Friedrich von Oppeln-Bronikowski
Der Rebell
Friedrich von Oppeln-Bronikowski

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6.

Als er im bürgerlichen Gewande zur Kaserne hinausschlüpfte, wurden gerade die ersten Laternen angezündet. Er ging durch Seitengassen nach der Geschäftsgegend, um Marie von ihrem Laden abzuholen, wie oft hatte er da draußen im Herbstregen oder Winterschnee Posten gestanden, nicht zu nahe, um nicht als Leutnant in Zivil erkannt zu werden, und auch nicht zu fern, um sie gleich beim Heraustreten abzufangen.

Im nächsten Herbst würden es zwei Jahre, daß er und Korner abends einen Straßenbummel nach der Altstadt machten. Eine kleine Brünette und eine Rothaarige, die an ihrem Arm hing, kamen an ihnen vorbei und sie verfolgten sie säbelrasselnd. Die Mädchen beschleunigten ihre Schritte, aber die Herren ließen nicht nach. So kamen sie im Eiltempo schließlich auf einen neuen, ganz dunklen Straßenzug, der noch wenige Häuser hatte. Eine Eisenbahn schnitt quer hindurch, und ihr Glück wollte, daß die Schranke gerade gesenkt wurde, noch ehe die beiden entrannen. Die Herren erboten sich, sie durch die unsichere Gegend nach Hause zu bringen, und die jungen Mädchen nahmen dies nach einigem Neinsagen schließlich an; doch ließen sie sich nicht bis vor die Haustür begleiten. Am nächsten Abend wollten sie sich auf dem Marktplatz wieder treffen – aber nur in Zivil – und ein paar Tage danach, als sie mehr Vertrauen gefaßt hatten, kamen sie sogar in ein Restaurant mit, aber nur in eine abgeteilte Ecke. Beim Sekt taute die Kleine allmählich auf. Korner hatte sich der Rothaarigen gewidmet und Brieg ließ sie ihm gern, denn Marie gefiel ihm ungleich besser. Sie hatte liebe, träumerische Augen. Brieg sagte ihr ein paar Schmeicheleien und wollte ihr zum Pfand seiner Zuneigung gleich ein Angebinde machen, was sie jedoch energisch zurückwies.

Immerhin war sie durch seine dezenten und freundlichen Worte belehrt worden, daß er nicht zu jener Gattung von Offizieren gehörte, der man so Schlimmes nachsagte. Aber es bedurfte trotzdem einiger Geduld und Mühe, ehe die beiden einmal in Körners Wohnung mitkamen, wo man unbeobachteter war als im Restaurant, und auch dann kam es zu weiter nichts, als daß beide Paare nach einem kleinen Abendessen Arm in Arm auf dem Sofa saßen, während draußen der Novemberregen gegen die Scheiben klatschte ...

Dann kam das Christfest, wo die beiden Rekrutenoffiziere keinen Urlaub erhielten und sich jeder selbst ein Bäumlein ausputzte. Das gab den Anlaß, daß Marie Briegs Kasernenwohnung besuchte, obgleich dies natürlich verpönt war. Sie lag jedoch sehr bequem in dem Eckpavillon und hatte einen besonderen Eingang, zu dem Brieg sich einen Schlüssel hatte nachmachen lassen. Am heiligen Abend war Mannschaftsbescherung, aber am ersten Festtag hatte er seiner kleinen Freundin ein paar Kleinigkeiten aufgebaut, ein paar Handschuhe, Parfüm, eine kleine Brosche, über die sie sich kindlich freute; und sie hatte ihm ein seidenes Tuch mit seinem Monogramm gestickt. Der Wachsduft der bunten Lichter mischte sich mit dem frischen Tannengeruch, und eine selig-wehmütige Weihnachtsstimmung ergriff ihn. Er dachte an seine Kindheit mit den alten, holden Weihnachtsliedern, dem prangenden Christbaum, den liebende Mutterhände geschmückt hatten, und er zog das Mädchen fest an sich. Er war seit dem Tode der Mutter so ungeliebt und einsam gewesen, und die weiblichen Wesen, mit denen er bisher in Berührung gekommen war, verdienten kaum eine menschliche Regung. Und nun saß dies einfache Kind aus dem Volke neben ihm... Der kräftige Bischof, den er gebraut, und die Hitze des Ofens, den der Bursche bis zur Notglut geheizt hatte, brannte auf ihren Backen und sie schmolz vor seinen Küssen schließlich dahin ... Am nächsten Tage brach sie in einen Tränenstrom aus und sagte: »Nun wirst du mich gewiß nicht mehr lieb haben.« Aber im Lauf ihres Gesprächs seufzte sie, es hätte ja doch einmal so kommen müssen und sie wollte nicht klagen; sie wäre nun ganz sein und wollte es bleiben, solange er sie möge...

