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XIII. Weisser Malgrund. Lasur auf weisser und farbiger Unterlage. Gelöste Farbstoffe; Diffusion. Asphalt, seine Vorzüge und Nachteile. Lacke als colloidale Farbstoffe. Übergänge

Lieber Freund!

Sie verlangen, dass ich meine Bemerkung begründe, dass man für endgültige Bilder einen weissen Untergrund benutzen müsse, und füge hinzu, dass allerdings die älteren Italiener, Vlamen und Deutschen einen solchen benutzt hätten, und dass auch Böcklin die gleiche Praxis geübt habe, finden aber Ihrerseits einen getönten Grund für viele Zwecke angenehmer.

Um diese wichtige Frage gründlich zu behandeln, muss ich zunächst auf ein bisher nur andeutungsweise betrachtetes Problem eingehen, nämlich das der Lasur, insbesondere bei der Ölfarbentechnik.

Eine Lasur besteht bekanntlich in einer durchscheinenden farbigen Schicht über einem irgendwie gefärbten Untergrunde. Man erzielt hierdurch eine bedeutende Vertiefung der farbigen Wirkung.

Über die Art und Weise, wie diese Wirkung zu stande kommt, ist einiges bereits gesagt worden. Dort war indessen zunächst der weisse Untergrund in Betracht gezogen worden. Betrachten wir nun, wie eine Lasur auf farbigem Untergrunde wirkt. Wir behandeln zunächst den einfachsten Fall, dass man auf eine bestimmte Deckfarbe, z. B. Englischrot, eine gleichnamige durchsichtige Farbe, z. B. Krapplack deckt.

Macht man den Versuch, so erzielt man einen Eindruck, den man mit Worten wie »feurig«, »leuchtend«, »tief« wiederzugeben versucht. Es ist der Eindruck, welchen die Farben eines reinen Spektrums machen, denen keine merkliche Menge Weiss beigemischt ist. Den gleichen Eindruck machen aus gleichem Grunde tiefgefärbte Glasmalereien. Bei der Lasur Rot auf Rot beispielsweise kommt diese Wirkung dadurch zu stande, dass bereits die Deckfarbe wesentlich rotes Licht zurückwarf, dem nur einiges von der Oberfläche kommende weisse Licht beigemengt ist. Dieses weisse Licht wird nun durch die rote Lasur gleichfalls rot gefärbt, so dass nur rotes Licht übrigbleibt, und so kommt die Reinheit oder Leuchtkraft oder Tiefe der Farbe zu stande. Es ist natürlich, dass man jede andere Farbe in gleicher Weise zu solcher Wirkung bringen kann.

Etwas verwickelter ist die Wirkung einer Lasur auf andersfarbigem Untergrund. Die Lasur hat, da sie in der Durchsicht wirkt, die Eigenschaft, dem durchfallenden Lichte gewisse Strahlen zu entziehen. Und zwar sind es die Komplementärfarben der Farbe, in welcher der Farbstoff erscheint. So absorbiert der rote Krapplack hauptsächlich Grün, das Preussischblau hauptsächlich Rotgelb usw. Man kann sich von dieser Wirkung leicht überzeugen, wenn man durch ein Taschenspektroskop nach einer weissen Lichtquelle (z. B. hellen Wolken) hinsieht und dann ein mit der betreffenden Lasurfarbe überzogenes Glas vor den Spalt des Apparates halt. Andererseits wirken die deckenden Farbstoffe derart, dass sie von dem weissen Licht die Farben zurückwerfen, in denen sie erscheinen, während sie die komplementären verschlucken.

Nun kann man sich ein Bild von der Gesamtwirkung machen. Die Lasur lässt nur gewisse Lichtstrahlen, d. h. Farben durchgehen, und von diesen wird durch die Untermalung nur ein Teil zurückgeworfen, die von der Lasur nochmals in demselben Sinne beeinflusst werden, wie beim Einfallen. Die Folge ist, dass nur ein verhältnismässig beschränktes Gebiet von farbigem Licht zurückkommt, dem kein Weiss beigemischt ist.

Wählt man Untermalung und Lasur so, dass beide Farben nahe bei einander liegen, wie Orange und Rot, Gelb und Grün etc., so wird verhältnismässig viel Licht von grosser Reinheit der Farbe zurückgeworfen, und die Farbe erscheint »leuchtend«. Auf solche Weise lassen sich erfolgreich Gegenstände darstellen, die wie vom Sonnenlichte durchleuchtetes Laub, durchsichtiges Wasser, bunte Glasfenster u. dgl. kein Oberflächenweiss in ihrer Erscheinung enthalten.

