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XII. Götter und Helden


Entschlage dich der Dogmen-Reiterei
Und Streiterei, und wachse göttlich frei,
Der Palme gleich, die sich am Meerstrand sonnet.
Von einem Hauch der Ewigkeit durchwonnet.

Barchoszug

Schon liegt euch im Rücken das griechische Meer,
Lawinenhaft sammelnd ein jauchzendes Heer,
Geht vorwärts im Flug
Des göttlichen Knaben Eroberungszug.

Kleinasiens blühende Länder entlang,
Mit glühenden Tänzen und Siegesgesang
Und Flötengetön,
Und der Gott auf dem goldenen Wagen so schön.

Schon umfängt euch der Wüsten unendlicher Raum,
Trüb hebt sich an ihrem verdämmernden Saum,
Wie Nebel der Nacht,
Der alten Chaldäer verschüttete Pracht.

Und schon rührt er sie an mit dem zaubernden Stab,
Und schon wuchert der Weinstock aus Trümmern und Grab,
Hoch strömt in die Luft
Der herzenerlösende, himmlische Duft.

Und weiter und weiter nach Osten hinein,
Wie schlingt sich um Persiens Rosen der Wein!
Zusammengesellt
Zum seligsten Taumel die Völker der Welt!

Was rauscht in des Indus fünfarmigem Strom,
Was sticht in der Palmen erhabenem Dom
Sich der Weise sogar
Die schwellenden Traubengewinde ins Haar!

O lustiger Tod, o tötliche Lust,
Wild stoßen die Weiber das Schwert in die Brust;
Und das rieselnde Blut
Gießt Oel in die Glut, in die wachsende Wut!

Und darüber da thront, ob es brandet und schrillt,
Der unsterbliche Gott wie ein Marmorbild;
Nur wie raschelndes Laub,
Umwirbeln ihn jene Gebilde von Staub.

Doch kein Schatten von Weh zuckt über ihn hin,
Er weiß ja der Welt tiefinnersten Sinn,
Was hinter dem Grab;
Und er deutet noch immer voran mit dem Stab!

Wodan.

Auf den Armen sieht der Vater
Alles Lichts und alles Lebens,
Ist ihm Tröster und Berater,
Daß sein Mühsal nicht vergebens.

Während sie beim Mahle prassen
Und den edlen Wein verschütten,
Geht er leise durch die Gassen,
Pochend an Palast und Hütten.

Jener bleibt Ihm festverschlossen,
Hier setzt man am Tisch Ihn nieder,
Und wenn Er das Brot genossen,
Geht der hohe Fremdling wieder.

Und geheiligt bleibt die Schwelle,
Und die treuen Schwalben kommen
Jeden Frühling an die Stelle,
An das niedere Dach des Frommen.

Und des Himmels Wetter winden
Sich vorüber an dem Hause,
Und die schlimmen Räuber finden
Nicht den Weg zur stillen Klause.

Aber ihre Kronen kräuseln
Lilien auf blankem Stengel,
Und es naht mit sanftem Säuseln
Hier dereinst der Todesengel.

Firdusi

Mein Haupt ist eingesunken
In alter Völker Glück,
Viel tausend Geistesfunken
Bracht' ich davon zurück.

In Königsgräber Tiefen
Grub ich manch finstern Gang,
Und sähe wo sie schliefen
Schon zwei Jahrtausend lang.

Die größten Reiche schwinden,
Die kühnste Menschenkraft,
Kaum ist die Spur zu finden,
Von dem was sie geschafft.

Was bleibt in diesem schweren,
Verstürmten Lebenstraum,
O wolle nur begehren
Das Licht vom Sternenraum.

Dante

Zusammenbricht mein Herz, vom Jammer
Ich bin ein Rosenstrauch, im Schnee begraben,
Noch einmal möcht' ich einen Frühling haben,
Allein ich sterbe elend und verfrüht.

Stets für das Größte hat mein Haupt geglüht,
Stets nach dem Tiefsten hat mein Sinn gegraben,
Doch durfte jemals eine That mich laben,
War mir zuvor die beste Kraft versprüht.

Mein Tag ist friedlos, schlaflos meine Nacht,
Nur mein Gesang gesteht, was ich gelitten,
Und meine Qual hat sich verhundertfacht,

Wenn ich im Geiste für mein Volk gestritten; –
Kaum in das Menschenleben aufgewacht,
Hab' ich den Weg zur Hölle schon beschritten.

