescheidener französischer Dichter, Edmund Roche, arm und unbekannt, trotz entzückender Poesien, die nach seinem frühen Tode neben einem Alfred de Musset gepriesen wurden, war ihm zugewiesen worden für diesen Zweck. So unerbittlich Wagner gegen sich selber stets gewesen, in Bezug aus Thätigkeit, so übermenschlich fast seine eigene Arbeitskraft und Zähigkeit erscheint, – so verlangte er genau ein Gleiches von Anderen, es gab für ihn in dieser Beziehung eben keine Nachsicht. – –

Den Dienst des jungen kränklichen Dichters bei Wagner, beschreibt ein Biograph von Edmond Roche, ein gefeierter lebender Dichter, Victorien Sardou, folgendermaßen, unter dem Titel: »Pegasus im Joche«.

»Um sieben Uhr waren wir schon an der Arbeit, Tag für Tag, die ohne Unterlaß, ohne Ruhe, bis Mittag fortging, ich – Edmond Roche – gebückt, schreibend, corrigirend und die famose Silbe suchend, welche auf die famose Note paßte, ohne dem Sinn etwas zu vergeben; Wagner aufgerichtet, gehend und kommend, glühenden Auges, gestikulirend, schreiend vor Erregung und immer rufend: »Vorwärts, nur vorwärts!« Gegen Mittag oder ein Uhr ließ ich erschöpft und ausgehungert die Feder fallen, einer Ohnmacht nahe«.

»Was fehlt Ihnen, mein Freund?« fragte Wagner erstaunt.

»Ach, ich bin hungrig!«

»Richtig, daran habe ich nicht gedacht! Also rasch einen Bissen, dann fahren wir fort.

So aßen wir denn wirklich einen Bissen rasch – und der Abend kam und traf mich vernichtet, verthiert, mit glühendem Kopfe, ganz im Fieber, halb verrückt durch die ewige Jagd aus die barocksten Silben.« – – Aber jener bescheidene französische Mitarbeiter des deutschen Componisten blieb tapfer, trotz der unerhörten Anstrengungen.

War die gewaltige Arbeit erst vollendet, so sagte sich der stille Mitarbeiter, mußte ja doch auch endlich der, bis zur Stunde im Dunkeln gebliebene, Name Edmond Roche auf den Theaterzetteln der großen Oper, als Übersetzer wenigstens, in hellster Beleuchtung erscheinen. Die natürliche Folge davon war und würde sein, daß die Dichtermappe sich öffnen durfte, und die verschiedenen Trauer- und Lustspiele, die dort versteckt lagerten, sieh hervorwagten, und ihrer Aufführung an den verschiedenen Pariser Theatern dann nichts mehr im Wege stand.

Welch ein Dichtertraum, eines Abends in irgend einem dunklen Logenwinkel sitzen und den einzelnen Versen zu lauschen, aus den eigenen poetischen Arbeiten der »Belleda« oder dem »Bernard Palissy« oder endlich aus jenem lustigen »Streichen Scapins!«

Geduld, Geduld! Bald mußte diese Sehnsucht gestillt, dieser Traum zur Wirklichkeit werden. Und in dieser Hoffnung verlor jener schrille Ruf: Vorwärts, vorwärts!« seine Schrecken. Der schwache, erschöpfte Körper des Dichters hielt sich mit der Riesenkraft des Willens aufrecht, so toll auch zuweilen das Herz schlug, so athemlos oft die arme, zusammengepreßte Lunge keuchte. Er diente ja den, im Stillen so Heißbewunderten, dessen Musik es ihm angethan, und wartete auf die eigene Auferstehung als Dichter.

