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IX. Stimmen aus der Wüste.

1886.

Den Tieren sing' ich in des Waldes Wüste,
Der Sturmwind nur will meine Stimme hören,
Die drohend anschwillt um die alten Föhren,
Und um die moosbedeckten Felsenbrüste.

Hinab, hinab bis an des Meeres Küste,
Muß ich euch aus dem Sündenschlummer stören,
Die tiefste Seele meinem Volk empören,
Daß es zu neuem Geisterkampf sich rüste.

Der Vogel und der Fuchs hat seine Wohnung,
Ich aber bin verfehmt, und ohne Schonung
Werf' ich mein Wort auf das vor Hochmut kranke

Geschlecht! – bald wird mein Leib in's Grab sich legen,
Doch aus dem Grabe sonnenlicht-entgegen
Hebt sich als Siegesadler mein Gedanke.

Wirf an die Wand!

Wirf an die Wand die schwarzen Tintenfässer,
Wie Luther that, als er den Teufel sah,
Schon ist der holde Frühling wieder da,
Das Eis verging im dampfenden Gewässer.

Was willst du als ein wahrer Eisenfresser
Endlos in Kampf dich stürzen fern und nah,
Die Welt treibt immer doch Allotria,
Du machst dir schlecht, das übrige nicht besser.

Komm, laß uns, rote Rosen in dem Haar,
Zum Dorf hinaus zur grünen Linde schreiten,
Gedenkend an vergangne große Zeiten.

Da schon an sich das Schöne heilig war, –
Und so von geistvertiefter Freude klar,
Durchs ganze Weltall unsern Blick sich weiten.

In jäher Not.

In jäher Not laß ich mein Volk zurück,
Dem böse Schlangen an dem Herzen nagen,
Von dessen riesenhaftem Siegeswagen
Klanglos herunterbröckelt Stück für Stück.

Und ob wir auch durch Gräben und Gebück
Die jungen Leiber in den Feind getragen
Und Schlachten wie noch nie ein Volk geschlagen,
Den Deutschen blüht hienieden doch kein Glück.

Die Zwietracht frißt uns, die der Pfaffe säte,
Seit er des Vaterlandes Grund betrat
Und in sein groß-goldblumiges Ornat

Das Kreuz als ein Symbol des Friedens nähte;
Was aber soll noch aus der Menschheit werden,
Wenn der Germanen Stern erlischt auf Erden!

Europa

Europa, du bist alt und kindisch fast
An deinem Witz und Aberwitz geworden,
Dich hetzt dein Bücherskorpionen-Orden
Entgöttlicht fort in ahnungsloser Hast.

Ja, du bist alt und blöd und kindisch fast,
Erst müssen wieder Völkerwandrungshorden
Mit Städtebränden und mit Massenmorden
Dir helfen von des Wissens Ueberlast.

Wenn Abgrund über Abgrund aufgewühlt,
Im Wirbelsturme rasend fortgespült
Fabriken, Schulen, Kirchen und Kanzleien,

Mit Schutt bedeckt der alte, kranke Grund,
Mag aus den Trümmern wieder kerngesund
In Gottesfurcht ein frischer Geist gedeihen.

Nach Süden.

Nach Süden komm, mit Wein umlaubt die Becher,
Am Pinienstamm, beim Lied der Nachtigallen,
Indes vom Baum die jungen Blüten fallen,
Da säßen wir, zwei herzvergnügte Zecher;

Und wären nicht mehr blutbespritzte Schächer,
Die sie ans Kreuz zur Linken Christi schnallen,
Wir blickten froh durch offne Lorbeerhallen
In heitrer Tempel sonnige Gemächer.

So tränken wir, und, Freund, mit jedem Zug
Versänken wir in süßre Melodieen,
Den Göttern gleichend, in uns selbst genug

Erfüllt vom Urquell aller Poesieen,
Und ließen über uns im Wanderflug
Des Nordlands Gänse mit Geschnatter fliehen.

Hinüber.

Es ist ein schlechter Spaß, im Weltenraum,
Dem uferlosen, hin und her zu fahren,
Umfunkelt von unzähl'gen Sternenscharen,
Und träumen einen rätselhaften Traum.

