Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

X. Versuchte Rettung des Fresko: Stil. Besteht hier in einer unfreiwilligen Beschränkung. Tempera. Geheimmittel in der Malerei und Warnung davor. Unberechtigte Überschätzung der alten Rezepte. Malerische Alchemie. Künftige Entwicklung der Technik. Ölmalerei, ihre Vorzüge. Bindemittel und deren Trocknen. Einfluss des Luftsauerstoffs. Deck- und Lasurfarben in der Öltechnik. Vorzüge und Nachteile der Öltechnik. Änderung des Bindemittels

Lieber Freund!

Auf Ihre Bemühungen, der Freskotechnik ihr traditionelles Ansehen zu wahren, wäre vielerlei zu erwidern, doch werden wir dies wohl besser auf unsere nächste Zusammenkunft verschieben, wo Rede und Gegenrede schneller aufeinander folgen. Denn um eine fruchtbare Verhandlung zu führen, müssen wir uns zuerst über irgendwelche gemeinsame Ausgangspunkte klar geworden sein, von denen aus wir die weitere Verständigung suchen können. Nur auf eine Ihrer Bemerkungen lassen Sie mich eingehen; Sie sagen, keine andere Technik hatte einen so grossen Stil wie das Fresko, und daher sei es das geeignetste Verfahren für monumentale Malerei.

Wir hatten ähnliche Fragen bei einem früheren Anlass berührt und ich hatte Ihnen bereits damals nicht verhehlt, dass ich mir bei diesen Worten nichts Bestimmtes denken konnte, worauf Sie wieder replizierten, jeder Maler wisse, was damit gemeint sei. Ich muss also versuchen, den jedenfalls vorhandenen Sinn des Wortes selbst herauszubekommen. Am besten denke ich Ihre Meinung zu treffen, wenn ich den Ton auf die Tatsache lege, dass die Ausübung der Technik nicht jede beliebige Ausdrucksweise ermöglicht, sondern nur begrenzte Arten; so wird man zweifellos Sonnenuntergange und ähnliche farben- und lichtreiche Naturerscheinungen nicht in Fresko darstellen wollen. Sind durch die Aufgabe selbst derartige Probleme gegeben, so wird man sich bei ihrer Ausführung auf Andeutungen beschränken und eine »naturalistische« Ausführung vermeiden, weil sie unzulänglich bleiben müsste. Hierdurch behält das Produkt etwas Abstraktes, denn da es sich nicht um eine grosse Annäherung an die Naturerscheinung handeln kann, so muss der Künstler seine Wirkung in der Zeichnung und in dem gedanklichen Inhalt des Dargestellten suchen. Ich hoffe, mit dieser Schilderung das Wesentliche getroffen zu haben, wenn Sie auch vermutlich ein wenig den gehobenen Ton vermisst haben, in welchem sonst derartige Fragen abgehandelt zu werden pflegen. Nun werden Sie mir aber auch zugeben, dass man sich ähnliche Beschränkungen in jeder anderen Technik auferlegen kann , indem man die Palette, d. h. die Zahl und den Umfang der anzuwendenden Farben, entsprechend einschränkt. Man kann also in jeder anderen Technik in ähnlichem Stil malen, wie er durch die Natur des Fresko gegeben ist: nur kann man in den anderen Techniken ausserdem Aufgaben bewältigen, denen gegenüber Fresko versagt. Es liegt bei diesem also nur eine Beschränkung vor, die dem Künstler zwangsweise auferlegt wird, während er sie sich nötigenfalls freiwillig auferlegen könnte. In einer solchen Eigenschaft kann ich keinen Vorzug, sondern nur einen Nachteil sehen.

Damit wollen wir das Fresko vorläufig beiseite lassen und uns den noch übrigen Arten der malerischen Technik zuwenden. Es sind hauptsächlich zwei, die Ölfarbe und die Tempera.

