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IX. Das Fresko. Seine mangelhafte Haltbarkeit. Chemische Vorgänge dabei. Störungen durch die Unterlage. Abhilfe. Chemischer Einfluss des Kalkes auf die Farben. Helles Auftrocknen. Stückweises Arbeiten. Böcklins Unfälle beim Fresko. Verwerfung dieser Technik

Lieber Freund!

Das Fresko, »die edelste Technik«, wie Sie sie nennen, habe ich nicht vergessen; sie gehört in der systematischen Reihe an diese Stelle, denn es handelt sich um eine Wasserfarbe mit einem besonderen Bindemittel. Warum Sie dies Verfahren mit dem auszeichnenden Beiwort versehen, habe ich um so weniger verstehen können, als Sie hinzufugen, dass Sie, wie die meisten heutigen Maler, keine Gelegenheit gehabt haben, das Verfahren kennen zu lernen und anzuwenden. Wenn Sie den Zustand der Fresken am Berliner Museum oder an der Neuen Pinakothek in München betrachten, so werden die fast überall unerkennbar gewordenen Ruinen der nur einige Jahrzehnte alten Werke schwerlich eine überzeugende Sprache zu Gunsten des Fresko reden. Wie sich das auch unter günstigeren Witterungsverhältnissen als im mittleren Europa verhalten mag: bei uns hat sich diese Technik als ganz unzuverlässig erwiesen, was die Dauer der erzielten Werke anlangt. Und welchen sachlichen Beschränkungen dies Verfahren unterworfen ist, wird sich bei der Betrachtung der Einzelheiten ergeben.

Im Fresko wird eine besondere Art von Wasserfarbe angewendet. Hier wird die Malerei auf einer frisch hergestellten, nassen Kalkwand ausgeführt, wobei die Farbe selbst mit Kalk gemischt wird. In dem angewendeten Wasser löst sich etwas Kalk (? Prozent) auf, welcher beim Trocknen zurückbleibt, indem er gleichzeitig durch die Kohlensäure der Luft in Calciumcarbonat übergeht. Da das Festwerden des Mörtels auf dem gleichen Vorgange beruht, so ist ein guter Zusammenhang des Bildes mit seiner Unterlage gesichert. Denn da das Bindemittel aus demselben Stoffe besteht wie die Unterlage, erfahren beide durch die Änderung der äusseren Umstände gleiche Beeinflussungen und eine Hauptursache des Abblätterns fällt fort.

Allerdings ist das Bild noch allen Störungen ausgesetzt, welche seine Unterlage, das Mauerwerk erfahren kann. Das bedenklichste ist das Auskristallisieren gelöster Stoffe an der Oberfläche. Wenn nämlich irgend welche löslichen Stoffe entweder in der Mauer von vornherein vorhanden sind oder im Laufe der Zeit hineingelangen, so scheiden sie sich schliesslich unvermeidlich an der Oberflache aus. Denn wenn durch den Einfluss der wechselnden Witterung, ganz abgesehen von direktem Nasswerden durch Regen oder dergleichen, die Mauer abwechselnd nass und trocken wird, so geht folgendes vor sich. Die Feuchtigkeit der nassen Mauer löst den vorhandenen löslichen Stoff bis zur Sättigung auf. Beim Trocknen verdunstet notwendig das an der Oberfläche, am Bilde, befindliche Wasser und hinterlässt zunächst die entsprechende Menge des gelösten Stoffes an dieser Oberfläche. Dann aber zieht sich die im Innern vorhandene Feuchtigkeit vermöge der Oberflächenspannung (Kapillarität) gleichfalls nach der Oberfläche, um dort das gleiche Schicksal zu erfahren. So wird zunächst der gelöst gewesene Stoff in die Oberflache transportiert. Wiederholt sich der Vorgang, so geht schliesslich alle überhaupt in Wasser lösliche Substanz in die Oberfläche und das Bild wird mit ihren Ausscheidungen bedeckt.

