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Die Einweihung

Aber bevor wir unsere Schicksale den gelben Fluten der Elbe und den grünen der See anvertrauten, verlangte meine Frau ein kleines Bordfest. Das war nicht mehr als billig. Weshalb sollten wir nicht – vielleicht zum letztenmal in unserm Leben? – beim Abschied von unserer Landexistenz noch mal recht vergnügt sein? Ich schrieb also die Briefe. Meine Frau war zum Delikateßwarenhändler und sonstigen Geschäftsleuten gegangen, sämtlich von der Sorte, die eines Tags neben dem reichen Mann in der Hölle schmoren wird, weil sie das Gebot, daß der Bauch nicht unser Gott sein soll, nicht nur selbst unbekümmert um ihr Seelenheil ihr Lebelang mit Füßen tritt, sondern auch andre Menschen gewerbsmäßig dazu verführt. Dort wollte sie die Bestandteile des Festmahls einkaufen. Die Köksch scheuerte die Küche. Teils mit Seifenwasser, teils mit ihren Tränen. Denn ihr war, mit Rücksicht auf die »Stütze«, gekündigt worden.

»Trina«, sagte ich, nachdem ich sie herbeigeklingelt hatte, »hier diesen Brief bringen Sie gleich zu Herrn Bollmann hinunter.«

»O-och«, schnuckerte Trina, »vor diesen alten Bullerballer von Bollmann hab' ich so 'n gräsige Angst.«

»Unsinn, Trina. Der wird Sie heute nicht beißen. Wissen Sie, was in dem Briefumschlag steckt? 'ne Einladung für die Kuttereinweihung.«

Trinas Augen haben für gewöhnlich etwas Karpfenähnliches. Bei meinen Worten aber wurden sie groß, quollen wie zwei blaugraue Kugeln aus den Lidern heraus und erhielten den unverkennbaren Ausdruck von Dorschaugen. (Bekanntlich ist der Dorsch der Fisch mit dem dümmsten Gesichtsausdruck.)

»Na, wird's bald!« munterte ich sie auf. »Dalli, dalli. Ein gutes Trinkgeld ist Ihnen sicher.«

Es war nicht hübsch von mir, Trina, die uns lange Jahre so treu gedient hatte, mit einer solchen Sendung zu beauftragen. Unwillkürlich mußte ich an die von tributgierigen heidnischen Königen geschickten Gesandten denken, die mit abgeschnittenen Nasen und Ohren zurückkamen. Aber meine Begierde, zu erfahren, wie Krischan Bollmann sich gegenüber einer solchen Einladung benehmen würde, war unbezwinglich. Trina band sich, nachdem sie sich mit der schmutzigen die Augen ausgewischt hatte, eine reine Schürze vor und trollte sich mit dem Brief hinunter.

Ich schrieb an der Schnur der Einladungen weiter. Jede, wie es sich für einen Schriftsteller gebührt, mit einer persönlichen Note. Einige auch nicht ohne geheime Nebenabsichten. Dann kuvertierte ich sie: Herrn Einnehmer Barkenbusch, Herrn Aasbaas sen., Herrn Redaktör Giftnudel, Herrn Verlagsbuchhändler Schmidtgold, Herrn Strompolizeiinspektor Fünfmark, hochwohlgeboren, Herrn königl. Obergrenzkontrollör Watermann, hochwohlgeboren, Herrn Fischmeister Aalborn, hochwohlgeboren, Herrn Gerichtsvollzieher Klemmfinger (mit Rücksicht auf Johnny Aasbaas) und so weiter und so weiter.

Das dauerte eine lange Zeit. Ich klebte die Marken auf und klingelte nach Trina. Aber Trina kam nicht.

Merkwürdig, dachte ich und sah nach der Uhr. Wo mochte Trina stecken? Über eine Stunde war sie schon fort. Krischan Bollmann hatte doch nicht etwa in einem Wutanfall Hand an sie gelegt? Das sollte ihm teuer zu stehen kommen! Nicht umsonst war Timotheus Greulich mein Freund. Ich sprang auf, um mich selbst in die Höhle des Löwen hinunterzuwagen.

