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Hoch klingt das Lied vom braven Mann ..

Vogt Lüdemanns Untertanen hatten meine Hoffnung nicht zuschanden gemacht. Am nächsten Morgen lag der Kutter wohlbehalten in dem Priel, in dem Lüdemann sonst zur Füllung der Mittagsschüsseln für sich, sein Weib, Knecht, Magd, Pensionsgäste und, wenn die Ehre groß war: dem inspizierenden Herrn Hamburgischen Senator und Landherrn, Bütt zu »pedden« und Schollen in die Netze zu jagen pflegte. Nichts war in ihm entzwei als sämtliches Glas- und Porzellangeschirr – aber dieser Kummer betraf gottlob nicht mich, sondern meine Frau. Ich hatte nicht mal pekuniären Schaden, da der durch die Porzellanversicherung gedeckt war. Zum Abschiednehmen zwischen uns und unseren Festgästen war just das rechte Wetter: über dem südöstlichen Festland, wohin sie zurück mußten, regnete, hagelte und blitzte es nach Noten; nach der offenen See zu, wohin wir unsern Kurs richten wollten, war ein Wasser, als hätte es Johnny für diesen Tag extra mit einem ganzen Faß allerteuersten Schweinfurter Grün gemalt, ein Himmel, als hätten die Erzengel über den Sternen zur Abwechslung eine Fabrik von Preußisch-Blau errichtet, und eine Sonne, als hätte eine Riesenkanone Jules Verneschen Fabrikats eine Buttergranate hinaufgeschossen.

Bald waren wir in See, mit dem Kurs auf Helgoland.

»Kurs auf Helgoland« ist allerdings etwas viel gesagt. Denn ich hatte die Seekarten noch nicht an Bord bekommen. Hannis Ketelschraper, der den Auftrag erhalten hatte, sie zu besorgen, hatte, den dicken Schellfischkopf voll seliger Gedanken an seine Trina, Heirat, häusliches Glück und ganze Kringelschnüre voll künftiger kleiner Ketelschrapers, meinem Befehl nicht zugehört und statt Seekarten Spielkarten besorgt. Das stellte sich erst heraus, als der Turm von Neuwerk hinter uns versunken war und die Welt um uns aus nichts mehr bestand als aus Kimmung, Wasser, dem Kutter und uns selbst. Und in demselben Augenblick, als ich verzweiflungsvoll Hannis bei den Ohren nehmen wollte, kam Miß Honeysnake – ein englischer A. B.-Mann (Vollmatrose) hätte es nicht fixer fertig gekriegt – gleich einer Riesenheuschrecke aus dem Bünnraum durch die Großluke auf Deck gejumpt und schrie in ihren jämmerlichsten Wracktönen:

»Ooooowowowowowo! Ooooowowowowo!! Ich habe gecätscht gänz nässe Füssen. Es ist ein Frühling in das bottom von den Kötter und wuir müssen ertrinken älle. Oooooh my poor father, my poor mother, aunt, brothers, sisters, native country und älle, farewell! Oooo, wuär ich doch gebluieben in das schöne Ingländ, in das sichere Portländ. Oooowowowo!«

»Natürlich ist Frühling im Kutter«, rief ich ärgerlich, »wir schreiben doch Mai.«

»Sie verstehn unsre Miß miß, lieber Freund«, erläuterte Freund Quäker-Oats, langbeinig wie ein Kraken aus der Bünnluke hinter der Dame hersteigend, »wir tauschten unten Sprachhomonyma aus; das englische ›spring‹ und das deutsche ›spring‹ seien grundverschieden, hatte ich ihr eben auseinandergesetzt. Das englische ›spring‹ bedeute ›Frühling‹, das deutsche ›spring‹ ›Quelle‹. Deshalb sage man auch pleonastisch auf deutsch ›Springquell‹. Das hat Miß Honeysnake verwechselt. Wenn sie sagt: ›es ist ein Frühling im Schiff‹, so meint sie damit: ›es ist ein Springquell im Schiff‹ oder mit anderen Worten: das Schiff hat ein Leck. Und das ist zutreffend. Ich kann es aus eigner Erfahrung bestätigen, lieber Freund. Denn sehn Sie –« – damit zog Quäker-Oats erst den einen, dann den andern Schuh aus und ließ langsam, als sei es die kostbarste Flüssigkeit der Welt, das darin befindliche Wasser herauslaufen – »wir haben schon soviel Wasser im Schiff, daß es mir oben in die Schuhe hineingelaufen ist. Und es sprudelt wie ein mehr als fingerdicker Strahl aus dem Boden hervor – deshalb, scheint mir, hat Miß Honeysnake nicht so unrecht, wenn sie von einem ›spring‹, fälschlich übersetzt ›Frühling‹, im Schiff spricht.«

»Ooooooowowowowowo – wuir gehn auf den bottom von die sea älle miteinänder!« setzte Miß Honeysnake ihr übliches Jammergeschrei als Siegel darunter.

