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XI. Die Bedingungen der Dauerhaftigkeit bei Ölbildern. Abschluss des Sauerstoffs von vorn und hinten. Schollenbildung; ihre Ursache und Vermeidung. Verbesserung der Malgründe. Trennung der mechanischen und optischen Wirkungen. Verschiedene mögliche Methoden

Lieber Freund!

Sie beklagen sich, dass ich Ihnen allmählich alle Malverfahren durch meine wissenschaftlichen Warnungen schlecht mache, so dass Sie sich schliesslich gar nicht getrauen würden, irgend ein Bild dem Käufer zu übergeben. Das ist eine Empfindung, die der anfangende Physiker auch zu haben pflegt, wenn er auf die zahllosen Fehlermöglichkeiten bei seinen Messungen aufmerksam gemacht wird und nun verzweifelnd ausruft, dass es ja überhaupt keine genauen Messungen gebe. Das ist ganz richtig; absolut genau ist keine Messung und absolut dauerhaft kein Bild. Aber die Genauigkeit kann wie die Dauerhaftigkeit verschiedene Grade haben, und eine rationelle Kenntnis der Bedingungen führt eben dazu, das unter den vorhandenen Umstanden dauerhafteste Kunstwerk herzustellen.

So will ich alsbald betonen, dass man auch mit Ölfarben recht dauerhafte Bilder machen kann, wenn man nur die Bedingungen einhält, die für deren Erhaltung die günstigsten sind. Diese Bedingungen sind von zweierlei Natur: einmal muss man dem Bilde die grösste Unveränderlichkeit oder vielmehr die geringste Veränderlichkeit zu sichern suchen, zweitens muss man das Bild darauf einrichten, dass die unvermeidlichen Veränderungen ohne das Kunstwerk zu gefährden rückgängig gemacht werden können.

Es handelt sich hierbei nur um die Veränderungen am Bindemittel, denn ich mache hier wie immer die Voraussetzung, dass der Maler nur dauerhafte Farbstoffe verwendet hat. Solche gibt es in hinreichender Mannigfaltigkeit und Schönheit; ich werde hierauf nicht wieder eingehen, zumal bei der Ölfarbe durch die Einbettung der Farbstoffkörnchen in die harzige Masse ein besonders wirksamer Schutz gegen die Einwirkungen der Luft und ihrer Verunreinigungen gegeben ist, so dass auch ein weniger beständiger Farbstoff in Öl an Beständigkeit erheblich gewinnt.

Nun wissen Sie bereits, dass das Festwerden der Ölfarbe auf einer Sauerstoffaufnahme beruht. Die späteren ungünstigen Veränderungen des Bildes beruhen auf der gleichen Ursache. Daraus ergibt sich, dass am fertigen Bilde der Zutritt der Luft möglichst beschränkt werden sollte. Wie erheblich dieser Umstand ist, lässt sich daran erkennen, dass solche Bildstellen auf Leinwand, die auf der Hinterseite durch den Holzrahmen gegen den unmittelbaren Luftzutritt geschützt sind, regelmässig eine bedeutend bessere Erhaltung aufweisen als die freien Stellen. Auch sind die ausgezeichnet erhaltenen altvlämischen Bilder auf Holz gemalt, wodurch der Luftzutritt zur Rückseite der Farben sehr erheblich gehemmt ist.

Von diesem Gesichtspunkte aus wird man in der üblichen Anwendung der Leinwand für Ölgemälde einen Fehler erblicken müssen, der die Lebensdauer der Kunstwerke etwa auf die Hälfte herabsetzt. Abhilfe ist indessen auf der eben gegebenen Grundlage leicht zu schaffen. Handelt es sich um ältere auf Leinwand gemalte Bilder, so wird es sich zunächst darum handeln, die Hinterseite gegen die Luft undurchlässig zu machen. Dies geschieht am einfachsten und besten dadurch, dass man Zinnfolie (Stanniol) mittels einer alkoholischen Schellacklösung aufklebt. Dieser Überzug lässt sich leicht wieder entfernen, wenn dies aus irgendwelchen Gründen erforderlich wird, und kann dem Bilde auf keine Weise schaden, namentlich wenn man auch die Aussenseite der Zinnfolie durch einen Firnisüberzug schützt. Durch diese Massnahme ist auch die Aufnahme von Feuchtigkeit durch die Leinwand, die eine der Ursachen des Reissens ist, auf Null gebracht.