Und wenn wir nun auf dieser Erde kaum
Nach tausenderlei Sorgen und Gefahren
Ein wenig leidlich eingerichtet waren,
Winkt uns zur Weiterfahrt der Totenbaum.

Doch festen Schritts will ich den schwanken Nachen,
Der mich hinweg vom sichren Strande führt,
Betreten, ob auch seine Planken krachen,

Ein wüster Wind die schwarzen Segel rührt, –
Oft ist es mir, als ob mich Stimmen laden
Hinüber zu glückseligen Gestaden.

Das stille Thal.

Das stille Thal möcht' ich noch einmal sehn,
Das sich herabzieht an Firenze's Mauern,
Drin schön erhaben die Cypressen trauern,
Oelbäume sich aus kargem Felsgrund drehn.

In Deutschland war mir schweres Leid geschehn,
Gerüttelt war ich schon von Fieberschauern
Und glaubte nicht das Jahr zu überdauern,
Da fühlt' ich deinen Odem mich durchwehn.

Ihr sanften süßen Lüfte von Florenz,
Die jene großen Menschen einst umfächelt
Und ihnen einen ew'gen Geisteslenz

Für dieses rauhe Dasein zugelächelt –
Ihr himmlischen, o weht noch einmal wieder,
Als letztes Glück, um meine müden Glieder.

Monte cavo.

Mich weht ein Frühling an aus fernen Tagen,
Als ich empor das Felsgebirge ritt,
Narcissen blüten uns bei jedem Schritt,
Die Eichen hatten eben ausgeschlagen.

Tief unter uns Italiens Thäler lagen,
Um welche noch ein leichter Nebel glitt,
Und aus den Schluchten, die der Weg durchschnitt,
Erscholl der Nachtigall verliebtes Klagen.

Und oben von der Heide, die so hehr
Im Trümmerschutt sich an die Felsen lehnte,
Sah'n wir hinunter auf das blaue Meer,

Das sich aus tausend Buchten endlos dehnte,
Und himmelhoch stand auf der andern Seite
Der Apennin, der tief herab verschneite.

Traum.

Italien sah ich heute nacht im Traum:
Es war so schön, der Epheu überrankte
Die Bergwaldthäler riesenhaft und schwankte
Im Windeshauch empor von Baum zu Baum.

Wir standen hoch an eines Hügels Saum
Und sah'n hinab und unser Auge dankte
Für all' die Schönheit, die uns die erkrankte
Zerriss'ne Seele hob wie Wellenschaum.

Des Leibes bleischwer lastendes Gewicht
Schien wunderbar von uns hinweggenommen,
Wir schritten fort, durchstrahlt von inn'rem Licht,

Von unnennbarer Seligkeit durchglommen, –
So wird es werden, wenn beim Weltgericht
Wir still hervor aus unsern Gräbern kommen.

Adolf Gnauth.

(† 19. November 1884 als Oberbaurat in Nürnberg.)

Als wir dereinst im Villa d'Este-Hain
Verzaubert gingen und die Maße nahmen,
Und Nachtigallen hergeflogen kamen,
Aufjauchzend bei des Abends Dämmerschein,

Da floß das Leben uns wie Götterwein,
Der licht verströmt aus güldnen Bechers Rahmen,
Anstatt in leerem Wissenswust zu kramen,
Sah'n wir der Schönheit in das Herz hinein.

Da rauschten nicht die riesigen Cypressen
Ob unserm Haupt: bald ist der Lauf durchmessen,
Im kalten Norden ist ein Grab bereit! –

Nun steh' ich still auf deinem Blumenhügel,
Doch in den Lüften rauscht's wie Adlerflügel:
Dein Freund erstritt sich die Unsterblichkeit.

Heimweh.

Nach dem Thal der Heimat möcht' ich fliegen,
Wo die weißen Frühlingsblumen blühn,
Trauerweiden jetzt ihr erstes Grün
In den Murmelbach herunterbiegen.