In die Mauer kann der lösliche Stoff auf zweierlei Art kommen. Einmal mit dem Material der Mauer, hauptsächlich mit den Steinen, weniger mit dem Mörtel. Das Mittel dagegen ist, nur solches Material zu verwenden, welches auf natürlichem oder künstlichem Wege durch lange Anwendung vielfach gewechselten möglichst reinen Wassers seine löslichen Bestandteile vollständig verloren hat. Ebenso muss man sich hüten, mit dem verwendeten Wasser, dem Mörtel, den Farben lösliche Stoffe in das Bild einzuführen.

Ein anderer Weg, auf dem lösliche Stoffe in die Mauer gelangen können, ist die Diffusion aus der Bodenfeuchtigkeit. Diese enthält immer gelöste Stoffe aus dem Material des Bodens, und wenn sie sich in die Mauer verbreiten kann und oben die geschilderte Verdunstung erfährt, so sind wieder die Voraussetzungen für die Entstehung zerstörender Ausscheidungen gegeben. Das Mittel dagegen ist wohlbekannt: es ist die Anbringung einer wasserdichten Isolierschicht zwischen dem unteren und dem oberen Teil der Mauer, welche das kapillare Ansteigen der Bodenfeuchtigkeit verhindert.

Neben diesen Gefahren, welche die Lebensdauer eines Freskobildes bedrohen, ist noch die energische chemische Wirkung zu erwähnen, welche dem als Bindemittel angewendeten Kalk eigen ist. Kalk ist ein stark basischer Stoff, welcher auf viele, namentlich organische Stoffe zerstörend einwirkt. Insbesondere wird die Oxydationsfähigkeit organischer Farbstoffe mittels des Luftsauerstoffs durch den Kalk oft gesteigert. Ferner übt er vielfach eine zerlegende Wirkung auf salzartige Verbindungen aus: Preussisch-Blau wird durch Kalk augenblicklich unter Abscheidung von Eisenoxyd und Bildung von Calciumferrocyanat entfärbt. So sind fast nur die Ocker- und Erdfarben neben Ultramarin und einigen wenigen anderen Stoffen für diese Technik verwendbar.

Die Freskofarben werden nass aufgetragen und sollen hernach im trockenen Zustande ihre Wirkung üben. Da wegen der geringen Löslichkeit des Kalkes nur wenig Bindemittel zwischen den Körnern des Farbstoffes verbleibt, befindet sich in dem trockenen Bilde vorwiegend Luft zwischen diesen, und es wird das Maximum an Deckung und zurückgeworfenem Licht gemäss den früheren Darlegungen erreicht. In diesem Zustande ist die Farbe aber nicht während des Auftrages; da befindet sich Wasser zwischen den Körnern, die Reflexion ist gering und die neben dem weissen Aufhellungsmittel (kohlensaurer Kalk und Kalk) vorhandenen Farben wirken viel dunkler und farbiger als nach dem Trocknen. Daher entsteht eine grosse Schwierigkeit, da man nicht entsprechend dem augenblicklichen Aussehen malen darf, sondern die spätere Wirkung des trockenen Bildes vorausnehmen muss. Diese Schwierigkeit ist um so erheblicher, als eine Änderung oder Korrektur des einmal getrockneten Bildes nahezu völlig ausgeschlossen ist. Denn die auf das trockene Bild gebrachte Kalkfarbe verbindet sich nicht mehr fest genug mit dem Untergrunde, dessen Oberfläche bereits ganz in Calciumcarbonat übergegangen ist. Man ist daher auf die Benützung anderer Arten der Technik für nachträgliche Änderungen und Ausführung an dem in aller Eile hingestrichenen Bilde angewiesen, und dass die zeitlichen Veränderungen in Ton und Farbe an diesen Zusätzen andere sein müssen als an den Freskofarben, bedarf keiner besonderen Darlegung. Infolgedessen ist eine noch so vorsichtige Ausgleichung der »Retuschen« doch eine vergebliche Arbeit: binnen kurz oder lang treten sie unweigerlich zu Tage und erfordern neue Retuschen und so fort in infinitum.

Ich bin somit der Meinung, dass die Vernachlässigung der Freskotechnik nicht etwa das Zeichen eines kläglichen Niederganges der heutigen Kunst ist, sondern man hat das Fresko aufgegeben aus demselben Grunde, aus dem man die Postkutsche aufgegeben hat: weil zweckmässigere Verfahren es verdrängt haben. Dies bezieht sich sowohl auf die künstlerische Frage wie auf die der Dauerhaftigkeit.

