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I. Lieder.

1855–1892.

Nun ich soll zusammensichten
Was ich sang mein Leben lang,
All mein Denken, all mein Dichten,
Längst vergessene Geschichten,
Wird es mir urplötzlich bang.

Unerschöpflich süßem Sehnen
Klang ja meines Lieds Erguß,
Wie ein Quell an Bergeslehnen
Unerschöpflich süße Thränen
Aus sich selbst ersprudeln muß.

Ach, und dieses Quellenklingen
Konnte mein unsterblich Leid
Manchesmal in Schlummer singen,
Und in meine Seele bringen
Einen Traum der Ewigkeit.

1.

Aus der Jugendzeit.

Frühlingswolken.

Frühlingswölkchen ziehen
Hoch am Himmel dort,
Zartgewebt, und fliehen
Immer weiter fort;
Wo sie hingelangen,
Wissen selbst sie nicht,
Zauberisch sie hangen
In dem Sonnenlicht.

Silbernes Gefieder,
Himmlisch rein und klar,
Bieten sie hernieder,
Eine Engelschar;
Luftiges Gewimmel,
Ohne Rast und Ruh,
Sieh, dem höchsten Himmel
Fliegt ihr freudig zu.

Und nun senkt ihr wieder
Euren stillen Tanz,
Schwebet nieder, nieder
Zu der Berge Kranz;
Bis ihr ganz vergehet
Hinter ihrem Saum,
Bis ihr ganz verwehet,
Wie ein holder Traum.

Möchte mir das Leben
Fliehen, wie ihr, auch,
Mit beruhigtem Streben,
Mit gelindem Hauch;
Daß wenn mir's versprühte
An des Grabes Saum,
Mir es forterglühte,
Wie ein holder Traum.

Dem Menschen wehe, dem die Geburt verlieh
Erhöhte Einsicht, kühneren Schwung des Geists,
Es rächt dafür sich schwer an ihm der
Andern gewöhnliche Sinnesrichtung,

Hinirrt er freundlos, ohne ein Eigentum,
Nur sich besitzend, müßig und traurig still,
Sieht lächelnd seine Nebenmenschen
Eifrig beschäftigt und sieht sie glücklich

Und sieht sie glücklich, wenn sie erfüllet sehn
Ameisensorgen; größere Sorge liegt
Auf ihm, es drängt ihn riesenmächtig
Hin zu dem rettenden Strahl des Lichtes.

Königin der Nacht

Eine Sommernacht nur blühen
Darf die fremde stolze Pflanze,
Aber ihre großen weißen,
Duftberauschten Kelche glühen
Mit so wundervollem Glanze,
Daß sie alles übersprühen,
Was des Tages helle Strahlen
Vor das Auge blendend malen.

Wehe, schon im Morgenscheine
Sind die Freuden ihr vergangen,
Starr und stachlich steht die arme,
Steht so düster, stumm alleine,
Aus den toten Blumen hangen
Thränentropfen, herbe, reine,
Rinnen schwer an ihr hernieder,
Aber niemals blüht sie wieder.

Abendrot

Schon glüht das Abendrot,
Und meine Zeit beginnt,
Ich glaub' ich sei ein Kind,
Und Haß und Liebe tot.

Als Kind sah ich so gern
Zum Abendwolkenkranz,
Vielbildrig, golden ganz,
Bis aufging Stern an Stern.

Und immer heller zog
Es hin am Himmelsraum,
Glückselig Traum an Traum
An mir vorüberflog.

Mein Auge, licht und blau,
Das oft emporgesehn,
Ward längst in Drang und Wehn
Und Thränen traurig grau.

Doch glüht das Abendrot,
Wird mir so leicht, so lind,
Ich glaub' ich sei ein Kind,
Und Haß und Liebe tot.

Leise trauert mein Gemüt,
Das der Liebe Kranz verloren;
Frühlingsblüte, bist verblüht,
Deine Kelche sind erfroren.

Ob mein Herz auch neu erglüht,
Und zu neuem Glück erkoren;
Frühlingsblüte, bist verblüht,
Deine Kelche sind erfroren.

Die Osterblume

Schon blüht die Osterblume,
Noch sind die andern fern,
Im Waldesheiligtume
Ein himmelblauer Stern.

