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Weber

Carl Maria von Weber.

Geboren den 18. December 1786 in Eutin.
Gestorben den 5. Juni 1826 in London.

Waldesathem, Waldesfrische weht mit dein theuren Namen Carl Maria von Weber zu uns hin, und in duftige Schleier gehüllt, grüßend und lächelnd, blond und rosig, schwebt die Gestalt der Romantik vorüber, – leiser Hörnerklang verhallt in der Ferne, wenn sie verschwindet. – –

Es war einmal – vor langer Zeit an einem Junitage, da saß der geistvolle, liebenswürdige Sohn Carl Maria's, Max von Weber, der nun auch heimgegangen, in meinem Musikzimmer in Minden. Vor uns stand eine Schaale, gefüllt mit den ersten Rosen, leuchtend wie der Sommerabend selber, der eben heraufzog. – Es war, als ob ihr frischer Duft nur Träume voll Glück bringen müsse für alle Welt. Da glitt eine schlanke Männerhand leise über sie hin und eine Stimme sagte mit seltsam ernstem Klang: »Soll ich Ihnen sagen, woran ich eben denken muß? – – An jenen Sommerabend des 4. Juni vor vielen, vielen Jahren, wo auch die Rosen blühten, – selbst in dem nebelumschleierten London. Ein Glas voll frischer Rosen stand dort damals auf dem Arbeitstisch meines Vaters. Und eben solch eine lachende rothe Rose, wie sie da vor mir liegt, hat er wohl in der blassen, durchsichtigen Hand gehalten, als er von den treuen Freunden für die Nacht ahnungsvoll den ewigen Abschied nahm mit der leisen Bitte: »Nun laßt mich schlafen!« – –

Als Moscheles, der treuesten Einer, am nächsten Morgen wieder zu ihm eintrat, voll heimlicher Sorge um den Erschöpften, da lag wohl die Rose noch frisch blühend auf der Decke seines Lagers: Carl Maria aber schlief den letzten Schlaf. Er war einsam gestorben in der kalten Fremde, fern von der deutschen Heimat, fern von den Seinen, mitten in beglückenden Reisevorbereitungen, – – sie mußten ihn Alle, Alle schlafen lassen! – Seitdem kann ich keine Rosen leiden, – sie bringen mir keine frohen Gedanken mehr!« – –

Man bezeichnet Carl Maria von Weber als einen der genialsten und fruchtbarsten deutschen Komponisten nach der Mozart'schen Periode, als einen seelenvollen Künstler, der allmählich eine Volksthümlichkeit errang, wie sie größer kaum denkbar, und der stets ein Liebling seiner Nation bleiben wird für alle Zeiten:

»So weit die deutsche Zunge klingt« …

Aber auch das Erdenwallen dieses großen Musikers war, wie das seiner Vorgänger, kein Wandern auf geebneten, rosenbestreuten Wegen, – stechende Dornen, rauhes Gestein fehlte nicht, und als endlich, nach rastloser, mühevoller Arbeit, eine Zeit für ihn heraufzudämmern schien, wo er die Früchte seines Fleißes erndten sollte in sorgenlosem Genießen, da brach der erschöpfte Körper zusammen: »Laßt mich schlafen!« war der letzte, bittende Ruf!« – –

Ein wenig Romantik spielte schon hinein in Carl Maria's Jugendleben. Seine Mutter war eine berühmte Schönheit, – Genofeva von Brenner; seiner Familie von väterlicher Seite, seit dem 16. Jahrhundert dem wohlhabenden Adel Nieder-Oesterreichs zugehörig, sagte man nach, daß sie sich durch eine leidenschaftliche Hinneigung zur Musik und zur dramatischen Kunst in allen Zeiten ausgezeichnet. Die äußeren Güter hatte aber eben diese kostspielige Vorliebe, von Generation zu Generation, nicht vermehrt, und die Standesgenossen prophezeiten ein naturgemäß schlimmes Ende. Franz Anton von Weber war, als Carl Maria in zweiter Ehe ihm geboren wurde, ein verabschiedeter Major vom kurkölnischen Hofe, der wegen seiner künstlerischen Liebhaberei und in Folge seiner Zugvogelnatur, eine bewegte Wanderzeit hinter sich hatte. Aus dem Hofcavalier war ein wandernder Schauspieldirector geworden und für eine Weile sogar ein wunderlicher Stadtmusikus in dem weltverlorenen Städtchen Eutin. Der kleine Carl Maria wurde vom ersten Lebensjahre an hineingezogen in ein seltsam unruhiges Dasein. Vom Schooße der Mutter aus sahen die großen träumerischen Kinderaugen in jene bunte Welt hinein, die der Vater geschäftig vor ihm aufbaute. Überall wurde das Wanderzelt aufgeschlagen und ebenso rasch wiederum abgebrochen. – Die talentvollen Kinder aus erster Ehe, die der Vater vortrefflich einzudrillen verstand, viel besser als früher seine Soldaten, traten in den verschiedensten Rollen in großen und kleinen Städten auf und der Jüngste kroch früh schon hinter den Coulissen herum, wenn die geliebte schöne Mutter, zu allen möglichen Hülfeleistungen dort herangezogen, sich eben nicht um ihn kümmern konnte. Er wuchs zwar, trotz einer leichten Lahmheit des einen Fußes, frisch und munter auf, verhätschelt von Eltern und Geschwistern, aber er blieb, zum Kummer der Mutter, auffallend zart, nur die Nase entwickelte sich äußerst kräftig und trug ihm manche Neckerei ein. Vielleicht war es die schwankende Gesundheit seines jungen Weibes, die den Vater endlich bestimmte, nach den abenteuerlichsten Kreuz- und Querzügen, eine längere Rast zu halten in der Mozartstadt Salzburg und dort für sich und die Seinen ein Heim einzurichten. Es war, als ab die schöne Frau eben darauf nur gewartet: – – sie richtete sich still und geduldig dort ein zum Sterben. Sie durfte aber doch noch erleben, daß ihr Jüngster sich der Musik zuwandte, zu der sie selber, wie sie oft mit melancholischem Lächeln zu sagen pflegte, eine unglückliche Liebe im Herzen getragen. – Carl Maria zeigte zwar, neben seiner offenbaren Musikbegabung, auch großes Talent zur Malerei, aber gar bald wandte sich das Kinderherz voll und ganz jener bestrickenden Kunst der Töne zu, und es waren wohl die letzten ungetrübten Freudenstunden, in denen die Kranke auf einem Ruhebette lag und ihr Jüngster am Spinett saß um ihr mit seltener Fertigkeit und ergreifendem Ausdruck eigene und fremde Weisen vorzuspielen. So mangelhaft, in den verschiedenen Haltestellen der rastlosen Wanderschaft, auch der Clavierunterricht Carl Maria's gewesen war, man hatte doch gewissermaßen einen Boden geschaffen, in dem die Blume dieses großen Talents Wurzel zu schlagen und sich weiter zu entwickeln vermochte. – – Ach, wie er sie liebte, diese seine erste Zuhörerin, die Mutter, deren großen, strahlenden Augen voll Zärtlichkeit er begegnete, so oft er aufblickte von seinem Spiel. – Und wie süß war es, wenn man selber allmählich müde geworden, zur Mutter hinzuhuschen, um auf ein kleines Bänkchen zu ihren Füßen sich niederkauernd, den Kopf auf ihre Kniee zu legen und dann ihre Hand, leicht wie ein Rosenblatt, auf dem Haar zu fühlen. – – Aber ein Tag kam, wo er diese Hand nicht mehr auf seiner Stirn fühlte, nie – nie wieder. Jene Hand, die so sanft seine ersten Schritte geleitet und ihn so liebevoll behütet, sie erstarrte im Tode. – Der kaum 11 jährige Knabe stand im März des Jahres 1798 am Grabe der Mutter, während draußen der lachende Frühling anklopfte, die Hände voll von Veilchen. In diesen ersten gewaltigen Weh wurde die Musik die Trösterin Carl Maria's, wie sie schon die Trösterin so Vieler geworden und noch werden wird, so lange die Erde steht. Ernst und freundlich nahm Michael Haydn, der jüngere Bruder des allgeliebten Componisten der »Schöpfung« und der »Jahreszeiten«, sich des trauernden Kindes an. Er führte es in sein stilles Heim und in die Kirche, spielte ihm vor, ließ es selber spielen, unterwies es in der Composition und redete dem Vater zu, den so hochbegabten Sohn sobald als möglich in die künstlerische Atmosphäre nach München zu verpflanzen. Die ersten contrapunktischen Arbeiten Carl Maria's, sechs Fughetten, ließen damals Vater und Lehrmeister, um dem Kinde eine Freude zu bereiten und es dem melancholischen Grübeln zu entreißen, drucken; die damals maßgebende Leipziger Musikzeitung brachte eine freundliche Anzeige dieses Opus 1. Wohl flog ein Sonnenstrahl des Glücks über das Gesicht des jungen Componisten und ein helles Freudenroth stieg in die schmalen Wangen beim Anblick seines gedruckten Namens, aber dann füllten sich die großen dunkeln Augen mit Thränen und er schluchzte: »Ach, könnte ich das der Mutter zeigen!«