Schneller als ein Grashüpfer war ich auf umgekehrtem Wege an den Unglücksort hinuntergesprungen. Ach du himmlischer Störtebeker, die Miß mit ihrem Frühlingsgeschrei hatte nur zu sehr recht gehabt. Im Bünnraum stand das Wasser bereits über einen Zoll hoch – wie war es nur möglich, daß diese beiden verrückten Hefte das erst jetzt merkten? Die mußten ganz was andres getrieben haben als vergleichende Sprachstudien. Und in der Mitte dieses nassen Elends sprudelte tatsächlich ein mehr als fingerdicker Strahl hoch. Ich fühlte mit dem Finger hinein. Meine Haut wurde stachelschweinartig. Womit dies Riesenloch stopfen? Einen Propfen dieser Dicke gab es nicht.

»Werg her, Hannis!« schrie ich. »Altes Segeltuch her, alles her, womit man Löcher zustopfen kann. Aber dalli, dalli, sonst buddeln wir ab wie der Prophet Jonas.«

Nach einer guten Viertelstunde kam Hannis angedröselt und meldete mit Ketelschraperscher Gemütsruhe: weder in die Koabelgatsluk noch an einem anderen Ort sei Werg oder altes Segeltuch oder sonst was, womit man Löchers zustopfen könnte, ßu finnen. Das sei doch ßu gediegen, dja. Und nach seinen Gissen könnte das mit rechte Dingens nich ßugehen, und wenn das nich die Neuwerkers gewesen wären, die das alles geklaut hätten, denn so wollte er nich Hannis Ketelschraper heißen.

Da übermannte mich die Wut. Die ist stets förderlich für Geistesblitze. Ein solcher durchzuckte auch mich jetzt. Und es war die höchste Zeit. Denn der Bünnraum war schon ein Drittel voll Wasser. Ich packte Hannis beim Kragen, dükerte ihn auf die Stelle nieder, wo der Wasserstrahl heraussprang, und brüllte ihn an:

»Da steckst du deinen dicken Dollenfinger hinein, Oesfatt! Und behältst ihn drin, bis wir in Helgoland sind. Nachher kriegst du die Rettungsmedaille. Dafür will ich als Schriftsteller schon sorgen. Und damit dir die Zeit in den sechs, sieben Stunden nicht zu lang wird, denkst du drüber nach, wer in meinen Kutter damals die Löcher gebohrt hat. Einer von euch Finkwarders ist's sicher gewesen. Wenn du's man nicht selbst gewesen bist, du Windbeutel und Meuchelmörder. Mir schwindelst du vor: du hast Patent für kleine Fahrt und kenntest die Nord- und Ostsee wie deine Büxentasch! Und in Wirklichkeit bist du noch nicht hinter Twielenflet gewesen! Aus Angst hast du mir die Löcher reingebohrt, bloß, damit du nicht mit auf die hohe See rausmüßtest. Das kostet zehn Jahre Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust, und wenn du, ehe wir in Helgoland sind, deinen dicken Dollenfinger in diesem Loch, das du selbst reingebohrt hast, auch nur so viel rührst wie 'n totes Fliegenbein, dann kostet es zwanzig Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust.«

Ebenso mitleidslos – und zugleich anzüglich – verfuhr ich in meiner Redeweise gegen Quäker-Oats und Miß Honeysnake:

»Quäker-Oats, wenn Sie Ihre Gefühle mehr auf deutsche als auf englische Fahrzeuge gerichtet hätten, so hätten Sie's gleich merken müssen, daß der Kutter leck sprang. Anstatt sich Ihre beiden Laatschen vollaufen zu lassen wie so 'n verliebter Maikäfer, hätten Sie wenigstens eine davon auf das Loch setzen können. Dann hätten wir jetzt nicht die Sauerei im Schiff. Und Sie, Miß Honeysnake, sind aus anderen Gründen an Bord, als mit Ihrem angelsächsischen Liebreiz Herzen und Latten zu knicken und die deutsche Literatur um eine ihrer ragendsten Zierden zu berauben. Dieser Mann ist zu groß für Sie.«