Zur Einhaltung einer strengen Systematik wäre es hier nötig, zunächst die Tempera vorzunehmen, weil das, was man jetzt darunter versteht, auch auf die Anwendung des Wassers zur Verdünnung der Farbe herauskommt, also auch eine Aquarelltechnik im weiteren Sinne ist. Dies empfiehlt sich aber deswegen nicht, weil es gegenwärtig einen ganz bestimmten Begriff der Tempera nicht gibt. Vielmehr stehen wir hier auf dem Boden einer Alchemie, einer geheimen Rezeptenkunst, an welcher die Fortschritte der heutigen Wissenschaft anscheinend ganz einflusslos vorüber gegangen sind. Aus den alten Malbüchern werden halbverstandene Anweisungen herübergenommen, nach eigenem Gutdünken verbessert und dann von dem glücklichen Erfinder als grosse Geheimnisse auf das ängstlichste gehütet. Von Zeit zu Zeit tritt ein derartiges neues Malverfahren mit grossem Geräusch an die Öffentlichkeit; Erfinder und Fabrikanten rühmen ihm eine unerreichte Leuchtkraft und ein unvergleichliches Feuer der Farbe nach, verschweigen aber sorgfältig, woraus das Bindemittel der neuen Farben besteht. Man kann es nicht oft genug wiederholen, dass die Anwendung derartiger Farben für den Maler ungefähr dasselbe bedeutet, wie eine Kapitalanlage in südamerikanischen Staatspapieren für einen Familienvater. Es kann ja sein, dass die Sache etwas taugt, aber die Wahrscheinlichkeit spricht nicht dafür, und ehe man ihm genau sagt, was man ihm in die Hand gibt, sollte kein Maler, der es mit seiner Kunst ernst nimmt und der seinem Käufer oder Auftraggeber gegenüber etwas wie Verantwortlichkeit empfindet, solche Sachen anwenden. Die Beispiele, wo durch die Anwendung von derartigen Geheimmitteln hochbezahlte Kunstwerke bereits nach wenigen Jahrzehnten, ja Jahren so weitgehende chemische und mechanische Veränderungen erlitten haben, dass ihr Wert auf einen geringen Bruchteil herabgegangen ist, sind leider so zahlreich, dass man sie nicht einmal anzuführen braucht. Gewöhnlich wird hiergegen von den Betroffenen wieder ein neues Geheimmittel angewendet und durch Quacksalberei das Übel schliesslich nur noch ärger gemacht. Auch versäumt man dann meistens nicht, darauf hinzuweisen, dass die alten Rezepte der grossen vlämischen und niederdeutschen Künstler, deren Bilder nach bald einem halben Jahrtausend noch glänzend und farbenfrisch erscheinen, durch Verlöschen der Tradition verschwunden seien, und dass daher heute keine Hoffnung bestehe, das gleiche zu erreichen. Demgegenüber muss auf das schärfste betont werden, dass auf Grund unserer heutigen wissenschaftlichen Kenntnisse eine mindestens ebenso sichere Beherrschung des Materials möglich ist, und dass man Bilder herstellen kann, die mit wissenschaftlicher Wahrscheinlichkeit eine gleiche Dauer gewährleisten. Aber derartige Resultate erzielt man nicht nach der Methode des Alchemisten, der »nach unendlichen Rezepten das Widrige zusammengoss«, sondern durch klare Fragestellung, auf welche die Wissenschaft immer noch auch klare Antwort zu geben gewusst hat, wenn auch nicht immer von heute auf morgen.

So; damit habe ich meinem Herzen zunächst Luft gemacht. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich z. B. in den Aufzeichnungen über Böcklin mich überzeugen muss, welche unendliche Zeit dieser grosse Mann mit unnützen und richtungslosen Versuchen verdorben hat, die ihm ein nicht eben grosser Betrag von chemischer und physikalischer Kenntnis erspart hätte. Natürlich kann auch der kenntnisreichste Naturforscher nicht alles vorauswissen. Aber ein solcher versteht zu experimentieren; dies ist eine ebenso schwere Kunst wie das Malen. Denn es kommt nicht nur darauf an, etwa alte Rezepte nachzumischen und zu probieren, ob sie etwas taugen, sondern man muss sich von der Wirkungsweise jedes Stoffes, der erfahrungsmässig brauchbare Resultate gibt, ein klares Bild machen, und dann die Ansätze so variieren und durcharbeiten, dass der angestrebte Zweck am vollständigsten erreicht wird. Hierbei handelt es sich meist um ein Kompromiss zwischen verschiedenen, sich teilweise widersprechenden Forderungen; in unserem Falle sind es vorwiegend die beiden Fragen der optischen Ausgiebigkeit und der Dauerhaftigkeit. Die eine Forderung zu befriedigen, ohne gegen die andere zu verstossen, ist eine Aufgabe, die nur durch systematische, nach den Regeln der Wissenschaft streng durchgeführte Arbeit gelöst werden kann. Die Technik der Malerei muss hier eine Entwicklung durchmachen, wie sie die Medizin durchgemacht hat, denn sie steckt ihrerseits noch ganz und gar in der Epoche der Geheimmittel und des absurdesten Aberglaubens. Diese Entwicklung zu beschleunigen, ist eine Aufgabe, für die sich wohl ein Mann erwärmen mag.