Auf den Flur hinaustretend, hörte ich aus der Richtung der Küche ein merkwürdiges Geräusch. Am besten ließ es sich dem seufzenden oder saugenden Auf- und Abziehn eines Pumpenschwengels vergleichen, wenn das Ventil noch kein Wasser gesogen hat. Zzzzzzüüüüüiiiiiihhh! – Huuu–u-u-a-a-ahh! –Zzzzzzz – üüüüüiiiiihhhh!

Himmel, dachte ich – sollte Trina mit dem Brief gar nicht bis in den Drachenbezirk hinuntergelangt, sondern in der Küche einen körperlichen Anfall bekommen haben?

Ich stürzte in die Küche. Prallte aber schon in der Türöffnung zurück. Was ich erblickte, war nicht Trina, sondern ein Doppelwesen. Von Trina sah ich, genau genommen, nur ein paar Kleid- und Schürzenzipfel. Von dem Begleitwesen dagegen, unten in englisches Leder, oben in einen Finkenwärder »Buschruntje« eingehüllt, voll und ganz dasjenige, was man bei Münzen »Revers« nennt.

Daran erkannte ich es. Es war Hannis Ketelschraper, der Sohn Gesches. Ich hatte ihm durch Johnny vorgestern den Befehl zugehn lassen, sich gestern dauernd an Bord der »Scholle« einzufinden und alles zur Abfahrt vorzubereiten. Desgleichen Johnny und Timotheus abzulösen und bis zum Ankerlichten mit echt deutscher Pflichttreue und der bei einem Finkenwärder Fischermann als selbstverständlich geltenden Todesverachtung aufzupassen, daß keiner seiner ehemaligen Kutterbrüder von meinem Kutter auch nur den Inhalt eines Spucknapfs entferne.

Wie kam Hannis Ketelschraper hierher? Da mußte etwas passiert sein.

»Hallo!« rief ich. »Seufzerbrücke! Kußbrücke! Auseinander! Sesam, öffne dich!« Und gab meinen Worten durch einen aufmunternden Handschlag auf Hannis Ketelschrapers mir in vollem Glanz zugekehrten englischledernen Vollmond gebührenden Nachdruck.

»Au!« schrie Hannis und wandte seinen, gleichfalls im Zeichen des Vollmonds stehenden oberen Avers nach mir um. Ich sah in ihn hinein. Zugleich in das Gesicht Trinas. Beide sind in dem Ausdruck, mit dem sie ihrerseits sich anglotzten, schwer zu beschreiben. Nur wer einmal die Antlitze des Königs und der Königin im Hamlet, letztem Akt, letztem Auftritt, beobachtet hat, kann sich davon eine Vorstellung machen.

Trina faßte sich am schnellsten, indem sie sich ihre Schürze über den Kopf schlug. Hannis aber stellte sich, wie er's beim Militär gelernt hatte, stramm vor mich hin, legte die Hand an eine Mütze, die er gar nicht auf hatte, und meldete, die Hacken zusammenschlagend:

»Melde gehorsamst, Herr Koptain – er ist versoffen.«

»Wer ist versoffen?« schrie ich entsetzt. »Doch nicht Herr Aasbaas?«

»Nöö«, sagte Hannis, jetzt wieder in seinen natürlichen Tonfall übergehend, »Herr Aasbaas und der andre Herr sünd ganz gesund. Aber der Kudder is versoffen.«

»Mein Kutter?« brüllte ich. »Der ist untergegangen? Da muß ein Schurkenstreich zugrunde liegen.«

»Stimmt auch«, bestätigte Hannis Ketelschraper. Er steckte sich, wahrscheinlich um für die nun folgende Berichterstattung das nötige Mundöl zu gewinnen, einen Prim hinter die Kusen, auf deren rosigen Vorgebirgen die Küsse Trinas inzwischen verduftet sein mochten, und fuhr fort:

»Nämlich sie haben ihn angebohrt. Mit 'n Ssentrumsbohr. Fünf, seks Löchers eingebohrt. Das konnt er nich vertragen. Und da is er weggebuddelt. Dja, letzte Nach. Un was Herr Aasbaas war, der hat ßu sein Glück diese Nach nich in den Kutter geslafen, sonnern bei sein' Frau. Aber den annern Herrn haben wir man mit Mühe retten können. Himmel, was für 'n Glück, daß er so lang is. Gegen Mitternach is der Kudder wechgesack, und heut morgen haben wir ihn errett'. Der Kudder war auf Grund gesack, und er stand auf Deck und hielt sich an den Großmast in die Balangs und war Gottloff so lang, daß er grad mit den Kopp übers Wasser kucken konnt. Sonß wär er mit versoffen.«