Ja, er mußte fortgebracht werden von der Stätte, wo die geliebte Mutter gelitten und gestorben, sonst verkümmerte dies Talent, das sagte sich der Vater täglich. – Es war nur natürlich, daß Franz Weber, bei seiner leidenschaftlichen Liebe zum Theater, auch für seinen Sohn von einer Carriere träumte, die ihn in irgend welcher Weise der Bühne zuführte. In München stand, unter der Regierung des kunstsinnigen Carl Theodor von der Pfalz, das Theater in hoher Blüthe, als Operndirigenten machten die Capellmeister Winter und Danzi viel von sich reden und ausgezeichnete Musiklehrer aller Art lebten dort. Dem ehemals viel gefeierten Sänger Wallishauser, der sich während seiner Bühnenlaufbahn Valesi nannte, sowie dem gesuchten Lehrmeister Joseph Grätz und dem Hoforganisten Kalcher wurde nun die weitere musikalische Ausbildung Carl Maria's anvertraut, und damit sich das weichherzige Kind nicht einsam fühle, siedelten Vater und Geschwister mit nach München über. – Es war merkwürdig, wie rasch und glänzend sich unter den Händen der gewählten Lehrer die musikalische Begabung des Schülers entfaltete und wie alle seine Arbeiten nach dramatischem Ausdruck hindrängten. Eine Partitur nach der anderen erschloß ihre Blüthe, unter ihnen sogar eine Oper, die »Macht der Liebe und des Weins«, eine Messe, kleinere Arbeiten in Hülle und Fülle, sogar eine Posse. Daneben wurde das Clavierspiel mit größtem Eifer studirt und eine selten klangvolle Stimme gepflegt, an deren Entwicklung besonders Valesi seine große Freude hatte. Trotz seiner Jugend nahm man Carl Maria von Weber in die verschiedenen Academien auf, wo man die Tonkunst pflegte, und man bewunderte das neue, jüngste Mitglied bei allen öffentlichen Vocal- und Instrumental-Concerten lebhaft. – – Und dennoch saß der jugendliche Musikschüler mit Vorliebe damals stundenlang in der Werkstatt eines ernsten Mannes, der sich um die Musik gar wenig kümmerte: der Erfinder des Steindrucks, Jacob Sennefelder erlaubte ihm zuzusehen, beim Zeichnen und Kupferstechen. Wie ihn das fesselte! Gar bald bat er den Meister, ihn in seiner Kunst zu unterweisen, und Carl Maria zeigte sich ebenso geschickt und fleißig in der Werkstatt Sennefelder's, als vor den Tasten des Claviers oder vor seinen Notenblättern.

Sein angeborenes und schon unter den Augen der Mutter geübtes Talent zum Zeichnen half ihm rasch vorwärts, – die Technik wurde überraschend schnell von dem gelehrigen Schüler Sennefelder's überwunden und als selbstständiges, erstes Resultat seiner Studien gaben Vater und Sohn, – denn auch Franz von Weber war in allen derartigen Dingen von denen er einen Nutzen für sich und die Seinen einsah, auffallend geschickt, – sechs sauber lithographirte Variationen heraus, andere musikalische Arbeiten wurden vorbereitet. Leider zerstörte ein auf unerklärliche Weise ausgebrochener Zimmerbrand, in dem Hause des Hoforganisten Kalcher, jenen Schrank, der zur Aufbewahrung der Arbeiten Carl Maria's diente, sein Inhalt ging rettungslos in Flammen auf. Das war ein harter Schlag für den jungen Componisten, der keinerlei Abschriften seiner Compositionsversuche aufzubewahren pflegte. Er sah in eben diesem Ereignis einen Fingerzeig des Himmels, der ihm sagen sollte: »Versuche einen anderen Weg, – es war nicht der rechte, den Du bisher gewandelt!« –

Eine Zeit des Grübelns trat jetzt ein.

Sollte er wirklich die geliebte Musik aufgeben und als Zeichner oder Maler sich eine Stellung in der Welt zu erringen versuchen? – Diese Frage erregte und beängstigte ihn Tag und Nacht, kein Zureden brachte Klarheit in das junge Herz. Da wandte sich Sennefelder kalt von ihm, – er schien plötzlich eifersüchtig zu werden auf diesen selten begabten Schüler, der voraussichtlich in kurzer Zeit ein Meister werden würde. – Zum Glück wandte der Vater jetzt sein oft erprobtes Beruhigungsmittel an: – er griff zum Wanderstabe, zog mit dem Sohne umher wohin es ihm eben beliebte, und arrangirte für ihn Concerte, die alle erfolgreich waren. – Erst nach einem Jahre, 1799, kehrten Beide für kurze Zeit nach München zurück, um bald darauf nach Freiberg in Sachsen überzusiedeln. Dort wurde eben jene technische Wissenschaft, der sich der junge Musiker ergeben, ganz besonders gepflegt; – Franz Weber träumte wiederum davon, dem Sohne eine Officin für lithographischen Notendruck in dem kleinen Städtchen einzurichten, und eine pomphafte Ankündigung ging schon von Mund zu Mund. – Ein rechter Musiker würde dieser Träumer doch nimmer werden, das war die feste Ueberzeugung des Vaters, eine derartige Anstalt dagegen mußte sichern Gewinn bringen, wenn Carl Maria sich weiter so anstellig zeigte. –