Die heilige Elisabeth auf der
Pilgerfahrt.

Im Schlossengezisch und im Rauch
Der Moorthäler wall' ich und wall' ich
Mit blutenden Füßen,
Aber das alles
Wäre mir nichts,
Wüßt' ich ein Ziel, ein Streben,
Wüßt' ich das Rätsel des Lebens. –
Ich sehe die Sonne sich heben
Aus dem unendlichen Meer,
Und versinken wieder
In Gold und in Purpur;
Ich sehe die Stern', holdselig und groß,
Aufziehn am Gewölb,
Und unter mir tief
In den wolkigen Schluchten
Rollt furchtbar schön
Der Wagen des Donners
Und züngeln empor
Die Schlangen des Blitzes, –
Aber was löscht mir die Flamm' in der Brust,
Was reicht mir Frieden und himmlisches Labsal,
Daß ich erfasse dies Leben
Und nicht schaudre vorm Tod!

Hohenstaufen.

Glückselig glänzt der Rhein- und Donaustrom,
Wo Sänger wandeln unter Harfenklingen,
Aufkreisen Falken mit behenden Schwingen
Und am Gestade baut sich Dom an Dom.

Doch ist es nur ein täuschendes Phantom,
Ob auch die Türme zu den Wolken dringen,
Die Dichter all die Herrlichkeit besingen, –
Den süßen Minnetrank vergiftet Rom.

Es löst der Papst mit seinem Fluch und Segen
Das Siegel von den heiligsten Verträgen,
Aufruhr, Verrat und Brand und Brudermord,

Das wütet furchtbar unersättlich fort,
Bis hingesunken unter Henkersschlägen
Der letzte Staufen an Neapels Bord.

Luther

Germania, es hat die welsche Schlinge
Sich wieder schwer um deinen Hals gelegt,
Daß sich in dir kein frischer Puls mehr regt,
Daß dir zum Haupt der Todesblutstrom dringe.

Germania, noch werden grause Dinge
An dir geschehen, aber unentwegt,
Ob auch von schauerlicher Nacht umhegt,
Nach höchster innerer Vollendung ringe.

Geduld, Geduld, Jahrtausend-alter Jammer,
Jahrtausend-alter Fluch, er wird gerochen,
So furchtbar-ehern war noch keine Klammer,

Daß sie der Geist der Zeiten nicht gebrochen,
Ich höre schon des Weltgerichtes Hammer
Zermalmend an die Kirchenthore pochen!

Schubart

O laßt mich fliehen aus dem Mummenschanz,
Aus dieser Zeit nichtsnutzigem Getöse,
Grimassenhaft, mit schlecht verhüllter Blöße,
Vollführen sie den reinsten Affentanz.

O laßt mich fliehen auf den Felsenkranz,
Natur, zu dir in deiner stummen Größe,
Daß sich mein Geist vom Bann der Lüge löse,
Sich sonne am urewigen Sonnenglanz.

Hinweg mit diesen angeschwemmten Bäuchen,
Hinweg mit diesen hohlen Schädelscherben,
Ich seh' mein Volt im Dogmenjoche keuchen,

Ich seh' mein Volk in Börsenhand verderben, –
Noch lieber Krieg mit Pestilenz und Seuchen,
Gebt mir ein Schwert, fürs Vaterland zu sterben!

Schiller.

Ein Riesengeist, dem diese Welt zu enge,
Erhobst du dich aus Marbachs stillem Thal,
Auf deiner Stirne schon das Kainsmal
Des Genius, der aufragt aus der Menge.

Die Schwabenheimat kürzte dir die Fänge,
Da gingst du fort, und noch in Todesqual
Entsprangen, unaufhaltsam, Strahl auf Strahl,
Aus deiner Brust unsterbliche Gesänge.

Was schön und groß und edel ist und rein,
Empfing durch dich das Volkstum der Germanen,
Du lehrtest sie, in diesem kurzen Sein

Im Irdischen das Göttliche zu ahnen, –
Aus deinem Herzen fiel ein Feuerschein,
Uns einen Weg ins ewige Licht zu bahnen.

Hölderlin.