Das gleiche Verfahren lässt sich auf neue Bilder anwenden. Nur wird es aus Gründen, die wir gleich erörtern wollen, ratlich sein, den Stanniolüberzug erst anzubringen, nachdem das Bild mindestens ein Jahr alt geworden ist.

Auf diese Weise ist zunächst der Sauerstoff auf der Hinterseite abgehalten. Auf der Vorderseite pflegt der Maler einen Firnis anzubringen, der neben anderen Funktionen auch diese ausübt. Gemäss dem, was im vorigen Briefe bemerkt worden ist, wird eine Einrahmung unter Glas noch bedeutend wirksamere Dienste leisten. Es ist nicht schwer, die Verglasung so sorgfaltig herzustellen, dass nur ein Minimum von Luft eindringen kann, und damit sind die Bedingungen geschaffen, die eine vielfach grössere Lebensdauer des Bildes gewährleisten. Allerdings und dies auszusprechen gebietet die wissenschaftliche Vorsicht – liegen noch keine längeren Erfahrungen über etwaige andere Einwirkungen Die gelegentlich ausgesprochene Befürchtung, dass eingeschlossene Feuchtigkeit schaden könne, lässt sich dadurch beseitigen, dass man eben keine Feuchtigkeit einschliesst. einer derartigen Abschliessung auf die Bilder vor, und die eben aufgestellte Behauptung muss daher mit einem entsprechenden Vorbehalt versehen werden. Aber andrerseits wissen wir bereits genug über die Vorgänge im Ölbilde, um das angegebene Verfahren als das zur Zeit wissenschaftlich am besten begründete und daher aussichtsvollste anzusehen.

Das eben Gesagte bezieht sich auf solche Eigenschaften der Ölfarbe, die untrennbar mit ihr verbunden sind. Neben den daher rührenden Nachteilen hat aber diese Technik noch andere, welche von ungeeigneter Anwendung herrühren. Diese entstehen hauptsächlich durch das Übereinandermalen und den dicken Farbauftrag und zeigen sich darin, dass die Farbschicht ihren Zusammenhang verliert und in Schuppen oder Schollen auseinandergeht.

Die Ursachen hierzu sind mehrfach. Allgemein wird man sagen, dass eine derartige Trennung der Farbschicht dann eintreten wird, wenn Bildgrund und Farbschicht ihre Flächengrosse in verschiedenem Masse ändern. Und zwar werden solche Erscheinungen um so eher eintreten, je weniger nachgiebig beide sind.

Denken wir uns zunächst die Leinwand nur mittels einer Tränkung mit Leim gegen das Aufsaugen des Öls geschützt und auf diesen Grund mit so dünner Farbe gemalt, dass die einzelnen Teile der Schicht an den Fäden der Leinwand befestigt sind und nicht miteinander eine zusammenhängende Platte bilden. Dann ist eine Möglichkeit zur Schollenbildung nicht vorhanden, denn wenn auch die Leinwand etwa durch Feuchtwerden ihre Dimensionen ändern sollte (sie dehnt sich hierbei nicht wie Papier aus, sondern zieht sich im Gegenteil zusammen, um sich beim Trocknen wieder auszudehnen), so folgt eben jedes Stückchen Farbe dem Faden, an dem es festgetrocknet ist. Es ist ganz wohl möglich so zu malen, namentlich wenn man sich von dem traditionellen Vorurteil gegen gebleichte Leinwand frei macht und demgemäss einen weissen Grund verwendet. Ein solches Bild wird nur in minimalster Weise vom Dunkelwerden des Öls betroffen werden, da dieses nur einen kleinen Teil des Farbauftrages bildet und auch in mechanischer Beziehung gewährt es eine grosse Sicherheit für unveränderte Dauer. Sollte schliesslich zuviel von dem wenigen Öl durch Oxydation verschwunden sein, so kann man dieses leicht ersetzen und das Bild für eine neue Reihe von Jahrzehnten frisch machen.