»Ooouh!« erwiderte Miß Honeysnake geschmeichelt, denn wie alle Engländer hatte sie nicht das geringste Verständnis für ironische Deutlichkeit. »Ooouh, es ist ßehr flättering für mir und meine Nation und meine Country-Wummänner zu hören von einem German, daß die inglischen girls und Wummänner sind die schönsten von die Wuuöörld. Ich habe gerueisen vuiel und in mänche countrys, aber ich habe gelörnt eigentlich nur zwuei Dingen: däß Ingländ ist der erste country von die Wuuöörld, und däß die inglischen girls und Wummänner sind die nicesten und schönsten und proudesten und virginalsten und chastesten und sportlikesten und finesten und delicioussten und kliugsten und nobelsten –«

»– und langweiligsten, gräßlichsten, pomadigsten, arrogantesten, häßlichsten –« rief ich ärgerlich dazwischen, aber Miß Honeysnake hatte die Augen geschlossen wie der Hahn, wenn er kräht, und die Ohren wie der Uhu, wenn's regnet, und fuhr fort:

»– und gracioussten von die Wuuöörld. Ouuhhh, Mister Eck, haben Ssie einmal geächten auf eine inglische Rennpferd. Ssie haben die elegäntesten Beiner und die edelste Kopf – ßo ßind auch die inglische girls: look at me, Mister Eck, als für ein Beispiel.«

Diesem englischen Größenwahn war ich auf meinen Reisen schon zu häufig begegnet, so daß ich lieber einem Seehund das Handharmonikaspielen beibringen will, als einem Engländer Selbsteinkehr. Ich wandte daher, nachdem ich Quäker-Oats an die Pumpe beordert hatte – hatte er in seiner dämlichen Flirterei mit der Engländerin das Wasser hereinlaufen lassen, so mochte er's jetzt wieder raus schaffen – meine Aufmerksamkeit wieder der Navigierung zu.

Das einzige kartographische Hilfsmittel, das mir zu Gebote stand, war der kleine Andreesche Handatlas. Und der stammte noch aus meiner Schulzeit. Voll Hast schlug ich Seite neun: deutsche Nordwestküste, auf. Richtiger: wollte sie aufschlagen. Heiliger Klabautermann: sie fehlte. Und nun entsann ich mich; ich hatte sie selbst als Junge herausgerissen, um einen Kasten für Grashüpfer daraus zu machen. Jetzt also saßen wir, mit einem lecken Kutter – denn einmal mußte ja unsere lebendige Stopfbüchse Hannis, selbst wenn er mit allen Fingern wechselte, matt werden – in der Tat zwischen Europa und Amerika. Was sollte aus uns werden, wenn wir Helgoland vorbeisegelten? Dreimal hatte uns das Schicksal gerettet. Würde es uns auch das viertemal zur Seite stehn?