Ausgezogen, wie zu großen Siegen,
Ausgezogen bin ich stolz und kühn,
Aber meine Kraft ist im Verglühn,
Schwächte sich in tausend kleinen Kriegen.

Viele Meilen ist es noch von hier,
Mächtig ruht der Föhrenwald dazwischen,
Draus hervor die grauen Schlangen zischen,

Und mein Herz verlodert vor Begier, –
Sonne neigt sich schon zum Untergange,
Und die Nacht, die kommen wird, ist lange.

Stuttgart

O milde Freude, denn der Frühling naht,
Die Wolkenbilder durch das Blaue dringen,
Vom Dach herunter schon die Vöglein singen,
Zum Walde lockt der schmale Wiesenpfad.

Wie oft ich schon die stillen Wege trat,
Wo meine Seele sich mit Adlerschwingen
Glückselig aufschwang zu den höchsten Dingen
Und dort sich nimmer ein Genüge that.

O meiner Heimat grünes Weingelände,
Nur schöner jedes Jahr erscheinst du mir,
Und mahnest mich, bin ich entfernt von dir,

Daß ich daheim nur meinen Frieden fände,
Wo ich, von unnenbarer Lieb' umgeben,
Erwacht in dieses ruhelose Leben.

Hohen-Neisen

Die Dohlen schreien, Wetterwolken häufen
Sich um den Berg, als wie zum Kampf geballt,
Der Donner rollt, es wogt der Buchenwald,
Der schwarz umhüllt die Feste Hohen-Neisen.

Die riesenhaften runden Türme greifen
Hinunter in den tiefsten Felsenspalt,
Und um ihr dachlos Haupt unheimlich kalt
Ihr spöttisch Lied die Hagelstürme pfeifen.

Einst war es anders, vor der hohen Feste
War Volksgewühl und Andrang fremder Gäste,
Erging sich jung und alt in Maienlust;

Mit Rosen überdeckt war jede Zinne,
Und schmelzend süß erklang von Lenz und Minne
Gottfrieds von Neisen frohe Liederbrust.

Ahnung.

Schon wieder will der Frühling in das Land,
Der Abendhimmel ist so weit, so fern,
Und aus der Dämmrung blitzt der Abendstern
Ganz wundervoll als grüner Diamant.

Feuchtrötlich vor der schwarzen Wolkenwand
Hebt sich des Waldgebirges Felsenkern, –
Ich habe solche Dämmerung so gern –
Und nahm noch spät den Wanderstab zur Hand.

Im Winter war ich traurig bis zum Tod,
Nun blick' ich wieder auf ins Abendrot,
Es weh'n um mich, wie Paradiesesdüfte,

Des lauen Südwinds wonnig-weiche Lüfte, –
O Menschenherz, vom Elend wund gerieben,
Des Himmels Ahnung ist dir doch geblieben.

Ostern.

Erst seit ich trug so schweres Erdenleid,
Empfind' ich ganz des Frühlings Pracht hienieden,
Ahn' ich in ihm des Himmelreiches Frieden,
Ein Wandersmann im rauhen Pilgerkleid.

Ihr Oelbaum-Thäler, riesenhaft und breit,
Umzackt von grüner Berge Pyramiden,
Und aus der Ferne, durch das Meer geschieden,
Glänzt neuer Länder neue Herrlichkeit.

In meine Seele drang ein Osterhauch,
Ich weiß es nicht, von wannen er gekommen,
Und heute ist an Busch und Baum und Strauch

Des Lenzes Blütenparadies erglommen,–
In meine Seele, die zu Grabe sinkt,
Drang eine Liebe, die den Tod bezwingt.

Am Bache.

Am Bach der Heimat saß ich heut im Traum,
Das Haupt gelehnt am warmen Wiesenraine,
Und silberhell im klaren Sonnenscheine,
So weit ich schaute, blühte Baum an Baum.

Das kleine Bächlein rauschte hörbar kaum
Herunter über blanke Felsensteine,
Und über all' die Hügel kam die feine
Balsamische Lenzluft von der Berge Saum.

