Henriette Paalzow
Thomas Thyrnau – Erster Theil
Henriette Paalzow

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Am andern Morgen nach der Audienz bei der Kaiserin, erschien Frau Gutenberg in dem Palast der Fürstin Morani, um sich im Namen der Frau Kaiserin nach dem Befinden der lieben Braut zu erkundigen. Aus jedem Worte der alten Vertrauten leuchtete der Fürstin der versöhnende Wille der hohen Frau entgegen, und endlich überreichte sie ihr einen so einfachen goldenen Ring mit dem Namenszuge der Kaiserin, daß die Fürstin wol fühlte, wie hoch sie sich geehrt halten durfte.

»Majestätchen meinen nur, die liebe Spielgefährtin damit ihrer unveränderten Gesinnung zu versichern. Die Frau Oberhofmeisterin, Gräfin von Fuchs, werden nachher die kaiserlichen Glückwünsche en gala überbringen.«

»Ach, meine erhabene großmüthige Herrscherin!« rief die Fürstin und drückte zärtlich die Hände der lieben alten Frau, »wie tief empfinde ich diese Güte! O, meine liebe Gutenberg, leiht mir Eure Worte, um der Kaiserin auszusprechen, was ich so tief fühle.«

»Will schon! will schon! mein liebes Durchlauchtchen! – Brauche ja nur zu erzählen, was meine Augen wahrnahmen, um Serenissime zu enchantiren.«

Nach diesem Besuche fuhr zur angemessenen Stunde die Oberhofmeisterin Gräfin von Fuchs mit einigen Hofdamen und Kavalieren der Kaiserin vor. Ihr folgte eine ununterbrochene Kette der in Wien anwesenden Notabilitäten, die nach der Anzeige der Gräfin von Fuchs ihre Anweisung zu diesem Besuch empfangen hatten. Es gereichte der Fürstin sehr zum Troste, daß sie Mittel besessen, um in kürzester Zeit die Ausstattung des leer gewordenen Audienzsaales zu bewirken. Sie konnte nun ohne Erröthen ihre Standesgenossen an dem Orte empfangen, den sie in seiner Beraubung nicht gesehn und jetzt in seiner alten Pracht wieder fanden, und vielleicht war es diese innere Genugthuung, die der Fürstin über manches Andere ihrer peinlichen Gefühle hinweg half.

Nach diesem anstrengenden Tage gereichte ihr der Abend, der ihr den Grafen Lacy und einige wenige Freunde zuführte, zu einer ungemeinen Erquickung, denn sie fühlte, sie habe den schwersten Theil ihres Verhältnisses hinter sich, und das Glück ihres Herzens trat immer muthiger aus der Verborgenheit hervor und verbreitete eine anmuthige Lebendigkeit über ihre Züge.

Lacy sah es mit großer Freude und fühlte sich dadurch selbst in allen seinen Hoffnungen gesteigert. »O,« rief er, indem er der Prinzessin Therese näher rückte, die sich, schön wie ein blühender Rosenzweig, in ihrem Fauteuil wiegte – »jetzt, da Sie meine liebe Muhme werden, müssen Sie mir auch beistehn, wo ich einer recht wirksamen Hülfe gegen meine Claudia bedarf.«

»Gegen? gegen?« rief die Prinzessin – »fängt das schon an? Kaum das Ziel erreicht und schon gegen?«

»Gegen heißt hier – für ihr Bestes,« fuhr Lacy fort – »ich will, sie soll in unsere schnelle Vermählung willigen, damit ich sie ohne Alles Bedenken dieser Stadt entführen kann und dieser Sommer nicht vorüber geht, ohne daß die Landluft ihre erschütterte Gesundheit gestärkt hat.«

»Und dazu soll ich die Hand bieten?« rief die Prinzessin. – »Nein, mein holder Vetter in Spe – nimmermehr, jedes Verlöbniß durchrieselt mich schon mit den Schauern der tiefsten Schwermuth – aber fördern – zureden – könnte ich um die Welt nicht! Wie ein Gespenst würde die Zukunft vor mir auftauchen – ich würde mir zurufen hören: Therese, warum hast Du zugeredet, daß dies Joch über mich geworfen? Ich würde die erbosten Blicke sehen, die mich dann verfolgen würden. Die Tauben, die ich jetzt auf einer Stange schnäbelnd sitzen sah, die würde ich dann wüst mit den Flügeln gegen einander schlagen sehen, und bald das Nest der Einen auf dem Eichbaum – das andere in der Dachsparre angeflickt! Nein! ich habe zu viel Ehen gesehn, um nicht jede im Voraus für getäuscht zu halten, die mit der thörichten Hoffnung auf Glück anfängt.«

Lacy lachte laut. Seitdem er glücklich war, fand er die Prinzessin, die er früher nicht sehr geliebt hatte, als eine reizende Zugabe und ihre heitere Laune wie geschaffen, die gute Claudia zu unterhalten. Auch ihre Schönheit konnte er nicht wol übersehen, denn sie hatte die große Gabe, gerade so schön zu sein, als es passend war.

»Versuchen Sie es, Prinzessin!« rief er – »Wenn ich Sie in Ihrer meisterhaften Ausstattung vor mir sehe, begreife ich, daß Sie sich selbst für zu gut halten, um der Preis eines liebenden Herzens werden zu wollen. Aber gewiß müssen Sie doch einst, wenn auch gegen Ihren Willen, die Widerlegung Ihrer Behauptung werden – und zuerst gehe ich Ihnen mit Claudia als gutes Beispiel voran – machen Sie es dann bald nach! Es reizt mich, Sie überwunden zu sehn.«

Die Prinzessin war viel zu scharfsichtig, um hinter diesen galanten Worten mehr zu suchen, als die gewöhnlichen Redensarten der großen Welt. Aber es war ihr doch Recht, daß sie etwas Terrain gewonnen. Sie verließ sich auf den Zauber fortgesetzter Neckereien und wußte, wie wenig die gute Fürstin Morani darin mit ihr rivalisiren könne. Diese trat so eben auf die Terrasse, auf der man sich befand, hinaus, und führte zwei Kinder an ihrer Hand, in denen der Graf seine kleinen Lieblinge aus dem Ursulinerhof erkannte.

Beide sahen verweint aus. Egon's hochfahrendes Wesen hatte ihn für diesmal verlassen; die Trennung von Mora hatte in ihm blos die Zärtlichkeit des Kindes erregt. Er weinte zwar nicht mehr, aber es war eine so tiefe theilnahmlose Traurigkeit über seine Züge verbreitet, daß er gegen nichts Widerstand zu leisten suchte. Noch trugen sie ihre bescheidnen Kleider, und als Lacy ihnen entgegen ging und Egon die Hand bot, hielt dieser sie fest und drängte sich an seinen Arm, als fühle er, daß er eines neuen Schutzes bedürfe nach der schmerzlichen Trennung von Mora.

Jeder suchte nun nach seiner Art sich mit den neuen Ankömmlingen zu beschäftigen. Die Prinzessin liebkoste Hedwiga, die sie als den Engel mit dem Klosterkäse wieder erkannte; Georg Prey redete zu Beiden, um den Stand ihrer Kenntnisse zu erfahren, und Lacy und die Fürstin beriethen sich leiser redend immer aufs Neue über ihre Erziehungspläne, wobei sie mehr als einmal fürchteten, von der erwachenden Liebe für ihre Schützlinge zu weit geführt zu werden.

