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III. Neues Leben.

Kommt mir nach mildem Morgen
Die hohe Mittagsrast,
Lädt mich nach Gram und Sorgen
Der Friede hold zu Gast?

Es zittert über dem Hügel
Die Luft, so warm ist sie,
Es singt, und schwingt die Flügel
Der Vogel und weiß nicht wie.

Es wogt um die blühenden Bäume
Ein silberheller Duft,
Es hangen Wunderträume
Und Lieder in der Luft.

O sprächst du Worte mir mit sanftem Ton,
Daß meiner Seele sie den Frieden brächten,
Denn wie viel heiße Thränen hab' ich schon
Um dich geweint in sternlos dunklen Nächten.

Auch heut im Traume warst du mir so gut,
Am Bach der Heimat sind wir hingegangen,
Maiblumen spielten an der klaren Flut,
Darüber sah man Weidenbäume hangen.

Es war ein Frühling über alles Land
Bis in des Thalgrunds Tiefen ausgegossen,
Wir gingen immer weiter, Hand in Hand,
Von einer stillen Seligkeit durchflossen.

Und alles Weh, das ich an dir gethan,
Es war gesühnt, auf immer überwunden,
Wir sahen uns mit hellen Augen an –
Es war so schön, da war der Traum verschwunden.

Mich weckt als wie von Rosen
Ein märchenhafter Hauch,
Ich freue mich am Großen
Und am Geringsten auch.

Der Kindheit Tage kommen
Mir wieder sonnenklar,
Die träumerischen frommen,
Da ich so glücklich war.

Du wurdest mir Madonne,
Der Gnadenmilde voll,
Mein heilger Liebesbronne,
Mein Hort in Gram und Groll;
Aus deinem Auge scheinet
Ein blauer Wunderschein,
Mein Herz vor Freude weinet,
Wenn ich gedenke dein.

Weit bin ich umgefahren
Im rauhen Büßerhemd,
Mit sturmverwehten Haaren
Und war mir selber fremd.
Du zeigst mir wieder offen
Mein grünes Heimatthal,
Gabst mir ein süßes Hoffen
Nach langer Todesqual.

Die Quellen meines Lebens,
Sie strömen auf zu dir,
Die Unruh meines Strebens
Besänftigst du in mir;
Zu reineren Gestalten
Zogst du mich an das Licht,
Ich muß die Hände falten,
Seh' ich dein Angesicht.

Du wurdest mir Madonne,
Der Gnadenmilde voll,
Mein heilger Liebesbronne,
Mein Hort in Gram und Groll;
Aus deinem Auge scheinet
Ein blauer Wunderschein,
Mein Herz vor Freude weinet,
Wenn ich gedenke dein.

Nicht mag ich mich legen ins kühle Grab,
Mein Kind, weil ich so lieb dich hab' –
Ich schliefe sonst so gerne
Den bösen Leuten ferne.

Zu meinen Füßen rauscht der Wald
Und sagt, nun ist die Hochzeit bald,
Eh' die Lerchen zum Meere stiegen
Und Blätter am Boden liegen.

Vom Himmel strahlt ein schöner Stern
Und mahnt mein Herz an die Gnade des Herrn,
Er hat uns soweit geleitet,
Um uns seinen Mantel gebreitet.

Eine Rose brech' ich vom Felsenrand,
Die will ich legen in deine Hand,
Die Rose wird bald vergehen,
Unsre Liebe wird ewig bestehen.

Muß ich morgens früh aufstehen,
Möcht' ich gleich zur Liebsten gehen,
Klopfen leis an ihre Thür,
Hab' die Nacht von ihr geträumet,
Und nun schon mit Gold gesäumet
Geht die Sonne stolz herfür.

Ueber Bergen, über Thalen
Gießt sie ihre reinen Strahlen,
Und ich bin entzückt davon,
So mit deiner Lieb' und Milde
Scheinst du auf mein Herzgefilde,
Und es ist mein schönster Lohn.

Wohl bedeckt mit Eis und Schnee
Ist der Bach, allein ich gehe,
Wie im schönen Monat Mai,
Wenn um mich die Vögel singen,
Und mir süße Düfte bringen
Anemon' und Akelei.

Wie stieg der Mond so voll
Herauf am Bergeshange,
Und meine Seele schwoll
Von liebendem Gesange.

Im Strahle seines Lichts
Bin ich bei dir gesessen,
Hab' deines Angesichts
Hellschönen Geist ermessen.

Es wurde mir zu Mut,
Als ob mir gegen innen
Mit leisgedämpfter Glut
Die Freudethränen rinnen.

Des Lebens Rätsel kam
An mich herangetreten,
Doch nicht als dumpfer Gram,
Es war ein tiefes Beten.

Ich sah zu dir empor,
Als wie aus Kindesträumen,
Als ob ich mich verlor
In Paradiesesräumen.

In hoher Schöne wandelt
Dein Bild durch diese Welt,
Daneben wird gehandelt,
Geschachert und vertändelt,
Und klirrt das rote Geld.

Du hörest nur die Lieder,
Die der Geliebte singt,
Der immer neue wieder
Vom Himmelreich hernieder
Als Morgengabe bringt.

So gehn mir traumversunken
Durch diese Todeswelt,
Von ewger Liebe trunken
Und von den Siegesfunken
Des höchsten Glücks erhellt.

Nun ist der Frühling doch gekommen,
Der Himmel steht so licht und rein,
Es glüht, vom Morgenrot durchglommen,
Hoch auf dem Berg der Fichtenhain.

Nun flimmert um die grauen Türme
Der Nebel als ein Silberrauch,
Vergangen sind die schweren Stürme,
Es kam ein linder Lebenshauch.

Und wie nun fromm die Glockenblume
Ihr Auge aufschlägt himmelan,
So blühst du mir zu Gottes Ruhme
An meiner steilen Pilgerbahn.

Was könnte mir der Frühling geben,
Das du nicht noch viel reicher giebst,
Was möchte noch mein Herz erleben,
Seit du mich unaussprechlich liebst.

Wie grünen jetzt die Buchen
An steiler Bergeswand,
Laß uns die Pfade suchen
In jenes Wunderland,

Wo sonder Kampf und Lehre
Die Schönheit still gedeiht,
Aus aller Angst und Schwere
Die Seele sich befreit.

Da siehst du Berge ragen
In hoher Mittagsglut,
An ihre Wurzeln schlagen
Des Meers tiefblaue Flut.

Da will ich dir bedeuten
Die Stadt am Tiberstrom,
Wenn schon das Aveläuten
Erklingt vom Petersdom.

Da singst du leis mir wieder
Im goldnen Abendschein
Der Heimat ferne Lieder,
Und wiegst mich lächelnd ein.

Die Pfade sind vergessen.
Die Blumen sind verblüht,
Wo wir dereinst gesessen
Mit trunkenem Gemüt.

Auf unsre Seelen thaute
Ein Frieden wie noch nie,
Es klang wie Harfenlaute
Voll tiefster Poesie.

Die Thronen sah ich rollen
So selig und so wahr
Aus deinem wonnevollen,
Verklärten Augenpaar.

Des Himmels Wolken hingen
In rosenrotem Kranz,
Des Waldes Bäche gingen
Im letzten Abendglanz.

Und alle Vogel sangen
Im Laube, grün und dicht,
Dies alles ist vergangen,
Nur unsre Liebe nicht.

Ihr Hügel der Heimat,
Voll grünendem Wein,
Ihr waldreichen Thäler
Im Goldsonnenschein.

Mit moosigem Haupte
Du mächtiger Turm,
Wie weht um den Kranz dir
Maiblüten der Sturm.

Du Haus meiner Liebe,
Mit Rosen umhegt,
Von der Lieblichen selber
Gepflanzt und gepflegt.