Wie lang ich hier gesessen, weiß ich nicht,
Die ganze Gegend war voll Duft und Licht,
Die Vögel flogen jubelnd zu mir her

Und wußten nichts von Menschenscheue mehr –
Es war so still und friedlich weit und breit,
Mir war, ich sei schon in der Ewigkeit.

Sonnenwende.

Im purpurroten wilden Prachtgewühl
Auflodern alle Rosen auf der Heide,
Doch aus der Wolken schwarzem Eingeweide,
Das dort sich herschiebt hinterm Tannenbühl,

Die Donner rollen; banges Vorgefühl
Vom jähen Abbruch höchster Lebensfreude,
Daß wiederum der schöne Frühling scheide,
Durchbebt die Erde, und die Luft ist schwül.

Die Vögel schweigen, – War es gestern kaum,
Daß mich am Bach umweht die Kirschenblüte,
Daß von des Buchwalds frischergrüntem Saum

Der Maienthau zu mir heruntersprühte?
Auf Zauberflügeln jagt die Zeit dahin –
Wie kommt's, daß ich noch immer fröhlich bin?

Der Lindenbaum.

O Lindenbaum, dir muß den Preis ich geben
Vor allen Bäumen, hundertjähr'ge Kraft
Hält dir erhoben deinen schlanken Schaft
Und läßt dein Astwerk auseinanderstreben.

Um deinen Kranz die muntern Bienen schweben
Und saugen gierig deinen Honigsaft,
Denn wenn des Frühlings Blumen längst erschlafft,
Beginnst du erst dein reiches Blütenleben,

Durchduftest süß die Heide in der Glut
Der Julisonne, während rings die Matten
Vor Dürre knistern, und behaglich ruht

Der müde Wanderer in deinem Schatten, –
In Schlaf gesenkt von deinem Honigseim,
Fliegt er im Traum zu seinen Lieben heim.

Frühherbst.

Wie lieb' ich dich, du Frühherbstsonnenlicht,
Mit deinen milden golddurchwirkten Farben,
Ob auch des Sommers reiche Blüten starben,
Leer steht die stille Heide doch noch nicht.

Um ihre sandig kahlen Hügel flicht
Die Gentiane blaue Blumengarben,
Und prächtig strahlt aus braunen Riedgrasnarben
Der Silberdistel Sonnenangesicht.

Ein Herz, das schon Unsägliches gelitten,
Ihm ist der Herbst allein die rechte Zeit,
Die Sicheln ruh'n, die Halme sind geschnitten.

Der Himmel liegt so wolkenlos und weit –
Nach all der Arbeit, all dem Kampf hienieden
Verströmt von oben her ein Gottesfrieden.

Vorbei.

Um meine Hütte braust mit wildem Fegen
Der kühle Sturm und wirft die Blütenpracht
Des heißen Sommers in die Sternennacht
Und schlägt mir an das Fenster seinen Regen.

Aufzuckt die Luft, als wie von Donnerschlägen,
Im nahen Wald der höchste Wipfel kracht,
Als rase wieder in die Geisterschlacht
Der alte Wode auf verruf'nen Wegen.

Ich aber sah nicht, wie die Rose blühte
In diesem Jahr, aus meinem Auge sprühte
Der bitt'ren Thränen nie gestillter Strom, –

Nun deckt mit Wolken sich der Himmelsdom,
Der Herbst ist kommen und der Winter naht,
Und dürres Laub umwirbelt meinen Pfad.

Abschied.

Die Blumen sterben und die Stürme brausen,
Der Sonne Glanz erlischt am Himmelszelt,
Die Wolken gehen dicht, vom Nord geschwellt,
Vom Wald herab die gelben Blätter sausen.

Ich seh' es wieder mit geheimem Grausen:
In wenig Tagen wintert ein die Welt,
Schon liegt so still und dämmerig das Feld,
Wo noch die letzten Wandervögel hausen.

Dann bin ich wieder auf der Heideflur
So ganz allein im Schweigen der Natur,
Ich sehe nur das starrende Gestein,

Und endlos grau hüllt mich der Nebel ein,
Und wieder sehnt sich, voll erhab'ner Ruh,
Mein Herz dem unbekannten Gotte zu.

November.