Sie war es geblieben und er hatte sie stets geachtet. Nie war ein gemeines Wort über seine Lippen gekommen, und nie hatte sie von ihm etwas angenommen, als kleine Aufmerksamkeiten. Allnächtlich nach ihrem Zusammensein brachte er sie den weiten Weg nach Hause, und wohlweislich führte er sie nie mit Kameraden zusammen, bis zu jenem Abend, wo der Zufall sie Schmitt und Konsorten begegnen ließ... Nachher war die Kleine in Tränen ausgebrochen und hatte gesagt: »Pfui, was sind das für schlechte Menschen! Du bist doch ganz anders!« Ein Wort hatte das andre gegeben, und so kamen sie auch auf Korner und Emmy... Brieg hatte lange nichts mehr von ihr gehört und gesehen; jetzt wußte er, weshalb Marie so lange geschwiegen hatte... Das Mädchen hatte erst gar nicht gewußt, was ihr fehlte. Sie war schließlich zum Arzt gegangen und hatte von ihm erfahren müssen, wie weit es mit ihr gekommen war. Korner hatte ihr Geld für das städtische Krankenhaus gegeben, da die Eltern sie verstoßen hatten; und wovon sie jetzt lebte, war nicht schwer zu erraten... Brieg entsann sich, daß Korner ihn seit geraumer Zeit mied und ihn nie mehr nach seiner Liebsten fragte; jetzt war ihm der Grund dafür klar.

Inzwischen schlug es auf der alten Turmuhr zehn und Marie kam aus dem Laden. Sobald sie ihn erkannte, schritt sie auf ihn zu und begrüßte ihn mit einem Kuß. Sie merkte ihm seine gedrückte Stimmung an und fragte, wie ihm gestern das Liebesmahl bekommen sei. Er sagte ihr kurz heraus, um was es sich handelte. »Korner?« fragte sie. »Aber der ist doch...«

Brieg zuckte die Achseln. Er war kein Arzt und kannte ja auch die leichtfertigen Anschauungen in diesem Punkte, wer krank in die Ehe treten konnte, um Frau und Kinder für ewig unglücklich zu machen, warum sollte der ein Frauenzimmer verschonen? Mitleid mit einem Frauenzimmer – den Gedanken schon hätten seine Kameraden lächerlich gefunden.

Marie war nicht so ablehnend, wie Brieg vermutet hatte. Sie war neugierig darauf, welche Rolle Korner in ihrer Gegenwart spielen würde; sie wollte ihm scharf ins Gesicht sehen. Das Los ihrer alten Freundin, die sie jetzt nur noch selten und heimlich begrüßte, ging ihr sehr nahe. »Ich glaube gar, da geht sie,« sagte sie plötzlich.

Es war wirklich so; Emmy flanierte müden Schrittes auf und ab. Marie schlüpfte aus Briegs Arm über die Straße zu ihr. Aber sie prallte bei ihrem Anblick zurück. Sie hatte blaue Ringe unter den Augen, die Haare noch greller als sonst, die Backen geschminkt, und atmete eine Wolke schlechten Parfüms aus. »Na, du kennst mich wohl nicht wieder,« lachte sie mit ihrer scharfen Stimme. Dann erkundigte sie sich zweifelnd, ob Marie noch ihr altes Verhältnis habe. »Ja, wir gehen heute sogar zu Korner, wie damals; er gibt ein Fest...« Bei dem Namen zuckte Emmy zusammen. »Ich gehe nur hin, um dem Kerl mal scharf in die Augen zu sehen; sonst verkehren mir nie bei ihm,« setzte Marie rasch hinzu. »Ich erzähle dir alles das nächste Mal.«