Es nisten die Vöglein
Mir unter dem Dach,
Und es flüstert so traulich
Vorüber der Bach.

Es kommen die Freunde
Zum fröhlichen Schmaus,
Und der Segen der Götter
Durchfriedet das Haus.

Nun kam der Lenz im Sonnenschein,
Nun singen alle Vögelein,
Die Linde grünt am freien Platz,
Ein Zweiglein bring' ich meinem Schatz.

Von Nacht umfangen war ich eh',
Nun ist vergangen Leid und Weh,
Nun sinkt der Hoffnung süßer Thau
Auf mich herab vom Himmelsblau.

Nun hängt die Schwalbe bald ihr Nest
An unsrem frohen Hause fest.
Und Blumen blühen ohne Zahl
In unsrem schönen Heimatthal.

Es geht im Drang der Leiden
Aus meiner Brust ein Strahl:
Wie bald muß ich dich meiden,
Mein schönes Heimatthal,
Das einst mit Blütenbäumen
Die Jugend mir verhüllt,
Das ich mit Dichterträumen
Und Harfenklang erfüllt.

Doch du, die ich erlesen
In diesem Erdenland,
Die Alles mir gewesen
Was ich auf Erden fand,
Die mit der Seelenmilde
Und reinen Kindeslust
Das Stürmende und Wilde
Getilgt aus meiner Brust, –

Die sich mit Geistesbanden
In meinen Geist geschmiegt,
Die jedes Glück bestanden
Und jedes Leid besiegt, –
Du bleibst – und ob zerstiebe
Mein Herz im jähen Tod,
Folgst mir mit deiner Liebe
Ins ewige Morgenrot,

Herbstrose, du weiße, mit zitterndem Schein,
Nach des Sommers verderblichem Toben,
Mahnst mich an ein Antlitz, so rührend und rein,
Das mich aus des Lebens mildwogender Pein
Zu seligen Höhen gehoben.

Hell blitzt auf den zierlichen Blättern der Thau,
Gesunken am leuchtenden Morgen,
Umhaucht von des Nebels versilbertem Grau,
Ich denk' an dein Auge, voll sonnigem Blau,
Auslöschend die irdischen Sorgen.

O himmlische Schönheit, aus himmlischem Licht
Gesenkt in vergängliche Hülle,
Stillheilige Blüte, du ahnest es nicht,
Daß aus deinen Zügen, den lächelnden, bricht
Des ewigen Lebens die Fülle.

Im Wandern.

Wohl die Welt hab' ich gesehen.
All' die Städte, stolz und hehr,
Berge, die in Wolken stehen,
Und das grenzenlose Meer.

Honigsüße Weine schäumen
Tag für Tag mir im Pokal,
Noch aus allen meinen Träumen
Taucht hervor mein Heimatthal.
Und als er müd war bis zum Tod,
Da sank er hin und schlief;
Wohl von dem Baum die Amsel rief:
Was schlummerst du so tief, so tief,
Schon kommt das Abendrot.

Schon kommt das kühle Abendrot
Von Nordlands Bergen her,
Die Nacht ist kalt so sehr, so sehr,
Dein armes Herz ist's noch viel mehr,
Bis morgen bist du tot.

Volkslieder.

Die Herzen sind vermodert,
Vergessen o wie lang,
Ihr heilig Feuer lodert
Noch immer im Gesang.

Da rührt sich neu die Klage,
Und Lieb' und Luft und Groll,
Uralte schöne Tage
Umwehn uns wehmutsvoll.

Jahreszeiten.

Eisesblumen stehn am Fenster,
Sehn dich an so todeskalt,
Durch den blauen Nebel blickst du
Sehnsuchtsvoll zum fernen Wald.

Bald zerfließt zu Freudethränen
Alles Eis im Sonnenschein,
Und die echten Blumen kommen,
Und die ganze Welt ist dein.

Leise, leise regt sich schon der Frühling
In den Gräsern, in den grauen Knospen,
In den Wolken, die am Himmel gleiten,
Rosig angehaucht vom Morgenrot.

Und schon prüft sein erstes Lied der Vogel,
Und des Himmels Bläue leuchtet wieder
Köstlich duftend nieder zu der Erde,
Und die Berge sind voll Sonnenschein.

Helle Blütenbäume
Auf dem Hügel droben,
Ernste Waldessäume,
Neu vom Grün umwoben.

Feine Bergeszüge
In der Ferne blauen,
Rasche Vogelflüge
Ueber Blumenauen.

Hohe Maiensonne
Auf der stillen Heide,
Paradieses-Wonne
Nach des Winters Leide.

Schon darf die Erde prangen
In ihrem Feierkleid,
Und wieder ist vergangen
Der Menschen Herzeleid;

Und nimmer blickt durch Thränen
Ein Auge, trüb und nacht,
Seit sich die Berge dehnen
Voll Glanz und Farbenpracht.

Seit klare Quellen rauschen
Vom nahen Felsgestein,
Die Vögel Lieder tauschen
Im Obstbaumblütenhain;
Seit in den Wälderschluchten
Bergblumen, groß und licht,
Empor zu heben suchten
Ihr Sonnenangesicht.
Nun die Wolkenschatten jagen
Ueber die besonnten Felder,
Haben grünend ausgeschlagen
Meiner Heimat Buchenwälder.

Schimmern alle Felsenflanken,
Wie getaucht in Gold und Feuer,
Und die Steinlevkojen schwanken
Aus dem triefenden Gemäuer.

Unter Trauerweiden drängen
Sich des Flusses blaue Wogen,
Und mit neuen Lustgesängen
Sind die Schwalben eingezogen.
Nun die ersten Blüten wieder
Auf die stillen Gräber fallen,
Klingen wehmutsvoll die Lieder
Duftberauschter Nachtigallen.

Bebt es in den jungen Trieben,
So die Gräber grün umfloren,
Und wir denken an die Lieben,
Die mir alle schon verloren.
Um die Zeit der Sonnenwende
Wird mein Herz von Kummer schwer –
Blumen blühen ohne Ende,
Duften köstlich um mich her.

Rosen stehn an jedem Hage,
Alles schwelgt in Glanz und Glück,
Aber ach seit jenem Tage
Geht der Sonne Kraft zurück.

Und die Vöglein, die so heiter
Schlugen in dem grünen Wald,
Singen wollen sie nicht weiter,
Und die Welt wird still und kalt.

Rasch entblättert sich die Rose,
Hat der Fink sein Nest gebaut,
Duftlos blüht die Herbstzeitlose
Und das rote Heidekraut.

Nach des Frühlings reichen Wonnen
Blühn sie jetzt mit leisem Weh,
Sich noch kurze Zeit zu sonnen,
Eh' sie deckt der tiefe Schnee.
Das sind die letzten schönen Tage,
Vergangen ist des Sommers Traum,
Schon fällt das Laub mit leiser Klage
Herunter von dem Lindenbaum.

Die Wälder goldrot sich verfärben
Und strahlen hell ins Himmelblau,
Hold grüßen mich vor ihrem Sterben
Die letzten Blumen auf der Au.

Und heute scheint mit ihrem Schimmer
Die goldne Sonne noch einmal
So seelenvoll, als kehre nimmer
Der Winter in mein grünes Thal.
Plötzlich bist du eingewintert,
Mein geliebtes Thal,
Draußen bei der Friedhoflinde
War ich noch einmal.

Eben noch die letzte Rose
Sah ich aufgeblüht,
Wie sie aus dem dunklen Moose
Hold mich angeglüht.

Eben noch vor wenig Tagen
Hat aus voller Brust
Eine Drossel mir geschlagen
Von des Frühlings Luft.