»Es ist zwar wahr,« fuhr der Graf fort – »daß wir über ihre Herkunft nichts wissen, und daß diese zuletzt einer Erziehung sich nicht angemessen zeigen kann, wie wir Beide geneigt sind sie ihnen zu geben; aber wir müssen uns zugleich gestehn, daß es nur von uns abhängt, ihre Zukunft gegen Hilflosigkeit und entehrende Verhältnisse zu schützen. Die Begünstigungen der Natur sind hier so sichtlich, daß es uns ein immerwährender Vorwurf scheinen müßte, wenn wir nicht ihr Werk durch eine Erziehung vollenden wollten, die ihnen kaum zu versagen scheint. Hedwiga wird, zu Ihrer Gesellschafterin erzogen, gerade den Platz, denke ich, einnehmen, der zu große Ansprüche abhält und doch jeden Vorzug geistiger Entwicklung zuläßt, sogar nöthig macht. Egon muß militairische Kenntnisse bekommen; der Krieg, der nicht auf sich wird warten lassen, giebt ihm Gelegenheit, sich einen Namen zu machen, wenn das Schicksal ihm wirklich diese erste Begründung des Lebens versagt haben sollte. Die ganze Zeit fordert mehr Zugeständnisse, als unsere vornehme Verwöhnung noch überall einräumen möchte, denen wir aber doch zu unserer Befriedigung diesmal Geltung verschaffen dürfen.«

Die Fürstin lächelte ihrem Verlobten freundlich entgegen – es war ihr jedes Wort aus dem Herzen genommen. »Ich würde die Widersprüche, in die ich bei der Befolgung eines andern Plans geriethe, auch kaum ertragen können,« sagte die Fürstin – »und dann erst würde Hedwiga zu bedauern sein, denn sie würde durch meine Liebe halb mein Kind sein und dann, durch geringe Verhältnisse herabgedrückt, vielleicht an ihrem Karakter Schaden leiden. O wie oft habe ich diese vornehmen Spielpuppen beklagt, die aus niederm Stande, oder durch sonstige Verhältnisse bloßgestellt, ein schönes Aeußere und Schutzlosigkeit in die Hände vornehmen Müßiggangs überführte, um entweder mit den Affen und Hündchen der Boudoirs um die Wette durch Thorheiten die Langeweile leerer Stunden zu vertreiben – oder als Probe irgend einer verworrenen Erziehungsmethode planlos durch den ganzen Jammer unzweckmäßiger Studien oder naturwidrigen Zwanges den verschrobenen Vorstellungen ihrer Erzieher zu dienen. Die traurigen Resultate, die daraus erwachsen und die diese grausamen Beschützer sich allein zu danken haben, überraschen sie dann. Sie glauben ein Recht zu haben zum Zürnen, und meinen, es stehe ihnen zu, ein also entartetes Wesen in die Verhältnisse zurückstoßen zu dürfen, denen sie mühsam entfremdet wurden.«

»Davor wollen wir denn unsere Schützlinge behüten,« rief der Graf mit Rührung, den schönen Eifer Claudia's fühlend. »Ihr Bild ist wahr und ich habe es oft erkannt, daß wir nur wohl thun, wenn wir das Individuum seinen Geburtsverhältnissen nicht entfremden. Das Genie, welches sich selbst die Bahn bricht und am Ende keinem Stande mehr angehört, macht natürlich die Ausnahme, zu der es selbst gehört, und es wird – was wir äußerlich Begabten da geben können – schon von selbst in der Form von uns fordern, die es brauchen kann. Aber bei unsern Schützlingen haben wir freie Hand, so lange das Geheimniß der Frau Mora nicht unser ist. Doch bliebe es immer wünschenswerth, wenn Sie, theure Claudia, mit Ihrer unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit der alten Frau das Herz öffneten, denn ich glaube nun einmal nicht, daß sie dem Stande der Frau Mora angehören.«

»Was haben Sie dagegen, wenn sie dennoch von so niedriger Geburt wären,« erwiederte lächelnd die Fürstin. »Soll ich Sie nicht endlich doch für stolzer gesonnen halten, als mich selbst, da Sie die holden Kinder durchaus nobilitiren wollen, und meine ältere Freundschaft mit ihnen doch nur mit den armen Kindern des untersten Standes geschlossen ward.«

»Ach,« sagte der Graf, – »Sie wollen meine Freisinnigkeit persifliren und doch habe ich viel für mich anzuführen. Mir ist diese Voraussetzung höherer Geburtsansprüche nicht nothwendig, um diese merkwürdigen Kinder zu lieben und ihnen meine volle Theilnahme zu schenken; aber ich kann die Wahrheit nicht leugnen, daß mit der Armuth auch am häufigsten der tiefe Geistesdruck dieser Klasse eintritt und auf die Fortpflanzung den Stempel drückt, der mit seinen Aehnlichkeiten an den traurigen Rückschritt zur Thierwelt erinnert. Glauben Sie aber mit diesem Bekenntniß keinen Triumph über meinen liberaleren Sinn zu gewinnen; denn ist es auch wahr, daß die Armuth, die schlechte Nahrung, der Mangel geistiger Entwicklung den Stempel der Roheit auf die Bildungen der Kinder überträgt: so straft die gerechte Natur doch in allen Ständen die geistige Rohheit, und wir sehen, wie auch in unsern Kreisen ganze Geschlechter in Verkrüpplung, widriger Bildung oder Geistesschwäche die Vernachlässigungen zur Schau tragen, die hier vielleicht eben so dem Uebermaaße äußerer Begünstigungen zuzurechnen wären, als dort der Beraubung derselben.«

»Ja wol,« sagte die Fürstin fast traurig – »Denken Sie nur daran, was für Eindrücke wir oft durch die Geschichte einzelner Nationen in uns tragen. Berühmt ist der Adel mancher Länder durch seine Schönheit, die der Träger großartiger Gesinnungen scheint, und dem Ruhm eines Landes als Bürgschaft dient. Aber wie erschrecken wir, wenn wir vergessen haben, daß wir die Geschichte, wie sie vor vielen hundert Jahren sich begab, in unsere Einbildungskraft aufnahmen, und nun zur Selbstanschauung gelangt dem kläglichen Geschlechte begegnen, das bis zu den Formen des Körpers hinab, nicht einmal die Schattenbilder der Heroen vorstellen könnte, die einst die Paläste bewohnten, und die blühenden Fluren ruhmgekrönt beherrschten, die nun selbst da stehn, als führten sie bittere Klagen über die Bewohner, die sie dulden müssen.«

»Ha!« rief der Graf lächelnd – »Claudia, Ihre traurige Wahrheit ist Selbstanschauung gewesen – Sie schildern Ihr Vaterland – Sie schildern Italien!«

