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XIII. Aus meinem Leben.

1890.

Fern und immer ferner tosen
Hör' ich schon des Lebens Fluß,
Uns dem Haupt, dem wünschelosen,
Einen Kranz von weißen Rosten
Ich schon heute tragen muß.

Aus meinem Leben.

In der Stadt, wo ich geboren,
Die ein Stutengarten war,
Schäumet wild und unvergoren
Neuer Wein bis an die Ohren
Uns im Herbste jedes Jahr.

Denn die steilen Hügelwände,
Die zum Thal herniederschaun,
Sind ein einzig Rebgelände,
Das vieltausend fleißige Hände
Ueber den Terrassen baun.

Aber rings im Kranze hauset
Freier Wald auf Bergeshöhn,
Und er brandet, und er brauset,
Daß die Seele süß ergrauset,
Rüttelt ihn der warme Föhn.

Allda wurde ich geboren, –
»Ungern,« wie ich oft geklagt.
Als ein Weißer unter Mohren,
Trüb in Träumerei verloren,
Seit die Sonne mir getagt.

Allda, in dem Schwabenstamme,
Der ein komisches Gemisch
Aus erweichtem Urweltschlamme
Und des Tiefsinns heiliger Flamme,
Herb und derb und grüblerisch.

Darum war das Volk der Schwaben
Stets von Poesie durchquickt,
Männer sind's von großen Gaben,
Die den Friedrich Schiller haben
Außer Landes fortgeschickt.

Zu den Tagen meiner Kindheit
War die Stadt noch wenig groß,
War das Volk in sel'ger Blindheit,
Und mit unumschränkter Lindheit
Schlief es in des Königs Schoß. –

Schön vertraut mit Busch und Bäumen
Und dem kleinen Murmelbach,
Saß das Kind in Gartenräumen,
Sann der Wasserfälle Schäumen,
Sann dem Flug der Vögel nach.

Oftmals, wie zerriss'ne Stimmen,
Wie von werdendem Gesang,
Hört' ich's durch den Aether schwimmen,
Sah glühgoldne Feuer glimmen
Das verschlungne Thal entlang.

An krystallner Märchenspule
Webte meine Phantasei, –
Da gleich einem Schwefelpfuhle,
Oeffnet sich auch mir die Schule,
Und der Zauber war vorbei.

Wo man auf den harten Bänken
Saß mit seinem Schwergewicht,
Daß die Glieder sich verrenken,
Die Gedanken sich verschränken,
Blöde wird das Augenlicht.

Still davon! Die Jahre fliehen.
Hört ihr in der Märzennacht
Wunderliche Melodieen
Am Gewitterhimmel ziehen,
Hört ihr, wie das Volk erwacht!

Vaterland, du heilig-wundes,
Angefressen und zerstückt,
Spielst die Rolle eines Hundes,
Von der Hand des deutschen Bundes
Knurrend in den Staub gedrückt.

Acht und vierzig! – Blutigrote
Banner rollen in die Luft,
Die man längst verschrie'n als Tote,
Als der Zukunft Morgenbote
Steigt Germania aus der Gruft.

Acht und vierzig! – Throne fallen,
Und es wackelt mancher Zopf,
Bundestag hört auf zu lallen,
Adler mit gezückten Krallen
Schweben über seinem Schopf.

Viele hundert Professoren
Fangen zu regieren an,
Dort in Frankfurt, weltverloren,
Haben sie heraufbeschworen
Ihren Volksbeglückungsplan.

Scharfe Redeschlachten schlagen
Sie, vom tiefsten Geist durchblitzt,
Bis nach kurzen Flittertagen
Uns die alte Hand am Kragen
Nur um desto fester sitzt!

Ausgeliefert an die Dänen
Sind die Waffen und verkauft
Wird die Flotte, trotz der Thränen
Und des Jammerufs von jenen,
Welche sie mit Blut getauft!

Aber an demselben Tage,
Da mein Volk versank ins Nichts,
Hält mit dumpfem Donnerschlage
Gott in seiner Hand die Wage
Seines ewigen Gerichts.

Und schon ist der Held geboren,
Der nach göttlichem Beschluß,
Trotz der vielen Professoren,
Den Lintdrachen, giftdurchgoren,
Mit der Faust erwürgen muß! –

Fern der Erde Glanz und Ruhme,
In der holden Einsamkeit,
In des Waldes Heiligtume
Wuchs ich fort als wilde Blume,
Ohne Haß und ohne Leid.

Wie die Blume, die durchronnen
Von der Sonne Götterblut,
Unter süßen Ahnungswonnen,
Ihre tiefsten Lebensbronnen
Auf zum Himmelslichte thut.

Selig in mich selbst versunken,
Von der ersten Jugendlust
Und der eignen Schönheit trunken,
Streute ich die ersten Funken
Meiner Lieder aus der Brust.

Sanfte Lieder, mit den zarten
Wolken zogen sie dahin
Ueber breite Bergeswarten,
Bis zum Paradiesesgarten
Reiste mit mein frommer Sinn.

Sanftes Herz, noch nicht zerrissen
Von der Welt gemeiner Not,
Von des Lebens Bitternissen –
Bis mit seinen Schlangenbissen
Erste Liebe dich durchloht!