Doch der Frühling ist so ferne,
Der mein Herz erfreut,
Und der Schneesturm seine Sterne
Auf die Erde streut.
Wie wenn der Frühling nahte,
So singen die Vögelein,
Als ein Strahl der göttlichen Gnade
Fließt heute der Sonnenschein.

Ich möchte wieder gehen
Hinüber über den Wald,
Da liegen blaue Berge
Von lockender Gestalt.

Ich möchte wieder gehen,
Ein Wandrer, still erfreut,
Und sie alle wieder sehen,
Die weit in der Welt zerstreut.
Ihr silbernen Tage, nun seid ihr nicht mehr,
Noch blühten die Veilchen am Walde,
Nun liegen die Felder so traurig und leer,
Und der Nebel steigt auf aus der Halde.

Das Vöglein ist fort, das so traulich sich schwang
Herab von der duftenden Linde,
Vergangen die Lust und der Freudengesang,
Und die Blätter verwehen im Winde.

Ein Grab.

Am Fest der Sonnenwende,
O Vater, schiedest du,
Und gingst aus Kampf ohn' Ende
Dem ewigen Frieden zu.

Um deinen Hügel blühen
Die Rosen gar so schön,
Und Abendwolken glühen
Sanft aus des Himmels Höhn.

Tief hängt die Trauerweide
Herab ihr grünes Haar,
Drauf singt von Wald und Heide
Ein Nachtigallenpaar.

Der Engel Gottes sitzet
Am Grabe groß und licht,
Ein Strahl der Gnade blitzet
Von seinem Angesicht.

Das Kind.

Ich irr' auf öder Heide
Ums harte Felsgestein,
Mir singt in meinem Leide
Ein schwarzes Vögelein.

Es singt von einem Feste
Und einer holden Braut,
Da traf die Hochzeitgäste
Ein jäher Klagelaut.

Da hat der Todesengel
Sich auf das Kind gebückt,
Das mit dem Lilienstengel
Zum Feste sich geschmückt.

Da fiel Cypressenschatten
In dieses frohe Haus –
Die sich gefreuet hatten.
Sie gingen still hinaus. – –

Im lichten Feierkleide
Bestatteten sie dich –
Ich irr' auf öder Heide
Und weine bitterlich.

Margareta.

Wildröslein blühen auf der Heide
Und spenden ihren süßen Duft,
Es schwebt im bunten Flügelkleide
Ein Falter durch die blaue Luft.

Versilbert stehn des Waldes Säume
In scheitelrechter Sonne Glast,
Aus nacktem Fels drei Lindenbäume
Gewähren uns willkomm'ne Rast.

Ein altes Kreuz aus grauem Steine
Steht schief darunter, dicht bemoost,
Hier hat dereinst im Abendscheine
Ein ländlich Liebespaar gekost.

Der junge Schäfer ward erschlagen
Im Feld, – die junge Schäferin,
Wo jetzt die Lindenbäume ragen,
Trug man die Frühentseelte hin.

Still senkten sie hinein die Bahre,
Noch steht am Kreuze Margaret,
Daß es der Wanderer erfahre,
Wer sinnend dran vorüber geht.

Der Pilger.

Graue Wolken fliegen um das Thal,
Wo die Rosen still und sanft verwelken,
Wo, gelockt vom letzten Sonnenstrahl,
Auf der Heide blühn die Felsennelken;

Wo ich sang manch traurig schönes Lied
In der Jugend von der Liebe Sehnen,
Hin ist hin, der holde Frühling schied,
Farbenloser sich die Tage dehnen.

Daß ich sinken dürfte in das Grab,
Dürfte schlafen viele tausend Stunden,
Nackt geschält ist längst mein Wanderstab,
Lust und Leid hab' ich so viel gefunden.

O mich dürstet nach dem Gotteswein,
Möcht' am Tisch des ewigen Vaters sitzen,
Heilig bricht der Abend schon herein
Und die Sterne der Verheißung blitzen!

O steige mir nicht in den Nebel hinein,
Hier oben ist herrlichster Sonnenschein,
Hier oben da dehnt sich der Himmel so frei
Und schwingt sich in prächtigen Kreisen der Weih.

Im nebligen Meere die Welt sich verlor,
Nur als Inseln noch ragen die Berge hervor,
Die waldigen Berge, wie schön ist es hier,
O du Stern meines Lebens, o bleibe bei mir.

Als Fremdlingin stehst du
In deiner Umgebung,
Doch höchste Belebung
Und heiligen Frieden in Fülle verwehst du.

Und all das Getriebe,
Das Werkeltagstreiben,
Muß ferne dir bleiben,
Fortträumst du vom Garten der ewigen Liebe.

Schwermütig ragst du
Herab in das Dunkel,
Doch vom reinen Gefunkel
Der eigenen Schönheit durchschimmert, nicht klagst du.
In jene Thäler möcht' ich ziehen,
Wo mich mit deinen Melodieen
Umrauscht der hohe Buchenwald,
Welch reiches Leben in den Wipfeln,
Und strahlend auf der Berge Gipfeln
Gebrochne Burgen, stumm und alt!

Ein Zauber liegt auf diesen Gauen,
Wie golden ist das Land zu schauen
In seinem herbstlich bunten Kleid,
Vom Weltgetümmel abgeschieden,
Ruht es in wunderbarem Frieden,
In gotterfüllter Einsamkeit.

Oft wenn die Abendwolken kamen,
So blick' ich durch die Fensterrahmen
Verlangend in das blaue Land; –
Entflohen sind die frohen Lieder
Aus meiner Brust, wann streif' ich wieder
Mit dir im Walde Hand in Hand?
Was ich zu dir empfinde,
Das spricht kein irdischer Mund,
Das lebt als Klang tief wunderbar,
Unfaßbar und doch ewig wahr,
In meiner Seele Grund.

Und wenn du mich verlassen,
So ist das eitel Nichts,
Du kannst von mir nicht lassen,
Du müßtest eher hassen
Die Bahn des reinen Lichts.

Ein Traum ist unser Leben,
Voll Sehnsucht und voll Angst,
Ich aber kann dir geben,
Daß du im ganzen Leben
Nicht irrest und nicht bangst.

Was ich zu dir empfinde,
Das spricht kein irdischer Mund,
Das lebt als Klang tief wunderbar,
Unfaßbar und doch ewig wahr.
In meiner Seele Grund.

Wanderlust.

Drei Vöglein sah ich schweben
Den fernen Bergen zu –
Sie flogen mit leisem Singen,
Und thäten sich aufwärts schwingen,
Mein Herz verlor seine Ruh.

Ich dachte der Frühlingstage,
Voll heller Blütenpracht,
Nun ist die Sonne gesunken,
Das Thal vom Nebel trunken,
Die Blätter fallen sacht.

Der Sturm fängt an zu blasen,
Es regnet und es schneit,
Es kommen mir die Thränen,
Ich denk' mit stillem Sehnen
An neue Wanderzeit.

Weißt du?

Weißt du, wann du sterben mußt,
Wann du darfst die Flügel heben? –
Darum soll in deiner Brust
Nie ein Liebesklang verbeben.

Sprich ihn rasch und köstlich aus,
Ohne Furcht und ohne Zagen,
Eh' sie dich ins dunkle Haus
Unter Leid und Thränen tragen.

Mancher kehrte gern zurück,
Doch er darf nicht wiederkommen,
Und hat sein und fremdes Glück
Mit sich in das Grab genommen.

Ahnung.

Wie die zarte Kirschenblüte
In dem dunkelgrünen Wald,
Wirkt auf mich mit ihrer Güte
Deine himmlische Gestalt.

Leise Wehmut überschauert
Meines Herzens tiefste Kluft,
Denn mir ist, nicht lange dauert
Deiner Schönheit Zauberduft.