November ist es wieder, wie ein Traum,
Ist Blatt um Blatt im weiten Wald gefallen,
Geflohen sind des Lenzes Nachtigallen,
Und kahl und ernsthaft wölbt sich Baum an Baum.

Schwarz ist die Luft, von meines Daches Saum
Kommt traulich süß des Regens leises Schallen,
Und weit, weit hinter den entlaubten Hallen
Färbt noch ein mattes Licht den Himmelsraum.

So früh am Tag und schon des Abends Ruh,
Und auch mein Leben rinnt dem Tode zu,
Die Sonne ist der Sternenpracht gewichen, –

Still ist mein Herz, das auf dem langen Gang
Unendlich Lieb' und Leid hinunterschlang,
Bis auch die letzten Schatten ausgeglichen.

Erfroren.

Es war ein Vöglein frisch und wohlgemut,
Und war so schön in seinem bunten Kleide,
Nun sitzt es einsam draußen auf der Heide
Umwettert von des Schneegestöbers Wut.

Doch immer noch mit leiser Liedesglut
Will es versöhnen sich in seinem Leide,
Und rings umher im eisigen Geschmeide
Urkalt und still die Winterlandschaft ruht.

Ihm blieb ein Keim des Frühlings in der Brust,
Kaum hört es wie des Nordens Stürme tosen,
Bis in die Nacht fort singt's voll Maienlust

Vom Heimatthal und seinen ersten Rosen.
Den andern Morgen finden es die Raben
Im tiefen Schnee gestorben und begraben.

Allein.

Vom Neid benagt und dem gemeinen Hassen,
Vom Strom des Lebens traurig angequarkt,
Geh' ich allein durch den empörten Markt
Und singe laut mein Lied in taube Massen.

Sie hören's nicht, sie könnten's auch nicht fassen,
An einem andern Licht bin ich erstarkt,
Und habe nie mit meiner Glut gekargt,
Von Gott begnadet und der Welt verlassen.

Oft wird es mir, als bräche mir das Herz
Ob all dem Treiben, diesem sinnesleeren,
Dann aber steigt mir aus dem Höllenschmerz

Ein heilig Lied, mich selber zu verklären,
Und ich vermag in des Gesanges Fluten
Von allem Leid mich friedlich auszubluten.

An das Herz.

Was willst du zagen, wunderbares Herz,
Noch keine Kraft hat deine Kraft bezwungen,
Und immer wieder hat dein Lied geklungen,
Wie sturmbewegt der Glocke stolzes Erz.

Wohl ist der Grundton deines Lieds der Schmerz,
Doch durch der Erde tiefste Dämmerungen
Haft du zum Frieden dich hindurchgerungen
Und blickst nun freudig hoffend himmelwärts.

Halt aus, daß dir das Leben nicht die Glut,
Die reine Glut von deiner Liebe töte,
Von deiner Liebe, welche nimmer ruht

Im Kampf und Schmachten nach der Morgenröte
Des ewigen Geist's, von dem ein blasser Funken
Auch auf mein irdisch Angesicht gesunken.

Zu frühe.

Ach, viel zu früh schon hat mein Herz gelitten,
Drum bin ich müde, müde bis zum Tod,
Und steht mein Leben schon im Abendrot,
Eh' ich das Mannesalter überschritten.

Noch jeder Schmerz, der mir ins Herz geschnitten,
Hat mir solang das Innerste durchloht,
Bis er, befreit von aller Erdennot,
Zum Klang des Liedes sich emporgestritten.

Was außen ich nicht fand, die Harmonie,
In meiner eignen Brust erschuf ich sie,
Und konnte noch von jedem Leid gesunden, –

So hab' ich längst das Leben überwunden,
Und gehe hin im Frieden und befehle
In Gottes Hand die reingestimmte Seele.

Um Mitternacht.

Im Traume sah ich meine Kindheit wieder,
Die alten Stätten, hehr und wunderbar,
Woselbst ich unaussprechlich glücklich war –
Und selig tropften mir die Thränen nieder.

Im Hof am Brunnen blühte schon der Flieder,
So traulich eng der Dächer braune Schar,
Ringsum die Rebenberge sonnenklar,
Noch klein die Stadt, von Grün umhegt und bieder.