Stehen sich Untermalung und Lasur im Farbenkreise ferner, so nimmt die Menge des von der Fläche zurückgeworfenen Lichtes immer mehr ab, und diese erscheint entsprechend dunkler. Durch Überlegen einer komplementärfarbigen Lasur über eine möglichst reinfarbige Untermalung lässt sich eine tiefe und doch farbige Wirkung erzielen. Das tiefste Schwarz ergibt sich, wenn auf einen schwarzen Untergrund abwechselnd komplementärfarbige dunkle Lasuren (z. B. gebrannte Siena und Preussischblau oder reiner Indigo) aufgetragen werden.

Die Frage, auf welchen Eigenschaften der Unterschied zwischen Deck- und Lasurfarben beruht, ergiebt sich aus der Anwendung derselben Betrachtungen über die Reflexion, welche bereits vorher für viele Erscheinungen in der Malerei aufklärend gewesen sind. Da, wie dort gezeigt worden war, eine Farbe um so besser deckt, je grösser ihr Lichtbrechungsvermögen ist, so folgt, dass umgekehrt eine Farbe umso weniger deckt, also umso mehr den Charakter einer Lasurfarbe hat, je kleiner ihr Lichtbrechungsvermögen ist, oder genauer, je näher ihre Lichtbrechung gleich der der Umgebung wird. Da es keinen Farbstoff von der geringen Lichtbrechung der Luft gibt, so gibt es auch in allen Malverfahren, bei denen die Körnchen des Farbstoffes wesentlich von Luft umgeben sind, keine Lasur. Dies gilt in erster Linie für die Pastellmalerei, und hier liegt die wesentlichste Beschränkung ihrer technischen Mittel. Umgekehrt erhalten umso mehr Farben den Charakter der Lasurfarbe, je grösser die Lichtbrechung des Bindemittels ist. Da in dieser Beziehung die Harze und Öle dem Gummi, Leim und Eiweiss stark überlegen sind, so erklärt es sich, dass die Anwendung dieses Hilfsmittels ihr grösstes und erfolgreichstes Feld in der Ölmalerei findet. Andererseits folgt daraus, dass die besten Lasurfarben solche sein würden, die sich in dem Bindemittel nicht nur mechanisch verteilen, sondern wirklich auflösen lassen. Diese Eigenschaft haben die meisten färbenden Metalloxyde gegenüber dem schmelzenden Glase, mit dem sie durchsichtige Flüsse von reichster und tiefster Färbung erzeugen.

Für die anderen Arten der Malerei kommen gelöste Farbstoffe kaum je in Frage. Alle Stoffe, welche wirkliche Lösungen bilden, zeigen auch die Eigenschaft der Diffusion, d. h. der freiwilligen Verbreitung in angrenzende Gebiete des Lösungsmittels, wo sie noch nicht, oder in geringerer Konzentration anwesend sind. Eine solche Diffusion ist auch in anscheinend festen Mitteln, wie trockener Leim, Gummi, Harz möglich, wenn sie auch dort sehr viel langsamer erfolgt, als in flüssigen Lösungen. Die Folge davon ist, dass sich um jedes Gebiet, wo der gelöste Stoff anwesend ist, in das freie Gebiet hinein ein Diffusionshof bildet, welcher die Gestalt eines nach aussen abgetönten Randes hat. Eine gute Anschauung hiervon ergeben die unter der Glasur befindlichen blauen Zeichnungen auf Porzellan (z. B. das Meissner Zwiebelmuster), welche alle mit diesem verschwimmenden Rande versehen sind. Dieser kommt dadurch zu stande, dass die blaue Kobaltfarbe sich auf dem Porzellan schon zu der Zeit befindet, wo es der höchsten Temperatur ausgesetzt ist, und wo die Glasur daher halbflüssig ist. In dieser diffundiert das gelöste Kobaltoxyd, das die blaue Farbe bildet, von den Stellen, wo es aufgetragen war, nach den freien Stellen hin, und bildet so den charakteristischen verschwimmenden Diffusionsrand.

Da durch diese Erscheinung die scharfe Zeichnung vernichtet wird, so vermeidet man die Anwendung gelöster Farbstoffe in der eigentlichen Kunstmalerei. Der einzige, hier zu erwähnende Farbstoff ist der Asphalt, dessen ausgezeichnete Lasurwirkung seinem gelösten Zustande zuzuschreiben ist. Allerdings sind damit auch die eben geschilderten Diffusionserscheinungen verbunden, deren nicht vorausgesehene und nicht gewünschte Ergebnisse dem unkundigen Benutzer dieses Farbstoffes grosse Verlegenheiten und Misserfolge bringen können.