Mittlerweile war es Winter geworden, und wenn Edmond mit glühender Stirn nach der täglichen Riesenarbeit und allerlei nervenaufreizenden Gesprächen mit Richard Wagner, in sein armseliges Dachkämmerlein kroch, schüttelten ihn Fieberschauer, es war dort so eisig kalt! Und der stärkende Schlaf wollte nicht kommen, so verlangend er ihn auch rief. Immer und immer schaute der Erschöpfte mit brennenden, wachen Augen dann in die Dunkelheit hinaus, die sich mit Buchstaben und Worten belebte. Und diese Zeichen führten endlich in wilder Verschlingung einen rasenden Tanz auf, wohin er nur blickte, – oben an den Balken, an den Wänden, auf der Bettdecke, auf dem Fußboden, bis sie endlich, im tollsten Durcheinander, im Waschbecken ertranken. –

Wie es nur aussehen würde, wenn auf den vornehmen Theaterzetteln der Großen Oper, in allen Blättern und an allen Straßenecken, gleichsam zu den Füßen Richard Wagner's, noch ein zweiter Name deutlich zu lesen stand – der Name eines bis dahin unbekannten Pariser Versemachers: »Edmond Roche!«

Dann aber begannen allmählich die aufregenden Proben der wunderbaren Oper selbst und Edmond mußte noch Manches ändern an der Arbeit des Textes und sich schelten lassen. Er sah seinen Herrn und Meister, wie er ihn nannte, fast noch gereizter als früher und wunderte sich oft, daß die gewaltige Spannung nicht die kleine schmächtige Musikergestalt zusammenbrechen ließ. Aber während dieser Musik-Probe umrauschte den jugendlichen Dichter und Mitarbeiter die Wagner-Musik mit ihrem vollen fascinirenden Zauber, hoch hob ihn empor über die Erde und ließ ihn momentan Alles vergessen.

Und auf der Bühne stand ein junger deutscher Sänger als »Tannhäuser«, Albert Riemann, der in seiner Heldengestalt und dem blonden Haar genau so aussah, wie einst Edmond sich den deutschen Componisten selber geträumt. Der verkörperte jene Rolle in Gesang und Spiel in einer Weise, daß Schauer des Entzückens das kranke Poetenherz durchwühlten.

In einer Loge erschien auch stets eine kunstbegeisterte Freundin des Musikers, eine österreichische Fürstin, die ihm Richard Wagner nur als die »gute Fee« bezeichnete, die eigens zu seinem Beistande auf die Erde herabgekommen sei.

Ach, sie war damals machtlos, diese Fee, denn der »Tannhäuser« wurde in Paris bei der ersten öffentlichen Ausführung zu Grabe getragen, mit wüstem Geschrei und Trommeln und Pfeifen – wer wüßte es nicht?

Einer aber ging damals hinaus und weinte bitterlich, den Theaterzettel krampfhaft in der Hand zerdrückend. – Man hatte ja vergessen, den Namen des Mitarbeiters und Uebersetzers zu nennen! Edmond Roche mußte sich also mit der Hoffnung auf eine nächste Aufführung zu trösten versuchen. Aber wann diese wohl sein würde?! Ach, zu hoffen ist so leicht, zu entsagen aber so schwer! Und die Dachkammer wurde immer kälter. – –

Sein Herr und Meister aber verließ unmittelbar nach dieser seiner Niederlage im hellsten Zorn das undankbare Paris so schnell, daß er sogar seinem Mitarbeiter nicht einmal Lebewohl sagte.

Am 11. November überkam den nun so hoffnungsarmen Poeten ein Blutsturz. Im December legte Edmond Roche den irdischen Pilgerstab nieder, um in jenes gelobte Land überzusiedeln, in dem es keine kalte Dachkammern, keinen Hunger, keine unbezahlten Rechnungen und – keine Enttäuschung mehr giebt. Aber an Veilchenduft fehlte es ihm wenigstens nicht während seines kurzen Krankenlagers, wo fehlte der wohl jemals in Paris! Eine kleine Hausgenossin kam täglich, um ihm zärtlich zuzulächeln und nach ihm zu sehen, Veilchen in den Händen. –

Mutter Margot, seine Wirtin aber, pflegte den Kranken wie ihren Sohn, wenn sie sich auch über die verfehlte Bestimmung des armen Edmond, der es nie verstanden, Geld zu verdienen, und nur Verse niederzuschreiben wußte, die Niemand las, nicht zu beruhigen vermochte. – –

Von seinem Herrn und Meister hatte er ihnen allezeit mit leuchtenden Augen erzählt, aber sie verboten ihm, ferner von dem Entschwundenen zu reden, es regte ihn doch gar zu sehr auf!