Aber es kam anders. Ein Jahr lang hielt es dieser musikalische »Pegasus im Joche« wirklich aus, – dann kam es mit übermächtiger Gewalt über ihn: – er sprengte plötzlich die hemmenden Fesseln. Die Leidenschaft für die Musik brach mit elementarer Gewalt hervor, wie ein köstlich frischer Quell, der rasch dahinströmend immer breiter und tiefer wird und zum stolzen Flusse sich gestaltet. – Fort mit der geisttödtenden Arbeit des Notenstechens für immer! Singende, klingende Noten auf Linien zu schreiben, dahin drängte es Carl Maria unaufhaltsam. Der Plan der ersten Oper: – »das stumme Waldmädchen« – wurde wach, dessen Text ihm der Ritter von Reinsberg geschrieben, und in wenigen Monaten wurden die Stimmen des fertigen Werkes im Orchester und unter die damaligen Sänger des bescheidenen Freiberger Theaters vertheilt. Das stumme Waldmädchen hielt aber seinen Einzug im Theater doch zuerst in Chemnitz, dann erst in Freiberg, – freilich mit nur geringem Erfolg. Später führte man dies Opus 1, das nachher der Componist selber für ein höchst unreifes, wenn auch nicht ganz erfindungsleeres Product erklärte, in Wien, Prag und Petersburg auf. Auch die nachfolgende dramatische Arbeit: »Peter Schmoll und seine Nachbaren« (1801), ließ den künftigen Schöpfer des »Freischütz« und »Oberon« kaum ahnen, – aber die Welt fing doch an, auf den jugendlichen Tonkünstler aufmerksam zu werden, die kritischen Musikzeitungen in Leipzig und Berlin nannten wiederholt seinen Namen. – Das enge, kleine Freiberg vermochte ihn nun nicht länger zu fesseln, wiederum begaben sich Vater und Sohn auf die Reise. Diesmal führte Franz Weber seinen Jüngsten, – von dessen wirklicher Begabung für die Musik er im Innersten seines Herzens noch immer so wenig überzeugt war, daß er eines Tages unumwunden erklärte: »Ein ordentlicher Musiker wird im Leben nicht aus Dir!« – nach Hamburg, Holstein und Leipzig. Anregungen der mannigfaltigsten Art umflatterten den jungen Musiker auf diesem Wege, kleinere, reizende Compositionen für das Clavier blühten auf, auch verschiedene Orchestersätze, mehr tastende Versuche jedoch, als, die Componistenseele irgendwie befriedigende, Schöpfungen. – Aber höher und immer höher erwuchs allmählich eine Sehnsucht, die Carl Maria schon lange im Herzen getragen und deren bittende, mahnende Stimme sich nicht länger zum Schweigen bringen ließ, das Verlangen, in Wien zu leben, wo ein Gluck seine Opern componirt, wo ein Mozart gewandelt und gestorben und ein Joseph Haydn noch immer als frischer, heiterer Greis unter einer dankbaren Schülerschaar waltete. Es war und blieb sein Traum eben dort als Lernender einzutreten in diesen bevorzugten Kreis, und die Empfehlungen, die er mitbrachte, von Michael Haydn in Salzburg, hätten diesen heißen Wunsch sicher Erfüllung finden lassen. Allein es sollte noch nicht sein. Eine eigenartige Persönlichkeit kreuzte plötzlich seinen Weg und zog ihn zu sich heran, einer der scharfsinnigsten Tongelehrten der damaligen Zeit, der Abt Georg Joseph Vogler aus Würzburg. Sein Ruf als Clavier- und Orgelspieler, seine Kenntniß der verschiedenartigsten Instrumente, die er sich auf seinen Weltreisen erworben, sein Buch über die »Tonwissenschaft und Tonsetzkunst« führte ihm auch, bei seinem nur vorübergehenden Aufenthalt in Wien, Schüler von allen Landen zu. – Mit besonderer Freundlichkeit wandte er sich unter ihnen zwei leidenschaftlichen Tonjüngern zu, – Carl Maria von Weber und Jakob Meyerbeer, – die später, als Vogler nach Frankfurt am Main und zuletzt nach Darmstadt übersiedelte, ihm in begeisterter Hingabe folgten. – Er muß in der That ein ausgezeichneter Lehrmeister gewesen sein, der es verstand, seine Schüler an sich zu fesseln. Vogler war es, der damals Carl Maria veranlaßte, so hart ihm hier der Gehorsam auch ankam, die Beschäftigung mit der Composition dramatischer Arbeiten vorläufig aufzugeben, um sich ausschließlich in das Studium der verschiedenartigsten Werke großer Meister zu vertiefen, nebenbei aber sich als Clavierspieler zu vervollkommnen. Es ist kein Zweifel, daß Weber's Spiel erst durch eben diesen Lehrmeister seine epochemachende Eigenart erhalten hat. Nicht nur wahrhaft geniale und frappirende Ausführungen waren nun zu bewundern, es kam auch System und Character in Weber's allgemein bewunderten Vortrag. –

Welchen Nutzen es ihm, dem angehenden Componisten, brachte, mit diesem seinem Lehrer die bedeutendsten Opern- und Oratorien-Compositionen durchzugehen und zu zergliedern, wie etwa der Botaniker eine Pflanze zerlegt, um ihren Bau klar zu erkennen, hat Weber selbst wiederholt anerkannt, und das verrathen alle jene Schöpfungen, mit denen er die Welt später beschenkte. – Der Fleiß und die Fortschritte des jugendlichen Schülers erwiesen sich im Laufe des ersten Lehrjahres so bedeutend, daß der Richterspruch des gestrengen Meisters ihm erlaubte, eine selbstständige Stellung anzunehmen. Der 18jährige Jüngling durfte einem an ihn ergehenden Rufe als Musikdirector an das Breslauer Theater Folge leisten, im Juli des Jahres 1804.

Es war ein schwerer Abschied für ihn aus der fröhlichen Kaiserstadt an der schönen blauen Donau, wo ihm zum ersten Mal in seinem jungen Dasein die Ahnung aufgegangen von einem sonnigen Glück, im Zusammensein mit glücklichen Menschen. Er schied von den ihm lieb gewordenen leichtlebigen Kunstgenossen und von allerlei reizenden Frauen, die ihn verzogen. Die sorglose Hingabe an die holde Kunst hörte auf. Der Ernst des Lebens trat an ihn heran. Die nüchterne nordische Stadt brachte ihn bald zur Besinnung und trieb ihn, wollte er den neuen, ehrenvollen Posten behaupten, wiederum zu gewissenhaftester Arbeit. – Ein überraschendes Organisationstalent zeigte sich plötzlich bei Carl Maria und schon das erste Jahr seiner Wirksamkeit in Breslau brachte in dieser Beziehung wahrhaft großartige Resultate. Derartige, genial in Scene gesetzte Aufführungen classischer Opern hatte man dort noch nie gehört und der jugendliche Leiter des Theaters ergänzte das Orchester und Sängerpersonal in einer Weise vortheilhaft, daß man ihn geradezu anstaunte und ihm sofort freie Hand ließ, auch sich willig fügte, als er es für nöthig befand, eine neue, sich als höchst practisch erweisende Orchesterordnung einzuführen. Wie immer und überall erhoben aber leider nur zu bald Neid und Mißgunst ihre Häupter. – Eine im Dunkeln schleichende Partei bildete sich, die sich rasch vermehrte, gegen den Dirigenten und Organisator Front machte und ihm das Arbeiten und zugleich das gesellige Leben dermaßen verbitterte, daß Carl Maria schon im Mai 1806 seine Entlassung forderte und erhielt. Die Feinde, die ihn spottend einen »Verschwender« und »Ideal-Jäger« nannten, jubelten. – –