»Ja!« sagte die Fürstin – »ich habe genug dabei gelitten. Wie klangen die erhabenen Namen in mein Ohr, welche die Träger großer Begebenheiten, mich mit tiefer Ehrfurcht vor dem Nachkommen erfüllten, in dessen Zügen ich noch den Ruhm zu lesen hoffte, der seinen Namen verherrlichte! Ach! wenn ich mit klopfendem Herzen durch die Räume wandelte, die einst dem hohen Bedürfniß eines solchen Geistes genügend, zu seinen täglichen Erfordernissen gehörten – wenn ich den Geist mit Bewunderung anstaunte, der die Pracht durch die Kunst veredelte und sich als den Mittelpunkt ihrer Gaben fühlte, wie ward mir dann so ahnungsvoll und bang, wenn ich die marmornen Pforten, welche in ihrem Portikus die Götter der alten Welt beschirmten, mit rohen Bohlen verschlagen fand, und durch ein Seitenpförtchen in den Göttersitz eingelassen, die träge Luft des Staubes und des Moders in den weiten Räumen fand, die der Nachkomme nicht mehr zu seinem täglichen Bedürfniß zählte. Spinngewebe hingen um die hohen Wände und verhüllten die Bilder jener ewigen Meister – der Moder brach das Mosaik des Fußbodens – der Thyrsusstab des heitern Faunes lag am Boden, und die Hand der Venus, die frohlockend den Apfel hob, war bis zum Gelenk verschwunden. Ein roher Holzklotz trug den Musageten, dessen zusammengesunkenes Piedestal vergeblich seine Erhebung hoffte, während die verstaubten Töchter Nikomedes traurig darauf niedersahen. Hier sollte ich den Nachkommen des Geschlechtes finden, das diese Herrlichkeit erschuf! Ich zweifelte. Für einen Irrthum hielt ich unsere Einladung! – Er mußte weit weg sein, verbannt, unfähig, den heiligen Besitz zu schützen! Dann weckte mich die Stimme des Vaters – er war schon daran gewöhnt. Ich hörte den großen Namen – umschauend wollte ich den Besitzer finden – er stand schon vor mir! Ja, wie Ihr sagtet, theurer Lacy! in Verkrüpplung, widriger Bildung straft die gerechte Natur unter den Wundern des Geistes um so ergreifender die Rohheit der Seele, die dem Uebermaaße äußerer Begünstigungen blos den materiellen Antheil abzugewinnen verstand. Ein ferner Flügel des Palastes war mit dürftigem Modewerk ausgestattet – die kleine Seele war hier froh und fühlte sich behaglich. Sprach man von jenen Schätzen, da war es, als spreche man von den Gespenstern des Hauses, die Niemand recht kennen wollte, gern auf andere Dinge übergehend.«

»Diesen Geheimnissen des Rückschrittes fragt man viel zu wenig nach,« sagte der Graf – »Wir sehen einzelne Geschlechter, wir sehen ganze Länder, oder bald diesen, bald jenen Stand in einer Nation ausarten; von großem Ansehen herabsinken bis zur tiefsten Erniedrigung, und die Geschichte des Adels zieht eben darum unsere Aufmerksamkeit so auf sich, da derselbe durch das erlangte Vorrecht berufen ist, an der Spitze des Volkes zu stehen.«

»Ja,« sagte die Fürstin – »wie ist es zu begreifen, daß die erste Entstehung solcher Vorrechte, die Erhebung aus dem Dunkel, das Erringen von Macht, Rang und Ansehen so häufig von einem höheren geistigen Aufschwung, von einem edleren Bedürfniß uns Zeugniß ablegt, als wir dann später erhalten sehen, wo die Geburt das Individuum schon begünstigt auf den Höhenpunkt stellt, der die vollkommenste Aufrechthaltung des Geistes und Gemüthes erwarten ließe. Sollten wir es nicht natürlicher finden, daß unter einer solchen gesicherten Einwirkung das Individuum – getrennt von jedem gemeinen Einfluß – zu einer höheren und reineren Entwickelung gelangen müßte? Doch ist es so oft der Fall, daß wir dort die größten Täuschungen erfahren!«

»Es ist auch nicht so unerklärlich, liebe Claudia!« sagte der Graf – »Wer seine Existenz sich erschafft, der hat in Wahrheit den Beruf und die Befähigung dazu von der Natur bekommen, und er ergreift den Besitz noch mit der geprüften Kraft, mit dem entwickelten Geiste, der ihn eben zum Besitz befähigte. Solche Eigenschaften lassen sich, trotz der hochmüthigen Voraussetzung unseres Standes dennoch nicht vererben. Abgesehen davon, daß die Natur hier oft mit einem geheimnißvollen Eigensinn verfährt, würde es doch bei gründlicherer Prüfung oft mehr eine unbestechliche Gerechtigkeit derselben zeigen, wenn sie die Frucht nicht schöner reifen läßt, als der morsch gewordene Stamm die Kraft dazu besitzt. Der errungene Besitz ist immer ein Stillstand und dieser die größte Verführung für die Schwächen der menschlichen Natur. Was von dem Besitz großer Mittel ausgehend, zuerst eine fröhliche und oft mit so viel Geist verbundene üppige Benutzung des Lebens ist, wird, durch mehrere Generationen hindurch verfolgt, dennoch leise abwärts führen. Freigebigkeit wird Verschwendung, der hohe, Glanz liebende Kunstsinn wird in elende Prunksucht oder in die Ueppigkeit ausarten, die mehr leibliche als geistige Genüsse befriediget. Die Zeit wird als das lästigste Material des Lebens mit allen Mitteln der Ueppigkeit um ihren Antheil betrogen. Physische und moralische Entartung, von den Vorrechten noch bedeckt, welche die Tugenden der Vorfahren erringen halfen, wird in dieser Ungestörtheit fortwuchern, und nach und nach werden uns die Individuen überraschen, die aus dieser nach Außen noch gesicherten Verderbtheit ins Leben treten und den Namen, den sie tragen, um alle daran geknüpften ehrenden Erinnerungen zu betrügen scheinen.«

»Ach, welch' trauriges Bild!« rief Claudia bewegt. »Es müßte ja Zweifel erregen an dem schönen Stolze, sich einer alten Familie zugehörend zu wissen!«

»Wir werden wenigstens erkennen lernen, theure Claudia, daß wenn wir Ursach zu diesem Stolze haben, wir es Denen danken, welche mit strenger Weisheit erkannten, daß es eben so viel Kraft, Thätigkeit und Mäßigung in den dargebotenen Genüssen bedarf, das Errungene zu erhalten, als seine Entstehung zu begründen; daß Vorzüge der Geburt immer aufs Neue von jedem einzelnen Individuum durch Verdienste bestätigt werden müssen, wenn sie nicht eine Usurpation des Vorrechts werden sollen, welches dann ihr stärkster Ankläger werden wird, und den Spott wie die Verachtung rücksichtslos auf sich lenken muß. Aber wenn wir einzelne Familien so betrachten und uns damit ihre endlichen uns befremdeten Schicksale erklären, so gilt dasselbe von den Schicksalen ganzer Stände, ganzer Nationen! Sie behaupten sich, von innerer Verderbniß untergraben, in ihren Rechten nur scheinbar nach Außen, bis die heilsamen Welterschütterungen, die wie rächende Engel ihren Umzug halten und endlich an jedem morsch gewordenen Gebäude rütteln, es zusammen stürzen und wenigstens die große Wahrheit dem versinkenden Moder entsteigen lassen, daß es keinen ewigen Besitz giebt. Nur der immer wiederkehrende Frühling des menschlichen Geistes, der auch auf dem Aschenhaufen, den die zerstörende Lava über die verlorene Pracht streut, sich aufs Neue ansiedelt, übt die Kraft aus, den Besitzstand des Menschen im Allgemeinen auf dieser Erde zu verewigen.«