Alle diese Verhältnisse ändern sich wesentlich, wenn man die Farbe in starken Schichten aufträgt. In solchen Fällen bildet sich das feste Produkt aus dem Öl zunächst nur an der Oberfläche, da die entstandene Schicht das unterliegende Öl gegen den Luftzutritt schützt. Wenn dann im Laufe der weiteren Oxydation die obere Schicht sich zusammenzieht, ist die unterste noch weich und zerreisst zu Schollen. Ähnliches tritt ein, wenn man auf eine halbgetrocknete Untermalung andere Farben bringt, die meist auch mit anderer Geschwindigkeit trocknen. Eine weitere Ursache zum Entstehen von Rissen ist eine zu dicke oder sonst ungeeignete Präparation der Leinwand. Diese wird gewöhnlich zuerst mit mehreren Schichten einer aus Leim und Kreide oder Ton gemischten Farbe überzogen, auf welche dann oft noch eine oder einige Schichten Ölfarbe kommen. Je dicker dieser Malgrund aufgebracht wird, und je verschiedener die übereinander liegenden Schichten sind, um so mehr Gefahr besteht für eine verschiedenartige Änderung der Ausdehnung, und somit für das Entstehen von Rissen.

Mir scheint, dass die allgemeine Anwendung der Leinwand für Ölbilder eines der vielen Vorurteile ist, unter denen die Kunst noch heute leidet. Zu einer Zeit, wo man grosse Bogen Papier oder Pappe nur durch Aneinanderkleben kleiner herzustellen wusste, waren die grossen Flächen der Leinwand willkommen. Gegenwärtig kann man Papier und Pappe fast in allen beliebigen Dimensionen erhalten, und da man jedes derartige Produkt durch einen Überzug von Leim oder Caseïn von passender Stärke in einen Malgrund verwandeln kann, der nach Belieben in jedem gewünschten Masse »schluckt« oder nicht, so liegt wirklich kein Grund vor, statt der Leinwand mit ihrem unbequemen Keilrahmen nicht lieber Pappe zu nehmen. Insbesondere kann man jede Pappe durch Aufkleben eines geeigneten Papiers mit jedem gewünschten Korn versehen, und erlangt so Malgründe, die allen Anforderungen entsprechen. Ja sogar Leinwand würde besser auf Pappe geleimt, statt auf den Keilrahmen gezogen, denn im ersten Falle verliert sie alsbald die böse Eigenschaft, mit der Feuchtigkeit ihre Flächengrösse stark zu ändern. Verfolgt man diesen Gedankengang weiter, so gelangt man schliesslich auf den Plan, als Unterlage zum Malen Metall in Blechform zu nehmen. Im Aluminium hat man ein ideales Material dazu, das durch sein geringes Gewicht auch bei sehr grossen Abmessungen handlich bleibt und dessen chemische Eigenschaften eine schädliche Wirkung auf das Bild ausschliessen. Ob man unmittelbar auf das mattgeätzte Metall malt oder besser zuerst einen Überzug von Papier oder Leinwand gibt, wird von den Umständen abhängen. Jedenfalls ermöglicht die Benützung der Metallfläche als Untergrund gewisse technische Effekte, die eines eingehenderen Studiums wert sind, als ich es bisher habe daran wenden können.

