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II. Lieder des Leids.

Des Lebens Schwelle hast du nicht betreten,
Noch stehst du an des Paradieses Saum,
Die Welt vor dir als wie ein goldner Traum,
Da fasset dich die Liebe des Poeten.

Aus heiligen, aus unnennbaren Tiefen
Treibt mich zu dir ein gläubiges Gefühl,
Mir ist, als ob im ganzen Weltgewühl
Bis dahin alle Herzen für mich schliefen.

O laß uns froh sein und einmütgen Strebens
In steter Arbeit gehn von Ziel zu Ziel,
Daß unser Leben nur ein Widerspiel,
Ein holder Abglanz ist des ew'gen Lebens.

Es weht um deine Gestalt,
Um dein Haupt, das die Flechte umwindet,
Ein Hauch, der die Seele mir bindet
Mit unendlicher Zaubergewalt.

Du kamst wie aus himmlischer Fern
Herab in dies Erdengefilde,
Dir selbst ein Wundergebilde,
Mildschön wie der Engel des Herrn.

Mit Rosen muß ich mich umkränzen
Und lustig singen in die Nacht,
Daß euch das Herz im Leibe lacht
Und euch erregt zu Jubeltänzen.

Wie meine Augensterne glänzen,
Noch ist es nur der Thräne Pracht,
Entquollen meines Herzens Schacht,
Das unglückselig ohne Grenzen.

Harr' aus, mein Herz, o harre, harre,
Sieh, wie sie sich im Tanze schlingt,
Die Heißgeliebte und der Narre,

Und wie das so zusammenklingt,
Harr' aus, bis jede Saite springt
An deiner jauchzenden Guitarre!

Zerrissen liegt, in schnöden Fetzen liegt,
Was ich gehofft, der wundervolle Kranz,
Der mich bestrahlt mit ewigem Liebesglanz,
Und ach im Wüstensand mein Herz versiegt.

Schon lange Zeit bin ich zu Hause krank,
Ob ich noch Leben habe, weiß ich kaum,
Zuweilen schreck' ich auf aus schwerem Traum,
Wenn ich vor Traurigkeit in Schlummer sank.

Nun aber heute tröstet mein Gemüt
Mit ihrer Schönheit, ihren Wohlgerüchen,
Als wie ein Engelsmund mit heiligen Sprüchen,
Die Hyacinthe, die am Fenster blüht.
Erfroren ist der Lindenbaum
Mit seinem Frühlingslaube,
Vergangen ist der schönste Traum,
Verloren Glück und Glaube.

Ich weiß nicht, ob ich weinen soll,
Seh' ich die Linde stehen.
Mein Herz ist zum Zerspringen voll,
Laß mich von hinnen gehen.

Es wird noch oft der Lindenbaum
Hellgrüne Blätter treiben.
Bis an den fernsten Meeressaum
Wird mir dein Bildnis bleiben.

Und wenn ich wieder an dein Haus
Als Pilger kommen werde,
Wölbt sich die Linde hoch hinaus,
Durchwurzelt tief die Erde.
Da wird aus ihrem Blütenduft
Erinnerung mich laben,
Du aber schlummerst in der Gruft,
Von fremder Hand begraben.
Der Abend kommt, das Waldgebirge liegt
Von Kamm zu Kamm in langgedehnten Zügen,
Verdämmernd, trostlos, und darüber fliegt
Der Frühherbst-Wolken Heer in breiten Flügen.

Und hier die Burg, die über alles Land
Aufragt mit ihren altersgrauen Warten,
Und hier ein Wandrer, fremd und unbekannt,
Da sitzt er in der kecksten ihrer Scharten.

Was will der Mann? er spricht und deutet nicht,
Wild stößt der Nordwind an die hohen Zinnen,
Doch an den Stein drückt er sein Angesicht,
Und wie ein Bergstrom seine Thränen rinnen.

Mit beiden Händen hält er ihn umfaßt:
So hielt ich auch einmal ein Herz umschlungen,
O mit so heißer, glühend heißer Hast,
In tausend Stücke wär' der Stein zersprungen.

Eine Heimat hatt' ich auf Erden gefunden.
Es sollte nicht sein,
O mir träumte so schön von glückseligen Stunden,
Doch das ist nun alles im Nebel verschwunden,
Wieder einsam ich wein'.