Ich wach' empor, – es ist um Mitternacht –
O Gott, was hab' ich nun dafür zu geben,
Ein kampf- und müh- und sorgenvolles Leben,

Das elend ist in aller seiner Pracht –
Und fern da draußen bei den Kirchhoflinden
Sind die mich liebten alle schon zu finden.

Im Sturme.

Ich höre dich in Donnersturmeswehen,
Erhabner Gott, – die stärkste Eiche bricht,
Ich falle nieder auf mein Angesicht,
Im Staube deine Allmacht anzuflehen.

Ich werde wie ein dürres Blatt verwehen,
Du aber wandelst ewiglich im Licht,
Kennst das Entstehen und Vergehen nicht,
Kannst aus der Hand Millionen Welten säen.

Zertritt mich nicht, schon in der Kindeszeit
Verehrt' ich dich mit grenzenlosem Grauen,
Mein ganzes Leben hab' ich dir geweiht,

Du ließest mich auf Erden Hütten bauen, –
Zertritt mich nicht, ich bin vor dir ein Nichts
Und zittre vor der Wage des Gerichts.

Im Walde.

Im Walde geh' ich traurig und verschneit,
Im Nebelgrau, des Schneees Riesenlast
Zerdrückt die müdgewordnen Bäume fast,
Vom Dorf herauf kommt abendlich Geläut.

Ich denke an die schöne Rosenzeit,
Voll seliger Blüte neigt sich jeder Ast
Und scheitelrecht verströmt der Sonne Glast
Vom Himmelsdome, der so hoch und weit.

Darf ich es wiedersehen? o mein Leben
Stürzt immer unaufhaltsamer dahin,
Bald über meinem Grab die Wolken ziehn, –

Doch meine Seele wird gerettet schweben
Mit jener Seele in das Morgenrot,
Die mich geliebt, geliebt bis in den Tod.

Führung.

Erhabner Gott, auf meinen dunklen Wegen,
Erhabner Gott, du bliebst mir immerdar
Und führtest meine Seele wunderbar
Durch Nacht und Grauen deinem Licht entgegen.

Ich brauche keinen Finger zu bewegen,
Mir, der ich immer ohne Waffen war,
Mir krümmten meine Feinde nicht ein Haar,
Noch alle sind sie deinem Blitz erlegen.

Gerade wenn die allertiefste Schmach,
Wenn alles Elend auf mein Haupt sich häufte,
Daß mir das arme Herz im Jammer brach,

Gerade dann der reichste Segen träufte
Von dir auf mich, und aus des Lebens Traum
Verlor ich mich im ewigen Sternenraum.

Rückblick.

Ich rechne ab mit einem reichen Leben,
Der Liebe Glück, der Freundschaft sanftes Licht,
Der schöne Hang zu Baukunst und Gedicht
Ward mir auf diese Erde mitgegeben.

Mit meinem Volke durft' ich vorwärts streben,
Bis es geglüht voll Siegeszuversicht,
Und wie nun mählich meine Kraft zerbricht,
Mir auch die letzten Wolken sacht verschweben.

Weitoffenen und klaren Blickes ruhte
Mein Auge auf dem bunten Schein der Welt,
Nie hat des Menschenwitzes Wortgetute

Die Stimme meines Innern übergellt,
Die stille Ahnung eines höchsten Wesens
Gab mir den Keim unsterblichen Genesens.

Abschied.

Ich seh' sie niederfallen Blatt für Blatt,
Die teuren Leben, die mich aufgerichtet,
Die mir das Herz durchfeuert und durchlichtet,
Daß es so lange widerstanden hat.

Nun such' ich selbst die letzte Lagerstatt,
Nachdem genug gerungen und gedichtet,
Aus Schutt und Staub das Gold herausgelichtet, –
Des Ruhmes müde und der Arbeit satt.

Und wieder blüht der alte Lindenbaum
Am Kirchhofthor und wirft die Honigblüten
Aufs graue Haupt dem Erdenstürmemüden,

Den es verlangt nach neuem Werdetraum,
Dem aus des Lebens irrem Kampf und Lieben
Ein Schimmer ewiger Seligkeit geblieben.