Wo war nun der Sonnenschein geblieben? – Der junge Idealjäger stand mit leeren Taschen da – und hatte noch obendrein für einen kränkelnden und mißmuthig gewordenen Vater zu sorgen. Musikstunden zu ertheilen, war jetzt die einzige Rettung. Das bescheidene väterliche Vermögen war fast ganz verbraucht, – dazu kam das Bewußtsein von allerlei Schulden, die Carl Maria in Wien und in Breslau gemacht hatte. An Kunstreisen, die irgend welche nennenswerthe pecuniäre Erfolge versprachen, war in jenem schweren Kriegsjahre 1806 nicht zu denken. Aber die heilige Cäcilia verließ ihren treuen, begeisterten Diener nicht. Eine Einladung des Herzogs Eugen von Württemberg fiel wie ein Lichtstrahl auf den dunklen Weg des jungen Musikers. Man berief ihn an das Hoflager zu Carlsruhe in Oberschlesien. – Die Wolken zerstreuten sich, – das winterliche Eis des Mißvergnügens schmolz, – es wurde Frühling rings umher. Der freigebige und gütige, fürstliche Musikfreund sorgte für völlige Freiheit seines Schützlings. Es war kein bestimmtes, irgendwie fesselndes Amt, das ihm die Flügel zusammengeschürt hätte, der junge Musiker war nur ein Gast des Herzogs und es stand ihm frei, sich dem lebhaften Kunstleben des Hofes zu widmen, was denn mit voller Hingebung von Carl Maria geschah. Allerlei Compositionen entstanden, an denen sein fürstlicher Gönner seine größte Freude hatte, Symphonien, Ouvertüren, Concerte für Clavier und Horn, Variationen, die man auch sofort aufführte. – Kurz, wie eben alles Erdenglück, war leider auch diese sorgenlose Schaffenszeit, – die traurige Kriegszeit zerstörte alle Freuden. Der Herzog wurde zur Armee berufen, – der Hofhalt in Karlsruhe löste sich auf und mit ihm die Capelle. Die Coulissen der Lebensbühne Carl Maria's wechselten wiederum, – er siedelte nach Stuttgart über, wo ihm sein hoher Gönner eine Stelle als Secretär bei dem Herzog Ludwig von Württemberg, Bruder des Herzogs Eugen, verschafft hatte. – Ach, wie unerquicklich erschien ihm, nach den Tagen in Karlsruhe, seine neue Thätigkeit, – er meinte im Anfang, sich nicht in diese gewaltige Veränderung finden zu können. Da galt es, die herzoglichen Kinder in der Musik zu unterweisen, die sehr wenig angenehmen Cassenangelegenheiten des hohen Herrn zu ordnen, allerlei Differenzen auszugleichen, mit ungeduldigen Gläubigern zu verhandeln, dabei in der Gesellschaft allzeit liebenswürdig zu sein und mit seinem Virtuosentalent nicht zu geizen. – Und es ging allmählich viel besser, als Carl Maria erwartet hatte. Das angeborene Talent, sich in die verschiedenartigsten Menschen mit Anmuth zu schicken, seine heitere Natur und seine Bescheidenheit besiegten alle geheimen Widersacher, – alle Kreise öffneten sich ihm. Interessante Begegnungen regten ihn zu neuen Compositionen an, wie z. B. die Erscheinung des Geigenkönigs Spohr. In der Freundschaft des von München nach Stuttgart berufenen Capellmeisters Franz Danzi fand er einen Halt, wenn die hochgehenden Wogen des lustigen süddeutschen Lebens ihm gefährlich zu werden drohten. Danzi übte auch durch seinen künstlerischen Rath einen großen Einfluß auf Carl Maria's Schaffen aus. Die in jener Zeit auftretende Neigung des jungen Componisten, den Gesang, die Melodie, in den Vordergrund treten zu lassen und so den Weg zu entdecken, auf den ihn seine eigentliche schöpferische Natur hinwies, ist wohl zumeist diesem vielerfahrenen und liebevollen Lehrmeister zuzuschreiben. – Da saßen denn oft in einem kleinen Stübchen zwei lustige Träumer bei einer frugalen Abendmahlzeit mit einer, oder auch mehreren Flaschen billigen Weines beisammen und malten sich eine Zukunft aus, voll Ehren, Glück und wunderbaren Erfolgen, – der Schriftsteller Hiemer und Carl Maria. Bei einem solchen Zusammenarbeiten von Textschreiben und Componiren konnte es ihnen ja, nach ihrer Ueberzeugung, nicht fehlen, – fanden sich doch in der weiten Welt nicht leicht zwei solche Gesellen zusammen! Die abenteuerlichsten Operntexte wurden da ausgeheckt, oft bis tief in den Morgen hinein, und vom kleinen heisern Clavier klang es dann so mächtig daher, daß sich die Hausbewohner und die Nachbaren am anderen Tage über nächtliche Ruhestörung beschwerten. In eben solchen Stunden entstand auch eine anmuthige musikalische Cantate: »der erste Ton«. – Ach, der Weg war noch lang und dornenvoll für den Tonkünstler, und jener Andere kam beim Weiterwandern nur zu bald von seiner Seite, – – wohin? wer kann es sagen. Die Stuttgarter Epoche schloß für Carl Maria von Weber im Jahre 1810 leider mit einer grellen Dissonanz, die ihm noch viele Jahre im Herzen wiederhallte. – Die Privatverhältnisse des Herzogs wurden nämlich immer verwickelter, sein junger Secretär wußte sich nicht mehr zu helfen, und so wies man ihm denn sammt dem kranken Vater nicht nur einfach eines Tages die Thür, sondern schickte ihn sogar auch über die Landesgrenze. – Das war ein schmerzliches Erwachen aus den schönen, frohen Träumen. Aber ein ganz anderer Carl Maria erschien nach dieser schweren Erfahrung, in der Welt. Ein ernster Dirigent stand in Mannheim am Musikpult, den man, in Erinnerung an sein früheres Erscheinen dort, mit offenen Armen empfing. – Manche herrliche Opernaufführung verdankte man ihm damals, – aber auch eine neue Art seines wunderbaren Talents kam hier zur Entfaltung, – seine Lieder. Im Allgemeinen wenig gesungen, haben sich doch einige von ihnen bis zum heutigen Tage auf dem Repertoir der Concertsängerinnen erhalten, – wie das »Schneeglöckchen«, das neckische, von der unvergleichlichen Wilhelmine Schröder-Devrient bezaubernd gesungene: »mein Mädchen ist so rein und hold« und das reizende: »Frage mich immer, – du fragst umsonst!« –

Es muß wohl die Wandervogelnatur in Carl Maria unaufhörlich sich geregt haben, denn schon nach einem Jahre siedelte er mit dem Vater nach Darmstadt über. Vielleicht war es aber auch die Sehnsucht nach seinem ehemaligen Lehrmeister, dem Abt Vogler, die ihn dorthin trieb. Wußte er ihn doch dort! – So wurde Weber denn der dritte in dem Bunde der fleißig arbeitenden Schüler, Meyerbeer und Gänsbacher. Viele künstlerische Schöpfungen blühten in dieser erneuten Lehrzeit in der Werkstatt Carl Marias auf, Sonaten, Concerte, – auch das Clavierconcert in C-Dur Op. 11 mit seinem wunderschönen Adagio, an dem Mozart seine Freude gehabt haben würde, wenn er es hätte hören können. Von Darmstadt aus trugen ihn die Reiseflügel vielfach fort, theils zu Concerten, theils zu Aufführungen seiner Opern – der »Silvana« und des nachdem entstandenen »Abu Hassan«. Der sehr gefeierte Clarinettist Bärmann schloß sich ihm an, und Weber schrieb für ihn zwei Concerte. Wie eine Wandeldecoration erscheinen auf dem neuen Fluge die Städte Prag, Leipzig, Gotha, Weimar, Dresden, Berlin. Die freundlichen Beziehungen zu den liebenswürdigen Dichtern Rochlitz, Mahlmann und Anderen, welche seinen Weg kreuzten, hätten den phantasievollen Musiker beinahe unter die Schriftsteller getrieben. Der Plan eines Romans: »Tonkünstlers Leben« wurde entworfen, – es trieb ihn, sein eigenes rastloses Thun und Treiben, sein Wollen und Empfinden zu schildern, – leider sind nur interessante Fragmente davon vorhanden. – Dafür ging später der ältere Sohn, Max Maria unter die Schriftsteller, – der andere unter die Maler. Der Erstere nahm wohl den unterbrochenen Faden des »Tonkünstlers Leben« wieder auf, denn ihm verdanken wir die eingehende Biographie seines berühmten Vaters.