»Ei! ei!« sagte Georg Prey – »wo habt Ihr die Erfahrung des Greises hergenommen? Das sind schwere hochwichtige Betrachtungen, von denen es fragt, ob es gut ist, sie so scharf zu beleuchten und den daraus gefolgerten Schlüssen eine Anwendung zu geben, die vielleicht dem höchsten Willen entgegen ist.«

»Was uns der Wahrheit nahe bringt,« entgegnete Lacy, »was zur Erkenntniß unserer gebrechlichen menschlichen Natur führt, kann nie mit dem höchsten Willen in Widerspruch stehen, denn alle Vorschriften für unser Heil laufen in der großen Ermahnung aus: Erkenne Dich selbst! So lange wir uns scheuen werden, den Nebeln bis an ihre Wurzel nachzuspüren, so lange unser hochmüthiger Korporationsgeist nur dahin wirken wird, die Roheiten unseres Gleichen zu bemänteln, sie zu läugnen, sie anderer Natur finden zu wollen, sie eher zu dem geziemenden heitern Uebermuth zu zählen, den wir uns gern zugestehen, als sie zu den Gemeinheiten zu rechnen, die wir nur für eine andere Klasse der Gesellschaft möglich halten wollen – so lange wird das Gift, an dem die höheren Lebensrichtungen ersterben, nicht in den ersten Erscheinungen erstickt werben! Es wird sich allmälig Denen leise mittheilen, die zuerst nichts wollen, als den Stand gegen eine entehrende Beschuldigung schützen, indem sie aber das entehrte Individuum in seinen Rechten zu erhalten suchen, den ersten Schritt von der moralischen Höhe abwärts thun, der sie bald selbst in Zweideutigkeiten verwickelt, die sie nicht mehr vor einem reinen Bewußtsein verantworten können. Nur durch verdoppelten Hochmuth suchen sie sich dann an Denen zu rächen, deren strafendes Urtheil sie von sich damit abzuhalten streben, während sie bald in ihren verderbten Genossen die Unterstützung und Gemeinschaft finden, die sie über die gesunkene Stellung täuscht.«

»Wo aber, bester Lacy, ist hier bei uns Veranlassung, so schwermüthige Erfahrungen zu machen! Sie erschrecken mich mit dem traurigen Bilde, wie mit der Stimmung, in die Sie diese Betrachtungen versetzen. Gestehen Sie es ein, nicht hier, sondern in Ihrem Frankreich machten Sie diese Bemerkungen!«

»Ach, theure Claudia! wir wollen uns nicht zu sehr auf Kosten unserer Nachbarn erheben. Vielleicht ist der ganze Unterschied zwischen uns, daß dort dieser Sinn eine völlig anerkannte Berechtigung des Adels ist, welcher sich vor dem Gericht der öffentlichen Meinung nicht mehr zu fürchten hat, weil ein großes allgemeines Verderben die Mehrzahl erfaßt und namentlich den Hofadel zu einer Verbrüderung geführt hat, die ihnen unter einander jede Entschuldigung sichert, wenn derselben noch nachgefragt würde. Wohin wir gelangen könnten, regierte uns ein Ludwig der Fünfzehnte statt Maria Theresia, das wollen wir nicht allzu genau aus den Symptomen, die uns vorliegen, zu prophezeihen wagen; denn die Versuche werden sich immer wiederholen, mit dem alten Faustrecht gelegentlich einen Platz zu behaupten, den – durch ausgezeichnetere Gesittung sich zuerkannt zu sehen – die Gaben oft fehlen. Schnell würde der Korporationsgeist die Mauer ziehen, durchbräche das höhere Bedürfniß der Herrscherin zu ihrem maaßlosen Schrecken nicht immer aufs Neue diese Befestigungsversuche und reichte ihr scharfes Auge nicht weiter, als die Wappenschilder decken. Dieser Blick, dessen unbestechliche Klarheit Sie kennen, läßt die Masse sich bändigen und zwingt die, welche den hochmüthigen Trotz haben, selbst mit ihrer Herrscherin den Kampf um ihre Vorrechte einzugehen, diese vor ihr, ja vor sich selber durch Ansprüche zu vertreten, die ihre höhere Natur beweisen sollen. Sie würden es nicht wagen einzugestehen, es sei dasselbe alte Gelüst nach Willkür und Unverantwortlichkeit, das ihnen noch immer die eigentlichste Auslegung ihrer Wappen und Pergamente scheint.«

»Ketzer!« sagte die Prinzessin, die mit den Kindern spielend die Terrassen verlassen hatte und gegen das Ende von Lacy's lebhafter Mittheilung zurückgekehrt war. »Wem wagt Ihr denn hier Eure sauren Aepfel anzubieten? Gehört Ihr nicht selbst zu den allerliebsten Leuten, denen Ihr sie in den Mund stopfen wollt? Ist denn Eure Maria Theresia nicht eine alte Edelfrau? Und ist nicht der größte Theil ihres Adels so alten Ursprungs als sie selbst? Wer soll denn dem Andern die Strafe für Vergehungen aufzählen, die er doch bei Gelegenheit Lust bekömmt, selbst zu begehen? Laßt einmal die Frau Kaiserin den Versuch machen, diese allerliebsten Leute etwas mehr zu geniren, als ihnen bequem ist – ich glaube, sie würden sie auf Pistolen fordern und sich echteren Adels halten, als die, welche ihres Landes Krone trägt!«

»Ja,« rief Lacy lachend – »da habt Ihr Recht! Der echte Aristokrat ist immer ein schlechter Unterthan, wenn das Interesse des Landes und seines Herrschers von dem seines Standes abweicht. An nichts Anderem erkenne ich mehr das Prädikat der Herrscher – von Gottes Gnaden – als daß sie sich, wie eben jetzt wieder unsere Kaiserin, über den ganzen Troß erheben können und die einsame Bahn siegreich ziehen, die über Aller Köpfe wegläuft.«

»Ja! ja!« lachte die Prinzessin, »sie kommen ihr nur doch mit den Köpfen nach und strecken sie ihr oft in den Weg. Mein lieber Vetter Ludwig in Frankreich ist blos so liederlich geworden aus Angst, sein eleganter Adel würde ihn nicht für reines Blut halten, wenn er es ihnen nicht gleich thäte, oder gar sie überträfe! Und Eure Kaiserin? Holt' ich hab' sie weg – und habe in der Stille meine Schadenfreude dran, daß sie mit all ihrer kecken hohen Weise doch oft in ihrem Atalanten-Laufe erröthend inne hält, und lauernd rechts und links schaut, ob ihr steif zusehender Adel auch nicht saure Gesichter macht. Sie kann seinen Beifall doch nicht entbehren, obwol sie ihn innerlich verachtet; denn er ist nun einmal das Publikum, was ihr ebenbürtig näher steht, und wenn sie kleine Rückschritte thut oder zuläßt, da ist es immer die alte Knappmannschaft, die sie damit schonen will, oder eine alte Tonsur oder Kaputze, die immer mit jenen einen Strang ziehen.«

»Nun seid ihr doch wieder mit gutem Winde bei uns angelangt,« sagte Georg Prey lächelnd, denn er war gewohnt, stets von ihr auf seinem Felde beunruhigt zu werden, und doch konnte er ihr eben so wenig wie Andern deshalb eigentlich gram sein.