Indessen mein Glück – ich fing schon an, es sprichwörtlich zu finden – verließ uns auch diesmal nicht. Vor uns tauchte an der Kimm ein plumpes, breites Segel auf, ein ebenso plumper, breiter Kasten von Schiff hob sich auf dem Wasser, ich rief Hannis ein paar plattdeutsche aufmunternde Worte zu und hielt auf den Kasten los. Bald war er eingeholt. Es war eine holländische Kuff, die anscheinend kein lebendes Wesen beherbergte außer dem Mann am Steuer. Dieser Mann aber war eine in Mannsbüxen steckende Frau, genauer genommen, ein sehr hübsches, wohlgenährtes, rosiges junges Mädchen mit ein paar Backen wie Holsteiner »Mehlbüdel«, mit Bug- und Spiegelformen, zu denen ihre Erzeuger augenscheinlich die Formen der Kuff zum Modell genommen hatten, blauen Augen und roten Lippen – kurz, ein Prachtstück von Frauenzimmer, an dem sich ein halbes Dutzend Haifische bequem hätte satt essen können. Sie gehörte, trotz ihres derben Schipperanzugs, zu den gebildeten Klassen, denn sie stellte sich (allerdings verschmitzt lächelnd) sogleich vor, sobald wir ihr unseren Charakter, Woher und Wohin aufs weitläufigste gemeldet hatten. Es war Mejuffrouw Willemmintje Peperbus, zu deutsch: Fräulein Wilhelminchen Pfefferbüchse, das Schiff nach Helgoland bestimmt, ihre Eltern, der Schiffer und seine Frau, in den Kojen unter Deck, der Knecht unterwegs durchgebrannt, und Mejuffrouw Willemmintje machte sich einen Spaß daraus, seine Stelle am Steuer zu versehn. Eigentlich war sie nur zum Vergnügen mitgefahren und wollte von Helgoland nach Hamburg, um dort eine Zeitlang bei Verwandten zuzubringen. Allerdings hatte Mejuffrouw in ihrer anscheinend stark mit holländischem Leinöl gesalbten Sprechweise und auch sonst eine gewiß typische Ähnlichkeit mit meinem braven Hannis, aber das mochte auf einer batavischen Urverwandtschaft beruhen. Die Finkenwärder behaupten ja, von den Holländern abzustammen. Aber sie gefiel mir sogleich ganz ungemein, und ich faßte den Plan, sie in Helgoland auf unsern Kutter herüberzulocken und als Pensionsdame Nummer 2 mit auf die weitere Reise zu nehmen. Sie sollte gegen die Engländerin als Gegengewicht dienen. Wenn ein weibliches Geschöpf für Quäker-Oats überhaupt geschaffen war, so war es unbedingt dieses. In der war nicht die Spur von Spleen oder sonstiger Verrücktheit. An ihrer echt holländischen Pomadigkeit mußte Quäker-Oats zur Menschheit zurückgenesen, falls er überhaupt noch genesbar war. Welch ein Triumph für mich, wenn ich auf diesem ihr ureigenen Felde meine Frau schlug. Da Mejuffrouw Peperbus Deutsch sprach, allerdings eine Art Pidgin-Deutsch, von bedenklicher Verwandtschaft mit dem Honeysnakeschen Deutsch, so war bald zwischen uns beiden eine lebhafte Unterhaltung im Gange. Johnny Aasbaas hatte inzwischen den Kutter auf der Backbordseite der Kuff festgemacht, wir alle drei hatten uns unsre Pfeifen angesteckt und waren ins Klönen gekommen, denn inzwischen war auch der Schipper und sine Fru und noch ein halbes Dutzend kleine Peperbussen an Deck erschienen und hatten sich mit echt holländischer Länge und Breite und Dröhnigkeit nach allem erkundigt, was ihnen wissenswert erschien. Ich aber – was einem guten Kapitän allerdings nicht zustoßen soll – hatte vor Freude, daß wir nun wirklich in Helgoland und nicht etwa bei Island oder in New York landen würden, ganz unser Leck im Schiffsboden vergessen – und den getreuen Mann, der es mit einem seiner wertvollsten Glieder, dem rechten Mittelfinger, stopfte.

Jetzt kam auch meine Frau an Deck, die vom Leck noch nichts wußte. Ebenso die dicke Trina, die gleichfalls noch keine Ahnung hatte, in welcher Weise ich ihren geliebten Hannis als Ersatz- und Lebensrettungsbolzen benutzte. Aber sogleich sollten sie beide es erfahren. Trina ging nach achtern, um eine Pütze mit Wasser hereinzuschlagen, stieß aber in demselben Augenblick, als sie sich über Bord beugte, eine Reihe Schreckensrufe aus, gegen die die Honeysnakeschen Jammertöne Sordinen (bitte, lieber Druckfehlerteufel, nicht Sardinen!) waren. Wir alle sprangen entsetzt hinzu. In der Tat, der Anblick konnte einem ahnungslosen Frauenzimmer, und hatte es auch die seelische Konstitution unserer Trina, wohl das Innere durcheinanderkrempeln.

Hinterm Kutter zog sich, wie der rote Streifen durch die grüne Hose eines süddeutschen Cheveaulegers, durch das klare Grün der Nordsee viel viele Faden lang ein roter Streifen Blut. Quäker-Oats Augen wurden vor romanesker Mordgier sogleich so groß wie Magnum Bonum-Kartoffeln, meine Frau fiel in Ohnmacht, Johnny rief: »Donnerwetter!« Ich dachte an das Märchen vom Mummelsee, aus dem statt des zu den Nixen hinuntergetauchten schönen Jünglings ein Blutstrahl heraufspringt, und Miß Honeysnake rettete sich mit einem wahren Känguruhsprung und dem Jammergeschrei: »Oooowowowowo! die sea-dogs ßind hinter dies verfluchte Schiff! Die sea-dogs wuerden fruessen uns älle – oooowowowo! ich wuerde nicht wuiederßehen meinen father und meine mother und meine brothers und sisters und mein geluiebtes native-country – oooowowowowo!« auf die Kuff hinüber.