Jetzt ist es längst nicht mehr nöthig, durch einen Theaterzettel den Namen des tapferen Mitarbeiters Richard Wagner's bekannt zu machen, die Pariser kennen längst ihren Edmond Roche, und die Sammlung seiner wunderbar poesievollen poetischen und geistvollen Verse schmückt viele Bibliotheken. Schöne Hände berühren jetzt die kleine elegante Ausgabe seiner träumerischen Verse, schöne Augen überfliegen die Blätter, und melodische Frauen fragen immer und immer wieder von Neuem »Ist es wahr, daß der Dichter in Armuth und Elend starb? Wie traurig! Aber warum hat er denn nicht früher seine Gedichte herausgegeben, man würde ihn doch gewiß mit Gold überschüttet haben! Sie sind und bleiben eben entsetzlich unpractisch, alle diese Poeten!« – – –

Für uns Deutsche gehört die rührende Gestalt jenes französischen Dichters eben uns zu jenem lautlosen »Pilgerchor«, der den Schritten des großen Komponisten folgte; sie taucht in eben jenen Tagen auf, wo Richard Wagner noch um jeden Fußbreit Erde seines späteren Reiches verzweifelt kämpfen mußte. Die mächtigen Wogen der »Tannhäuser-Musik« rauschen nun über beide hin, deren »Pilgerstab« ruht, über den Herrn und Meister sowohl wie über seinen treuen, begeisterten Diener und fleißigen Mitarbeiter, den Poeten Edmond Roche. – –

Von Paris wandte sich Wagner damals nach jenem Zufluchtsorte so vieler Verbannten aller Art und Lande, nach der Schweiz. In der Nähe des schönen Züricher See's richtete er sich eine stille Werkstatt ein, die er nur verließ, um ab und zu als Dirigent und Concertgeber thätig zu sein. In diesem seinem friedensvollen Asyl erreichte ihn die beglückende Kunde von der Aufführung feines Lohengrin in Weimar, am 28. August 1850, zur Feier eines Goethe- und Herderfestes und unter der Leitung Liszt's. – Der Aufführung war ein poetischer geistvoller Weckruf Liszt's vorangegangen, eine Druckschrift: »Lohengrin und Tannhäuser.« – Der Erfolg dieses Wagnisses, die warme Aufnahme seiner Oper fiel wie Sonnenlicht in die Arbeitszelle am Züricher See: – die Bücher wurden mit Hast bei Seite geschoben und Noten über Noten tanzten wiederum über das Papier. – Gewaltige Pläne wurden wach: das Rheingold begann schon geheimnißvoll zu leuchten und zu strahlen. – In die Züricher Zurückgezogenheit des Verbannten fällt auch ein Besuch Tichatschecks, des getreuen Blondel's seines »Königs Richard«. In seinem Arbeitszimmer geschah es, daß er dem Meister die letzten Lohengrin-Scenen vorsang. Es war das erste Mal, daß ein Ton aus einer seiner Schöpfungen durch eine Menschenstimme wieder zu den Ohren und der Seele des Componisten drang. Und wie sang der Künstler eben an diesem Tage, wie er vielleicht weder vorher noch nachher den Schwanenritter jemals gesungen! Ein Schrei brach von den Lippen Wagner's als Tichatschek geendet, der Heimathlose warf sich zu Boden und weinte bitterlich. Lange, lange blieb er regungslos liegen, aber als er sich erhob, da schlang der Meister seine Arme um den Hals des Sängers und sagte schluchzend: »Dank dir, du Vielgetreuer, für das Glück, das ich heute durch dich genossen!«