Was insbesondere die künstlerischen Nachteile anlangt, so liegen sie in der Notwendigkeit des stückweisen Arbeitens, in der Beschränkung der Palette und endlich in der starken Veränderung der aufgetragenen Farben beim Auftrocknen. Das stückweise Arbeiten mochte am Platze sein zu einer Zeit, wo die Probleme der Lichtführung und der Farbenstimmung noch gar nicht gestellt waren und der Künstler sich nach dieser Richtung darauf beschränken konnte, schönfarbige Einzelheiten nach den Regeln der wohlgefälligen Gesamtwirkung zusammenzustellen. Von einem Hinarbeiten auf grosse und geschlossene Lichtwirkungen kann aber bei einer solchen Arbeitsweise nicht die Rede sein, und so sehen wir denn auch, wie zu der Zeit, wo solche Aufgaben die Künstler zu beschäftigen beginnen, alles sich vom Fresko ab- und der in dieser Beziehung unverhältnismässig ausgiebigeren Ölfarbe zuwendet. Das gleiche gilt für die anderen Seiten der Frage, die Beschränkung der Palette und das helle Auftrocknen. Man braucht nur die Schilderungen von Schick über seine gemeinsamen Erlebnisse mit Böcklin bei Gelegenheit von dessen Freskoarbeiten in Basel R. Schick: Tagebuch-Aufzeichnungen über A. Böcklin. 2. Aufl. S. 16o. Berlin, F. Fontane 1902. nachzulesen, um zu erfahren, was es mit der Freskotechnik auf sich hat. »Das Auftrocknen des ersten Bildes ist ganz unberechenbar vor sich gegangen. Die Luft, die Cypressen und anderen Bäume kamen so, wie Böcklin sie erwartet hatte. Die Schattenseite des Hauses aber viel zu hell, weil er in den Schatten viel mit Kalk gemischte Töne gebraucht hatte. Die Wiese ist viel zu hell und weisslich geworden, weil Böcklin zu sehr auf den dunkelgrauen Grundton des Bildes gerechnet hatte, der nun viel weisslicher aufgetrocknet ist, als er geglaubt. So stehen jetzt die vorher hellgelb-grünen Flecke, wo der niedrige Rasen zwischen den höheren Pflanzen sichtbar war, als dunkelgrüne Flecke auf einem weisslichgrauen Grund usw. ... Auf dem vorderen Grase sind auch viele Veränderungen vor sich gegangen. Die auf den grünen Mittelton des Grases aufgesetzten hellgrünen Striche sind jetzt gar nicht mehr zu sehen und bilden mit dem Mittelton eine unmodellierte Farbenfläche. Die tiefgrauen Mitteltöne (zu denen der Grundton benützt wurde) sind ganz blass aufgetrocknet und die darauf gemalten hellgrünen Halme sind dunkler als der Grund; die blauen Blumen (Smalte und Morellensalz) dunkler als Chromgrün, ebenso die hellgelben Blumen (Goldocker) fast eben so dunkel als das grüne Gras.«

Sie werden vielleicht einwenden, dass dies nur von den ungenügenden Erfahrungen Böcklins in der Freskotechnik herrührt und dass ein Künstler, der viel darin gemalt hat, derartige Versehen nicht mehr machen wird. Dies ist richtig, aber ebenso richtig ist, dass auch der erfahrene Künstler seine beabsichtigten Wirkungen nur ungefähr vorausberechnen kann und daher in seinem Schlussergebnis vom Zufall abhängig bleibt. Er wird sich daher notwendig auf einen bestimmten Umfang von Ausdrucksmitteln beschränken müssen und wird diesen Kreis auch kaum erweitern können, denn neue Versuche verbieten sich durch die Unmöglichkeit der nachträglichen Änderung. Ich fasse daher mein Urteil über die Freskotechnik kurz dahin zusammen, dass sie in keiner Weise Pflege oder Erneuerung verdient, sondern wegen ihrer weitgehenden Unvollkommenheiten aufzugeben ist.


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