Mein Lied.

Den Sehnsuchtsdrang, den mir ein Gott gegeben,
Hab' ich ins Lied, als wie in Erz gegraben,
Sie mögen meinen müden Leib begraben,
Mein Dichterwort wird ruhig weiterleben.

Und köstlich, wie der firne Saft der Reben,
Wird es die künftigen Geschlechter laben,
Denn über dieses Erdenland erhaben,
Bis an das Licht der Sterne ging mein Streben.

Es war doch immer nur der eine Drang,
Der mich zum Lied fast wider Willen zwang,
Der Drang, das Rätsel dieser Welt zu lösen

Und Himmelshoffnung in die Brust zu stoßen,
Und dieser Drang, der alles Sein durchschauert,
Macht, daß mein Lied mein Leben überdauert.

Millionen.

Millionen seh' ich auf Millionen häufen,
Die Sklavenbande immer fester schnüren,
Des Volkes Wohlstand ins Verderben führen
Mit schwindelhaften Käufen und Verkäufen.

Bangt euch denn nicht vor nahen Schicksalsläufen,
Wenn sie den Riesenflammenholzstoß schüren,
Wenn aus den aufgebrochenen Geschwüren
Pestartig Blut- und Eiterstrüme träufen.

Ihr aber frevelt fort in blinder Wut,
Ihr aber schaut nur nach dem goldnen Kalbe,
Ihr aber meint, es werde alles gut

Durch kleine Mittel, augenblicklich halbe,
Man könne bannen diese Drachenbrut
Mit Armen-Sport und priesterlicher Salbe.

Geduld.

Nur nicht im Zorne wolle sie bekämpfen,
Mit holdem Lyraspiel, beim Becher Weins,
Im Silberblick des Maiensonnenscheins,
Laß uns die Flut der Nebelbilder dämpfen.

Ob auch die Menschheit längst in Sterbekrämpfen,
Das ist für uns ja nur das Reich des Scheins,
Wir dringen fort nach dem was ewig Eins
Und ewig heiter ist in allen Kämpfen.

Nicht mit dem Schwerte wolle sie bezwingen,
Doch wenn die Saiten deiner Leier klingen,
So tanzen sie bacchantisch um dich her.

Den Orpheus schon umtanzten wilde Schlangen,
Doch alle diese sind davongegangen –
Nun tanzen Hirsch und Wolf, und Stier und Bär.

Ausblick.

Ich sehe schaudernd, über Blut und Leichen
Geht meines Volkes Weg ins bessre Licht,
Ihm ist verhängt noch manches Strafgericht
Von Hungersnot, von Kriegen und von Seuchen.

Dann aber werden alle Schatten weichen,
Und eines neuen Glaubens Sonne bricht
Durch manches gottverklärte Angesicht,
Es kommt ein Geistesfrühling ohnegleichen.

Dann schüttert auch durch meine armen Knochen,
Dann längst in Staub vermodert und zerbrochen,
Des neuen Lebens Auferstehungshauch.

Mein Volk erinnert sich uralter Lieder,
Uralt vergessener – es blühet wieder
Auf meinem Grab der wilde Rosenstrauch.

Einst kommt ein Tag.

Einst kommt ein Tag – o höret auf den Weisen, –
Da ist der Himmel voll von Feuersglut –
Da ist die Erde voll von Haß und Blut,
Dem Goldzeitalter folgt die Zeit von Eisen. –

Da wird das Bettlervolk auf Purpur speisen –
Verbrecher gehen im hohen Fürstenhut,
Und frevelhaft, mit blindempörter Wut,
Wird man die Kreuze aus dem Boden reißen.

Ich sehe schon die fürchterlichen Zeichen,
Doch eher will ich einen Stein erweichen,
Als wecken euch mit meinen Tubastößen, –

Wenn so der Erdenkreis in Blut gebadet,
Erscheint der Held, von seinem Gott begnadet, –
Selbst Luther nicht kann ihm die Riemen lösen.


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