Bald wird dich von hinnen rufen
Rätselhaftes Götterwort,
Aber auf des Tempels Stufen
Flammt dein Bild uns ewig fort.

Wo sind die Zauberlieder?

Wo sind die Zauberlieder,
Die du geträumet hast.
Der Tag erscheinet wieder
Mit seiner Zentnerlast,
Aufsteigt ein schwüler Morgen,
Voll trübem Wolkenrot,
Voll Kummer und voll Sorgen,
Und sterbensbittrer Not.

Wo sind die Geistertöne,
Die du gehörest hast,
Voll heilig milder Schöne,
Voll süßer Himmelsrast,
Aufsteigt ein schwüler Morgen,
Voll trübem Wolkenrot,
Voll Kummer und voll Sorgen
Und sterbensbittrer Not.

Nirwana.

Längst hatte mich der Schlaf gemieden,
Mein Auge war verwacht und rot,
Da trat mit seinem ewigen Frieden
An meine Lagerstatt der Tod.

Er kam in jenem schönen Bilde,
Das Haupt umkränzt von dunklem Mohn,
Und seine Anmut, seine Milde,
Sprach jedem Furchtgedanken Hohn.

Er küßte mich, und wieder, wieder,
Im heißen Herzen brach die Glut,
Es rann durch alle meine Glieder,
Wie selig das Erlöschen thut.

In seinem Blicke sah ich leuchten
Ein Licht aus seinem Geisterland,
Die Augen, ach, die thränenfeuchten,
Sie waren mir so wohlbekannt.

Spätherbst.

Spätherbstabenddämmerung,
Müde Wolkenzüge,
Dort ein Schein, als ob den Lenz
Er von dannen trüge.

Traurig auf der Wiesenflur
Die zerstreuten Bäume
Tragen noch das welke Laub,
Wie vergessne Träume.

Nebel steigen aus dem Grund,
Silberreine Schatten,
Sind's die Seelen, welche dich
Einst geliebet hatten?

Jugend.

Vor meinem Auge webte
Die Welt als Frühlingstraum,
Den froh mein Geist durchschwebte,
Der Hauch der Sehnsucht lebte
In meiner Seele kaum.

Mit wunderbarer Milde
Beglänzte meinen Pfad
Der Schönheit Lichtgebilde,
Aufs irdische Gefilde
Vor mich ein Engel trat.

Ich kann es nicht vergessen.
Das himmlisch reine Glück,
Schon rauschen die Cypressen,
Ein Heimweh unermessen
Zieht mich zu Gott zurück.

Im Winter.

Solang es fest gefroren,
Da fiel kein welkes Laub,
Heut scheint so warm die Sonne,
Nun sinkt es in den Staub.

So lang des Kampfes Brände
Mir um der Stirne loh'n.
Wird nimmermehr das Ende
Des Lebens mich bedroh'n.

Wenn aber tiefster Frieden
Und höchste Liebe mein,
Dann ist auch mir beschieden
Der Tod im Sonnenschein.

Die Rebe.

Ob ich den Frühling noch erlebe,
Das ruht in Gottes starker Hand,
Schon aber wein' ich, wie die Rebe,
Die mit zerschnitt'nem Bast-Gewebe
Hell thränt an steiler Bergeswand.

Das arme Reis, von rauhen Händen
Verstümmelt – unverwundet blieb
Ihm keines seiner zarten Enden,
Bald aber wird's zur Sonne wenden
Manch neuen, hoffnungsreichen Trieb.

Unsterblich seine Wurzel nähret
Sich aus dem tiefsten Felsgestein,
Von wonnesamem Weh durchgäret,
Bis sie zuletzt der Welt gewähret
Zum Nachtmahl den Versöhnungswein.

Trost im Liede.

Was wär' ich ohne euch gewesen,
Ihr Liedertöne, leicht und lind,
Indes die Andern stumm sich äßen,
Strömt ihr ein himmlisches Genesen
In meines Lebens Labyrinth.

Ihr seid der ungetrübte Bronnen,
Draus echtes Gold entgegenblinkt,
Derweilen in des Reichtums Tonnen,
Von Sklaven-Blutschweiß überronnen,
Europa vollends untersinkt.

Und jene lächelnden Gestalten,
Die meines Lebens Pfad erhellt,
Vermag ich leuchtend festzuhalten,
So zeigen uns des Bernsteins Falten
Manch Bild aus fremder Wunderwelt. –

Oft sinken jählings meine Glieder
Verschmachtend auf das Felsgestein,
Da blickt der Ewige hernieder,
Und sendet seinen Engel wieder,
Der flößt mir neue Lieder ein.

Oden.

Ihr milden Thäler, nehmt den Genesenden
In eure Schatten, deckt ihn mit Blumen zu,
Weckt mir aus euren Schluchten auf die
Bilder der ewig von mir Geliebten.

Schon zieht der Frühling über die Lande hin,
Erfüllt den Wald mit schwellendem Knospenhauch,
Und voller brechen schon die Bäche
Aus des Gebirgs granitnem Herzen.

Am Lebensabend, nahe der Götternacht,
Sitz' ich am uralt heiligen Lindenbaum,
Und über mir in hellen Scharen
Weiden am Himmel die Silberwolken.

O meine Heimat, ähnlich Italia's
Geweihten Fluren, wo im Dezember noch
Die Rose blüht und Frühlingslüfte
Ueber das herrliche Thal sich legen.

Noch immer steig' ich fröhlich im ersten Strahl
Der Morgensonne zwischen dem Rebgeländ'
Bis zu des Föhrenwalds gewölbten,
Rauschenden Wipfeln, den piniengleichen.

Noch immer wall' ich sinnend im Abendrot
Die sachten Wege, wo die Cypressen stehn,
Und um die Male meiner Lieben,
Bangend im Winde, die Trauerweiden.

Auch heute wieder glühte, wie klares Gold,
Die Wintersonne durch das Cypressenlaub,
Und ein Gefühl, von Gott gesendet,
Ewiger Frühling ergriff das Herz mir.

In meiner Jugend sang ich so manches Lied,
Voll süßen Wohllauts, – nun ich gealtert bin,
Quillt immer noch dieselbe Weise
Ueber die Seele, wie Wundenbalsam,

In meiner Jugend stöhnte Germania,
Zerstückt am Boden, – nun ich gealtert bin,
Streckt die durch Schlachtenblut geheilte
Flammend das Schwert in die Nacht der Zukunft.

In meiner Jugend rang ich den Göttern zu,
Voll Heimwehthränen, – nun ich gealtert bin,
Versinkt mein Haupt in tiefem Lauschen
Unter den Palmen des Paradieses.

Kapitel II

Sprüche.

Ich bin der Quell, der immer gießt,
Und nimmer doch versieget,
Ich bin das Herz, das ewig liebt,
Und allen Schmerz besieget.

Gieb, Vater, eine milde Nacht,
Gieb eine nur zum Laben,
Dann mag der Erde wilde Macht
Mich lang mit Thränen haben,
Nenn' mich im Traume, hell und lind,
Nur einmal dein geliebtes Kind.
Weiß nicht auf meinen Wegen,
Wohin das Haupt zu legen,
So leg' ich's, Herr, in deinen Schoß,
Damit ein Friede grenzenlos
Mir wieder strömt entgegen.
O Schlaf, wie bist du gütig,
Umfängst mich mitleidsvoll,
Daß wieder ich im Traume
Italien sehen soll.

O wenn dein stärker Bruder,
Der Tod, mich einst umwand,
So darf ich ewig schauen
In ein gelobtes Land.

Und möchtest Blut du weinen
Vor innrem Herzeleid,
Laß außen stets erscheinen
Die größte Heiterkeit.