Bekanntlich werden heutzutage fast alle Bilder mittels Ölfarben hergestellt. Ölfarben im heutigen Sinne sind allgemein erst seit der sogenannten grossen Zeit der italienischen Malerei, die durch die Namen Lionardo, Raffael und Tizian gekennzeichnet ist, zur Anwendung gekommen. Was die Technik der als Erfinder der Ölmalerei geltenden Vlamen, der Brüder van Eyk, gewesen ist, weiss man heute noch nicht mit Sicherheit; dass es nicht die heutige Ölmalerei gewesen ist, ergibt sich aus dem sehr bedeutenden Unterschiede ihrer Erhaltung gegenüber der der unzweifelhaften Ölbilder aus etwas späterer Zeit. Die Annahme von Ernst Berger, dass die vlämische Technik Öltempera gewesen sei, hat manches für sich, kann aber hier nicht eingehend erörtert werden. Jedenfalls stehen wir vor der Erscheinung, dass die reine Öltechnik gegenüber jenen ausgezeichneten Kunstwerken sehr schnell Boden gewonnen und die anderen Verfahren fast vollkommen verdrängt hat.

Die Ursache hierfür liegt in zwei Umstanden. Einmal gestattet die Öltechnik, die beiden Prinzipien des Farbauftrages, die Deckung und die Lasur, neben- und übereinander gleichzeitig anzuwenden, und gewährt somit dem Künstler einen grösseren Umfang von Ausdrucksmitteln als eine der vorbesprochenen Methoden. Ferner hat die Ölfarbe während des Malens jederzeit das gleiche Aussehen, welches sie auch nach dem Festwerden behält; der Künstler kann also seine Wirkungen so genau abstimmen, wie er will, und ist keinen unvorhergesehenen Wandlungen seines Werkes ausgesetzt. Allerdings ist dieser letzte Vorteil ein trügerischer, denn wenn sich die Ölfarbe auch nicht in Wochen und Monaten im Tone verändert, so tut sie dies doch sicher in Jahrzehnten und Jahrhunderten. Der wohlbekannte warmbraune Ton der alten Ölbilder ist ein Zeugnis dafür; er beruht nicht auf ursprünglicher Farbbeschaffenheit, sondern auf der Änderung, welche das als Bindemittel benützte Öl im Laufe der Zeit erlitten hat.

Doch hierauf wollen wir erst später ein wenig näher eingehen; zunächst betrachten wir die chemischen und optischen Eigenschaften der Ölfarbe.

Das Bindemittel dieser Farben ist Lein-, Nuss- oder Mohnöl, kurz ein »trocknendes« Öl. Unter einem solchen versteht man ein Öl, das an der Luft in eine harzartige, feste Masse übergeht. Dass dies alle Öle nicht tun, kann jeder am Oliven- oder Speiseöl sehen, das durch langes Stehen an der Luft zwar ranzig, d. h. übelschmeckend wird, aber nicht fest. Was beim Festwerden stattfindet, ist im wesentlichen ein Oxydationsvorgang, d. h. das Öl nimmt aus der Luft einen von deren Bestandteilen, den Sauerstoff, auf und verbindet sich mit diesem zu jener festen Masse. Daher trocknen die Ölfarben nur auf dem Bilde oder auf der Palette, nicht aber in der Tube, denn in dieser sind sie gegen den Zutritt des Luftsauerstoffs geschützt.

Bei dieser Umwandlung geht das Öl in eine nahezu gleiche Menge des harzartigen Produktes über. Das ist zwar nicht ganz genau, denn das Volum des Produktes ist, namentlich nach langer Oxydation, ein wenig kleiner als das des Öls; dies kommt aber erst später in Frage. Hierdurch ist nun der optische Charakter der Ölfarbe gegeben. Während bei den verschiedenen Arten der Wasserfarbe der Hauptbestandteil des Bindemittels, das Wasser, ohne Rest verdunstet, und deshalb die Farbe als eine wesentlich aus dem Farbstoff bestehende, einigermassen poröse Masse hinterlässt, so bleibt das Öl seinem Raume nach erhalten, und die festgewordene Farbe ist nicht porös, sondern besteht aus dem durchsichtigen Harz des festgewordenen Öls, in welches die Farbstoffkörperchen eingelagert sind.

Optisch ergibt sich hieraus das Folgende. Haben die Farbstoffkörnchen eine grosse Lichtbrechung, so wird die Gesamtmasse deckende Eigenschaften haben, da die Lichtbrechung des Öls, obwohl grosser als die des Wassers, doch hinter jener der Farbstoffe zurücksteht. Es hat nämlich Wasser 1.33, Öl 1.48, Bleiweiss aber 2.00. Immerhin wird es hier doch unter sonst gleichen Umständen eines bedeutend dickeren Farbauftrages bedürfen, um mit etwas weniger brechenden Farbstoffen die gleiche Deckung zu erzielen, wie sie etwa bei Guasche erreicht wird, und so bietet sich für die Ölmalerei der starke »pastose« Auftrag in vielen Fallen mit einer gewissen Notwendigkeit an. Doch muss betont werden, dass diese Notwendigkeit ein Übel ist und dass ein Ölbild um so sicherer im Laufe der Zeit zu Grunde geht, je pastoser es gemalt ist. Ich will nicht leugnen, dass mir diese Voraussicht manchmal bei der Besichtigung von Ausstellungen einen gewissen Trost gewährt.