Carl Maria's große Kunstfahrt schloß in Berlin, das ihn auf längere Zeit festhielt, und man bezeichnet mit eben diesem Aufenthalt zugleich den Abschluß seiner Jugendepoche. Sein schaffender Geist wandte sich nun, mit erweitertem Blick und voller Kraft, in ernstem Streben und Zusammenfassen, dem musikalischen Drama zu, und keinerlei feindselige Kundgebungen vermochten ihn zu stören. Allein auch in Berlin traten feindselige Elemente zu Tage, – die Componisten Zelter und Rhigini bewahrten eine kühl abweisende Haltung, ihm gegenüber, und der damalige Theaterintendant Iffland verhehlte keinen Moment seine Antipathie. Mit desto größerer Freundlichkeit empfing ihn freilich der kunstsinnige Fürst Radziwill, der Componist des »Faust«, – Clemens Brentano schloß sich ihm an und Tiedge zog ihn mit offenbarer Vorliebe in seinen Freundeskreis. – Allein seines Bleibens konnte, das fühlte Carl Maria nur zu deutlich, auch hier nicht sein; im Sommer des Jahres 1812 schied er mit Schmerz von der Preußischen Hauptstadt, um endlich, nach erneuten längeren und kürzeren Irrfahrten, die sich auch bis in das geliebte Italien hineinerstreckten, in der alten Praga für mehrere Jahre festen Fuß zu fassen. Er fühlte wieder einmal einen Boden unter den wandermüden Füßen und nahm eine Stellung ein, in der ihm auch wie er hoffte sicher genügende Muße bleiben würde und müsse, weiter zu schaffen, ohne jene ewig nagende Sorge um die Existenz. Freilich hatte Carl Maria jetzt nur noch für sich allein zu sorgen, sein kranker Vater, für den er mit kindlicher Treue sich gemüht, hatte Erlösung gefunden von seinen Leiden. –

In den ernsten, schweren Kriegsjahren 1813 und 1814 wurden denn auch jene mit Enthusiasmus aufgenommenen patriotischen Gesänge componirt, die sich dem allgemeinen Völkerjubel anschlossen und in unbeschreiblicher Weise wirkten, der Lieder-Cyclus von Theodor Körner's, des jugendlichen Dichterhelden: »Leyer und Schwert«. Besonders zündeten das »Schwertlied« und »Lützow's wilde, verwegene Jagd«. – Sie ließen den jungen Carl Maria von Weber mit einem Schlage zu einem der populärsten Volkssänger aller Zeiten werden. – Sonnenlichter und Schatten folgten nun in dem von allem Anfang so unsteten Künstlerleben in raschester Folge, die aber einzeln aufzuzählen unmöglich sein dürfte, da der kleine Rahmen dieses biographischen Bildes dies nicht zulassen würde. – Nach der Schlacht von Waterloo componirte Carl Maria die große Cantate »Kampf und Sieg«, die man überall mit Jubel, als der Stimmung jener Tage angemessen, begrüßte. – Aber mitten in dem Pulverdampf und Schlachtengewühl erblühte auch eine Rose am Wege des jungen Musikers: seine Liebe zu der talentvollen und anmuthigen Sängerin Caroline Brandt. Allein die stechenden Dornen fehlten auch dieser Rose nicht. Wohl fand seine zärtliche Herzensneigung Erwiederung, es war und blieb aber einstweilen eine völlig aussichtslose Liebe, denn der gefeierte junge Capellmeister hatte immer noch keine feste Anstellung, die eine Heirath ermöglicht hätte, und die reizende Caroline, vielleicht noch mehr aber ihre Mutter, weigerte sich, ihr Lebensglück einem schwankenden Nachen anzuvertrauen. Sie verlangte, daß er in einem sichern Hafen lande, wo es gut sei, »Hütten« zu bauen. Da gab es denn gar manche schwere, stille Kämpfe, Carl Maria litt unsagbar unter ihnen. Die Arbeit selbst, der er sich mit brennendem Eifer hingab, vermochte ihn nicht zu trösten, ebenso wenig wie der Erfolg seiner Compositionen, Sonaten, Clavierconcerte und Volkslieder, die ohne Ausnahme mit dem wärmsten Interesse entgegengenommen wurden. Erst das Jahr 1817 brachte ihm das ersehnte Glück einer eigenen Häuslichkeit – in Folge der ehrenvollen Berufung Carl Maria von Weber's als Königlich sächsischer Capellmeister nach dem schönen Dresden. –

Das Heim, der Hafen war endlich gefunden, – in dieser Luft sollten Preciosa, Freischütz, Euryanthe und Oberon geboren werden, zur Freude und Erquickung von Generationen dankbarster Hörer.

Leicht wurde freilich dem neuen Capellmeister in dem deutschen Florenz das Schaffen nicht gemacht, die italienische Opernmusik und ihre verschiedenen Repräsentanten ließen sich von einem so jugendlichen Deutschen, der noch nicht einmal eine Oper in die Welt geschickt, nicht ohne Weiteres verdrängen. Der Kampf begann also fast mit dem ersten Tage seines Erscheinens und wurde mit Erbitterung von der italienischen und mit Energie und Ausdauer von der deutschen Seite weitergeführt. Ueberall hatten sich italienische Lehrmeister aller Art festgesetzt, am Hofe wie in allen vornehmen Familien. – In Weber's Briefen findet sich in den verschiedensten Variationen die Klage: »Die Herren Italiener lassen natürlich Himmel und Hölle los, um mich zu vertreiben.« »Nicht nur«, lautet die Briefstelle an einen Freund, »daß noch gar nichts, vom Notenschreiber bis zur ersten Sängerin, für mich da ist, sondern jeder Schritt wird mit tausend Schwierigkeiten vercabalirt!«

Nun, er hat sie überwunden durch seine hochbedeutende Dirigentenbegabung, durch sein virtuoses und beseeltes Clavierspiel und durch seine liebenswürdige Persönlichkeit, die sich nie in den Vordergrund drängte oder zu irgend welchen Intriguen hergab. Wie oft mag er aber, mit seiner jungen Frau am Arm, in den reizenden Zwingeranlagen umhergewandelt sein, oder mit ihr in jene Künstlerherberge an der Elbe, dem sogenannten »italienischen Dörfchen« sich niedergelassen haben, um in der freien Natur, neben der geliebten Herrin, das bedrückte Herz leichter zu sprechen. –