Du Auferstehungsbote,
Erblühst so hell und groß,
Rings hat der Hain, der tote,
Nur dunkles niedres Moos.

Und wie aus dürrem Laube
Du blühst, aus kargem Moos,
Ringt mich vom Erdenstaube
Siegreich der Glaube los.

Dem offnen Kelche gleichend,
Blickt himmelan mein Herz,
Wo jede Dämmrung weichend,
Zerfließt der herbste Schmerz.

Und nie wankt mein Gemüte,
Wie auch der Sturm es schlägt,
So lang's die Osterblüte
In sich mit Freuden trägt.

Abendlied

Ich grüße dich, du holdes Thal,
Beglänzt vom letzten Abendstrahl,
Still ist mein Herz, so still wie du,
Verstummt der Stürme Wehen,
Still ist mein Herz, so still wie du,
Und will zur Ruhe gehen,
Zur süßen Ruh.

Da klingt es lieblich noch einmal
Aus dir herauf, du holdes Thal,
Die Abendglocke tönt mir zu,
Ich kann den Laut verstehen,
Behüte mich, o Vater Du,
Laß mich zur Ruhe gehen,
Zur süßen Ruh.

Des Försters Kind

Ach nur einmal noch zum Walde,
Aus der großen Stadt hinaus,
An die sommerliche Halde,
In das stille Försterhaus.

Wo ich in den Kinderjahren
In der Einsamkeit gelebt,
Stets von einem bilderklaren
Friedenstraume süß umschwebt.

Nur noch einmal möcht' ich lauschen,
Den verschlungnen Bach entlang,
Dem geheimnisvollen Rauschen
Im bewegten Buchengang.

Immer muß ich durch die Scheiben
Nach den blauen Bergen sehn,
Und die heißen Thränen bleiben
Mir im trüben Auge stehn.

Ach das Haus ist schon zerfallen,
Und der Wald ist Acker nun;
Nur ein Baum steht noch von allen,
Drunter meine Eltern ruhn.

Gebet.

Vater im Himmel,
Du giebst mir Alles,
Und so ganz von selbst,
Ich hebe nur die Hände,
Die kampferhitzten, sturmesmüden auf
Zum Sternenzelt,
Und in die blassen, leeren legst Du mir,
Ein holdes, sanftes Wunder,
Lied- und Liebes-Gold;
Von oben her berühret sie
Unsichtbar heilige Gewalt,
Und überströmt sie kühl mit einer Kraft,
Daß ich im tiefsten Elend nicht versinke,
Und über Haß und Krankheit Herr geworden;
Daß ich dereinst mein ganzes Leben,
Gleich einem kunstvoll schön getriebnen Weihgeschenke
Dankend hinwiederlege
In Deine Hand,
Vater im Himmel.

Die Lilie auf dem Felde.

Laßt mich scheiden, eh' der Duft
Meinem Kelche ganz entschwebet,
Heut noch legt mich in die Gruft,
Habe lang genug gelebet.

Thal der Heimat, märchenhaft,
Heilig-gute Mutter Erde,
Aus dir sog ich alle Kraft,
Daß wie du so schön ich werde.

Meine Blumen blühten blau.
Klar in wunderbarem Frieden,
Liedeston und Liebesthau
Ward mir rein und reich beschieden.

Laßt mich scheiden, eh' der Duft
Meinem Kelche ganz entschwebet.
Heut noch legt mich in die Gruft,
Habe lang genug gelebet.

Es wird im Weltgetriebe
Noch eine Seele mein,
Die sanft mit ihrer Liebe
Verklärt mein tiefstes Sein.

Ich schau' im Drang der Schmerzen
Durch Thränen, heiß und licht.
Schon jetzt an meinem Herzen
Ihr heilig Angesicht.

Bin todesmüd heut abend
Und möchte gestorben sein,
Ein unüberwindliches Heimweh
Dringt in mein Herz hinein.

Sehnsüchtig hol' ich wieder
Die Bücher der Kindheit hervor,
Die traumhaft lächelnden Lieder
Umsäuseln süß mein Ohr.

Kühl atmet mein Gemüte,
Umsprüht von farbigem Duft,
Von sonniger, seliger Blüte,
Die alte verzauberte Luft.