Von diesem Übelstande der gelösten Stoffe, der Diffusion, frei und deren optische Vorzüge fast ohne Mängel besitzend sind die colloidalen Farbstoffe. Mit diesem Namen bezeichnet man nichtkristallinische Stoffe, welche sich mit Lösungsmitteln zwar nicht zu eigentlichen Lösungen, wohl aber zu Suspensionen oder Aufschlämmungen vereinigen, welche noch einen grossen Teil der Eigenschaften der Lösungen haben.

Sie lassen sich mit beliebigen Mengen des Lösungsmittels verdünnen und zeigen dabei eine Durchsichtigkeit, welche der der wahren Lösungen nahe kommt, sie aber doch nicht ganz erreicht. Dies erkennt man daran, dass solche Lösungen zwar oft in der Durchsicht ganz klar erscheinen, in der Aufsicht aber doch eine Zerstreuung des Lichtes erkennen lassen. Ein Beispiel dafür bietet etwa Preussischblau in viel reinem Wasser dar, welches in der Durchsicht klar aussieht. Wenn man aber mittels einer Sammellinse, etwa eines Brennglases, einen Kegel Sonnenlicht in die Flüssigkeit fallen lässt, so zeichnet sich dieser mit der kupferroten Farbe ab, die man auch durch Glätten des festen Farbstoffes mit einem harten, glatten Körper hervorrufen kann.

Zu den gebräuchlichsten colloidalen Farbstoffen gehören die Farblacke. Es sind dies Verbindungen organischer Farbstoffe mit Tonerde oder Aluminiumhydroxyd. Früher dienten nur ein paar natürlich vorkommende organische Farbstoffe, wie Karmin und Krapp zur Herstellung von Farblacken. Gegenwärtig, wo die Industrie zahllose künstliche Farbstoffe von allen Farbtönen herstellt, ist auch die Gewinnung von Farblacken eine sehr viel mannigfaltigere geworden. Indessen gelangen diese meist nicht lichtbeständigen Produkte glücklicherweise nur ausnahmsweise in die für die Kunstmalerei bestimmten Farben und werden hauptsächlich in der Tapetenindustrie verbraucht.

Von den in der Malerei benutzten Lacken ist Krapplack dem Karminlack in Bezug auf seine Beständigkeit weit überlegen. Zwischen dem künstlichen Alizarin und dem natürlichen Krappfarbstoff besteht weder chemisch, noch optisch ein Unterschied, ausser dass der künstliche Farbstoff reiner ist und daher noch eine grössere Gewähr der Dauer bietet, als der natürliche.

Da zur Lackbildung mit Tonerde sich fast nur organische Farbstoffe eignen, welche sehr oft nur eine geringe Lichtbeständigkeit haben (unabhängig davon, ob sie natürliche oder künstliche Farbstoffe sind), so hat sich allgemein die Vorstellung verbreitet, als seien Lacke im allgemeinen nicht »echt«. Während dies, wie erwähnt, allerdings von vielen alten »natürlichen« Farbstoffen gilt, hat die Industrie neuerzeit eine Reihe hervorragend lichtechter künstlicher Farbstoffe erzeugt, welche jene alten unechten nicht nur ersetzen, sondern übertreffen. Allerdings lassen sie sich nicht auf den ersten Blick von den vergänglichen Produkten unterscheiden, und so lange der Künstler sich nicht daran gewöhnt, ihm unbekannte Farbstoffe einer Probe auf ihre Lichtbeständigkeit zu unterwerfen, ist es jedenfalls besser, diese Produkte nicht auf der Palette heimisch werden zu lassen. Wohl aber sollten die grossen, als zuverlässig bekannten Firmen, die sich mit der Herstellung von Künstlerfarben befassen, dahingerichtete Arbeiten unternehmen und die als zuverlässig erkannten Lacke in den Handel bringen.

Zu den Lasurfarben werden schliesslich einige gerechnet, welche weder echte noch colloidale Lösungen geben, wie Terra di Siena, Umbra usw. Diese erhalten ihre durchsichtige Beschaffenheit im Gemenge mit dem Bindemittel durch den verhältnismässig kleinen Wert ihres Lichtbrechungsvermögens, welches dem der öligen und harzigen Bindemittel sich nähert. Dadurch wird die totale Reflexion und daher auch die Trübung des Gemenges auf ein geringes Mass herabgedrückt. Indessen ist doch hier bei weitem nicht die Durchsichtigkeit vorhanden, wie bei den wahren und den colloidalen Lösungen. Diese Farbstoffe beginnen daher den Übergang zu den Deckfarben, welcher durch eine Stufenleiter verschiedener Farben von immer grösserem Brechungskoeffizienten vermittelt wird.


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