Damit war sie wieder entschlüpft und hatte Brieg mit ihren flinken, elastischen Schritten eingeholt. Ihm war es etwas peinlich, daß sie noch mit diesem Mädchen verkehrte, und noch peinlicher, daß sie gesagt hatte, wohin sie heute abend gingen. »Wenn die nun nachher Spektakel macht und das Fest stört?« brummte er. Marie schwieg verlegen. Briegs Vorwurf über ihre Voreiligkeit schien ihr durchaus berechtigt und doch konnte sie über Emmy nicht den Stab brechen, wäre sie an jenem ersten Abend durch Korners verbindliches Wesen und sein gewinnendes Lächeln mehr bestochen worden, als durch Briegs Schlichtheit, so wäre sie jetzt wohl an Emmys Stelle! Ihr schien, daß die einzige Schuld auf den fiel, der sich ihrer so leicht entledigt hatte. Doch versprach sie Brieg, heute abend nichts zu provozieren und sowohl gegen Schmitt wie gegen Korner höflich zu sein.

Inzwischen war Waldburg mit dem Reserveoffizier gemütlich nach Korners Wohnung geschlendert. Waldburg ließ den Säbel nachlässig schleifen und blickte hin und wieder mit Geringschätzung auf die Töchter des Landes, die sich nach dem schönen, blasierten Offizier nicht selten den Hals abdrehten. Sie gingen eine langweilige gerade Straße entlang, in der Waldburg das Gähnen kriegte, dann über den Fahrdamm, auf dem ein Pferdebahnwagen sich langsam heranbewegte.

»Achtung, die Trambahn,« warnte der vorsichtige Großstädter. Aber Waldburg ging stracks weiter und die Pferdebahn wartete ehrerbietig, bis die beiden Herren die Straße gekreuzt hatten.

»Mit so 'nem Ding hab' ich letzten Herbst meine Besuche machen müssen,« hohnlachte Waldburg. »Es war wieder mal keine Droschke da. Der Karren tat's schließlich auch. Er hielt vor jedem Hause, wo ich meine Karten abzugeben hatte.«

Die Herren trafen in Korners Wohnung entschieden zu früh ein. Der Bursche steckte erst die Lampen an. Korner empfing die Herren mit vielen Entschuldigungen in Hemdsärmeln. Er setzte eben die Bowle an und gab zwischendurch Anweisungen für die Ordonnanzen, die mit verdeckten Schüsseln, Geschirr, Silber und Weinkörben beladen einfältig dastanden oder die Festtafel zu decken begannen.

»Donnerwetter, schönes Souper,« schnalzte Waldburg. »Kaviar, Majonnaise... Sie haben sich ja verdammt angestrengt ... Eigentlich viel zu schade für die Frauenzimmer... Desto mehr sind wir verpflichtet, unsern guten Geschmack zu beweisen... Überlassen Sie mir übrigens die Bowle und ziehen Sie sich an; ich glaube, sie kommen schon...«

Korner zog sich mit verbindlichem Dank zurück, als es bereits mit einem Spazierstock ans Fenster klopfte und ein ziemlicher Lärm von unten herausdrang.

»Macht doch nur nicht solchen Spektakel,« rief Waldburg, ans Fenster tretend; »wir Kriegen sonst noch die Polizei auf'n Hals.«

»Teufel auch,« rief eine barsche Stimme herauf, »das Mädel da will ja nicht mitkommen.«

»Sie haben wohl keinen Hausschlüssel gekriegt?« ließ sich Schmitts stimme vernehmen.

»He, du, Schmitt,« rief Waldburg in plötzlichem Einfall, »komm doch eben mal schnell 'rauf und hilf bei der Bowle. Inzwischen können die Herrschaften ja unten Platz nehmen, bis sie sich geeinigt haben...«

Schmitt ließ die beiden Damen los, die er untergefaßt hatte, und erschien auf der Bildfläche.

»Du, ich Hab 'nen Gedanken,« raunte Waldburg ihm zu. »Gießen wir 'ne Flasche Kognak in die Bowle; wir zwei können uns ja vorsehen.«

Schmitt fand den Einfall vortrefflich und stürzte sich auf den wohlbekannten Likörschrank. Der Streit unten schien bereits geschlichtet; denn als die Ordonnanzen die Tür verlassen wollten, prallten sie mit den Eintretenden zusammen und wichen respektvoll zur Seite aus, als Auer sie anfluchte, Platz zu machen. Schlag fertig wie immer, hatte er die Widerspenstige durch die komische Drohung umgestimmt, sie als »herrenlosen Gegenstand« auf der Polizei abzugeben, und zerrte sie nun triumphierend am linken Arm hinter sich her, während an seiner grünen Seite eine kakelbunte Person hereinkam, die einen radgroßen, fleischroten Hut mit einem Walde von blitzblauen, wackelnden Kornblumen trug, hinterher folgte der Reserveleutant Werdeck mit zwei Damen, deren eine fuchsrotes Haar hatte; beide Herren waren in Zivil. Fast im nämlichen Augenblick ging auch die Schlafzimmertür auf und Herr von Korner erschien als Dandy in tadellosem Smoking mit ungestärktem Hemdeinsatz und begrüßte seine Gäste.