Im Jahre 1854 war der erste Theil des Rings der Nibelungen vollendet. – Den ersten Schritt in die große Welt des Musiklebens, der er so lange fern geblieben, unternahm Wagner 1855 von Zürich aus, indem er einem Rufe nach London folgte, um dort die Concerte der Philharmonischen Gesellschaft zu dirigiren. Von dort besuchte er Paris und Brüssel in dem Bemühen und gestützt auf die Fürsprache Liszt's, Concerte zu veranstalten, in denen er seine Compositionen aufführen ließ. – Die Aufführung des Tannhäuser, die der französische Kaiser selbst damals befohlen, stieß auf derartige böswillige Hindernisse und so lebhaften Widerspruch, daß Wagner sein Werk schon nach der dritten Aufführung zurückzog. –

In eben dieser Schaffenszeit Wagner's reichte auch ein junger, feinsinniger Musiker und Dichter, ein geistvoller, liebenswürdiger Mensch und Schriftsteller, in Weimar seine erste Oper – der Barbier von Bagdad, – ein und bat Franz Liszt um sein Interesse für dies Opus 1: – Peter Cornelius, der Sohn der Rheinlande, geboren in Mainz 1824. Er bat nicht umsonst. Freudig ebnete der allzeit Großherzige, wo er einem wahren Talent begegnete, dieser herrlichen Musik- und Dichterbegabung den Dornenweg zur Anerkennung. Die köstliche Oper wurde am 16. December 1858 mit dem lebhaftesten Beifall in der kleinen Musenstadt aufgeführt und der nachfolgende »Cid« – etwa 7 Jahre später ebenfalls in Weimar. In der schönen Altenburg, dem Salon Liszt's, wurden auch die schönen Lieder des Peter Cornelius zuerst gesungen. Voll der innigsten Bewunderung und Dankbarkeit hing Cornelius an diesem seinem Schützer bis zum Ende seines Lebens, das, ungleich dem Dasein seines Zeitgenossen, im Schatten bleiben sollte. Peter Cornelius findet erst jetzt allmählich die verdiente Würdigung – mehr als 24 Jahre nach seinem Tode. –

In der erneuten Zurückgezogenheit Wagner's ging auch die schon vor 15 Jahren von dem Componisten skizzirte Faust-Ouvertür ein die Welt und ihr folgte auf dem Fuße das Drama des alten Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Das leidenschaftliche Liebespaar mußte aber leider gar lange auf seine scenische Auferstehung warten, sie erfolgte erst am 10. Juni 1865 in München, unter der Protection des Königlichen Musik- und Kunstenthusiasten Ludwig II. von Baiern. Nicht daß es an Versuchen gefehlt hätte, diesen glühenden Liebeshymnus auf die Bühne zu bringen, es fanden sich nur keine geeigneten Sänger und Darsteller, die jener gewaltigen Aufgabe, die der Componist in dieser seiner Schöpfung an ihr Wollen und Können stellt, gewachsen gewesen wären. Fand sich vielleicht auch hier und dort ein Tristan, – so fehlte die holde Isolde, – und tauchte diese minnigliche Frau irgendwo, in Gestalt einer vielversprechenden Sängerin, auf, so war wiederum kein Tristan zu beschaffen. – Selbst die Wiener Hofoper, die nach zahllosen Proben sich auf eine Aufführung mit allem Eifer vorbereitete, mußte das Werk schließlich zurücklegen, aus Mangel an geeigneten Kräften. – Da kam endlich 1863 für den genialen Ton- und Dramendichter die heißersehnte Amnestie, und nun durfte er selber sich mühen, als Bahnbrecher für seine eigenen Schöpfungen. Eine mächtige Hand streckte sich ihm aber dabei hülfreich entgegen, zwei große, magische Augen, strahlend vor Begeisterung, begegneten seinem suchenden Blick: der Befreier war gefunden, der ideale Märchenkönig Ludwig II. trat als » Deus ex machina« in Wagner's Leben. Alle Noth hatte für immer ein Ende. In dein »sommerlichen Königreich der Gnade«, wie Wagner die Neigung des Königs für ihn und sein Schaffen nennt, fand er die echte und rechte Heimath für alle Zeit.