Hat der mit Öl angeriebene Farbstoff dagegen keine grosse Lichtbrechung, so treten die in meinem vierten Briefe beschriebenen Erscheinungen ein. Das Licht findet wenig Hindernisse bei seinem Durchgange durch das Gemenge und dieses hat im wesentlichen die optischen Eigenschaften eines farbigen Glases. Damit eine derartige Farbe ihre Wirkungen tut, muss sie auf einen Untergrund getragen werden, der seinerseits das Licht zurückwirft, ganz wie das beim Aquarell im engeren Sinne der Fall ist. Derartige Farben nennt man Lasurfarben. Man kann sie in Deckfarben verwandeln, wenn man sie mit deckendem Weiss mischt. Da aber hierbei ein Teil des Weiss als trübe Schicht vor dem dunklen Farbstoff sich betätigt, so werden alle derartigen Farben durch Mischung mit Weiss nach der blauen Seite umgestimmt. Dies ist namentlich beim Rot auffallend: Krapp als Lasur wirkt unvergleichlich wärmer, als mit Weiss gemischt, wo er ins Violett zieht.

Durch diese Einbettung der Farbkörper in ein Mittel von verhältnismässig hoher Brechung ist nun in erster Linie eine bedeutende Verminderung des weissen oder grauen Oberflächenlichtes erreichbar, und es gelingt daher, die Wirkung des Bildes in beliebigem Masse durch farbreiches Tiefenlicht zu bestimmen. Hierauf beruht insbesondere die ungemein farbige Wirkung jener altvlämischen Bilder, die, wie sie auch gemalt sein mögen, bezüglich ihrer optischen Eigenschaften den Ölbildern zugerechnet werden müssen. In der heutigen Technik werden diese Wirkungen allerdings meist verschmäht; teils mögen sie den Künstlern nicht genügend bekannt sein, teils erfordert ihre Anwendung ein umständlicheres Verfahren als das flotte Heruntermalen mit fertig gemischten Tönen.

Ein zweiter Erfolg der Einbettung ist die mechanische Widerstandsfähigkeit der Farbschicht. Ölbilder können ohne schützendes Glas aufgehängt werden und man kann sie von angesetztem Staub und Schmutz durch Abwaschen reinigen. Dieser Vorzug ist indessen nicht ganz zweifellos; war er wichtig zu einer Zeit, wo die Herstellung hinreichend grosser und ebener Glasplatten nicht ausführbar war, so fällt er heute nicht ins Gewicht, wo auch für sehr grosse Gemälde Spiegelglasscheiben zu Preisen erhältlich sind, die weit unter denen der Kunstwerke selbst liegen. Ohne Glasschutz aber ist das Ölbild sowohl den schnellwirkenden Unbilden der Nachlässigkeit oder des Vandalismus wie den langsam wirkenden der Luftverunreinigungen, insbesondere dem Russ und der schwefligen Säure der modernen Städte ausgesetzt. Demgemäss schreiten die Museumsverwaltungen immer mehr und mehr dazu, auch die Ölbilder hinter Glas zu setzen (wogegen vom Standpunkte der künstlerischen Wirkung gar nichts zu sagen ist), und damit wird jener mechanische Vorzug der Ölbilder einigermassen zwecklos.

Denn diesen Vorzügen gegenüber stehen sehr erhebliche Nachteile. Da das Bindemittel einen entscheidenden Anteil an der optischen Wirkung des Gemäldes hat, so wird jede Änderung des ersten auch die letztere ändern. Nun ist das harzartige Oxydationsprodukt der trocknenden Öle durchaus kein unveränderlicher Stoff; der Oxydationsvorgang bleibt nicht stehen, sondern schreitet langsam fort, wobei das Harz braun wird und an Volum mehr und mehr verliert. Demgemäss ist ein jedes Ölbild in fortwährender Veränderung begriffen. Diese Veränderung hat eine verschiedene Geschwindigkeit je nach der Natur der Farbstoffe, die dem Öl beigemischt sind. Daraus ergeben sich denn die zahllosen Krankheiten der Ölbilder, durch welche ein besonderer Stand von Heilkundigen für diese Patienten, die Restauratoren, erstanden ist. Doch dies ist eine so weitschichtige Sache, dass ich für diesmal Schluss machen muss.


 << zurück weiter >>