»Darf ich Ihnen meine neuste Braut vorstellen?« schnarrte Auer mit tiefer Verbeugung vor der sich noch immer Sträubenden. Doch sobald diese der zwei Uniformen ansichtig ward, machte sie auf den Hacken kehrt und wollte hinaus.

»Unter Offizieren...,« stotterte sie, »da lassen Sie mich bitte gehen.«

»Hm, hm,« machte Auer, »die scheint Erfahrung zu haben.«

»Bleib nur ruhig, Gretchen,« begütigte die Person, die in Auers Arm hing, in gewöhnlicher Tonart. »Die sind gar nicht so hochmütig... Die verkehren mit uns wie mit ihresgleichen... Das mit Vornehmtun steht nur in den Witzblättern drin...«

»Ihre Unschuld brauchen Sie ja nicht gleich zu verlieren,« bemerkte Schmitt, indem er ruhig die leere Kognakflasche fortsetzte. Aber damit machte er die Sache nur schlimmer. »Lassen Sie mich hinaus oder ich schreie um Hilfe!« rief Grete aufgeregt.

Die andern wollten sich schief darüber lachen. »Der Tugendspiegel wird auch noch blind werden,« grinste die Rothaarige, die sich eben mit Korner kordial begrüßte. »Alles nur Gewohnheitssache.«

Waldburg sah, daß er eingreifen mußte. Er faßte das Mädchen, das sich verzweifelt hin und her wand, eisern beim Handgelenk und begütigte es. »Wir beißen nicht, kleines Fräulein, wir sind wirkliche Menschen. Kommen Sie nur vertrauensvoll zu mir. Ich bin Strohwitwer und nehme Sie unter meine Fittiche.«

»Sind Sie denn verheiratet?« fragte das junge Mädchen etwas erleichtert und alle platzten heraus.

»Na, nicht offiziell,« lachte Waldburg. »Aber der Herr hier ist ein solider Ehekrüppel,« sagte er mit einem Hinweis auf Janitschek, der bisher verlegen am Tische gestanden hatte und sich in dieser Gesellschaft ebenso unwohl zu fühlen schien wie in seiner engen Uniform, »allerdings hat er den Ehering wohl in die Tasche gesteckt, der Heuchler!«

»Pfui, Sie sind schlecht,« machte Grete und wollte sich loswinden. Aber Waldburg hielt sie fest umklammert. »Fräulein,« sagte er volltönend, »auch Sie werden die Welt nicht bessern. Fügen Sie sich lieber in Ihr Schicksal und verderben Sie uns den Abend nicht; das rät Ihnen ein graues Haupt.« Waldburgs ruhige Bestimmtheit beruhigte sie zusehends und sie ergab sich schließlich in ihr Los.

Bald darauf erschien auch Brieg mit Marie, er in seinem einfachen Zivil, sie in einem selbstgenähten Sommerfähnchen. »Na, was haben Sie denn für'n ruppigen Kittel an, Sie sehen ja aus wie ein Vereinsdiener,« schalt Waldburg den Ankömmling. Brieg sagte dem Wirt ein paar kühle Höflichkeiten und Marie blickte Herrn von Korner mit einem eigentümlichen Blick an. Wir kennen uns wohl noch...«

»Ach ja,« schnitt Korner ihr das Wort ab. »Wie geht's denn jetzt, was?«

Auch mit Schmitt begrüßte sie sich sehr kühl. Er schien sie überhaupt nicht wieder zu erkennen und hatte nur Augen für Grete. Die übrigen Damen hatten inzwischen sehr ungeniert abgelegt und Brieg blickte die Rothaarige von der Seite an. Er entsann sich ihrer dunkel vom Theater her und fand, daß sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der bedauernswerten Emmy hatte.