Es trieb ihn weg zu klassischen Gestaden,
Zu rasten auf Olympias Tempelzinnen,
Wo des Alpheios heil'ge Wasser rinnen,
Zu pilgern auf Homers geweihten Pfaden.
Ach, Hölderlin, es war zu deinem Schaden,
Du konntest nicht den sichren Port gewinnen
Und kamst zurück mit irrgewordnen Sinnen,
Starbst langsam hin, von Finsternis beladen.

Was bist du in die Fremde fortgezogen,
Und doch besang den heimatlichen Fluß,
Mit seinen Pappeln, seinen blauen Wogen,

So zauberschön sein Dichtergenius,
Noch spielt um jene schlanken Uferbäume
Ein holder Nachhall deiner Wiegenträume.

Heine

Dein Leben war ein fortgesetztes Sterben, –
Aus deinem jugendschönen Haupte sogen
Sirenen küssend dir das Mark und zogen
Wich nieder in ihr seliges Verderben.

Den höchsten Dichter-Lorbeer zu erwerben,
Entwandest du Apollo seinen Bogen,
Da ist sein Pfeil auf dich zurückgeflogen
Und du verblutest an dem göttlich-herben.

Und wie Merlin, sankst du, gelähmt die Glieder,
Lebendig noch in deinem Sarge nieder,
Und sangest noch beim Schein der Totenkerzen

Die wunderbarsten der Erlösungslieder,
Die jemals einem armen Menschenherzen
Gequollen aus dem Abgrund seiner Schmerzen.

Viktor Emanuel

1878.

Jahrtausend-alter Bruderkampf zerstückte
Die stolzen Glieder dir, Italia,
Aus Todeswunden blutend lagst du da,
Du von den Göttern sonst so reich beglückte.

Und ob dich auch mit jeden: Kleinod schmückte
Die höchste Kunst – kein Retter fern und nah,
Der Fremde nur, als er dich leiden sah,
Zu seiner Sklavin dich herunterdrückte.

Da kommt der Held, und mit des Schwertes Wucht
Treibt er die wilden Dränger in die Flucht,
Groß ist sein Haupt, als wie aus Erz gegossen,

Grad ist sein Sinn, zu jeder That entschlossen, –
Und heute noch, da jäh sein Volk verwaiste,
Lebt's freudig fort in seinem Heldengeiste.

An Bismarck.

(November 1881).

1.

Im Regen, in der Winterstürme Wut
Trag' ich zur Wildnis meine rauhe Klage,
Matt hängt die letzte Rose noch am Hage
Und trüb verschwimmt der Abendsonne Glut.

Ich denke an das teure Heldenblut,
Die fortgesetzten heißen Schlachtentage,
Als unser Volk mit seines Schwertes Schlage
Zerbrach des Reichserbfeindes Uebermut.

Wer spricht davon – elf Jahre sind es kaum
Und alles ist vergessen wie ein Traum,
Verklungen sind im Wind die Siegeslieder –

Die vielen kleinen Hunde kläffen wieder,
Denn weidwund liegt und treulos angekettet
Der große Löwe, der sie einst gerettet.

2.

Einst kommt der Tag, o weh, daß er muß kommen,
Wo die Germania wieder dein gedenkt,
Das Haupt zur Erde weinend hingesenkt,
Weil ihren Retter ihr der Tod genommen.

Dann sind wohl auch im falschen West erglommen
Die Lagerfeuer, und es tobt und drängt
Von Roß und Mann – die Zügel sind verhängt,
Des Rheines Ufer sind in Blut verschwommen!

Ausschwebe dann Dein Geist aus seiner Ruh,
So dir im schnöden Leben nie geworden,
Und hauche wieder Riesenkräfte zu

Dem deutschen Süden und dem deutschen Norden,
Daß noch einmal im Tiefsten aufgeregt
Furchtbar mein Volk auf seine Feinde schlägt.

3.

Einst war es eine Freude noch, zu leben.
Nun ist es eine Schmach, auf diesem Ball,
Wo ehrlos alles, alles im Zerfall,
Sich fortzuschleppen und nach Licht zu streben.

Die eigne Seele aus der Hand gegeben
Hat unser Volk und wurde der Vasall
Des goldnen Kalbs, das nunmehr überall
Uns nötigt, am gemeinen Staub zu kleben.