»Unsinn, Miß Honeysnake«, rief ich ärgerlich. »Seehunde fressen keine Menschen.«

»I say: nicht Sseehunden, i say: sea-dogs, seadogs, seadogs – diese fürchterlichen gruoßen Fischen mit die Miaul auf die Wumb (Bauch) und die six ranks Zähnen in die Miaul.«

»Unsinn! In der Nordsee gibt's keine Haifische. Das ist gar kein Blut. Rote Farbe ist's. Es ist 'n Faß mit Mennigfarbe leck geworden, und das läuft nun aus.«

Aber in diesem Augenblick erscholl aus dem Bünnraum ein Jammergebrüll, gegen das die Schreckenstöne Trinas und Honeysnakes, zusammenaddiert und zur siebten Potenz erhoben, noch Sphärenklänge waren.

»Uuuuhuhuhuhuhuhuuuuuu! Uuuuhuhuhuhuu! Min Finger, min Finger, min Finnnnngeeeerrrrr! Uuuuuhuhuhuuuu!«

Gerechter Klabautermann! Sollte Miß Honeysnake recht haben? Waren vielleicht doch Haifische in unserm Kielwasser, und einer hatte an Hannis Ketelschrapers dickem Dollenfinger angebissen?

Jetzt stürzten wir sämtlich in den Raum hinunter. Hannis krümmte sich dort wie ein Wurm und sang sein Klagegeheul weiter, über ihn stürzte sich Trina mit dem Ruf »Hannis! min Hannis!« und versuchte ihn hoch zu ziehen. Wir halfen ihr. Aber es war unmöglich. Hannis war nicht in die perpendikuläre Stellung zurückzubringen. Der Finger und das blutdürstige Geschöpf, das ihn augenscheinlich schon halb oder ganz verschlungen hatte, ließen es nicht zu. Wir mußten, nachdem schnell ein passendes Verschlußbrett und Nägel zurechtgelegt waren – der Kuffschiffer mußte es liefern, unsre Vorräte waren ja sämtlich gestohlen –, Hannis mit seinem Finger, oder das, was davon noch nach war, mit der Stichsäge aus dem Schiffsboden herausschneiden. Das war keine kleine Arbeit. Als sie aber getan und das Brett hinaufgenagelt war, und wir den Schaden besahen, erhob sich im Raum der »Scholle« ein Gelächter, wie es noch niemals zwischen dem Neuwerker und Helgoländer Leuchtturm über den Wassern gehört worden ist.

Ach, es ging auf des armen, tapferen Hannis Kosten. An seinem fast zur Dicke eines Koffenagels angeschwollenen Finger hing ein blaugrauer Klumpen. Es war ein Haufen Neunaugen, die sich dort, gleich unschuldigen Kindlein an der Mutter Brust, festgesogen und an teurem Ketelschraperschen Blut berauscht hatten. Ja, jetzt war's begreiflich, daß er den Finger nicht hatte loskriegen können. Als wir ausgelacht hatten, schlug unsre Stimmung in Teilnahme und Bedauern um. Mejuffrouw Peperbus, die einen holländischen Samariterkursus durchgemacht hatte, legte Hannis einen Verband um das geschädigte Glied, meine Frau versprach ihm in Helgoland sein Leibgericht: gestobte Aale mit Kartoffeln, Trina holte aus der Kajüte ihr Sparkassenbuch, damit Hannis sich durch dessen Lektüre ein bißchen über den Schmerz hinweglesen solle, Johnny Aasbaas holte eine Buddel mit Demarara-Rum, Quäker-Oats ließ sich, anscheinend teilnahmvoll, in Wirklichkeit aber das Notizbuch hinterm Rücken, von Hannis die Gefühle schildern, als dies Lampretenvolk sich mit seinen Saugnäpfen an seinem Lebenssaft vollgesogen hatte, ich erneuerte mein Versprechen hinsichtlich der Rettungsmedaille (denn jetzt konnte ich's ja mit gutem Gewissen in sämtliche Zeitungen bringen, daß uns Hannis mit Lebensgefahr gerettet hatte), und Miß Honeysnake fiel auf die Knie, daß das Deck wie eine Trommel dröhnte, hob die Hände gen Himmel und rief:

»Oooo! Wuie wuunderbar ßind die Wuerke der Tiefe. Läßt uns prueisen den Lord und ßeine Wuerke, läßt uns prueisen ßeinen Gnade, däß er hät nur lässen verspueisen einen Finger von einen smiutzigen, nichtsniutzigen German A. B.-Mann und nicht uns ladies und gentlemen ßelbst von diese fürchterlichen großen sea-monsters mit die Miaul auf die Wumb und die six ranks Zähnen in die Miaul!«


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