In München, wohin der jugendliche Herrscher den Componisten des Tristan berief, sah Wagner seine jüngste und liebste Oper nun unter eines neuen genialen Freundes, des Dirigenten und großen Pianisten Hans von Bülow's herrlicher Leitung, am 10. Juni 1865, über die Bühne gehen. Trotz aller glänzender Berichte, die über dieses Werk nun in alle Welt flogen, war doch der eigentliche Erfolg nur ein halber. Das große Publicum mußte gewissermaßen erst für eine Kunstschöpfung gleichsam erzogen werden, die der eigene Schöpfer, in einer Broschüre die er 1861 herausgegeben, als »Zukunftsmusik« bezeichnete. »Die Menschenseele selbst ist hier gleichsam der Schauplatz der Tragödie«, schreibt Wagner über Tristan und Isolde. – Und zwei Künstlernaturen verkörperten die Seelen und Gestalten des kämpfenden Liebespaares damals in München in geradezu hinreißender Weise, – darin stimmten alle Berichte überein, – der Sänger Schnorr von Carolsfeld und seine Gattin. Der so frühe vielbeklagte Tod des Sängers ließ für immer eine ideale Künstlererscheinung, die für den Tristan wie geschaffen erschien, entschwinden. –

Im Jahre 1866 – mitten in dem endlich voll hereinfluthenden Sonnenschein von Wagner's Leben, starb einsam in Dresden, wo sie seit Jahren unbeachtet lebte, die treue Gefährtin des Musikers, die klaglos einst mit ihm gedarbt und opferwillig, nach echter Frauenart, die dunkelsten und schwersten Tage mit ihm getheilt und freudig ihre blühende Jugend ihm dargebracht: – die einst so schöne Frau Minna Wagner. Als bescheidenes Veilchen an seinem Wege war es ihr noch vergönnt, wenigstens ganz von Weitem jenen Glanz zu sehen, der durch des Königs Musikbegeisterung ihren einstigen geliebten, mit ihr kämpfenden und ringenden Gatten nun umgab und ihm die Erfüllung aller seiner Wünsche sicherte. – –

Zwei Jahre nach der Aufführung des »Tristan« waren auch die Meistersinger vollendet. Sie feierten wiederum in München ihre erste Aufführung unter dem größten Beifall der, von allen Orten herbeigeströmten, Hörer, wenn auch nicht ohne Opposition, die das Werk auch in anderen Städten, wo es über die Bühne schritt, erfuhr. – Man dürfte wohl nicht irre gehen, wenn man die heftigsten Angriffe, welche Wagner's Meistersinger damals erfuhren, zurückführt auf einige schriftstellerische Auslassungen des Componisten, die viel böses Blut machten und sehr viele Federn in Bewegung setzten. –