»Na, meine Herrschaften,« begann Korner, zum Platznehmen einladend, »da wir sieben Herren und fünf Damen sind und vier davon bereits vergeben, so muß das störrische Fräulein wohl in drei Teile geteilt werden.«

»Na, ich wüßte schon, welchen Teil ich nähme,« grinste Schmitt über sein ganzes rotes Gesicht. »Warum lachen Sie denn, meine Herrschaften?« fragte er im Kreise herum, obwohl niemand dies tat. »Ich meinte natürlich die Herzpartie. Meinten Sie etwas andres?« Die Freundin der Rotblonden gab ihrem Galan für diese Anzüglichkeit eine Ohrfeige.

»Nu sind wir ja beim rechten Ton angelangt,« seufzte Waldburg erleichtert.

Damit war der Bann gebrochen und alles griff zu den frisch gefüllten Gläsern.

»Prost, meine Damen, die freie Liebe!« rief Schmitt.

Brieg stieß in seiner Verlegenheit so heftig an, daß sein Glas überschwappte; ihm war hier noch unbehaglicher zumute als im Kasino. Die impertinenten Blicke der Weiber brannten ihm auf den Backen und er wußte einfach nicht, was er sagen sollte. So begnügte er sich damit, sie von unten herauf zu beobachten.

Anna, die sozusagen die Dame des Hauses spielte, hatte bei aller Ähnlichkeit mit Emmy doch etwas viel Eleganteres; sie war sogar die Eleganteste von allen. Dabei gestikulierte sie freilich mit dem Messer durch die Luft und schrie mit ihrer schrillen Stimme. Ihre Freundin Paula, ebenfalls Schauspielerin, sah schon weit gewöhnlicher aus. Ihr Sommerkleid war so tief ausgeschnitten, daß Brieg nicht recht wußte, wo er hinsehen sollte. Sie hatte eine Art von schämigen Augenaufschlag, hinter dem die Feilheit grinste, mit dem sie ihn schon auf der Bühne angewidert hatte. Grete, die einfache Statistin war, verschlang stumm und heißhungrig, was in ihre Nähe kam, als wollte sie sich für acht Tage sattessen. Bisweilen blickte sie scheu auf, als fürchtete sie, man wolle ihr etwas fortnehmen, während Auers Eulalia, die der Kürze halber Eule genannt wurde, ihrer kakelbunten Kleidung wegen aber eher den Beinamen Papagei verdient hätte, die Majonnaisensauce vorsichtig von dem Hummerfleisch abkratzte und dieses mit langen Zähnen verspeiste. Anscheinend mundete ihr das ungewohnte Gericht nicht. Sie war im Nebenamt wohl noch etwas andres als Statistin; man brauchte nur zu sehen, mit welcher sinnlichen Gier sie die Bowle schlürfte oder ihre dicke Unterlippe zwischen den Zähnen durchzog; und den Rest des Zweifels zerstörte der aufdringliche Patschuliduft, den sie ausströmte. Brieg sah mit Ekel, wie sie ihre Wurstelfinger mit den Talmiringen und schwarzumränderten Nägeln stochernd im Munde bewegte, und bewunderte im stillen die Genügsamkeit des Geschmacks, der sich solch eine ausgesucht hatte. Und doch: wie gut paßten alle diese Pärchen zueinander!

Er tauschte mit Marie einen verständnisvollen Blick aus: sie fanden beide diese Gesellschaft höchst peinlich und dachten unwillkürlich an die Tage zurück, wo sie mit Korner und Emmy hier gesessen hatten und ihre Beziehungen sich knüpften. Es war ihnen sehr lieb, als die Mahlzeit beendigt war und nun aller Zwang aufhörte. Korner ließ eine mit seinem Wappen protzig verzierte Zigarettentasche herumwandern und man setzte sich, wie es jedem beliebte.