Und glücklich wirst du machen
Auf jedem Schritt und Tritt,
Und wenn die andern lachen,
Lachst du von Herzen mit.
Gott gab nur eine Saite
Auf meine Geige mir,
Drauf spiel' ich auf der Heide
Von Lieb' und Lust und Leide
Schon vierzig Jahre schier.

Als in die Wolfsgrub' nieder
Fiel jener Geigersmann,
Da hub er immer wieder
Zu spielen seine Lieder
Auf einer Saite an.

Fromm lauschet unterdessen
Der grimmen Wölfe Schar,
Hatt' er des Spiels vergessen,
Sie hätten aufgefressen
Den Mann mit Haut und Haar.

Nie schlug mein Herz so voll und klar,
Als wenn es ganz verlassen war.
Alle Dichter mußt du loben,
Die dir bringen ihre Proben,
Und sie alle loben wieder
Dankbar schmetternd deine Lieder;

Bis der Tanz um goldne Kälber
Endlich auch um dich beginnt,
Und du steif und selig selber
Glaubst, du seist ein goldnes Rind.

Was nicht mit Schmerz geboren,
Geht wie ein Scherz verloren.
Mir schafft das Herz wie junger Wein,
Ist eines von den raschen,
Drum pfropft mich nur nicht jetzt schon ein,
Und zieht mich ab auf Flaschen.

Führt mich dem nächsten Keller zu,
Wo viele große Fässer,
Da lieg' ich euch in guter Ruh
Und werde immer besser.
Sie haben Kunst und Wissenschaft
Und wichtige Gebärden,
Doch er, dem seine Lebenskraft
In fortgesetzter Traumeshaft,
Was will er denn auf Erden?

Sie schlafen jede Nacht wie tot,
Er aber wacht in Thränen,
Und träufelt dann im Morgenrot
Liedhonig auf ihr täglich Brot,
Damit sie nicht mehr gähnen.
Wer so lustig immerdar,
Sollte niemals sterben,
Nur so lang er lebend war,
Lachten seine Erben.
Mich treibt ein Sehnen, weiß nicht wie,
Empor, ein grenzenloses,
Ihr aber steht am Sinai
Und wartet auf den Moses.

Arm, wie jetzt, an Poesie
War gewiß die Welt noch nie,
Doch es kommt in kurzer Frist,
Daß die jetzt so ganz auf Erden
Unter Thränen rufen werden:
Gebt uns, was vom Himmel ist,
Alle unsre Pferdekraft
Nimmer doch den Frieden schafft,
Gebt für all' die Eisenbahnen
Nur ein einzig göttlich Ahnen!

Sei gänzlich Wurm, sei Wurm an sich
Und auf dem Bauch so lange,
Bis daß sie anerkannten dich,
Dann aber wachse fürchterlich
Empor zur Riesenschlange.

Mit dem Tode nicht beschlossen
Wird des Dichters großer Schmerz,
Rasch in unvergänglich Erz
Wird sein Jammerbild gegossen.

Mögt regieren, richten, reimen,
Bleibt doch, wie der Bel zu Babel,
Miserabel,
Außen Blech und innen Leimen.

Hau' durch, du hast ein gutes Schwert,
Gefeit vom Geist der Toten,
Nie nach Unsterblichem begehrt,
Und die der Pöbel stets entehrt,
Hau' durch, du hast ein gutes Schwert,
Hau' durch durch alle Knoten!

Käm' in die Welt nochmals der schmählich gekreuzigte Christus,
Trieb' er in heiligem Zorn alle zum Tempel hinaus

Scheid' ich, vom Tode verklärt – zerglüht mir in Asche die Knochen,
Die mir das Ketzergericht lebend so gerne verbrannt.

Freiheit, Gleichheit und Licht! Gewaltsam regt sich das Volk auf,
Redet, wie Apis, der Stier, in der ägyptischen Nacht.

Wolle nicht in ihre Hände fallen,
Halte dich von ihrem Golde frei,
Fällt dein Herz in ihre Tigerkrallen,
Ist dein Herz dem ewigen Tod verfallen,
Ist's mit seiner Seligkeit vorbei.

Und am Staube kriechst du, wie die Schlange,
Und vom Staube nährst du dich mit Lust,
Schaffst an deines Volkes Untergange,
Nicht von Liedern, noch von Harfenklange
Klingt es mehr in deiner öden Brust.

O dieses Himmels sanftes Blauen
Trifft wonneselig mein Gemüt,
Bald zieht der Frühling auf die Auen,
O dürft' ich ihn noch einmal schauen
Fern im geheimnisvollen Süd!

In dieses Nordens trübem Gären,
Da werd' ich nimmermehr gesund,
Da bleichen des Gedankens Aehren,
Da geht man unterm bombenschweren
Gewicht des Blödsinns rasch zu Grund.
Vielarme Nachtigall,
Was hast du dich verloren
In diesen Dichterstall,
Auftauchen überall
Die längsten aller Ohren.

Wildrauh und fürchterlich
Die Dromedare dröhnen
Im Dienst des Ewigschönen,
Ein jedes Lied ein Stich
Im Herzen der Kamönen.

Die Rosen
Hab' ich und die Dornen nehm' ich,
Die Menschen lab' ich und mich selbst verfehm' ich,
Mein Leib zerbricht, doch immer stärker glutet
Mir Gottes Licht, derweil mein Herz verblutet.
O weh, wie bist du reich,
Und viele reich du machtest,
Doch einem Bettler gleich,
Du tief vergessen schmachtest.

Des Liedes Blume giebst
Du fort in vollen Garben,
Doch wie du lebst und liebst,
Sollst du in Fülle darben.

Es nagt an deiner Brust
Der Gram mit wilden Zähnen,
Es kommt dir jede Lust
Nur erst im Strom der Thränen.

Ein Fremdling und ein Kind
Wirst du auf Erden bleiben.
Bis der Novemberwind
Dich muß zum Grabe treiben.

O selig, jede Kraft
Zur Segenskraft gemildert,
Die einst als Leidenschaft
In mir emporgewildert.

Aus all dem schwülen Schoß
Begehrend dumpfer Triebe
Blüht endlich mühelos
Die reine Menschenliebe.

Aus all der Glaubenssucht
Und Wissenswut hienieden
Reift nun als goldne Frucht
Der höchste Gottesfrieden.

O selig, jede Kraft
Zur Segenskraft gemildert,
Die einst als Leidenschaft
In mir emporgewildert.

O wer von jener Quelle hat getrunken,
Dem kann nicht flimmern mehr der feuchte Blick,
Der überwindet sein Geschick,
Und sei er auch im tiefsten Staub versunken.

Aufging die Welt ihm als ein Göttlich-Ganzes,
Daß wo er auch in ihre Tiefe dringt,
Ein Funken ihm entgegenspringt,
Der ihm die Schatten scheucht des Totenkranzes.

Still und einsam meiden wir
Immer mehr im Leben,
Denn das Herrlichste soll hier
Nur vorüberschweben.

Nur als kurzer Siegesstrahl
Trifft es unser Wesen,
Daß von tiefer Sehnsuchtsqual
Nimmer wir genesen.

Kurz ja nur den Sonnenschein
Trinkt das Reis der Reben,
Um nach langer Nacht als Wein
Leuchtend fortzuleben.

Mit wunderbarer Stille
Geh' ich durch alle Not,
Es führt mich Gottes Wille
Getreu bis an den Tod;
Er leitet mich hinüber,
Zu schaun, was ich geglaubt,
Wie trüber auch und trüber
Um mich die Erde staubt.

Die Sprache, die ich spreche,
O die versteht man nicht,
Die Blumen, die ich breche,
Erblühn im andern Licht;
Der füllt sich keine Truhe,
Der meiner warten muß,
Der legt die Pilgerschuhe
Nicht ab von seinem Fuß.

