Friedrich von Oppeln-Bronikowski
Der Rebell
Friedrich von Oppeln-Bronikowski

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8.

Im Grunde dachte Frau von Carsten über Frau Hüppe um nichts besser, als Herr von Brieg, der ja den wahren Sachverhalt nur ahnte, während sie auf Erfahrungen fußte. Die Art besonders, wie sie darauf zu laufen wußte, den alten Junggesellen zu kapern, war ihr bei all ihrer dick unterstrichenen Sittlichkeit höchst unangenehm. Sie selbst hatte nie daran gedacht, von ihrer Person einen ähnlichen Gebrauch zu machen. Nach den Erfahrungen ihrer ersten Ehe schien es ihr gleich abschreckend, eine Konvenienzheirat mit einem alten Junggesellen einzugehen, der auf sie hereintappte, oder mit einem kinderreichen Witwer, der sie als billige Kinderfrau ins Haus nahm, und so beneidete sie Frau Hüppe keineswegs um ihre neuste Errungenschaft, obwohl es ihr sehr recht war, wenn sie ihr Haus verließ. Immerhin wollte sie, so lange Frau Hüppe bei ihr wohnte, daß sie ihre Rücksichtslosigkeit und Neugier etwas einschränkte, und um ihr das zu sagen, ging sie stracks in ihr Zimmer.

Frau Hüppe, die gerade bei der Toilette war, spielte geschickt die erste Karte aus. »Ihr habt ja hübsche Sachen da gemacht,« warf sie der Eintretenden entgegen.

»An deiner Stelle würde ich mich schämen,« antwortete Frau von Carsten ruhig, »so an den Türen zu lauschen. Was soll denn Herr von Brieg denken?«

»Pah, der ...« zischte Frau Hüppe, die Lippen hochwerfend. »Als ob mir etwas gleichgültiger wäre.«

»Aber mir ist es nicht gleichgültig,« entgegnete Frau von Carsten fest.

»Das Horchen kann ich nun einmal nicht lassen,« erklärte die andre naiv. »Und wenn du gehorcht hast,« fuhr Frau von Carsten fort, »so läufst du zu deiner Freundin, deinem Dienstmädchen, und erzählst ihr alles und nach einiges mehr und die klatscht es dann weiter in der Küche, wenn Adolf und die Mädchen dabei sind ... Bitte, rede dich nicht heraus! Wie kommen denn sonst alle diese Lügen und Entstellungen in Umlauf als durch den Mund der Dienstboten? Und daß diese nicht selbst erfinden, das weiß ich genau. Es stammt immer von der Frau Rittmeister ...«

»Nun, wenn man ein so wenig reines Gewissen hat, wie du zu haben scheinst,« erklärte Frau Hüppe, sich die Nägel feilend, »dann muß man sich allerdings vor Klatsch fürchten.«

»Ich habe ein reineres Gewissen als du,« entgegnete die Angegriffne ruhig, »was du mit dem Leutnant Ehlert gehabt hast und jetzt mit dem Hauptmann Althoff anbändelst, das ist wohl etwas besseres als meine Zuneigung zu Brieg, der sich als erster und einziger Mensch seit Jahren um mich gekümmert hat!«

»Allerdings ist das was andres,« begehrte Frau Hüppe auf. »Althoff ist Hauptmann und wird nach der Regimentsbesichtigung Major und ich werd' ihn heiraten,« schrie sie. »Dein Intimus aber, der könnte ja fast dein Sohn sein.«

»Du scheinst ihn mir nicht zu gönnen,« bemerkte Frau von Carsten sarkastisch. »Aber ich überlasse dir gern deinen Althoff, diesen liederlichen Schürzenjäger, auf den du früher immer geschimpft hast, wenn du im Fenster saßest und zähltest, wieviel Frauenzimmer da drüben bei ihm aus und ein gingen ... Wenn du ihn beobachtest hast, wie er stundenlang an einem Fenster stand und sich blind schielte nach dem Dienstmädchen von gegenüber. Und jetzt willst du ihn heiraten und mir noch Moralvorschriften machen? Pfui!« »Seit ich weiß, was er für ein edles Gemüt hat,« bemerkte Frau Hüppe melodisch, indem sie ihre Puderquaste spielen ließ, »sind mir solche Nebensächlichkeiten einerlei. Er ist ein armer, verführter Mann, für den ich gerne das Opfer meines angeborenen Zartgefühls bringe. Alles will ich für ihn ertragen. Wochenlang könnt' ich mich einschließen mit dem bloßen Gedanken an ihn. Im Manöver wird's ja ohnehin so kommen.«

»Das hast du vor vier Wochen von Ehlert auch gesagt,« lachte Frau von Carsten.

»Und ich habe mich bitter in ihm getäuscht,« parierte Frau Hüppe. »Es ist eine herbe Erfahrung mehr, die ich mit Menschen mache. Ich halte ihn für einen Schwerenöter, der jeder Dame den Kopf verdreht. Wie hat er dir zum Beispierl neulich abend den Hof gemacht; es war geradezu unanständig.«

»Unanständig?« wiederholte Frau van Carsten.