Brieg begann ein Gespräch mit dem Reserveleutnant Werdeck, einem Lübecker Juristen, der dem Treiben mit frostiger Ruhe zusah. Er betrachtete die Reserveübungen, denen er sich ja nicht entziehen konnte, als eine Art Sommerreise, aber besonders sagten ihm die Eindrücke dieser Reise nicht zu, wiewohl er weder ein Tugendprotz noch ein Spielverderber war. Brieg hatte schon am Abend des Liebesmahls viel mit ihm geplaudert; er hatte mit Entzücken bemerkt, daß sich mit ihm über mancherlei reden ließ, ohne daß er gleich scheel blickte oder ausfallend wurde; und dem vorsichtigen Juristen, der ohne die Scheuklappen der aktiven Herren um sich sah, war es nicht entgangen, daß in diesem ungeschulten Kopfe selbständiges Denken steckte. Er hatte seine unglückliche Zwitterstellung bedauert, in der seine Talente sich zerrieben, und wohl gemerkt, wie die Hänseleien der Kameraden sich zu wahrer Erbitterung steigerten, sobald er einmal über etwas andres zu reden wagte oder andre Interessen verriet, als die üblichen. Um so lieber hielt Herr von Brieg sich jetzt an den Assessor; er sprach mit ihm sogar sehr ungeschminkt über die Schattenseiten des ersten Standes, und Marie hörte aufmerksam zu. Auch Grete hatte sich vor Schmitts Verfolgungen zu den dreien herübergerettet, während der Rest samt dem andachtsvoll lauschenden Janitschek sich in immer dichtere Rauchwolken hüllte, aus der nur die Zoten und Lachsalven hervorplatzten.

»Na, Fräulein,« sagte Marie zu der Neuhinzugekommenen, »die Unterhaltung ist Ihnen drüben wohl auch zu gemischt? Es ist traurig – nehmen Sie's mir nicht übel, Herr Leutnant,« entschuldigte sie mit einer Bewegung gegen Werdeck, »daß das alles von außen so stolz und glänzend aussieht, und innen ist es so schlecht.«

»Ja, es ist traurig,« bestätigte Brieg bitter, »und noch trauriger ist es, daß man verloren ist, wenn man es nicht mitmacht. Wer noch anständig fühlt, versteckt sich hinter Zoten, um nicht als weißer Rabe zu gelten ... Sie sind gut dran, Herr Werdeck, Sie brauchen nicht immer mit den Wölfen zu heulen... Ich muß es...«

»So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage!« intonierte eben Herr von Auer in der andern Gruppe.

»Sie hätten etwas andres werden sollen, Herr von Brieg,« sagte Weideck ruhig, aber freundlich.

»Aber was?« fiel Brieg ein. »Ich bin im Kadettenkorps erzogen.«

»Und Sie können wirklich nichts andres anfangen?« fragte Werdeck nach einer Pause.

»Ja, Weinreisender oder Versicherungsagent,« platzte der junge Herr heraus. »Das ist so ziemlich alles... Außerdem würd' es mein Vater wohl nie zugeben ... Es wäre gegen die Familientradition... Mir steckt der Soldat ja auch im Blute,« lenkte er ein, nachdem er sein Glas geleert hatte, »es gibt auch so mancherlei Lichtblicke! Im Manöver zum Beispiel und bei großen Truppenübungen – da weiß man doch noch, wozu man da ist! Diese bunten, wechselvollen Tage, diese Spiele des Zufalls, dieses Zusammenwirken von Kraft und Geist, Mut und Klugheit, dieses Gemisch von Zwang und Freiheit, Ernst und Komik, diese Poesie des Feld- und Lagerlebens, diese Mondnächte auf stiller Wacht oder am lohenden Biwaksfeuer, diese geheimnisvollen Nachtübungen, dies nomadenhafte Durchschwimmen von Flüssen, die Attacken und Reitergefechte, diese weiten, tagelangen Ritte mit einer Handvoll Menschen, auf eigne Faust, eignen Kopf, eigne Verantwortung hin! ... Wär's doch das ganze Jahr so und nicht nur die paar Wochen! Nie wieder zurückkommen in Bahnstaub und Kasernenluft, in den Zwang der Gesellschaften und Kameraden! Immer Manöver – oder Krieg! Mit dem Säbel in der Faust vor dem Lanzenwall der Schwadron in todspeiende Batterien jagen, und dann eine Kugel hier ins Herz! ...«

Brieg war begeistert aufgesprungen; ein irres Feuer zuckte in seinen Augen. Aber gleich wieder knickte er verlegen zusammen, denn seine lauten Worte waren drüben gehört worden und man hatte gesehen, wie er sich aufspringend nach der Brust griff. Eine Lachsalve war die Antwort.