Es muß ein Tag der Rache kommen
Einst auch für dich, zertretnes Herz,
An dem das Siegel wird genommen
Von deinem ganzen heil'gen Schmerz.

Da werden wie geblendet stehen
Sie alle, die gehemmt dein Thun,
Doch wenn das alles wird geschehen.
Wirst du erlöst im Grabe ruhn.

War die ganze Woche Regen,
Wolkenhimmel, grau und dicht,
Samstags bricht mit seinem Segen
Sanft hervor das Sonnenlicht.

Kommt auch aus der schweren Hülle
Nur ein einziger blasser Schein,
Hoffnung lächelt er die Fülle
Uns ins dunkle Herz hinein.

Samstag, unser ganzes Leben
Ist mit dir vom selben Schlag:
Dir und uns liegt hart daneben
Heiliggroß ein Sonnentag.

Ich sprach mit dir, als reiner Balsam thaute
Auf mein Gefühl der sanfte süße Ton,
Es waren ja verwandte Seelenlaute
In dieser Welt, voll blindem Haß und Hohn.

Was ich seit vielen Jahren keusch verborgen,
Vereinsamt ringend in der wunden Brust,
Ums Himmelreich die rätselhaften Sorgen,
Verströmte da in froher Plauderlust.

Vom sel'gen Einklang gotterfüllter Geister
Empfand ich eine tiefe Ahnung schon –
Doch laß uns schweigen – denn wir sind nicht Meister
In dieser Welt, voll blindem Haß und Hohn.

Gezeichnet hatte er, gedacht, gedichtet,
Nur auf das Große war sein Sinn gerichtet
Und hatte keine Ruhe Nacht und Tag,
Ein trüber Hauch auf seinem Antlitz lag.

Nur oft sah man mit einem wundervollen
Geleucht aus seinem Auge Thränen rollen;
Die andern zogen unterdes am Karrn,
Und nannten ihn zuweilen einen Narrn.

Er sei zu gar nichts nütze, sagten sie,
Mit albernem Geschwätz ihn plagten sie,
Er aber schwieg, und als er heimging, sahn
Sie sich von ihm verklärt samt allem ihrem Wahn.

Ich Hab' dich nie gesehen;
Mich rührt dein holdes Bild,
Wie wenn in grauer Dämmrung
Noch Gold aus Wolken quillt.

Wie wenn auf eis'gen Höhen
Ein Duft weht süß und lind
Von fernen fremden Blumen,
Die längst vergangen sind.

An des Kalkgebirges Rande,
An dem jähen schattenlosen,
Blühet mild im Sonnenbrande
Gottgeweiht das Reis der Rosen.

Keine Nahrung, keine, keine,
Kann der harte Stein ihr geben,
Einzig aus des Himmels Reine
Fristet sie das arme Leben.

Aber ihre Blumen-Garben
Hängen um die Felsenklüfte,
Voll der schönsten Purpurfarben,
Voll der feinsten Balsamdüfte.

Also wirft ein Herz verklärend
Nach der Menschheit Jammerthalen
Einen Schein des Himmels, während
Es vergeht in seinen Strahlen.

Er deckt sich nicht im Kampfe,
Er achtet nicht der Schmach,
Bis daß im Todeskampfe
Die Klinge ihm zerbrach.

Er wirft den Schwertesstumpen
Den Feinden ins Gesicht:
Gehabt euch wohl, ihr Lumpen,
Der Tod besiegt mich nicht!

Was will die Lilie im Kartoffelfeld?
Sie blüht ins Grab, verzweifelnd an der Welt.

Er knickt mit seinem Messer
Das Dichterlingsgeschmeiß,
Das kann er alles besser,
Ein schwäbischer Professor
Mehr als der Himmel weiß.

Bis an die höchsten Namen
Spritzt er mit seinem Gift,
Weil sie dereinst nicht kamen
Durch unser Landexamen,
Geschweige denn ins Stift.

Bismarck.

Kaum ist der Mann gefallen,
Der übermächtig groß,
So bricht mit ihren Krallen
Erst recht die Meute los.

Dem Feind, der fiel im Streite,
Schlitzt man nicht auf den Bauch,
Man tritt versöhnt beiseite,
Das ist Germanenbrauch.

Ungefährlich scheint die Weise,
Die aus meinem Herzen rinnet,
Die zu Liedern, leise, leise
Klingend sich zusammen spinnet.

Und von diesen kleinen klaren
Silberglöckchen, die nicht rosten,
Soll kein Menschenkind erfahren,
Was sie mich am Leben kosten.

Moltke.

In sieben Sprachen hattest du geschwiegen,
Bliebst Meister in drei fürchterlichen Kriegen,
Um dich am Ende selber zu besiegen.

Dieselben Reime peitschen
Viel hunderttausendmal!
O Poesie der Deutschen,
Es steht um dich fatal!

Und auch der Griechenoden
Krystallne Gliederung
Lockt uns auf einen Boden,
Voll Sumpf und Niederung.

Aus urgermanischen Stäben
Und neustem Schwertesklang,
Soll wieder sich beleben
Der Barden Hochgesang.

III.
Episteln.

Auf allen Weg' und Stegen
Kommt Liebe mir entgegen,
Was Hab' ich noch zu thun,
Als selig auszuruhn.

An Wilhelm Hertz.

Weißt du, wo der grüne Flieder
Aus der Mauer wuchs heraus,
Dort am Bache, still und bieder,
Bei der Brücke stand dein Haus.

Und in das Gymnasium ranntest
Jeden Morgen du von da,
Ohne daß du mich schon kanntest,
Aelter du schon damals ja.

Saßen dort so manche Stunde
Auf derselben harten Bank,
Du der strahlende, gesunde,
Ich schon damals etwas krank.

Du blondlockig, groß von Kopfe,
Und in strammster Jünglingskraft,
Ich mit schwarz-braun schlichtem Schöpfe,
Schwer hinwandelnd, mädchenhaft.

Du begehrend und genießend,
Und von Freunden stets bedroht,
Ich asketisch mich verschließend,
Einsam denkend an den Tod.

Und erst als dem Schwabenlande
Du gedient als Lieutenant,
Haben wir am Neckarstrande
Gegenseitig uns erkannt.

Meine ersten trüben Lieder
Unterbreitete ich dir,
Und bedenklich schwankte nieder
Dein ambrosisch Haupt zu mir.

Was hier besser, meistens schlechter,
Wogest du mit ernstem Sinn,
Mit unendlichem Gelächter
Nahm ich aber alles hin.

Hattest nach dem Text der Lieder
Einen Andern mich geglaubt,
Noch bedenklicher hernieder
Schwankte dein ambrosisch Haupt,

Auch in spätern Jahren wieder,
Lieber Freund, zermalmtest du
Mir so manches meiner Lieder,
Aber nie den Mut dazu.

Und zuletzt, da auch die Lieder
Ueberkommen mein Humor,
Bog sich unbedenklich nieder
Zu mir dein ambrosisch Ohr.

Du der große weitberühmte.
Dem die fernste Sprache kund,
Ich der dunkle unverblümte
Mittelschwäb'sche Kindermund.

Du der steile Germaniste,
Schreibend manches Heldenbuch,
Ich der Nabelschau-Buddhiste,
Dem das Lied zerrinnt zum Spruch.

Als zwei grundverschiedne Fechter
Ziehn wir so dieselbe Bahn,
Und homerisches Gelächter
Zeigt uns schon von weitem an.

An Friedrich Vischer.

Edler Meister, nein, was denkst du,
Das Kollegiengeld mir schenkst du,
Weißt du nicht, daß ich das letzte
Hemd getrosten Muts versetzte,
Nur um dich zu hören.