In einem idyllischen Versteck auf dem Landsitz eines Freundes bei Luzern, durfte der beneidenswerthe Componist nun wiederum einige Jahre leben unter dem liebevollen Schutz seines hohen Gönners, unermüdlich schaffend. – Im Jahre 1869 vermählte er sich mit Fran Cosima von Bülow, die sich von ihrem Gatten, einem der werkthätigsten Freunde der Wagnermusik auch nach der Scheidung, getrennt hatte. – Dann aber durfte der unermüdlich Schaffende mit der geistvollen, an seiner Arbeit den tiefsten Antheil nehmenden Gefährtin, in ein eigenes Heim übersiedeln: in die neuerbaute Villa »Wahnfried« in Bayreuth. – Hier wurde ihm das traumhafte Glück zu Theil, sein deutsches »Nationalunternehmen«, wie er es nannte, nämlich die von ihm selber geleitete Aufführung seines Riesenwerkes, »der Ring des Nibelungen«, verwirklichen zu dürfen. Durch die reichen Unterstützungen des Königs von Baiern und anderer regierender Fürsten, sowie durch den Verkauf von Patronatsscheinen, die zum Besuch der Vorstellungen berechtigten, kam nach vielen aufregenden Proben, in Bayreuth 1875, in dem weltverlorenen Städtchen, das einen Jean Paul einst beherbergt, die Darstellung der Tetralogie zu Stande. Im Beisein des Königs Ludwig, vieler Fürstlichkeiten und einer aus allen Landen herbeigeströmten Menge lockten zuerst die Gesänge der »Rheintöchter«, leuchtete die »wabernde Lohe« und erklang der »Trauermarsch« um Siegfried's Tod. – Künstlerinnen, wie Amalie Materna, Marianne Brandt, Lilly Lehmann, und Künstler wie Niemann, Bertz, Liban und Andere, leisteten Wunderbares, – das Orchester, dessen Liste berühmte Namen aufwies, stand auf seltener Höhe. – Es war ein Ereigniß in der musikalischen Welt, wie vordem kein anderes. – Nach dieser That zog sich der gefeierte Componist für einige Zeit mit den Seinen nach Italien zurück, wo man ihn enthusiastisch empfing. Aber Ruhe gönnte er sich doch nicht, – dieser schöpferische Geist kannte eben keinerlei Rast. – Schon Ende December desselben Jahres saß er wiederum am Arbeitstisch in der Villa Wahnfried. Im Januar 1877 erließ Richard Wagner ein Rundschreiben zur Gründung eines großen Vereins, für die Fortsetzung der Bayreuther Aufführungen. Zu seiner Genugthuung sicherte der Erfolg eben dieses Aufrufes in der That die Wagner-Vorstellungen für Jahre hinaus. Im Mai 1877 sah London den Componisten am Dirigentenpult, jene ersten großen Wagnerconcerte wurden von ihm inscenirt. Nur widerstrebend erfüllte der Rastlose das strenge Gebot des Arztes und schrieb, von dem englischen Triumphzuge heimgekehrt, seinen Namen in die Liste der Kurgäste von Ems ein. – –

Mit seinem großartigen Parcifal sollte die gewaltige Lebensaufgabe dieses genialen Musikers und Dichters für diese Welt beendet sein. – – Nur ein einziges Mal sollte er die Verkörperung dieses letzten Bühnenweihfestspiels erleben, im Sommer 1882, – – dann war auch diese Riesenkraft erschöpft. »Bis hierher und nicht weiter!« lautete das Gebot einer geheimnißvollen Macht, der Keiner widersteht. –

In Venedig war es, in dem herrlichen Palazzo Vendramino, umgeben von aller Schönheit der Kunst, im innigen Zusammenleben mit Allen, die seinem Herzen theuer, wo ihn ahnungslos, die Feder in der Hand, neben seinem Flügel, am Morgen des 13. Februar 1883, wie ein Blitzstrahl, mitten im vollsten, stolzesten Glück, der Tod traf. – Ein Herzschlag setzte diesem reichen Leben ein Ziel. – Kaum empfunden wurde die Todesnoth – dann war Alles vorüber.


Die Dichtungen und Prosaschöpfungen Wagner's erschienen in einer schönen Ausgabe bei E. W. Fritsch in Leipzig, – – seine Musik aber bringen fort und fort alle Bühnen und Concertsäle der Welt. –

Seine Hülle ruht im schattigen Garten seines eigenen Heims. In der Villa Wahnfried schauen die Fenster des Arbeitszimmers eines einst unermüdlichen Kämpfers auf ein Friedensplätzchen voll heiliger Ruhe, auf ein epheuübersponnenes Grab, mit dem Namen:

Richard Wagner.

 

Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn.

 

Bildquelle: de.wikipedia.org

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