»Na, so'n Krieg ist doch was verdammt Unangenehmes,« rief Schmitt dazwischen und kam zu den dreien herüber, »hören Sie mal,« und damit schlug er Brieg derb auf die Schulter, »Sie sind wohl schon wieder so weit wie gestern abend? Aber heute laß ich Sie nicht durch die Lappen gehen, mein Bürschchen. Des Nachts soll der Soldat im Bette liegen – er braucht ja nicht einsam zu sein. Nicht wahr, kleiner Käfer« fragte er die Statistin und kniff sie in die weinheiße Backe.

»Bitte verschonen Sie mich mit diesen Redensarten« fuhr das Mädchen gereizt auf. »Ich habe mich extra hierhergesetzt, um Ihrer Unterhaltung auszuweichen.« Auch Marie warf ihm einen zornigen Blick zu.

»Ach was,« lachte Schmitt etwas rüde, »Sie müssen nicht gleich alles so tragisch nehmen, wenn man den Tag lang so viel Schinderei hat wie wir, kann man nicht von Seide sein.«

Zum Glück wurde Schmitt von der eifersüchtigen Paula wieder auf das Sofa zurückgezerrt. »Ach du,« antwortete er auf ihre Vorhaltungen. »Ihr Weiber seid auch nicht besser. Den einen nennt ihr lieber Schatz und gebt dem andern hinterm Rücken 'ne Kußhand... Da sind wir doch noch ehrlicher, wir tun es wenigstens offen...«

Brieg machte nur eine drastische Handbewegung, als wollte er sagen: »So Sind sie nun.«

Ein paar Jahre älter, hätte er milder geurteilt, aber in seinem hochgespannten Idealismus schienen ihm solche Exzesse der Jugend unverzeihlich.

»Na,« begütigte der Reserveleutnant, seine Zigarette in der Hand drehend, »wenn Sie erst auf Akademie sind, dann sind Sie geborgen. Noch ein, zwei Jährchen Geduld...«

»Wenn ich bis dahin nicht verrückt geworden bin,« seufzte Brieg.

In diesem Augenblick erschien in der Tür, nachlässig grüßend, Herr von Meyring. »Bonsoir, Messieurs!« lachte er und schlug sich mit den ausgezogenen Glacéhandschuhen auf den Schenkel. »Habe nun genug Süßholz geraspelt...«

Er nahm ziemlich echauffiert an der größeren Tafel Platz und musterte die Damen mit stechenden Blicken. Die Kognakbowle blühte auf den weinseligen Gesichtern, Anna begann sich infolge der Hitze aufzuknöpfen und die Eule war auf Auers Schoß gerutscht, während Paula verwegen die Beine übereinanderschlug und ein Meer von Spitzen sehen ließ, das Geschenk eines wohlhabenden Kaufmanns, aus dem ihre roten Strümpfe lüstern hervorleuchteten. Die Schuhe mit den schief gelaufenen Absätzen wirkten allerdings minder schön; sie trug sie gewiß nur zur Kontrastwirkung.

Meyring schimpfte ziemlich unverhohlen über den Ball. »Drei Stunden mit dekolletierten Mädels herumhopsen und dabei den keuschen Josef spielen ... Das ist wie im Museum: Alles ansehen, aber nichts anfassen ...«

Ein wildes Gelächter belohnte den groben Witz und alles prostete ihm zu. Im Grunde hatten die meisten den gleichen Widerwillen gegen alle Geselligkeit und suchten sich von ihr zu drücken oder, wie jetzt Meyring, bei Frauenzimmern dafür schadlos zu halten. Nur gezwungen gingen sie dahin, wo sie mußten, oder mit Hinterabsichten, wo sich etwa eine reiche Partie fand. Nur wenige, wie der kleine Graf Limburg und ein Herr von Zastrow, bildeten eine Ausnahme; sie suchten die Geselligkeit aus wirklicher Freude am Tanzen und an harmloser Fröhlichkeit auf.

Übrigens brachte Meyring gerade über Herrn von Zastrow eine Neuigkeit mit, die er sehr diskret auftischte: der Bewußte hatte sich heute abend, gerade als der Kommandeur sich verabschieden wollte, mit Fräulein von Wernsdorf, seiner alten Liebe, verlobt ... Die Herren zuckten die Achseln darüber und erklärten, daß er sich doch wenigstens eine reichere Frau hätte aussuchen können. Übrigens verlor niemand etwas an ihm; er war ein stiller, in sich gekehrter Mensch, der ganz von seinem Herzenswunsch beseelt war und weder den Kameraden noch ihren Schönen viel bedeutete.