Du der höchsten Schätze Hüter,
Der die wildsten Tiergemüter,
Jene technisch-rauhen Horden,
Drin auch ich erzogen worden,
Orpheusartig bändigt;

Und was höher noch geschworen,
Selbst sogar die Professoren,
Die in allem doch so weit sind,
Und in allem so gescheit sind,
Unablässig fesselt.

Nicht zu nennen die Philister
Bis hinauf zum Kriegsminister,
Die mit ihren reinen edeln,
Rührend zugekämmten Schädeln
Vor der Jugend leuchten! –

Schauern muß dir oft vor Wonne
Deine Seele, – eine Sonne,
Die da mächtig und vollendet
Geistesflammenpfeile sendet,
Wunderbar befruchtend.

Laß mit Worten und Gedanken,
Edler Meister, jetzt dir danken, –
Fahre fort, mein Herz zu stärken,
Daß ich einst mit meinen Werken
Würdiger dir danke.

An F. Freiligrath.

Bei des Frühlings erstem Wehen
Hab' ich gestern dich gesehen,
Und es ging mir schwer zu Sinn,
Daß ich dich noch nicht besuchet,
Billig hast du mir gefluchet,
Daß ich nicht ein andrer bin.

Alle Freuden, alle Sorgen,
Schieb' ich auf den nächsten Morgen,
Bis die Sonne untersinkt;
Darum ist es alle Tage
Meiner Frau die stete Klage,
Daß man mich zu gar nichts bringt.

Und doch hast du mir so schöne,
Prächtige Sonettentöne
Liebenswürdig zugesandt;
Noch dereinst in grauen Haaren
Werd' ich sie mir aufbewahren,
Als ein heilig Unterpfand.

Aber nun beim ersten süßen
Wehn des Frühlings muß ich grüßen
Lieblich dein getreues Herz;
Veilchen blühen schon in Fülle,
Und aus ihrer Knospenhülle
Strebt die Waldung himmelwärts.

Also mit dem Märzenwinde
Hauche um dein Haupt gelinde,
Dein ehrwürdiges, mein Lied;
Nach des Winters langer Dauer
Es wie Auferstehungsschauer
Durch die trunkne Seele zieht. –

Wieder mit des Frühlings Weben
Wunderthätig wir erleben
Neue Hoffnung in der Brust,
Was verloren und vergangen,
Ewig haben wir's empfangen,
Nimmer trübt uns der Verlust. –

Mit so holden Schmeicheltönen
Möcht' ich dich noch mehr gewöhnen
An das liebe Schwabenland;
Nimm sie gern die sanfte fromme
Weise, bis ich selber komme.
Dankend dir mit Herz und Hand.

An Jakob Burckhardt.

Wie hundertmal gedacht ich herzlich dein,
Der du des Hohen mir so viel gegeben,
In meiner Brust entfacht ein göttlich Leben
Durch deiner Worte milden Sonnenschein.

Wenn ich verdrossen sitze und allein,
Versponnen in gelehrte Spinneweben,
So laß ich deine Bilder mich umschweben,
Und in mein Herz zieht Glück und Frieden ein.

Fortrang ich mich durch Krankheit manches Jahr,
Drum hab' ich dir so lange nicht geschrieben,
Und doch für dich in meiner Seele war

Zu jeder Zeit ein unverbrüchlich Lieben,
Heut bot ein Lied der holde Lenz mir dar,
Das nimm als Gruß, daß ich getreu geblieben.

An Wilhelm Lübke.

Erhabner Freund, wie schlugst du die Philister
Des ungeschlachten edlen Schwabenstamms,
Die schwer hinwandeln in der Vater Wams
Und stets zusammenhalten wie Geschwister.

Ach, dieser Stamm, ganz ungebärdig ist er,
Und dennoch von der Milde eines Schwamms,
Und mit der Güte eines Opferlamms
Sogar das Ungeheuerste vergißt er.

Wie dank' ich's dir, dir danken's viele Tausend,
Die schon Jahrzehnte hinterm Bierkrug schalten,
Von hünenhafter Kampfbegier erbrausend.

Und in der Presse stets den Mund gehalten, –
Da kommt der Held, scharf mit dem Schwerte sausend,
Man giebt ihm recht – dann aber bleibt's beim Alten.

An Heinrich Schliemann.

Homerisch blind, gleich einem Homeriden,
Drangst du hinunter in der Erde Schoß,
An Glauben und an Hoffen riesengroß,
Bis du entdeckt das Grab der Pelopiden.

Doch die Gelehrtenwelt war nicht zufrieden,
Viel zu gewaltig war der Gegenstoß,
So daß es manchen ganz mit Recht verdroß,
Der längst gewohnt, antiken Leim zu sieden.

»Er war im Kaufmannsstand, ihm fehlt die Schule,
Wir kennen alles bis zur fernsten Thule,
Das Schiff sogar, drin Helena gesegelt;«

»Wohl ist es gut, Entdeckungen zu machen.
Doch besser noch, es werden solche Sachen
Zuvor erst gründlich in Berlin geregelt.«

An Oskar Fraas.

Ein zweiter Schliemann drangst du in die Nacht
Des Riesenhügels, wo in grauen Tiefen,
Von deinem Geist geahnt, verzaubert schliefen
Uralte Schätze von der höchsten Pracht.

Denn Fürsten waren's, die mit Herrschermacht
Dereinst ihr Volk zum Grabmalsbau beriefen,
Aus Goldgefäßen sieht man Weihrauch triefen,
Vom Opferfeuer lodernd angefacht.

In reichverziertem wallendem Gewand,
Hellenisch seine Schalen in der Hand,
Aus ihrer Gruft hochedle Frauen schreiten;

Was zwei Jahrtausende im Dunkel lag.
Erschienen ist es an dem hellen Tag,
Und wirkt nun strahlend fort für alle Zeiten.

An Carl Weitbrecht.

Heil dir im Eichenkranze,
Der du so kräftig singst,
Mit wetterhellem Glanze
Die alte Klinge schwingst.

Das sind die blanken Lieder,
Geharnischt bis ans Haupt,
An die nun einmal wieder
Das Volk, das deutsche, glaubt.

Aus seinem Mark entsprossen
Ist ihr vertiefter Ton,
Wie du emporgeschossen
Als sein getreuster Sohn.

Ha! wie dereinst ertönte
Dein Schwertlied, wild und graus,
Und bald darauf erdröhnte
Sturmlauf und Schlachtgebraus.

Und wenn ermattet ruhten
Die Männer auf der Wacht,
Hat sich an deinen Gluten
Ihr Leben neu entfacht.

Wenn auf dem Felsenbette
Ein Tapfrer sterbend lag,
Brachst du die Leidenskette
Durch deines Geistes Schlag. – –

Und wenn die Feinde wieder
Verlangen nach dem Rhein,
So werden deine Lieder
Die ersten Kämpfer sein.

Bevor die Flinten knattern,
Der Bügel klingt am Bug,
Wird hoch darüber flattern
Dein Lied im Adlerflug!

Zur Mörikefeier.

Stuttgart, 4. Mai 1876

Es war einmal ein Häfnersmann,
Der formte Töpf' aus Leimen,
Und schmückte zierlich sie sodann
Mit selbstverfaßten Reimen. Bekanntlich eine Liebhaberei Mörikes.

Auch predigte er lange Zeit
Bei Mergentheim den Bauern,
Doch endlich rief er: »geht beiseit,
Was soll ich hier versauern!«

»Ich geh' ins Mädcheninstitut,
Kathrinenstift geheißen,
Da will ich sie voll Jugendmut
Poetisch unterweisen!«

Dort las er ihnen manch Gedicht,
Womit er sehr ergetzte.
Bis sich der Mädchenunterricht
Auf seine Nerven setzte. –

Von nun an blieb er gern im Bett,
Verschlief die Morgenstunde,
Denn so nur, sprach er oftmals, hätt'
Sie für ihn Gold im Munde.