»Wer könnte Euch auch vergessen,« entgegnete ihm sogleich die Prinzessin – »wenn von den Gebrechen des Adels die Rede ist? Das ist ein sein verzweigtes Ding, mein Georg Prey! und Ihr in Eurem geistlichen Schafpelz seht blos so lammsmüthig zu, weil ihr wol wißt, keinen bessern Schutz giebts für Mitra und Kaputze, als das absolutistische Streben Eurer adelichen Confratres. Ihr wollt dasselbe: Das Volk am Gängelbande leiten, den Geist beschneiden, daß er zu Euren Vorrechten demüthig verstummt. Beide habt Ihr alten verjährten Moder zu beschützen! Da findet Ihr Euch überall auf Euren Wegen und das Wort, was das Eine schützt, hilft das Andere erhalten. Ihr seid schlau, Ihr seid es Euch bewußt, daß es so ist, wenn man Jene oft zum Lachen getäuscht sieht, indem sie Euch nichts nachzugeben hoffen und doch dasselbe Prinzip vertheidigen, unter dem Ihr gedeiht. Ihr seid eben so schlechte Unterthanen als Aristokraten. Euer Landesherr sitzt nicht hier – er droht Euch jenseit der Berge mit dem Krummstabe und Jene bezweifeln das reine Blut ihres Landesherrn, wenn er es wagt, gegen ihre alten Vorrechte zu verstoßen, ja! Widerspruch und Hindernisse aller Art wird er finden, wenn er es unternimmt, Reformen zu beschließen, die eine allgemeine Begünstigung beabsichtigen.«

»Wem macht die liebe Prinzessin diese Vorwürfe – und nach welcher eben erlebten Epoche?« sagte Georg Prey, dem sie ihre Worte zuwandte. »Stand nicht der ganze Adel in Waffen und brachte Gut und Blut seiner Kaiserin dar, als ihre Rechte angegriffen wurden? Hat er sie verlassen, oder Hindernisse erregt, als sie von seiner muthigen Hülfe die Mitwirkung begehrte?«

»Erstlich,« fuhr die unerbittliche Prinzessin fort – »war das eine Lebensfrage für Alles, was österreichisch hieß – zweitens wird es einem deutschen Edelmanne nie an Muth fehlen – drittens war eine solche Epoche recht eigentlich Ihr Element! Denn diese materielle Treue gegen ihren Herrscher, das ist das, womit sie zugleich ihre alten Vorrechte vertheidigen, und von solcher Zeit erwarten sie gerade hinterher ein neues Anrecht, oder vollkommene Bestätigung des Alten.«

Sie hatte sich bei diesem letzten Satze dem alten Herrn so vor die Augen gesetzt, daß dieser, von ihrer Schönheit verlegen gemacht, zur Seite blickte und einiges entgegen murmelte, was schwer zu verstehen war.

»Was murmelt Ihr da?« rief sie, ihn weiter quälend. »Nun Euch die Gründe ausgehn, wollt Ihr heimlich Recht haben!«

»Nur das Eine bemerke ich,« rief Lacy – »warum ich denn so eben Ketzer genannt ward, der seine Genossen mit sauren Aepfeln stopfen will, da meine holde Gegnerin, wie mir scheint, mit mir völlig einer Meinung ist, und noch Einiges hinzufügt, wozu mir nicht Zeit blieb!«

»Ach,« sagte die Prinzessin – »mir ist nur meines Herzens Meinung entwischt, und findet Ihr mich unter den Andern, bin ich gerade wie sie, und habe noch mehr Uebermuth noch mehr Hochmuth, denn ich schäme mich nicht vor meinem bösen Willen, wie Jene, die sich leidlich zurück halten, aber heimlich dasselbe betreiben. Ihr aber, Vetter Lacy, könntet die Tollheit begehn, wirklich so handeln zu wollen, wie Ihr denkt, und dann allerdings wäret Ihr ein Abtrünniger, ein Ketzer, den unsere gerechten Vorwürfe treffen müßten, denn wir müssen Alle zusammen halten. Alles, wie es ist, schlecht und gut – eine Masse – dann schlägt das Scepter selbst vergeblich dagegen und wir werden noch lange ein gesegnetes Bollwerk gegen jeden allzu raschen Fortschritt bleiben. Doch lassen wir das Geschwätz! Wir sind Alle Mohren, die Keiner weiß waschen wird, selbst wenn die sogenannten Weltbegebenheiten zuweilen mit einer Striegel über uns weg gehn. Ich will nicht mehr davon sprechen; denn es ist mir lästig – aber ich sage Dir, Claudia, Dein Hofstaat ist artig vermehrt durch diese zauberhaften Creaturen Egon und Hedwiga, und ich brenne vor Begierde, sie erst abgerichtet zu sehen, wie sie Deine Schleppe tragen, Deine Hunde tanzen lassen, Deine Diener necken und Ihren Lehrern ein Bein stellen.«

Claudia lachte. »Du hältst mir einen artigen Spiegel vor, um die Mißgeburten zu erblicken, in die sie durch meine weise Erziehung verwandelt werden könnten. Ich glaube, Du willst zu Gunsten Deiner Lieblinge mich erst erziehn. Mein Vater machte es ähnlich mit meinem früh verstorbenen Bruder; ward er heftig und ungeduldig, rieth er ihm, augenblicklich in die höchste Wuth zu gerathen, zu schlagen, zu schimpfen, sich zur Erde zu werfen. Das alterirte den Knaben. Erstaunt hörte er zu. Er sah plötzlich, wohin er hätte kommen können; und weil er das natürlich nicht gewollt hatte, bekam er gegen den Fehler, der ihm so grell vorgemalt ward, Abscheu! Ich sah ihn nach solchem Korrektionsmittel sich meinem Vater in die Arme stürzen und ihn weinend liebkosen und seinen Fehler abschwören.«

»Ich habe gegen eine zärtliche Umarmung Deinerseits gar nichts, meine liebe Claudia,« erwiederte die Prinzessin – »sehe aber nicht ein, was Du anderes mit Deinem Spielzeug anfangen willst. Diese Erscheinung ist mir auch so wenig neu, daß ich Dich versichern kann, es werden jährlich einige hundert Kinder in Frankreich zu diesen Zwecken verbraucht.«

»Verbraucht!« rief Claudia schaudernd – »Du bist eine fürchterliche Moralistin mit Deiner Ironie.«

»Verbraucht sage ich deshalb, weil ich nicht eigentlich glaube, daß aus so Etwas Menschen werden. Ich denke, sie kommen um; ich weiß nicht, ob an Mandeln oder an Rosinen – oder Fußtritten. Ich fragte eine Herzogin: wo der allerliebste Page sei, der ihre Füße wärme und ihre Apfelsinen schälte? Sie klingelte der Kammerfrau, denn sie konnte sich nicht darauf besinnen, wo er hingekommen. Diese kramte, wie nach alten Bändern und Spitzen, ihn ihrem Kopf herum; dann ging sie zum Haushofmeister und fragte nach dem schönen Kinde, dessen Locken die Herzogin vor noch nicht vier Wochen geringelt und ihn joli mignon und mon petit coeur genannt hatte. – Der arme Knabe war erkrankt – man hatte ihn nach dem Waisenhause gebracht, dort war er gestorben. »Ach pfui!« rief die Herzogin ihrer Kammerfrau zu – »wie kannst Du mir so Widriges erzählen!«