Und als erst Kinderaugen da waren, die ihn anlachten, da vergaß der junge Vater alles Weh und alle Hemmnisse, die man ihm nur zu gern wieder und immer wieder in den Weg schob. – Der Schöpfer des Freischütz hat wohl auf Spaziergängen seine schönsten musikalischen Gedanken gefunden, er componirte nie an seinem Arbeitstisch. Alle die verschiedenen Melodien sangen und klangen lange in seiner Seele und erst, wenn er völlig mit ihnen fertig war und sie eine feste Gestalt angenommen hatten, zeichnete seine Feder sie auf. Es ist wohl anzunehmen, daß die herrlichen Weisen seines Freischütz, dies Waldesrauschen, dieses Liebesglück mit seinem Jauchzen, Bangen und Beten, in der Seele des Componisten erstanden während des eigenen, so schwer errungenen Glücks der Vereinigung mit der Geliebten. Alle seine Kräfte erschienen angespannt, es war eine Periode eines staunenswerthen, trotz aller Quälereien in seinem Dienste, heiteren Fleißes. – Die verschiedenartigsten Compositionen sind da zu verzeichnen. Messen, Festcantaten, Quartette, Arien, ein Trio, Clavierconcerte, Solostücke schuf sein Genius, und über alle hinweg flattert, wie ein Schmetterling, sich auf bunt schillernden Schwingen wiegend, die graziöse, entzückende: »Aufforderung zum Tanz«. Man meint, wenn man sie hört, daß der, welcher dies tönende, neckisch-leidenschaftliche Ton-Gedicht niederschrieb, nur glücklich gewesen sein könne. Und doch unterbrachen Körperschmerzen und Leiden diesen prickelnden Rhythmus nur zu häufig: – Carl Maria erkrankte wiederholt an einem Brustleiden, das ihn fortan nicht mehr verlassen sollte auf seiner irdischen Pilgerfahrt. – Aber wie auch das äußere Leben des gottbegnadeten Tondichters nicht befreit wurde von den mannigfaltigsten Enttäuschungen, von nie endenden kleinen und großen Aergernissen und Kämpfen, – – das Morgenroth stieg schon herauf, dem jenes strahlende Sonnenlicht folgte, das sein »Freischütz« und seine »Preciosa« verbreiten sollten, durch ihren Riesenerfolg. Berlin brachte zuerst 1821 die reizende Gestalt des fremdartigen singenden und tanzenden Mädchens unter den Zigeunern, diese personificirte deutsche Romantik voll Waldesduft und Waldesfrische, die noch heute wunderbar belebend auf uns wirkt. – Der Freischütz sollte folgen. Damals stand aber Spontini auf dem Gipfel seines Ruhmes und in der norddeutschen Hauptstadt kämpften zwei Parteien kaum minder heftig wie einst die Welfen und Waiblinger, jener stolze Italiener, der seine Oper »Olympia« in's Feld führte, und der unscheinbare, kleine, deutsche Capellmeister, der nur ein hübsches »Genrebildchen« gebracht: »Preciosa« genannt, und dessen erste Oper »der Freischütz« gnädigst zur Aufführung angenommen worden war. –

Wie konnte man also die Beiden vergleichen!

Die »Olympia« wurde mit allem erdenklichen Pomp in Scene gesetzt, die Besetzung der einzelnen Rollen war die sorgfältigste, – Spontini selber dirigirte, – und dennoch blieben die Hörer kalt. Die rauschende Musik traf nur das Ohr, nicht das Herz. Und am 18. Juni erfüllte das neuerbaute Schauspielhaus ein wunderbarer Waldesathem, ein süßer Mondenglanz: – die Schöpfung des »Freischütz« hielt mit ihren zauberhaften Weisen ihren Einzug. – –

Ganz Berlin war in Aufregung, nur er, der Meister selber, blieb ruhig. »Wie Gott will!« lautete seine heitere Antwort, als die Freunde ihn bewegt umringten und die Lebensgefährtin fassungslos ihre Arme um ihn schlang. – Aber blaß erschien doch sein Antlitz, als die Menschenmenge, welche das Haus bis auf den letzten Platz gefüllt hatte, den Dirigenten beim Eintreten mit stürmischem Jubel empfing. Schon draußen auf dem Platze hatte man ihm bereits Ovationen aller Art gebracht, – sie Alle, diese Theilnehmenden aller Stände, glaubten an seinen Sieg. Welch' eine erhebende Wahrnehmung! – Und der Sieg Carl Maria's war wirklich an jenem Abend ein so vollständiger und glanzvoller, daß er in der Geschichte der deutschen Oper vielleicht einzig dastehen dürfte. Schon die Ouvertüre erregte allgemeine Begeisterung. Und als nun die gefeierte Sängerin Frau Seidler-Wranitzki in wahrhaft verklärter Weise die reine Gestalt Agathen's verkörperte, da kannte der Enthusiasmus keine Grenzen mehr. – Um Mitternacht aber schrieb der tief ergriffene Meister in sein Tagebuch, dem Beispiele Vater Haydn's folgend, mit bebender Hand dankbaren Herzens nur die Worte nieder:

» Soli Deo gloria!«

Die That des »Freischütz« erhob Carl Maria von Weber mit einem Schlage zu einem berühmten Componisten, von dem man sagte, daß seiner Oper die erste Stelle gebühre nach einem Don Juan und Fidelio. Alle Theater-Direktoren bewarben sich um sein Werk und überall wurde der Freischütz mit der gleichen Begeisterung empfangen wie damals in Berlin. –

Wenn auch allerlei Kritiker sich sträubten, die Herrlichkeit der Melodienfülle, die Originalität der Instrumentation, den glücklichen Meisterschuß des Textbuches des Dichters Kind, anzuerkennen, so war man doch darüber einig, daß der Freischütz eine »neue Aera« der deutschen Musik bedeute. – »Gott gebe nur, daß ich das Rechte getroffen!« schrieb der Componist selber an einen Freund, der auf eben diese Prophezeiung hingewiesen hatte. – –

Von allen Seiten erreichten nun, nach dem eminenten Erfolg seiner Oper, die verlockendsten Anerbietungen den Dresdener Capellmeister. Ueberall wollte man ihn als Dirigenten haben, überall bat man um eine neue Schöpfung. Aber die sächsische Hauptstadt hielt ihn fest – und er sehnte sich nach Ruhe, um ein neues Opus zu vollenden, das in Kopf und Herzen schon Gestalt gewann: die Oper Euryanthe. Weber war in Dresden mit einer seltsamen Frau, einer Zugvogelnatur, die in dieser Beziehung der seinen verwandt erschien, bekannt geworden: der Dichterin Helmine von Chezy. –

Da hat er wohl gar oft stundenlang in ihrem etwas wunderlich aussehenden Poetenstübchen gesessen, dem, nach dem Bericht des eigenen Sohnes, jede Behaglichkeit fehlte, und hin und her geredet mit ihr über Stoff und Bearbeitung des Euryanthe-Textes. Es war doch mit dieser Frau viel schwerer fertig zu werden, als mit dem liebenswürdigen Hofrath Kind, der den Freischütz-Text erstehen ließ! Mittlerweile erhielt sich die Begeisterung für den Freischütz auf gleicher Höhe, ja sie stieg sogar noch, was Niemand für möglich gehalten hätte, als Carl Maria die Oper zum Benefiz einer von ihm für Dresden engagirten jungen Sängerin aufführen ließ, nämlich zum Benefiz der unvergleichlichen und unvergeßlichen Wilhelmine Schröder-Devrient. Im vollen Glanze ihrer jungen Schönheit, mit dem vollen Zauber ihrer Stimme und Begabung, schuf sie damals eine Agathe, wie sie wohl hinreißender nie auf der Bühne erschienen ist.