Mich erfaßt ein tiefes Grauen,
Denk' ich was ich damals litt,
Also wächst ein Baum im lauen
Frühlingshauch, bis mit dem rauhen
Beil man ihm den Bast durchschnitt.

Mag ihn fürder auch verklären
Frucht und Blüte wundersam,
Wenn die Schwalben wiederkehren,
Rieselt es von dunklen Zähren
Aus dem übermoosten Stamm. –

Aber vorwärts aus der Presse
Klatschenden Philisterbrei's,
Trotz des Sturmes und der Nässe,
Vorwärts durch die Alpenpässe,
Durch das braune Gletschereis!

Vorwärts aus den engen Thälern,
Wo da blüht der blasse Neid,
Wo sie dir den Himmel schmälern,
Wo nach immer neuen Wählern
Schrill der Demokrate schreit!

Hinter mir des Nordens Nebel,
Und der trübe Wissensdunst,
All' die grundgelehrten Schnäbel
Mit dem lieblichen Geschwäbel,
Vor mir liegt das Land der Kunst.

Frisch ergrünte Weiden hingen
In den spiegelhellen See,
Drosseln an zu schlagen fingen,
Lächelnd in mir untergingen
Meines Lebens Angst und Weh.

Von geschmolz'nen Winterthränen
Drang mir aus der Brust ein Strom,
Neues ungestümes Sehnen
Mochte meinen Busen dehnen,
Solch ein Frühlingstag in Rom!

Trotz dem ewigen Gebimmel
Benedeiter Glocken Schar,
Blieb ihm doch der Heidenhimmel
Mit dem blühenden Gewimmel
Seiner Götter, marmorklar.

In den Villen, weltvergessen,
Standen sie so still und hehr.
Unter Eichen und Cypressen, –
Aus der Ferne unermessen
Schimmerte das blaue Meer.

Und der schlanke Götterknabe
Mit dem wehmutsvollen Blick
Sah nach meinem Pilgerstabe,
Als ob er gelesen habe
Mein kimmerisches Geschick.– –

Wieder nach den Bundesstaaten
Ich mit feuchten Augen schied:
Ohne Geld und ohne Thaten
Unterthänigst fortzuwaten
In dem weiten Sumpfgebiet.

Aber ungeheure Blitze
Fahren durch mein Vaterland,
Aus dem Diplomatensitze
Schwingt sich an des Volkes Spitze
Wild und ehern der Gigant!

Brechend mit dem Hergebrachten,
Reißt er, wie ein Schwert, das Wort
Aus ureignen Lebensschlachten, –
Dürstend nach Erlösungsschlachten,
Stürzt das Volk im Sturme fort!

Unerhörte Schmach zu rächen,
Unerhörten Uebermut,
Unerhörte deutsche Schwächen,
Und in hochempörten Bächen
Rinnt das deutsche Bruderblut.

Da mit heißen Zornesadern
Windet sich der alte Rhein:
»Laßt das Ineinanderhadern!« –
Und mit lauschenden Geschwadern
Geht es nach Paris hinein.

Mit dem Siegesschwerte fordert
Man zurück den welschen Raub,
Unser Reich, dahingemodert,
Wieder als ein Phönix lodert
Aus dem blutgetränkten Staub.

Was ich nur in Sternenweiten
Zu erblicken einst geglaubt,
Wie zu Barbarossas Zeiten
Deutsche Heldenkaiser schreiten,
Strahlenkronen auf dem Haupt!

Und auch über meinen Wegen,
Die so lang durchs Dornenland
Führten unter Wetterschlägen,
Breitet sich ein milder Segen
Wunderbar aus Gottes Hand.

Sonnenhelle Frauenblüte,
Wurdest endlich selig mein, –
Ihre Anmut, ihre Güte,
Ihr tiefahnendes Gemüte
Ist mein steter Maienschein.

Ihre blauen Augen schauen,
Heldenhafter Liebe voll,
Mir in meine dunkelgrauen,
Jene Glut zurückzustauen,
So mich früh verzehren soll.

Wohl am Tage klug und witzig,
Ueberströmt von Lebenslust,
Bei den Weingesellen sitz' ich,
Aber in den Nächten ritz' ich
Todesrunen in die Brust.

Ewig nach dem Ewigschönen
Mich ein Himmelsheimweh zieht,
Kann mich nicht hieher gewöhnen,
Heimatlos in Geistertönen
Quillt mir aus der Brust das Lied. –

Meine Nebenschwaben zollten
Ihren Beifall mir schon lang,
Wenn sie nur vernehmen wollten
Diesen düster-rührend holden,
Ueberirdischen Gesang. –

Also wurde ich allmählich
Aus des Lebens Zwang und Zwist
Wieder in mir selber selig,
Und im Liebesdrang vermähl' ich
Mich mit allem, was da ist.

Schöne Heimat! Felsenklippen,
Höhlenreiches Kalkgestein,
Lilien mit Purpurlippen,
Dran die Honigbienen nippen,
Schwelgen dort im Sonnenschein.

Schöne Heimat! Heilige Berge,
Wo, bedeckt mit Gras und Laub,
Rätselhafte Hünenwerke,
Wo die Hohenstaufensärge
Schwermutsvoll im Klosterstaub.

Wie im Traume, senkt sich nieder
Mein tiefernstes Angesicht,
Meine Jugend kehrt mir wieder,
Mit dem Glück der ersten Lieder,
Und mein Herz ist voller Licht.


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