»O Therese!« rief Claudia – »wie hast Du es mit Deinem weichen Herzen unter diesen übertünchten Barbaren ausgehalten?«

»Sehr gut!« sagte die Prinzessin – »das war für mich das allerbequemste Mittel, eine gute Meinung von mir bekommen. Ich kam mir einige Male vortrefflich vor. Es ist erstaunlich leicht, mit geringer Tugend auf solchem Boden zu leben; ich war ihnen Allen sehr verbunden – sie schienen sich um Meinetwillen zu bemühn!« »O Lacy!« sagte Claudia – »wüßten Sie so gut als ich, wie ganz anders sie ist, als ihre losen Worte! Warum hat man Deinem schönen Munde nicht die heilige Scheu vor unheiligen Worten eingeflößt, die nur aus Deinem frevelnden Kopfe nicht aus Deinem lauteren Herzen kommen?«

Die Prinzessin lachte hell auf und ihr schlauer Blick sah, daß Lacy's Auge mit Interesse und Vergnügen an ihr hing. »Wenn ich Dich täuschte, bin ich ganz zufrieden,« rief sie – »denn freilich ist diese Deine Meinung die einzige Entrèe, die mir den Palast Morani öffnet. Doch nimm Dich in Acht! ich warne Dich – und verlaß Dich darauf – ich tauge nichts!«

Dann zog sie Egon zu sich und blickte ihn lange und tiefsinnig an. »Liebliches Geheimniß!« fuhr sie weicher wie gewöhnlich fort – »wer bist Du? wer gab Dir diese feste Stirn, die so trotzig die Locken von ihrer niedern Wölbung in die Höhe treibt? Und diese tiefen blauen Augen – wo haben sie mich schon einmal angeblickt?«

»Ich habe Dich noch nicht gesehn!« entgegnete Egon, der an dem fremden Orte all seinen Trotz in kindliche Bangigkeit umgesetzt hatte, »aber ich möchte gern wissen, ob alle Prinzessinnen so – so aussehn – wie Du?«

Alle lachten. Jeder fühlte, der Knabe hatte blos nicht das Wort für seine Huldigungen. Die Prinzessin ließ es sich gefallen; sie halte ein Gefühl für den Knaben, das sie selbst überraschte. »Dagegen,« sagte sie – »ängstigt mich Hedwiga's Schönheit! Ich glaube, ich bin eifersüchtig auf so viel Aussicht zu Eroberungen – ich möchte Ihr was anhaben – es ist mir, als würde sie sich an mir vergehen – ja, als hätte sie sich schon an mir vergangen!« »Komm« – rief sie der neben Georg Prey Stehenden zu – »komm, sieh, ich habe Rosen für Dich gepflückt, ich will Dich noch schöner machen; Du sollst mich überwältigen, damit ich den Entschluß fasse, Dich zu lieben!«

Mit ihrem eigentümlichen Geschick ordnete sie die Rosen um das rothe Käppchen des holden Kindes und steckte ihr dann eine in das graue Mieder, band ihre Florschürze ab und hing sie dem Kinde über dem Kopf, daß dieser wie aus einer Wolke schaute. Es war ein reizender Anblick – und das Kind lächelte freudig zu ihrer schönen Kammerfrau empor. Wer hätte nicht denken müssen, der Entschluß, sie zu lieben, könnte nicht schwer werden! Doch die Prinzessin blickte ernst, ja fast streng auf sie nieder; dann drückte sie plötzlich ihre Hände vor die Augen und rief: »Geh! geh! noch hast Du's nicht fertig – Du bist mir ein Hinderniß! eine Last!« Hedwiga verstand nur, daß sie gehen sollte und so lief sie zur Fürstin, die sie an sich zog und liebkoste.

»Also so schwer ist Ihre Liebe zu gewinnen – so unberechenbar – so unabhängig von natürlichem Anspruch?« hob Lacy an, der wenigstens den Tribut zahlen mußte, durch ihr launenhaftes Treiben beschäftigt zu werden.

»Ja!« sagte Claudia und entließ Hedwiga aus ihren Armen – »so hat sie es Zeitlebens mit der Liebe getrieben. Ich will sie anklagen, damit Sie mir helfen, sie zu bekehren. Alle Herzen hat sie gerührt – aber von keinem ist sie wieder gerührt worden, und hat so Verzweiflung gesäet, statt Glück und Freude.«

Die Prinzessin warf ihr einen düster glühenden Blick zu. Die herausfordernde Sicherheit der arglosen Muhme reizte ihr böses Blut. »Ha!« rief sie innerlich – »nicht einmal Furcht hat sie, ihn zu meiner Bekehrung aufzufordern, und spricht von den Wirkungen meiner Reize, wie von denen einer längst begrabenen Großmutter!« Es trat eine Bitterkeit in ihr Herz, daß sie hätte weinen können. Sie wollte nicht allein schaden, sie wollte sich erzürnen – ob über sich, über ihr Geschick – sie wußte es nicht. Aber fast gegen ihren Willen stoß ihr Mund im tragischen Tone über: »Klage mich nur an, daß mein ganzes Leben ein fortgesetzter Irrthum ist, der – müssen Andere auch darunter leiden – doch keinem tiefere Wunden schlägt, als mir selbst. Wenn Du die Beschützerin der Herzen sein willst, die sich mir unerwidert ergaben – hast Du da nie gedacht, wer dies Herz beschützte, wenn es dem Irrthum, diesem Fluche meines Lebens, eben so unterlag wie Jene? Die Thoren haben mich geliebt und Gegenliebe gefordert, und ich sah ihnen arglos belustigt zu, oder ich machte aus Angst vor ihrer Liebe mechanisch ein wenig ihre Kapriolen nach. Es war ein dummes Mitleiden, vielleicht ein wenig Schaam in ihrer Seele. Ausgeglichener schien mir ihr thörichtes Wesen, wenn ich es zu theilen strebte. Aber wer hielte die Lüge aus, wenn sie nur dem Andern Vortheile bringt? Wenn der Ueberdruß kam und ich die Schellenkappe abstreifte und sie mit bitterem Hohne jagte – dann hieß es – wie ich die zu fesseln suche, die ich doch nicht liebe. Und wo gab es ein wilderes Ungeheuer in der Natur als mich? Sieh', Claudia! mit wenigen Worten sei's gesagt: Wo ich liebte, ward ich nicht wieder geliebt – wo ich geliebt ward, liebte ich nicht wieder! – Willst Du nicht um mich weinen, fromme Seele?«

Wer könnte beschreiben, mit welchem erschütternden Ausdruck von Wahrheit sie diese Worte sprach – und welche Empfindungen gerade diese Klage neben dem Eindruck ihres Geistes erregte! Sie hatte sich seitwärts über die Lehne ihres Stuhls gebogen, ihre Augen waren von der tiefen Bewegung so glühend blau; sie konnte vielleicht nicht schöner sein.