Ich sehe bestrahlt vom scheidenden Lenze
Die Welt unter mir,
Der waldigen Thäler verschlungene Kränze,
Und am Himmel der Goldwolken luftige Tänze,
Doch mein Herz ist bei dir.

Ich sehe da draußen in weitester Ferne
Das wogende Meer,
Die blinkenden Schiffe wie blinkende Sterne,
O flög' ich da draußen, wie gern, o wie gerne.
Im Sturme daher.

Ob du mich in Nacht versenkt,
In die tiefste Nacht der Schmerzen,
Bis zum Tode mich gekrankt,
Heilig bleibst du meinem Herzen.

Jeden Schatten gegen dich
Muß ich aus der Seele merzen,
Hasse und verhöhne mich,
Heilig bleibst du meinem Herzen.

*

So bist du mir denn doch geblieben,
Und nur die Schlacken sind verzehrt,
Und um so höher flammt mein Lieben,
Das mir kein Schicksal mehr versehrt.

Die lichte Schönheit deines Wesens
Sog ich durch langen Kampf in mich,
Und habe Fülle des Genesens
Schon im Gedanken über dich.

Dem Schiffer auf dem schwanken Meere,
Im uferlosen Ocean,
Weist unverrückt das glanzvoll-hehre
Sternbild des Kreuzes seine Bahn.

So bleibst du vor mir aufgestiegen
Und leitest mich zum wahren Heil,
Von meines Geistes stillen Siegen
Gehöret dir das beste Teil.

In waldgrünen Thalen,
Fernab von der Welt,
Wo vom Felsengestein
In silbernen Strahlen
Der Sturzbach fällt.
Irr' ich allein
Und gedenke dein.

Als der Frühling erglühte
Auf all' diesen Höhn,
War mit dir ich im Hain.
Du in erster Blüte
Der Jugend so schön,
Und wie goldener Wein
Ging das Leben uns ein.

Was liegt nun dazwischen,
Ach Gott, wie viel
Von Jammer und Pein,
Von Natterzischen
Und bösem Spiel,
Und gedenke ich dein,
Unersättlich ich wein'.

Nun sind wir uns beide
So weit, o so weit,
Jahraus und jahrein,
Und letzen mit Leide
Die lichtlose Zeit,
Doch wie's auch mag sein,
Nie vergesse ich dein.

Wohl hast du grausam mich verstoßen,
In Trauer meinen Geist versenkt,
Und doch hast du mit hellen Rosen
Die trübe Stirne mir umdrängt.

Mit solchen, die aus Dornenkronen
In heißer Mitternacht entsprühn,
In denen keine Düfte wohnen,
Doch die auch unvergänglich blühn.

Und noch in meinen späten Jahren,
Da längst erlosch der Jugend Glanz,
Trag' ich in meinen grauen Haaren
Den schönen mildverklärten Kranz.

Da brennen nicht mehr meine Wunden,
Da werd' ich still und wunderbar
Hinüber in das Licht gefunden,
Das immer meine Leuchte war.

Das auch im tiefsten Drang der Schmerzen
Mich rüstig vorwärts wandern hieß,
Und das an deinem stolzen Herzen
Nicht einen Tag mich zweifeln ließ.
Will noch einmal der Frühling kommen,
Die Vöglein singen gar so schön,
Es ruhn im goldnen Duft verschwommen
Die holden, waldumkränzten Höhn.

O meiner Heimat grüne Thale,
Wie sprecht ihr wieder an mein Herz,
Und löset mir zum ersten Male
Seit langer Zeit den bittren Schmerz.

Als wie von eines Engels Kusse,
Wird meine Seele still und rein,
Und saugt in heiligem Genusse
In sich den letzten Sonnenschein.

Schon geht mit leisen Tritten
Der Frühling übers Feld,
Und was du auch gelitten,
Schau wieder in die Welt.

Und tausend Blumen scheinen
Hervor aus Busch und Baum,
Und streben in den reinen,
Mildblauen Himmelsraum.

Und tausend Augen warten
Auf dich voll Licht und Ruh,
In Gottes schönem Garten,
Sag an, was trauerst du?


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