Kann man auf solche Weise dem Untergrunde eine beliebige Dauerhaftigkeit geben, so bleibt noch die Frage übrig, ob man den üblen Eigenschaften des Öls entgegenarbeiten kann. Auch diese Frage lässt sich bejahend beantworten. Der Wert des Öls als Bindemittel beruht darauf, dass beim Festwerden die optischen Verhältnisse im wesentlichen ungeändert bleiben und so der Maler im stande ist, seine Farb- und Lichtwirkungen auf das feinste abzustimmen. Nun würde man aber dasselbe erreichen, wenn man die mechanische Wirkung des Öls als Bindemittel von seiner optischen als durchsichtige und stark lichtbrechende Umgebung der Farbkörnchen trennte und beide Funktionen verschiedenen Stoffen zuwiese. Eine Lösung dieser Aufgabe bestände z. B. darin, dass man auf stark aufsaugendem Grunde arbeitet; dann geht der grössere Teil des Öls in diesen Grund und es bleibt zwischen Farbstoffkörnchen nur soviel zurück, als zu deren mechanischer Verbindung erforderlich ist. Die optische Folge davon ist, dass die Farben infolge des Eintretens von Luft zwischen die Körnchen »einschlagen«, d. h. viel mehr Licht von der Oberfläche zurückwerfen und das Bild sowohl an Tiefe wie an Farbigkeit verliert. Dadurch, dass man die Zwischenräume wieder mit einem stark brechenden Mittel ausfüllt, wird indessen die frühere Erscheinung hergestellt oder das Bild »herausgeholt«. Diese zweite Funktion aber könnte einem anderen Stoffe übertragen werden, der nicht wie das Öl die Eigenschaft des Braunwerdens oder Nachdunkelns hat. Solche Stoffe sind die zu Firnissen verwendeten Harze wie Mastix, Dammar, Sandarak usw., und man bedient sich dieser Stoffe, wie bekannt, bereits vielfach für diesen Zweck. Allerdings sind auch sie dem Einflusse der Zeit unterworfen; sie werden aber nicht braun, sondern sie verlieren ihren Zusammenhang und werden »blind«, d. h. undurchsichtig. Wie dieser Fehler zu bessern ist, hat indessen seinerzeit der unvergessliche Pettenkofer gezeigt, der Mann, dem wir die erste erfolgreiche physikochemische Behandlung dieser Probleme verdanken. Ein kürzeres oder längeres Verweilen im Dampfe von Alkohol (oder einem anderen geeigneten flüchtigen Lösungsmittel der Harze) gibt dem blind gewordenen Überzug ohne jede Berührung des Bildes seine Durchsichtigkeit wieder.

Damit indessen ein solches Verfahren vollen Erfolg hat, muss der Firnis nicht früher aufgetragen werden, als nachdem das Öl ausreichend »getrocknet«, d. h. in die feste Form übergegangen ist. Man muss also das Bild nass fertig malen, dann längere Zeit (einige Monate) trocknen lassen, und dann endlich den Firnis darüber ziehen. Gibt man dann (etwa auf der Rückseite des Bildes) genau an, womit das Bild gemalt und gefirnisst worden ist, so ist für alle Zukunft die Möglichkeit vorhanden, die ursprünglich vom Künstler beabsichtigte und erreichte Wirkung wieder herzustellen.

Dies ist indessen nicht der einzige Weg zum Ziel. Man kann ebenso auf undurchlässigem Grunde mit einer Farbe malen, welche nur so viel Öl enthalt, als zur Bindung erforderlich ist, und im übrigen die erwünschte Dunnflüssigkeit der Farbe durch den Zusatz solcher Flüssigkeiten bewirken, die hernach verdampfen. Auch ein solches Bild wird einige Zeit nach dem Auftrag der Farbe einschlagen, weil der flüchtige Zusatz verdampft ist, und kann durch Firnis wieder herausgeholt werden. Als Verdünnungsmittel empfehlen sich die bisher üblichen, insbesondere Terpentinöl und Spiköl; letzteres ist viel weniger flüchtig und lässt also das Bild entsprechend langer »nass«.

Will man das eingeschlagene Bild zum Zwecke des Weitermalens wieder herausholen, so wendet man am besten ebendieselben flüchtigen Stoffe ohne weiteren Zusatz an, die man aber mit dem Zerstäuber und nicht mit dem Pinsel aufträgt. Man braucht nicht zu fürchten, dass zu wenig Bindemittel verbleibt, namentlich nicht, wenn bereits einiges Festwerden des Öls stattgefunden hatte. Äusserstenfalls macht es keine Schwierigkeit, ein Gemenge von Terpentinöl und wenig Mohnöl mit dem Zerstäuber aufzutragen und so jede beliebige nachträgliche Bindung zu erreichen.

In diesen Darlegungen wird der Künstler vielfach die Beschreibung bekannter Methoden erkennen. Durch die Angabe der Gründe indessen, welche zu diesem oder jenem Verfahren geführt haben, wird er gleichzeitig die Hilfsmittel finden, nicht nur das Erlernte oder Gefundene sachgemäss anzuwenden, sondern auch seine Mittel weiter zu entwickeln, ohne die Zukunft seiner Schöpfungen durch die Einhaltung ungeeigneter Verhältnisse zu gefährden.


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