Claudia blickte unbeschreiblich gerührt zu ihr hin. Sie reichte ihr die Hand, sie sah sie zärtlich an. »O, Therese,« sagte sie dann sanft – »wie schwer machst Du es uns, gerade so, wie wir Dich vor uns sehen, an Deine Behauptung zu glauben. Wer hätte Dich nicht lieben müssen, wenn Du vollends das Glück Deiner Erwiderung schenktest!«

»Und doch ist es so!« sagte die Prinzessin in ihrer wunderlich tragischen Offenherzigkeit gedankenlos weiter redend. – »Erfaßte mich der Gegenstand, zwang er meinem Gefühl diese Hingebung ab, dann liebte ich auch mit allen Kräften meiner Natur. Dann war diese Liebe das lückenloseste Zellengewebe des Gefühls – dann hätte aus meiner Liebe das Gefühl selbst deducirt werden können und dann belebte ich mit dieser vollständig entwickelten Gewalt eine Zeitlang den Gegenstand zu meiner eignen Täuschung, bis mir plötzlich, von dem alten Fluche, der mich verfolgte, der Blitzstrahl der Erkenntniß kam und die Gewißheit, nicht geliebt zu sein. Ach!« rief sie – »eine Frau muß zu ihrem eigenen Vergnügen – um der Liebe willen muß sie lieben lernen – sonst muß sie verzweifeln!«

Sie stand bei diesen Worten auf, um zur Kaiserin zurück zu fahren, winkte Allen mit der Hand, ihr nicht zu folgen, und schwebte mit einem so erhabenen Anstand an ihnen vorüber, daß ihr Alle stumm und mit den Augen an sie gefesselt nachsahen, bis sie in dem Hintergrunde des Saales verschwand.

Als der Wagenschlag zugedrückt war, riß sie die Blenden vor den Fenstern nieder und verhüllte dann mit beiden Händen ihr Gesicht, indem sie in ein heftiges bitteres Weinen ausbrach. »Ach! ach!« rief sie dazwischen, wie elend bin ich – wie elend! Schön bin ich – begabt bin ich, wie es Wenige sind – vornehm bin ich – und dennoch wie elend! wie elend! Ach, dieser verwegene Feind in mir, der es wagt, mir mein eigenes Bild so klar vor die Augen zu stellen! Wie ich mich hasse, daß ich zu der elenden Intrigue bereit bin, ihn ihr zu rauben – und wie ich doch ihn – sie – mich hasse, daß es erst nöthig ist, ihn mir zu erringen, daß er nicht schon mein ist! O! warum giebt es keinen Mann, der den Trieb fühlt, der uns arme Weiber zu Heiligen macht gegen sie – der uns zu den Verderbten hintreibt, daß wir sie heilen von ihren Sünden und dem Leben wieder versöhnen. Warum will Keiner dem verlockten Weibe die Hand reichen und es heilen und retten? Warum will selbst der größte Sünder die Fleckenloseste – warum der Edelste nie der Retter sein? Ich habe demnach Recht, sie zu hassen, sie zu bestrafen, zu verlocken; denn Keiner wagt über die eherne Mauer des Egoismus einen Schritt hinaus! Nun wohl, so will ich leben, um ihnen das Widerspiel zu halten, und das tiefe Elend, was ich mir damit verbreite, sei die Kraft, die mich treibt!«

Der Wagen hielt. Sie eilte zu den Gemächern der Kaiserin. »Ohne Schürze! en demi habillèe sagte die Gräfin von Fuchs, mit einem tiefem Knix zwischen die Prinzessin und die Kaiserin tretend.

»Gnade! Gnade!« rief die Prinzessin, die Hände über die alte Gräfin hinweg nach der Kaiserin ausstreckend – »ich habe den Käse-Engel Eurer Majestät hinein gesteckt!«

»Sie ist doch die interessanteste Person am ganzen Hofe!« sagte Franz der Erste. »Es fällt immer etwas mit ihr vor. Wenn sie erscheint, denke ich oft: nun, was wird's heute sein?«

Wie sehr waren augenblicklich alle Männer des Kaisers Meinung, während die Damen überlegten, wie sie es machen könnten, daß auch mit ihnen etwas vorfalle.

Die Kaiserin ließ sich unterdessen von der Prinzessin den Abend bei den Brautleuten erzählen, und hatte keinen Zorn über die verlorne Schürze, denn die Prinzessin würzte ihre Mittheilung mit einer solchen Fülle anmuthiger Scherze, daß die hohe Frau ihr mehr wie ein Mal den Tribut eines Lächelns zahlen mußte. Am andern Morgen aber erhielt die Prinzessin eine neue kostbare Schürze von der Kaiserin, und in der Tasche steckte ein Röllchen Gold, worauf die Worte standen: »Für meinen Käse-Engel zu Wämmschen und Rock.«

»Das dachte ich,« rief die Prinzessin lachend – »O diese kluge Kaiserin! gleich sieht sie ein, daß, wenn ich meine Florschürze opfere, um die groben Kleider der Kleinen zu verhüllen, es ihr zusteht, etwas weiter zu gehen. Wie soll es auch die arme Claudia machen? Ich stehe dafür, sie nimmt noch nichts von Lacy an, und hat am Ende Schulden gemacht zu ihrer jetzigen Ausstattung: denn was sie mir da fabelt von Summen, die der Herr Fürst Papa noch verdient haben soll und die jetzt vom Himmel gefallen – das glaube, wer kann!«

Mit welcher Rührung überlegten unterdessen die edlen Freunde im Palast Morani den Zustand der Prinzessin Therese, der sie Alle auf verschiedene Weise angezogen und bewegt hatte.

»Ach,« rief Claudia – »und dies Wesen – ganz Gefühl – ganz Seele! das wird in der Welt herzlos – coquett – boshaft genannt und ist jeder Verläumdung Preis gegeben!«

»Theure Beichttochter,« sagte Georg Prey – »es hat Vieles neben einander im Menschen Platz! Vielleicht haben Jene, welche die liebe Prinzessin also züchtigen, eben so wenig ganz unrecht, als wir, die wir derselben im Grunde ihres Innern ein zum Guten befähigtes Herz und eine große Gabe des Geistes zutrauen. An beiden Ansprüchen schuldet die schöne Dame ihr Theil, und weder wir, noch Jene werden von ihr berechtigt, den Sieg davon zu tragen.« »Aber die,« fuhr Lacy fort, als der gute Pater schwieg – »die dies ungemein befähigte Wesen sich selbst überließen und auf den gefährlichsten Standpunkt der Erde versetzten, die werden es zu verantworten haben, baß dieser Streit zwischen Recht und Unrecht jetzt schon in so bösen Gewohnheiten wurzelt, daß der Sieg für das Gute eine zweifelhafte Hoffnung bleibt.«

»O nein! o nein!« rief Claudia. »O sein Sie nicht zu hart! Sie ist der schönsten Entwicklung fähig, sie ist vielmehr reif dazu! Diese Gewohnheiten sind nur kleine äußere Uebelstände und hemmen, ihr selbst zum Ueberdruß, ihre freie Entwicklung. Ach, wollte Gott, daß ihr ein edles männliches Herz erweckt würde, das ihr schönes reiches Wesen erkennen und lieben lernte, und um den viel größeren Besitz dieses Schatzes es getrost mit den kleinen Mängeln aufzunehmen beschlösse, die dann sich als solche in Wahrheit zeigen und von ihr abfallen würden, wie ein entstellendes Gewand von einem schönen Körper. O Lacy! es bleibt ein Vorwurf, den ich nicht unterdrücken kann – daß sie Niemand so liebte!«