Und horch, so manches Vögelein
Sang ihm vor seinem Fenster,
Es grüßten ihn im Dämmerschein
Holdlächelnde Gespenster.

Es drang in seine starre Brust,
Wie süße Träumereien,
Wie Schäferspiel und Maienlust
Beim Klange der Schalmeien.

Und übers ganze deutsche Land
Ertönten seine Lieder,
Vom Felsen bis zum Meeresstrand
Fand er ein Echo wieder.

Ach, viel zu frühe durch das Grab
Ging er ins ewige Ruhland –
Wie vor ihm schon der Gustav Schwab,
Der Kerner und der Uhland.

Doch wenn ein schwäbischer Poet
Das Augenlid geschlossen,
Wird kolossal, so gut es geht,
Sein Bild in Erz gegossen.

Freund Mörike kommt jetzt daran –
Es wurde stets in Schwaben
Für einen Dichter was gethan,
Sowie man ihn begraben.

An J. G. Fischer.

Da wo der Staufen traurig und allein,
Beraubt der hochgezinnten Trümmermale,
Herniederschaut nach deinem Heimatthale,
Und flüsternd stehn die alten Pappelreihn,

Sangst du, berauscht vom ersten Maienschein,
So schön von jenem Bauernideal, Der glückliche Knecht.
Der in der derben, rauhgelaßnen Schale
Verbirgt des treusten Herzens Edelstein. –

Einst batest du in deiner »Sonnenwende«,
Daß nie des Lebens Sonnenglanz dir ende,
Bis dich umschließt der Erde stiller Grund;

Es wurde dir – du giebst uns immer wieder
Aus tiefster Brust quellfrische Waldeslieder,
Und hältst dich selber und dein Volk gesund.

Des Sängers Grab.

(Den Manen Ludwig Starks).

Der Frühling kam und streute seinen Segen
Mit vollen Händen über Berg und Thal,
Es wehte, silberweiß im Sonnenstrahl,
Aus jeder Schlucht des Kirschbaums Blütenregen.

Da trugen sie dich fort auf stillen Wegen,
Doch fest und freudig tönte der Choral,
Den sie dir sangen, ach zum letztenmal,
Dort auf dem Friedhof, überm Thal gelegen.

Es war dein eigen Lied, das voll und tief
Beim Abschiednehmen unser Herz bewegte,
Das über dich, der sanft im Sarge schlief,
Als Engelsfittich seine Wogen legte, –
Und trauernd saßen auf dem Kirchhofthor
Die Vögelein und sangen mit im Chor.

Zum Münster-Jubiläum in Ulm.

30. Juni 1877

Wir sah'n, umtönt vom Festesglockenchor,
Geschmückt mit Blumen und mit Eichenreisern,
Und überweht vom bunten Fahnenflor,
Die alte Stadt mit ihren Giebelhäusern.

Wir hörten jener Orgelklänge Strom
An die erhabenen Gewölbe schallen,
Erschüttert stand der altersgraue Dom,
Ein Gotteshauch durchquoll die Säulenhallen.

Und als wir traten in die Sternennacht,
So stand er da, zum Himmel aufgeschossen,
In seiner ganzen vollen Zauberpracht,
Vom Silberlicht des Mondes übergossen.

So stand er, hold durchbrochen und umlaubt.
Mit seinem Schiff und den gewalt'gen Türmen,
Ein Riesenwerk, – ihm brauste um das Haupt
Ein halb Jahrtausend schon mit seinen Stürmen!

Er sah der Deutschen Glück und ihre Schmach,
Wie sie sich selbst die tiefsten Wunden schlugen,
Bis jammervoll das Reich zusammenbrach,
Da zuckt' auch er in allen seinen Fugen.

Der Stachelginster und das wilde Gras
Ersproßten in den zackigen Ruinen,
Daß Staub und Moder ihre Schönheit fraß,
Und durch die Mauern hat der Tag geschienen.

Doch sieh, zu neuer Kraft und Herrlichkeit
Erstand er wieder, – unvergleichlich strahlen,

Rasch aufgeführt von einer neuen Zeit,
Im Morgenrot die blumigen Fialen.

Und sieh, auch unser Volk, aus Schutt und Nacht
Erhob es sich, mit blanker Waffe kämpfend,
Hält in Europa jetzt die Friedensmacht,
Im weiten Kreis die Nebel niederdämpfend.

An Paul Heyse

zum sechzigsten Geburtstag.

(13. März 1890.)

Ein Sonnenkind, wie aus Italiens Gauen,
– Bedeckt von einem breitgekrempten Hute –
Voll Geist und Witz und frohem Jugendmute,
Mit süßen Lippen, träumerischen Brauen;

Der Wiederschein aus fernen Wunderauen
Im weichen Spiegel deines Auges ruhte.
Als ob ein heil'ges Feuer dich verglute, –
So durft' ich dich vor dreißig Jahren schauen.

Gemüt und Leib aus einem Guß gegossen,
Von Schönheit und von Grazie umflossen,
Ein Bild der gottgeweihten Dichterkraft.

Und heute noch, nur in noch reichern Wellen,
Aus deiner Brust des Liedes Ströme quellen,
Unalternd herrlich und sirenenhaft.

An Hermann Allmers

zum siebzigsten Geburtstag.

(11. Februar 1891).

Heut Nacht im Traume sah ich wunderbar
Vor mir die römische Campagna wieder,
Vom Himmel kamen Heidelerchenlieder,
Der lag so glockenhell und sonnenklar.

Ein Hirtenknabe trieb die Lämmerschar
In enggewundne Tuffsteinthale nieder,
Narzissen blühten dort und wilder Flieder,
So daß ich unaussprechlich glücklich war.

Es war dein Geist, der in der Weihestunde
Mich aufgesucht, denn längst gehör' ich sein,
Der mich erfüllt mit Südlands Sonnenschein.

Dann aber klang das deutsche Meer herein,
Emporgetürmt an Norwegs Felsensunde,
Und neuen Zaubers voll, gedacht' ich dein.

An Carl Lemcke.

Erhabner Freund, der Quader über Quader
Zu stolzen Monumenten aufgebaut,
Der sie aus seinen eignen Schachten haut,
Gediegnen Korns und ohne falsche Ader.

Horch! Deines Worts beflügelte Geschwader!
Wie Meeresspringflut donnernd angestaut,
Und wieder aufgelöst in Wonnelaut,
Zu schwichtigen der Brust geheimsten Hader.

Hoch standest du im Wikingsschiff am Steven,
Nun hat es in das Land der wilden Sueven,
Das rebenlaubumkränzte, dich getrieben.

Gruß dir und Heil, du kühner Nordlandsferge,
O werde warm bei diesem Volk der Berge,
Dann findest du, daß wir dich herzlich lieben.

An Hermann Lingg.

Zum siebzigsten Geburtstag.

Seit meiner Jugend nebelhafter Ferne
Hat deine Harfe, die so reich besaitet,
Mich durch des Lebens Irrsal hingeleitet,
Hing ich an ihrem Zauberklang so gerne.

Du Dichterherz, von urgranitnem Kerne,
Das Bilder über Bilder ausgebreitet:
Die Königsmumie durchs Eismeer gleitet,
Hie Attila, hie Dieterich von Berne!

Aus tiefstem Lebens- und Gedankenschacht
Brachst du empor der Dichtung Edelsteine,
Rubine sind's von ungeahnter Pracht,

Von ungeahnter Stärke, Glut und Reine,
Dir selbst ein Wunder. Noch die fernste Nacht
Der Zeiten strahlt von ihrem Wiederscheine.


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