Die höchste Not nur, fürchterlicher Kampf
Bringt wieder uns zu besserem Besinnen, –
Doch nimmer wohl in Schlacht und Pulverdampf

Wir wiederum so leicht den Sieg gewinnen, –
Das ganze Volk, nicht bloß die schuldig waren,
Muß erst zuvor der Sünden Sold erfahren.

4.

Wenn einst wir stehen über Deinem Grabe,
So sammeln wir wohl alle Deine Worte,
Gleich einem goldnen Nibelungenhorte,
Der deutschen Jugend als die beste Gabe.

Du schlugst wie Moses mit dem Zauberstabe,
Da rings das Land in Wüstenglut verdorrte,
Lebend'ge Wasser aus der Felsenpforte,
Daß wiederum dein Volk die Fülle habe.

Noch lang beschütze Gott Dein teures Leben,
Und möchten meine Lieder, die vom schönen
Gestad des Neckars Dir entgegen tönen,

Wie Balsamhauch um deine Stirne schweben.
Die schwer durchfurchen jene Riesensorgen
Um deines Volkes Auferstehungsmorgen.

†Kaiser Wilhelm I.

(9. März 1888).

Ein müder Streiter schiedest Du von hinnen
Nachdem Du alle andern überlebtest,
Das höchste Ziel auf dieser Welt erstrebtest,
Des Segens voll in jeglichem Beginnen.

Um Dich untröstlich unsre Thränen rinnen,
Der Du im kleinsten auch getreulich webtest,
Als Friedensherold vor den Völkern schwebtest,
Mit klugem Geiste und mit klaren Sinnen.

Durchs wilde Meer fährt nun das Schiff von dannen
Des neuen Reichs, – es gilt, nach allen Seiten
Mit Todesfeinden Brust an Brust zu streiten.

Ihr Preußen auf, ihr Sachsen, Alemannen,
Ihr Bayern auf, die Schwerter in den Händen,
Das große Werk fortkämpfend zu vollenden.

† Kaiser Friedrich.

(15. Juni 1888).

Nicht bloß ein Kaiser, auch ein Freund gewesen,
Bist Du, o Held, mir, der im Schlachtgetöse
Sein Volk befreite, das in Knechtesblöße
Dahergegangen und nicht konnt' genesen.
In Deinem Auge hab' ich tief gelesen
Die heilige Glut, daß echte Heldengröße
Sich selber überwinde und erlöse,
Und unaussprechlich lieb blieb mir Dein Wesen.

Und wie Du warst, so bist Du auch gestorben,
Inmitten höchsten Glanzes, höchsten Ruhmes,
Hast Du die Palme schwersten Duldertumes

Voll Mannesmut für Dich und uns erworben;
Ein jedes Aug' mit blutigen Thränen feuchtend,
Als Morgenstern auf Deutschlands Schilde leuchtend.

Moltke's Geist.

Wer reitet auf dem Geisterroß?
Der Mond am Himmel steiget, –
Er reitet ohne Dienertroß,
Als hätt' er vor dem Mund ein Schloß,
In sich versenkt und schweiget.

Das ist der Generalfeldmarschall,
Das Haupt herabgebeuget,
Horcht er auf den Kanonenhall,
Erdröhnend aus dem Erdenball,
Die Hand am Schwert, und schweiget.

Er reitet in das Syrerland,
Das glühend sich verzweiget
Bis an der Wüste dürren Sand, –
Ein Schakal heult an ihrem Rand,
Er spornt sein Roß, und schweiget.

Er reitet an den Alsenfund,
Die Meereswoge rauschet,
»Ihr Hünengräber, grün und rund,
Du heimatlicher Buchengrund,«
Sein Ohr in Träumen lauschet.

Er reitet in den Böhmerwald,
Da sitzt der Tod und geiget,
Die Knochenfinger eingekrallt, –
Das Auge thränenüberwallt,
Hält an der Held, und schweiget.

Und weiter, weiter geht der Ritt,
Bis nach Paris und weiter,
Vieltausend Geister gehen mit
In feierlichem Siegesschritt,
Voran der Wegbereiter.

Dann wendet er das Roß herum:
Ein Mann, der Mücken seiget,
Kamele schluckend um und um,
Belustiget das Publikum, –
Er kehrt sich ab, und schweiget.

Er reitet vor des Königs Schloß,
Es liegt so schwarz und schweiget:
»Wo bist du, trauter Schwertgenoß?«
Aufwiehernd das Walkürenroß
Zum Himmel wieder steiget.


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