»Und statt mir das sofort zu melden, zu telegrafieren, mit höchster Eisenbahn und im rasendsten Galopp, den Ihre beiden Jollen von Holzpantoffeln in den Lungen haben« – ich raufte mir die Haare und hätte sie am liebsten Hannis Ketelschraper auch gerauft –, »statt mir sofort Bescheid zu sagen, sitzen Sie hier in meiner Küche und beküssen sich mit meiner Köksch. Da soll doch 'n Buxtehuder Donnerwetter hineinschlagen.«

»Dja«, sagte Hannis Ketelschraper benaut, und kratzte sich hinter den Ohren, »das hat sie« – er wies auf die jetzt wie eine ganze Schafherde losblärrende Trina – »eigentlich auch gemeint. ›Holl di jonich op, de Ohl is so komisch‹, sagte sie. Aber weil der Herr Koptain mit der Feder so bannig in die Foahrt waren, da wollt ich Ihnen nich stören – denn das hat Herr Koptain djawoll gar nich gehört, daß ich an die Stubentür gekloppt und die Tür aufgemach hab – und da sagte sie, ›'ne slechte Nachrich käm ümmers noch früh genug, un ich sollt man solange in ihre Küche 'n büschen bei ihr einsitzen‹, und das hab ich getan, un da haben wir uns verlop, und da hab ich an den annern Kram gonnich mehr gedach.«

»Wie können Sie sich mit meiner Köksch verloben«, bollerte ich weiter, »die kennen Sie ja gar nicht. Mit meinem Kutter sind Sie verlobt – alle anderen Verlobungen sind kontraktwidrig.«

»Ich hab ihr doch eben kennen gelernt«, entschuldigte sich Hannis, »unten in Herr Bollmann sein Kantor. Ich bin doch mit Herr Bollmann sein Jan (Johann) gut bekannt, un heute morgen, als er mit mich von'n Finkwarder rüber fuhr, denn er stammt auch von'n Finkenwarder, na, das wissen Sie woll nich, Herr Koptain, da sagt er wieder ßu mich: ›Djunge, Hannis, wenn ich du wär, die Trina von den Herrn Doktor in die fünfte Etasche, die heirat'te ich von'n Platz weg. Ich kann das dja nich, weil daß ich bei Bollmann 'ne gute Brotstelle hab', und der will kein' verheirat'ten Hausknech nich haben, aber du biß dein eigen Herr, Hannis, du solltst ihr freien. Denn sie hat was in'n Strumpf' – na, und in den Augenblick kam sie aus Herr Bollmann seine Stube raus, vergnügt as so 'ne Imm, un Jan sagte: ›das is sie‹, un sagt ßu ihr: ›Trina, das ist Ihren jetzigen Baas sein künftigen Kutterdirekter, dat wör'n Mann för di‹. Sie kuckt mir an – ich kuck ihr an – un was hat sie in die Hand? 'n blanken Daler. Das nahm ich für'n günstiges Sseichen. Und weil blöde Hunn' nich fett werden un man unter die Mütz keine Sperlingens nich fängt, sag ich gleich gans dreist: Deern, ick glöw, ick mag di liden. Ich hab' mir für 'n Sommer auf 'n gute Stelle besetz, sag ich, wenn du Luß hast, könn' wir im Winter unse Backsbeern ßusammsmeißen. Worum dat nich? sagt sie, und hält den blanken Daler in die Höchd und sagt: den hat mich eben Jan sein Baas geschenk, un von solche hab ich 'n gansen Strump voll auf Sparkaß. Un da sag sie, denn soll ich man mit ihr nach oben rauf gehn, daß wir das da beschnaken können, un das haben wir getan, un als allens allright war, na, da haben wirr uns rejell un richtig verlop.«

»Wie können Sie sich von meinen Feinden blanke Taler in die Hand stecken lassen«, fuhr ich nun auf die Deern los. »Das scheint mir ja ein ganzes Komplott zu sein.«

Trinas Augen nahmen wieder den Schellfischausdruck an – in erhöhtem Maßstabe.