*

Ich weiß ein Kind, das jede Nacht
Vor Weinen will vergehen,
Und jeden Morgen selig lacht,
Als wäre nichts geschehen.

An dem die ganze bunte Welt
Fernab vorüber rauschet,
Das mit den Vögeln Zwiesprach hält.
Den sanften Blumen lauschet.

Der Strom des ewigen Lebens rinnt
Schon jetzt in seinem Herzen;
Ich selber bin das stille Kind,
Das stille Kind der Schmerzen.

Dante's Lied an die Sonne.

Bei den Tieren des Waldes, bei Felsen und Dorn
Mir noch immer verrauchte der zehrende Zorn,
Am brausenden Meer in der Einsamkeit
Mir noch immer sich legte mein furchtbares Leid'.

Nichts aber erquickt mich so tief und so ganz.
Als du Sonne am Himmel mit deinem Glanz,
Du Sonne am Himmel mit deinem Schein,
Am nächsten verwandt meinem wirklichen Sein.

Seitdem ich geboren, bin ich mir zum Weh,
Wie der Baum der Orange, verschüttet vom Schnee;
O Beatrice, dein Angesicht
Ergoß in mein Wesen das lauterste Licht.

Und als ich verloren, was gottvoll war.
Aus mir selber ich flammend es wiedergebar, –
Der Mond wird zerbröckeln, die Erde verdorrt.
Und höher und höher erfüllt sich mein Wort.

Es ist ja des Weltalls Erlösungsgesang,
Der heilig notwendig aus mir sich entrang;
O Sehnsucht, die meergleich das Herz mir durchschwillt.
Du selbst bist die Kraft, die mich endlich noch stillt.

Je mehr du mich krank machst, werd' ich gesund.
Blitzt heller hervor mein tiefinnerster Grund;
Das Herz meines Herzens ist Urquell des Lichts,
Und stärker und reiner und schöner ist nichts.

Der letzte Gang.

Ich fühle schon in meiner Hand,
O Tod, die kühle deine,
Du gehst mit mir durchs stille Land
Im Frühlingssonnenscheine.

Nimm Abschied, sagst du sanft zu mir,
Von allen diesen Wegen
Im grünen Thal, drin freundlich dir
Die Vaterstadt gelegen.

Dein Auge hat nun ausgeweint.
Glänzt wie ein ruhig Feuer,
Und schöner alles ihm erscheint
Und alles doppelt teuer.

Noch einmal blicke froh zurück
Bis zu den fernsten Tagen,
Dann muß ich dich zu neuen Glück
Auf meinen Händen tragen.

Einsam.

Stille geh' ich meine Straßen,
Grüße nur von fern,
Einsam sollen sie mich lassen,
Einsam, o wie gern.

Denn das Leiden, das ich habe.
Ist so gänzlich mein.
Und es wird mit mir zu Grabe
Gehen ganz allein.

Aus mir selbst ja kommen Stunden,
Stunden höchster Lust,
Wenn nur etwas sich die Wunden
Schließen in der Brust.

Stille geh' ich meine Straßen,
Grüße nur von fern.
Einsam sollen sie mich lassen.
Einsam, o wie gern.

Frieden.

Nicht kann ich klagen, daß ich also bin,
Daß mir seit früher Jugend in der Brust
Ein geistig Feuer brennt und rücksichtslos
Die Kräfte meines Leibes mir verzehrt;
Des Daseins Schwere nahm es mir hinweg,
Und leichthin leb' ich, wie die Himmlischen,
Und nur den Duft des Erdenlebens trink' ich,
Und fühle, daß der Keim, den Gottes Hand
In mich gesenkt zu freudiger Entwicklung,
Mir wuchs und wuchs und schon zum Lichte treibt:
Mit jedem Jahr wird mir der Frühling schöner.
Mit jedem Tag die Liebe seliger,
Und all' die Sehnsucht, die mich einst durchstürmt,
Hat sich gelegt und tiefe Meeresstille
Ist mir im Herzen, nicht mehr nach den Sternen
Greif' ich hinaus, in meiner Brust ist alles.
Ist Glück und Glut, Unsterblichkeit und Stärke.


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