»Allerdings, und nachher saßest du auf dem Sofa mit Brieg; der plapperte dir noch was Schöneres vor, ich kann mir schon denken, was,« spöttelte sie auf- und abpromenierend und warf dabei ein paar musternde Blicke in den Spiegel, um den Faltenwurf ihres neuen Sommerkleides zu prüfen.

»Es geht dich auch gar nichts an, was er mit mir redet,« gab Frau van Carsten zurück. »Ich mische mich nicht in deine Angelegenheiten, bitte kümmere dich also auch nicht um die meinen. Ich weiß, was ich zu tun habe und was nicht.«

»Allerdings mische ich mich hinein,« platzte Frau Hüppe heraus. »Mein Ruf leidet darunter, wenn bei uns lauter junge Offiziere verkehren. Althoff wird mit dir schon noch darüber reden.«

Frau van Carsten war sprachlos, wie diese Komödiantin die Dinge auf den Kopf stellte.

»Mit mir reden?« wiederholte sie. »Die Unverschämtheit geht doch zu weit! Wer hat in meinem Hause das Recht, mich zur Rede zu stellen?«

»Das Haus ist ebenso gut das meine,« trumpfte Frau Hüppe, »und wenn es dir hier nicht mehr paßt, dann ziehe doch bitte aus, mir soll es sehr recht sein.«

Frau von Carsten traute ihren Ohren nicht. In der ersten Aufwallung des Zorns wollte sie Briegs Rat befolgen und Frau Hüppe die Tür weisen, doch bezwang sie sich und erwiderte nichts.

Einen Augenblick herrschte feindliches Schweigen, nur durch das Rauschen von Frau Hüppes Robe unterbrochen. Dann klingelte es und das Mädchen meldete den Hauptmann Althoff.

»Er möchte gütigst näher treten,« befahl Frau Hüppe naiv, indem sie die umherliegenden Kleidungsstücke hastig aufs Bett warf und den Schirm vorstellte.

»Mach du mit ihm, was du willst,« sagte Frau von Carsten, zur Tür schreitend. »Um mit Euereins mit gleichen Waffen zu kämpfen und mir die Worte im Mund umdrehen zu lassen, dazu bin ich zu gut.«

»Ich weiß schon, an wen ich mich zu wenden habe,« schrie Frau Hüppe drohend hinter ihr her, als die Tür schwer ins Schloß fiel.

Dann erschien Althoff, den Helm in der Hand, und sah sich mit seinem unfreien, mißtrauischen Blick im Zimmer um.

»Ach, glücklich allein,« sagte er.

»Ja, mein lieber Emil,« antwortete sie lieblich, ihn auf das Sofa ziehend und ihm den Helm abnehmend. »Nun, wie geht's? So schöne, rote Backen. Ging der Rappe gestern gut vor der Kompagnie?«

»Danke, ja,« entgegnete er einsilbig.

»Und morgen ist Besichtigung?«

»Hoffentlich die letzte hier. Der Kommandeur sagte mir noch heute nach der Kirche beim Paroleempfang, daß meine Beförderung täglich bevorstünde.«

»Hurra, mein Majörchen!« klatschte Frau Hüppe in die wohlgepflegten Hände. »Wo werden wir dann wohl hinkommen?«

»Hoffentlich recht weit fort,« seufzte Althoff in seiner schwerfälligen Art. »Je weiter wir sind, desto weniger kann die Person da mir schaden...«

»Ach Gott, sind denn die Aussichten immer noch so trüb? Will sie denn auf nichts eingehen?« fragte Frau Hüppe teilnahmsvoll. Und indem sie die Hand auf das gestirnte Epaulett legte, setzte sie mit lächelndem Augenaufschlag hinzu: »Hat die Person denn sonst mit keinem verkehrt?«

»Das wird schwer nachzuweisen sein,« entgegnete der Hauptmann trocken. »Nein, ich muß das alles gütlich beizulegen suchen, sonst verklagt sie mich noch – und dann adieu Majorsepauletten... Nein, um Gottes willen keinen Skandal... Wir müssen auf unsern Ruf bedacht sein.«

»Ganz gewiß,« pflichtete Frau Hüppe bei. »Der Carsten hab' ich schon die Leviten gelesen, daß so viele junge Offiziere bei ihr verkehrten und ihr den Hof machten. Es darf jetzt überhaupt keiner mehr ins Haus! Der Kerl, der Ehlert, ist ja gottlob fort zur Schießübung, aber der Brieg, der scheint jetzt mit ihr ein Verhältnis zu haben... Wenn das sich herumspricht...«

»Das ist ja unerhört,« entgegnete Althoff mit dienstlicher Miene und stand auf, als ob er dem Sünder einen Rüffel erteilen wollte.

»Willst du es nicht mal seinem Alten stecken?« fragte Frau Hüppe schnell und beobachtete dann die Wirkung ihres Vorschlags. »Exzellenz ... Kaisertelegramm ... Unser Oberst mit ihm auf bestem Fuße,« erwog Althoff, bedenklich das Haupt wiegend. »Wer weiß, ob der einem nicht schaden könnte.«

»Dann nimm dir wenigstens sein Söhnchen mal vor und drohe ihm, dem Vater ein Licht aufzustecken,« riet Frau Hüppe. Und dazu erklärte er sich bereit.


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