»Ich hab' Herr Bollmann doch die Einladung zu das Kutterfest runtergebracht«, erwiderte sie. »Und da hat er gelacht und gesagt: mit das größte Vergnügen würd er sich einfinnen, und damit ich auch 'ne Kleinigkeit für die zehn Treppen hätte, sollt ich 'nen Taler haben. Und Herr Bollmann rief mir noch nach: er wollt ganz gewiß kommen, wenn der Kutter gut seefest wär.«

Die Sache wurde mir immer rätselhafter. Doch zunächst überwog der Gedanke an den abgebuddelten Kutter alles andre in mir.

»Wenn Sie Liebes- und Heiratsgedanken im Kopf haben, statt meines Kutters«, fuhr ich nun wieder auf Hannis Ketelschraper los, »dann können Sie hingehn, wo Sie hergekommen sind. Wenn Sie, wie Ihre Order lautete, an Bord gewesen wären und aufgepaßt hätten, dann hätte das mit dem Kutter nicht passieren können.«

»Das wollt ich ja«, entschuldigte sich Hannis, »aber der lange swarze Herr, der sagte ja: ich könt' ruhig noch 'ne Nacht bei mein' Mudder slafen, er blieb an Bord.«

»Was für Spitzbuben mögen denn den Kutter angebohrt haben? Euch Finkenwarders sollte man allzusammen aufhängen, rund um euren schönen Wasserturm rum, wie die Kringel um den Tannenbaum, damit wir übrigen Waterkantleute endlich singen können: Friede auf Erden.«

»Djä«, sagte Hannis und verdrehte fromm die Augen, »ob das wirklich Finkwarders gewesen sünd, das steht noch gonnich feß. Un ich für meine Person glaub das noch gonnich. Un was Jan is, Herr Bollmann sein Hausknech, der sagt auch: er glaub das nich. Nach meinen Gissen sünd das welche von die fremden Fischer geween, von die hollandschen oder dänschen oder norsken (norwegischen) Bestleute. Denn das ist ja jetzt lauter frömder Nusch (unbrauchbares Zeug). 'n anständigen Finkwarder heuert meist nich mehr als Knech auf 'n Seefischer. Das wissen Sie doch, Herr Koptain. Sonß hätt' ich ßum Beispiel doch auch auf 'n Seefischer geheuert un nich bei Sie.«

»Aber daß dieser alte Spitzbube von Jasper Fock dahinter steckt«, schrie ich ärgerlich, »das ist doch gewiß.«

Hannis drehte seine Schippermütze in den Fingern hin und her und sagte schließlich:

»Dja, wenn ich das so sagen soll ... Jasper Fock, das is ja'n leeges Aas und 'n großen Swinegel – aber daß er unsen Kutter auf den Gewissen hat, das glaub ich nich.«

»Na, halten wir uns nicht weiter im Schnack auf. Natürlich sind Sie jetzt entlassen. Einen Knecht kann ich, wo mein Fahrzeug unter Wasser liegt, vorläufig nicht gebrauchen.«

»Unter Wasser?« rief Hannis Ketelschraper mit dem Ausdruck des höchsten Erstaunens. »Der Kutter is ja gonnich mehr unter Wasser. Der is ja schon lenz gepump un swümmt all wieder.«

»Willst du elender Finkenwärder Feekfischer Fischer, der nichts fängt. mich zur Uhl haben!« brüllte ich meinen Exadjutanten an. »Erst erzählst du mir, daß mein Kutter versoffen ist, und gleich darauf, daß er schon wieder schwimmt?«

»Das tut er auch«, beharrte Hannis. »Denn gerade als wir den swarzen Herrn mit 'ne Jolle an Land holten, kam Taucher Flint mit seinen Düker-Damper ins Finkwarder Lock rein, und da sagte der swarze Herr: wenn er gerad nix anners ßu tun hätt', sollt er man gleich den Kutter flott pumpen. Das war 'n Sache von ßwei Stunden, da hatte er ihn schon mits Deck über Wasser.«

»Das hättest du Butzkopp aber auch gleich melden können«, rief ich ärgerlich. »'n Sirupsfaß, was 'n Leck hat, ist gegen dich ja das reine Schnellfeuergeschütz.«

»Wenn Herr Koptain mich man hätten ßu Wort kommen lassen«, verteidigte sich Hannis, »denn wär ich in fünf Minuten mit allens klar gewesen. Aber wenn ich da gerade mit rauswollt, denn kam Herr Koptain mich da ümmer mit was anners ßwüschen.«