Von eben dieser Vorstellung schrieb der glückliche Componist: »Mehr Enthusiasmus kann es nicht geben und ich zittere vor der Zukunft, da es kaum möglich ist, höher zu steigen!« – Ueber sein neues Opernwerk selber schrieb er in sein Tagebuch: »Der Freischütz, der eben jetzt, in Berlin allein, in 18 Monaten 50 Aufführungen erlebte, wird seiner Schwester Euryanthe schweres Spiel machen. Euryanthe ist ein einfach ernstes Werk, das nichts als Wahrheit des Ausdrucks, der Leidenschaft und der Characterzeichnung sucht und aller der mannigfachen Abwechslung und Anregungsmittel seines Vorgängers entbehrend. – Euryanthe ist ein dramatischer Versuch, seine Wirkung nur von dem vereinigten Zusammenwirken aller Schwesterkünste hoffend, sicher wirkungslos, ihrer Hülfe beraubt im Conzertsaal.« –

In Wien sollte diese neue Schöpfung des großen deutschen Capellmeisters zum ersten Mal aufgeführt werden, die, im Gegensatz zu den Bildern engbegrenzten, ländlichen deutschen Lebens, prächtige Scenen aus den Zeiten stolzer Ritterschaft bringt, ein Stück idealer Romantik im Gegensatz zu der realen des Freischütz. – Wiederum machte sich, wie in Berlin bei dem Erscheinen des Freischütz, eine Gegenströmung geltend, wiederum waren es italienische Klänge, welche die Luft auch in der Kaiserstadt an der schönen, blauen Donau durchzitterten, – dort war es Spontini gewesen – hier feierte man den eben anwesenden Rossini. Er hatte sich obendrein eine Sängergesellschaft mitgebracht, deren Zusammenwirken geradezu berauschte, so vollendet war es. – Solchen Truppen gegenüber wagte selbst ein Weber keinen Kampf, er wartete vielmehr in der festen Ueberzeugung, daß hier ein Sieg unmöglich sein würde, geduldig, bis die Italiener abgereist waren. Und doch trat in seiner neuen Oper eine Henriette Sonntag als Euryanthe auf! – Vielleicht war es der Gedanke an diese holde Erscheinung und wunderbare Sängerin, der ihm, am Tage der Aufführung, die Worte in die Feder dictirte, an die ferne Gattin: »Ich bau' auf Gott und meine Euryanthe!« – Die Proben hatten dem Componisten freilich schon Muth gegeben. »Die Mitwirkenden waren außer sich,« schrieb Weber, »so viel ist noch in keiner Oper geweint worden; sie küßten mir die Hände.« – Die »Euryanthe«, mit Spannung begrüßt, ging denn endlich in Scene und zauberhaft mag wohl Henriette Sonntag das »Glöcklein im Thale« haben läuten lassen. Alles, was sie sang, erregte Enthusiasmus, – aber den größten Jubel rief doch das Finale hervor, mit dem entzückend perlenden:

»Sehnend Verlangen
Durchwoget die Brust – –.«

Ein glänzender Erfolg war also offenbar da, – aber die Euryanthe brachte es dennoch, trotz der in Concertsälen fortan mit Vorliebe vorgeführten herrlichen Ouvertüre, als Weber Wien wieder verlassen, im Laufe des Winters kaum zu 20 Aufführungen. – Die Kritiken tadelten mehr als sie lobten, und selbst Musiker, wie der warmherzige Franz Schubert, blieben diesem Werke gegenüber merkwürdig kühl. Nur der große Beethoven erklärte eben diese Oper Carl Maria's für ein Meisterwerk, – leider vermochte er nur die Partitur zu lesen, einer Aufführung beizuwohnen verhinderte ihn schon seine zunehmende Taubheit. Zwar wanderte nun die geniale Euryanthe von Wien aus über alle Bühnen, aber der Componist konnte sich bald nicht länger verhehlen, daß diese seine geliebte Schöpfung die Wirkung des Freischütz auch nicht im Entferntesten jemals erreichen würde. Man bewunderte überall seine »Euryanthe«, aber – man liebte den »Freischütz«, und so ist es wohl bis auf den heutigen Tag geblieben. Armer Weber! Wie schwer litt er damals unter dieser nicht wegzuleugnenden Thatsache! –

Nach Dresden zurückgekehrt, erwartete ihn nicht nur die gewohnte Arbeitslast, sondern sogar eine erheblich vermehrte, – durch die Krankheit und den Urlaub seiner Collegen. Da war es wohl kein Wunder, daß er körperlich und geistig für eine Weile zusammenbrach. Fünfzehn Monate lang ruhte Weber's, sonst so unermüdliche, Arbeitsfeder. »Ich hätte nie geglaubt, daß ich einen solchen Ekel vor der Arbeit bekommen könnte«, klagte er, »es kommt mir vor, als hätte ich nie etwas componirt!« Ein Stillleben im vollsten Sinne des Wortes in Hosterwitz bei Dresden und eine nachfolgende Cur in Marienbad, auf welche der Hausarzt bestand, richtete den Ermatteten endlich wieder auf, – die Schaffenslust regte leise die Flügel, und als die Oper »Oberon«, deren Aufführung er für das Coventgarden-Theater in London übernommen, nun in Angriff genommen werden mußte, da die gegebene Frist ablief, da schien die schwere Krisis vor der Hand beendet: – die bedeutendsten Nummern blühten auf, in dem Arbeitszimmer des Meisters, wie frische Rosen. Ach, nur zu bald trat eine Art Rückfall ein und die Arbeit mußte jählings unterbrochen werden. Im Juli des Jahres 1825 mußte Weber, zur Linderung seines wiederum heftig auftretenden Brustleidens, das Bad Ems besuchen. Als einen Lichtstrahl mag der Kranke damals wohl, bei der Durchreise in Weimar, die Begegnung mit dem Altmeister Goethe empfunden haben. Aber trotz der Liebe und Verehrung, die man ihm überall und von allen Seiten entgegentrug, wo er sich auch immer zeigen mochte, waren, als er nach Dresden zurückkehrte, weder Gesundheit noch Gemüthsstimmung besser geworden, fern von der Heimath. Die Seinen, wie die Freunde und Collegen, erschraken über sein Aussehen. Heinrich Marschner, der nach Dresden berufen worden war, zur Unterstützung Weber's, bemühte sich fort und fort, in seiner Bewunderung für den Componisten des Freischütz, dem Leidenden alle Arbeit nach Kräften zu erleichtern und die nöthige Ruhe ihm zu schaffen. Carl Maria durfte sich also ungestört in jene Märchenwelt des Orients versenken, die in ihrer vollen Pracht im »Oberon« sich erheben sollte.

Unter dem stillen, unausgesetzten Kampf des zusammenbrechenden Körpers mit dem geflügelten Geiste, nahm dann allmählich das Wunder des letzten Werkes unseres großen Tonmeisters Gestalt an. – Die Aufforderung, diese seine neue Oper in London persönlich einzustudiren und zu dirigiren, schloß zugleich die Garantie ein, daß Reise und Aufführung die Zukunft seiner Familie sichern werde, durch die Anweisung auf ein so bedeutendes Honorar, wie es ihm im Vaterlande nimmer werden konnte. – Ein Ablehnen eines derartigen Anerbietens war eben, nach dem Gefühl des Kranken, eine Sünde den Seinen gegenüber, so schwer es ihm wohl auch werden mochte, den Bitten seiner Frau und Kinder zu widerstehen, um die gegebene Zusage aufrecht zu erhalten. –

»Ob ich reise, ob ich nicht reise«, antwortete er auf die Vorstellungen eines treuen Freundes, sich zu schonen, »bin ich in einem Jahre ein todter Mann. Wenn ich aber reise, haben meine Kinder zu essen, wenn der Vater todt ist, während sie hungern, wenn ich bleibe.« – –