Sie sah ihren Verlobten bei dieser edlen Entgegnung mit so wunderbar bewegten Blicken an, daß er lächelnd ihre Hand faßte und ausrief: »Macht mir meine Claudia denn daraus einen Vorwurf, daß ich sie nicht geliebt habe?«

»O Lacy,« sagte die Fürstin noch in derselben Stimmung – »ich habe es möglich gehalten, daß Sie sie liebten, und habe sie Ihnen gegönnt! Was kann ich Höheres für meine Ueberzeugung von ihr sagen? Ihr hattet Euch in Frankreich kennen gelernt – durch sie – durch ihre Briefe erfuhr ich zuerst von Ihnen. Daß sie von Ihnen in einem andern Tone sprach, als von der Masse, die sie umgab, das ließ mich hoffen, sie werde in Ihnen ihren Meister finden. Ich sah Sie dann selbst – und obwol durch Sie mein ganzes inneres Wesen verwandelt war, so gestattete ich doch den Wünschen meines Herzens keinen Raum für's Leben – und als Ihr Euch endlich hier bei mir wiedersähet, da knüpfte ich, mit der reinsten Resignation für mich, die Hoffnung für Euer Beider Glück an dieses Wiedersehn.«

»Nun diese Probe hätte ich also, ahnungslos, daß ich ihr unterworfen war, bestanden?« rief Lacy lachend.

»Das kann ich kaum sagen,« entgegnete die Fürstin, ebenfalls lächelnd – »denn Sie wissen am besten, wie bald der gesellige Verkehr dieses Hauses durch die wachsende Krankheit meines Vater unterbrochen werden mußte und so ward Ihnen die holde Versucherin auch entzogen – Sie hatten nun Zeit, fern von jeder Vergleichung mit Schöneren und Besseren, die arme bleiche Claudia zu bemerken, die fest beschlossen hatte, so wenig wie möglich Ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.«

»Ach, Claudia,« sagte der Graf – »ohne daß Sie es wollen, geben Sie unserm Glücke die schönste Bestätigung. Der Himmel selbst schirmte uns und ließ mich einer Verführung aus dem Wege gehn, die mir vielleicht eine glänzendere, aber immer sehr zweifelhafte Zukunft gegeben; denn ich bin offen genug, zu gestehen, daß ein Mann mit freiem Herzen und der Gelegenheit die Prinzessin öfter zu sehn, in große Gefahr kommen kann. Außerdem ist gerade etwas von dem Sinn in mir, den Sie für nöthig halten; ich könnte mit Interesse und Liebe, ein so edles organisirtes Wesen von ihren Irrungen zurück zu führen, für einen schönen Lebensberuf ansehn.«

»Ach,« sagte Claudia – »wenn Ihr liebenswürdiger Eigensinn Sie nun daran vorüber geführt hat und Sie kein Gefühl der Art mehr zu verschenken haben, warum können wir Beide durch die gleich schöne Kraft der Freundschaft nicht noch für die theure Verirrte wirken? Im Ganzen haben Männer auf meine Cousine größeren Einfluß als Frauen. Bemühen Sie sich um die Freundschaft des verirrten Wesens, theurer Lacy, und dann wollen wir ihr vereint zu Hülfe kommen. Vielleicht gelingt uns noch Manches.«

»Sie sind noch immer unschuldig und unerfahren wie ein Kind, liebe Fürstin,« sagte Georg Prey – »und nehmen nach diesem Sinn auch Ihre Maßregeln. Es ist dem Geistlichen, der das Ohr der Beichte leihen muß, nicht gestattet, sich den Sinn also zu erhalten: denn während er die Sünden anhören muß, um ihnen den Trost und die Heiligungen der Kirche angedeihn zu lassen, wird er leider davon unterrichtet, in welchen Verzweigungen und Versuchungen das Böse über die Erde schleicht, und in tiefer Demuth befestigt sich da die Ueberzeugung von der großen Schwäche der menschlichen Natur. Schön ist es, mit der Versuchung kämpfen, wenn sie ohne unser Zuthun uns erreicht. Aber,« setzte er lächelnd und fast beschämt hinzu, »ich rathe immer, ihr aus dem Wege zu gehn, oder doch zu fragen, ob unsere Verhältnisse ein gefährliches Wagniß gestatten. Zu diesen Fällen würde ich rechnen, wenn ein verheirateter oder verlobter Mann sich berufen fühlen sollte, eine schöne Sünderin durch die an sie verwendete Freundschaft von ihren Verirrungen zurück zu führen; besonders wenn besagter Gegenstand gerade im Fache der Liebe von auffallenden Erfolgen war und von nicht strenger Gewissenhaftigkeit.«

Lacy mußte laut auflachen, denn es war ein Anflug von Humor in der Entgegnung des alten Herrn, der mit der schlauen Warnung auf komische Weise zusammentraf. Selbst die Fürstin lachte ein wenig, und da der alte Bernhard so eben die Abendtafel anmeldete, reichte sie dem geistlichen Herrn die Hand und bald saßen sie sich an der kleinen Tafel in bester Stimmung gegenüber.

Ehe der Graf den Palast Morani verließ, brachte er noch seine Wünsche über eine schnelle Vermählung und ihre Abreise nach Tein vor, die er namentlich für die Gesundheit der Fürstin so nöthig hielt. Er traf aber hier auf den entschiedensten Widerstand. »Meine Gesundheit,« setzte die Fürstin hinzu – wird sich hier auch befestigen. Vertrauen sie dem Gefühl von Glück, welches das schönste Belebungsvermögen der physischen Natur ist. Es scheint mir, ich bin schon gesund; es glüht schon neue Lebenskraft in meinen Adern! Komme ich mir doch fast jünger und hübscher vor, seit ich mich als Ihre Braut schmücke.«

Lacy küßte entzückt ihre ihm zärtlich dargereichte Hand. »Gestatten Sie mir nur, theurer Lacy,« fuhr sie fort – »die Mäßigung auch öffentlich darzulegen, mit der ich mich schüchtern einem für mein Alter so ungewöhnlichen Verhältnisse nahe. Sie würden mit Ihrer Jugend Ihrer alten Freundin keine Entschuldigung sein – ja, man würde eben von mir das fordern, was man Ihnen billig zu Gute halten müßte.«

»Ich will Ihnen nicht länger widerstehn,« sagte Lacy – »Sie sind mir selbst da, wo ich anders empfinde, doch in allen Ihren Gefühlen heilig. Ich will Sie sogar nicht stören, wenn Sie fortfahren, mich immer an Ihr Alte, zu erinnern, denn es hat für mich so gar nichts Störendes, es ist mir ein so vertrauter lieber Gedanke, daß ich gern zuhöre, wenn Sie ihn noch in alle ihre Beschlüsse verweben, sicher genug, daß Sie ihn zuletzt wie ich selbst vergessen werden.«

Gertraud erschien jetzt mit vielen Knixen und machte der Fürstin eine Meldung. »Kommen Sie, meine Herren,« sagte sie jetzt – »Sie sollen sehen, wo meine kleinen Zöglinge ihren ersten Schlaf unter dem neuen Dache halten. Gertraud meldet mir, daß sie jetzt Beide in tiefem Schlummer liegen.«

Die Herren folgten der Fürstin über die Terrasse, um von Außen die Zimmer der Kinder zu erreichen, die nach Innen nur durch die Schlafzimmer der Fürstin und der alten Kammerfrau einen Eingang hatten.


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