»Wenn die Sache so ist«, sagte ich angenehm beruhigt, »dann ist ja noch Glück dabei gewesen. Unter diesen Umständen heuer ich Sie gleich wieder an, Hannis. Aber unter einer Bedingung. Du drückst deiner Braut, meiner Köksch, und zwar für alle Zeiten, oder jedenfalls solange du auf dem Kutter ›Scholle‹ Bestmann bist, sofort den Abschiedskuß auf, reist im Galopp auf deinen Posten zurück und verläßt ihn bei Strafe des Kielholens nicht wieder, bis ich selbst an Bord komme. Außerdem werd' ich dich von jetzt ab du nennen – ein Dämel von deinem Range ist des edlen ›Sie‹ unwürdig.«

»Och«, sagte Hannis, und wieder lief die Schippermütze in seinen zwölfzölligen Fäusten Karussell, »wenn's weiter nix is. Meinswegen können Herr Koptain auch noch jedesmal ›Döskopp‹ dabeisetzen. Da denk ich mich goarnix bei. Aber«, fuhr Hannis mit demselben plietschen Gesichtsausdruck fort, den ich vor soundsoviel Wochen an seiner Mutter beobachtet hatte, als sie bei mir für ihn warb, »wenn ich nu noch 'ne angenehme, 'ne ganz bannig angenehme Nachricht für Herr Koptain hab: erlaup Herr Koptain das denn, daß ich un sie« – er machte einen Kopfdreh nach Trina zu – »Braut un Brögam bleiben tun?«

»Das kommt darauf an«, sagte ich lachend, aber doch aufs höchste gespannt. »Haben Sie vielleicht unterwegs meinen Lotteriekollektör getroffen, und hat er Ihnen – ich wollte sagen: dir – gemeldet, daß ich das große Loos gewonnen hab'?«

»Das gerade nich«, dröhnte Hannis seinen Törn weiter. »Aber wir sollten ja doch gestern Herr Koptain seine Meubels (Möbel) un den annern Kram in den Kutter überloaden. Wenn wir das getan hätten, wären sie mit versoffen. Und das wär doch 'n großen Schaden gewesen. So sünd sie d–r–eu–g (trocken) geblieben.«

Und Hannis zog das Wort »dreug« so weit hinaus, wie von Hamburg bis Cuxhaven, wahrscheinlich, um bildlich die lange, lange Reihe von Gegenständen anzudeuten, die durch seine Fürsorge vom Schicksal des Ersaufens verschont geblieben seien.

Ich war in der Tat äußerst angenehm berührt und sagte:

»Gut, die Verlobung wird daraufhin genehmigt. Aber keine Heirat, Hannis, solange du bei mir im Dienst bist. Ich kann unmöglich den Kutter mit kleinen Ketelschrapers bevölkern lassen, hab' schon an den Ratten und Mäusen genug – jaso, die sind ja nun glücklich mit versoffen. – Aber warum hast du die Sachen nicht gestern übergenommen? Ich hatte es dir doch ausdrücklich befohlen.«

»Och«, sagte Hannis gemütlich, »ich glaubte, heute wär auch noch Sseit genug.«

Da ich als sicher annahm, daß Hannis Schillers »Kampf mit dem Drachen« nicht gelesen hatte und die Moral darin infolgedessen auch nicht, unterließ ich das Zitat, das ich schon auf der Zunge hatte. Es war ja, den Umständen nach, alles so günstig wie möglich verlaufen. Nur gut, daß die Briefe noch nicht abgeschickt waren.

»Trina«, sagte ich, »gehn Sie runter zu Bollmann und bestellen Sie: das Kutterfest fände nicht statt.«

»Aber das weiß er ja schon«, griente Trina. »Deswegen hat er mich ja den Taler geschenkt.«

»Woher hat er's gewußt?« rief ich. Und ein furchtbarer Verdacht stieg in mir auf.

»Na, von Jan doch«, sagte Hannis. »Den hab' ich das ünnerwegens auf den Finkwarder Damper erßählt.«

»Merkwürdig«, murmelte ich vor mich hin und setzte vernehmlich hinzu: »Ich gäbe hundert Mark aus, wenn ich den oder die Spitzbuben rauskriegte, die mir meinen Kutter angebohrt haben.«


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