Und nun begann die rastloseste Arbeit – und der Schaffende vergaß alles Leid, alle Schmerzen, alle Erdennoth in jenen Klängen, die ihn fort und fort umrauschten. Die Musiker und Kritiker nennen zwar Weber's Oberon, im Vergleich zu seinem Freischütz und seiner Euryanthe, als das am wenigsten in sich abgeschlossene Kunstwerk des Meisters, aber der Componist selber erklärte es als eine Schöpfung, nur für England und bestimmte gegebene Verhältnisse, vollendet. »Für alle anderen Theater Europas muß es später umgearbeitet werden«, versicherte er wiederholt. – –

Und der Tag des Scheidens rückte unaufhaltsam heran. Der schwere Abschied von seiner Capelle wurde genommen unter heißen Thränen von beiden Seiten und am 7. Februar riß sich der Meister los aus den umschlingenden Armen der Seinen, »nach einer halbdurchweinten Nacht«, wie Weber's Tagebuch berichtet. – Seine geliebte Caroline stürzte besinnungslos zu Boden, als die Wagenthüre sich schloß: – »Ich habe seinen Sarg zuschlagen hören!« sagte sie schaudernd, als sie wieder zu sich kam. – – –

Ein treuer Freund und Kunstgenosse war Weber's Begleiter geworden, der Flötenvirtuose Fürstenau, der mit zärtlicher Sorge darüber wachte, daß der Leidende nicht allzuoft das Opfer jener verschiedenen, aufregenden Ovationen wurde, die man ihm überall auf dieser letzten Reise darzubringen versuchte. Durch allerlei List verhinderte Fürstenau viele der großen Feste in Paris, wie Paër, Cherubini, Auber und Rossini sie zu veranstalten beabsichtigten, zu Ehren des deutschen Meisters, und rettete endlich seinen theuren Kranken wirklich glücklich in ein behagliches Heim in London, in das Haus Sir George Smarts. Wie man ihn kannte und feierte in dem fremden Lande, das empfand der bescheidene Componist, wo und wie er sich immer zeigte. Es war eine wahrhaft fanatische Schwärmerei, die man ihm bei jeder Gelegenheit entgegentrug. »Abu Hassan«, wie seine »Preciosa« hatten die wärmste Aufnahme gefunden, der »Freischütz« aber war Eigenthum des ganzen Volkes geworden. Nur sein Lieblingskind, das er selber so viel höher stellte als jenen kraftvollen Erstgeborenen, seine »Euryanthe«, hatte in England noch keinen Boden gefunden, und das war es, was den Componisten tief verletzte. – – Aber dieser Schmerz mußte doch allmählich versinken in dem Meer von Liebe und Bewunderung, das ihn damals umbrauste, als er am Dirigentenpulte stand und das erste Oratorien-Conzert leitete, von jenen contractlich übernommenen fünf großen Musikaufführungen in London. Und am 12. April erschien der »Oberon« auf der Bühne, und die Aufnahme der Oper übertraf Alles, was der Meister und seine Freunde je zu träumen gewagt. –

Schon die Ouvertüre mußte wiederholt werden, jede Nummer würde unterbrochen von dem Jubel eines tobenden Beifalls, der todtblasse, deutsche Komponist wurde immer wieder, nach jedem Acte wie am Schlusse, hervorgejubelt und endlich, halb ohnmächtig, von den besorgten Freunden in den Wagen getragen. –

Von diesem Abend an war Weber's Dasein nur noch ein Leben unter unsagbaren Körperleiden, wachsender Schwäche und qualvollstem Heimweh, einzig und allein der Erfüllung übernommener äußerer Pflichten geweiht. Er hielt sich mit fast übermenschlicher Energie aufrecht und dirigirte alle jene verschiedenen Conzerte, – mit den Augen der Sehnsucht aber immer hinüber schauend nach der deutschen Heimath. »Ach Gott, es ist nicht zu beschreiben, wie ich jeden Tag zähle,« schrieb er an seine Frau. – Und wie einsam lebte er in der Riesenstadt, die eben jetzt ihre »Saison« feierte. – Die Feste und Gesellschaften jagten einander, für die Musik hatte man in der großen Welt nun keine Zeit mehr. Die eigentliche Aristokratie kümmerte sich überhaupt von allem Anfang an wenig oder gar nicht um jenen kleinen, unscheinbaren, deutschen Kapellmeister, der ohne einflußreiche Empfehlungen herübergekommen war und keine Besuche gemacht hatte.

Am 26. Mai veranstaltete Carl Maria ein eigenes Conzert, das aber die Freunde gleichsam in Scene setzten, da sein körperlicher Zustand keine derartigen Anstrengungen erlaubte. Weber selber hatte nur ungern sich dazu verstanden, seine eigene Musik wiederum vorzuführen. »Sie wird mir täglich widerwärtiger«, schrieb er seinen Lieben, »und es ist wohl das letzte Mal, daß ich ein Conzert gebe.« – –

Ach, der Besuch dieses letzten Concerts war ein so schwacher, – in Folge von verschiedenen, hocharistokratischen Gartenfesten, daß jene großen Hoffnungen auf eine bedeutende Einnahme, denen Weber und seine Freunde sich hingegeben hatten, sich als vollkommen trügerisch erwiesen: der große Saal war kaum zur Hälfte gefüllt. Diese Wahrnehmung wirkte geradezu vernichtend auf den so reizbaren Leidenden. Fast bewußtlos brach er zusammen nach der Beendigung des Conzerts. »Das ist Weber in London!« glitt es von den blassen Lippen. – Seitdem sanken seine Kräfte zusehends, aber trotzdem raffte sich der Meister noch, im Gedanken an die nahe, ersehnte Abreise, zu einem Dirigiren seiner Freischütz-Ouvertüre auf, um einer armen Sängerin, die sich in ihrer Not an ihn gewandt, den Conzertsaal zu füllen. Sein Zustand verschlimmerte sich jedoch nach dieser Anstrengung derartig, daß eine geplante Aufführung des Freischütz, die Weber dirigiren sollte, zum Abschied, aufgegeben werden mußte. – Die Abreise wurde nun für den 6. Juni festgesetzt. Mit verklärtem Blick und Lächeln meldete der Scheidende diesen beschleunigten Termin den Freunden. Auch ein Blättchen flog zu seinen Lieben, das seine nahe Ankunft anzeigte. Als es in die Hände Carolinen's gelangte, war sie schon – eine Wittwe.

Am Morgen des 5. Juni aber fanden die treuen Freunde einen friedlich Schlummernden, der Alles überwunden, alle Sehnsucht und jeden Schmerz: den todten Meister. Und draußen blühten die Rosen. – –

Ein prunkvolles Leichenbegräbniß haben sie dem deutschen Meister drüben veranstaltet – und unzählige Leidtragende folgten dem Sarge. Ueber den stillen Schläfer zogen, als man ihn in der katholischen Kirche St. Mary in Moorfield beisetzte, von den ersten Sängern gesungen, die erhabenen Klänge des Mozart-Requiems hin. – – In der fernen deutschen Heimath aber lagen zu dieser Stunde eine einsame Frau und zwei zu Waisen gewordene Knaben auf ihren Knieen und weinten um ihn. –

Achtzehn Jahre später, am 14. December 1844, wurde Weber's Asche nach Dresden überführt, um in der stillen Familiengruft zur ewigen Ruhe gebettet zu werden, und wiederum fast 18 Jahre später erstand in dem schönen Elbflorenz das lebensvolle Standbild des großen, unvergeßlichen Meisters, von Rietschel's Meisterhand. – – –

Für drei andere deutsche Tonmeister sollte Carl Maria von Weber ein musikalischer Wegweiser werden: für das Sonnenkind Felix Mendelssohn, für den romantischen Heinrich Marschner und – für einen Richard Wagner.

Rosen auf sein Grab!

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