»Na, überhaupt heiraten,« schnitt Herr von Schmitt dies Thema ab. »Altersversorgung ... Oder wenn einem so'n Halsabschneider die Schlinge zuziehen will ... Die schöne Freiheit drangeben ... Papa, Mama, Aa ... Brr!«

Dann wurden die anderen Damen durchgehechelt.

»Die älteste Tochter des Hauses war so weit ausgeschnitten,« erklärte Meyring mit einem beherzten Griff in den Busen der aufquietschenden Paula. »Aber an den Armen hatte sie Handschuhe, so hoch ... Und rote Strümpfe hatte sie auch an, so hoch...« ergänzte er mit einem Griff nach ihren Schenkeln.

Damit war die Stimmung wieder hergestellt.

Brieg hatte der Unterhaltung vom andern Tisch herüber zugehört; er wünschte im stillen, daß die jungen Damen, die in ihren Kavalieren Halbgötter zu sehen pflegten, einmal unsichtbar einer solchen Darstellung lauschten. »Was machen denn die vier Philister da?« fragte Meyring, sich plötzlich umdrehend, als hatte er Briegs geheimen Ekel gefühlt, »Ah so, Brieg und seine ... Aber der andere kleine Käfer! ...« Damit stand er auf und wandte sich hinüber.

»Na, kleine Stute,« schäkerte er, indem er sich Grete fast auf den Schoß setzte, so daß diese entrüstet abrückte. »Pardon,« entschuldigte er, »habe eben junge Remonten bewegt; da bin ich noch bei den Pferdeausdrücken. Wie lange sind Sie denn schon bei der Sache? ... Ich meine, beim Theater ...«

»Ich bin nur Statistin,« entgegnete Grete spitz. »Meine Mutter ist krank und da hab' ich mir etwas verdienen wollen für dem Arzt seine Rechnung ...«

»Das können Sie billiger und angenehmer haben,« schmunzelte Meyring.

»Wieso?«

»Na, spielen Sie doch, wenn das Stück aus ist, nicht weiter Komödie. Ich wohne hier ganz nahe ...,« sagte er, sich an sie herandrängend und sie mit den Füßen anstoßend.

Grete war aufgesprungen. »Bitte, bringen Sie mich nach Hause,« bat sie Brieg flehentlich; »Sie waren den ganzen Abend so anständig.«

»Donnerwetter,« machte Meyring, »gratuliere zu der Liebeserklärung! Aber glauben Sie dem Herrn nicht, der tut nur so. Stille Wasser sind tief. Kommen Sie lieber mit mir ...« »Sie sollten sich schämen, einem anständigen Mädchen so was zu sagen,« fauchte die Kleine.

»Deine Freundin will ja schon gehen, Paula,« lallte drüben eine schrille Stimme.

»Freundin,« zuckte Paula die Achseln, »das Frauenzimmer blamiert uns höchstens ... Laßt sie doch laufen; wir finden schon allein den rechten Ton.«

Aber Meyring ließ seine Beute nicht locker. Seine Rechte hatte sich in ihr Armfleisch gekrallt, und mit den Augen hatte er sie bereits ausgezogen.

»Halten Sie einen doch nicht so lange hin,« bat er mit sinnlichem Blick, »man ist doch schließlich auch ein Mensch.«

So gelangte sie in fortwährendem Ringen bis zur Tür, aber Meyring setzte den Fuß davor. Da wand sich das Mädchen gewaltsam los und eilte zum Fenster, um es aufzureißen. Meyring schrie der Gruppe auf dem Sofa zu, sie aufzuhalten, und Schmitt sprang bereitwillig auf, schmiß einen Stuhl dabei um und bemächtigte sich Gretes, während Janitschek, der leicht eingenickt war, bei dem Gepolter in die Höhe schrak. Allmählich umringten auch die anderen die ratlose Grete. Auer hatte die Eule um die Hüften gepackt und stieß ein animalisches Gähnen aus, während sie mit sinnlichen Augen vor sich hinstierte und eine halb angerauchte Zigarette in ihren Fingern zerwurstelte.

Brieg wußte nicht, wie er das arme Ding, das ihn um Hilfe angefleht hatte, vor dieser Übermacht retten sollte. Ein plötzlicher Ekel ergriff ihn vor dieser Stickluft von Zigarettenqualm und schwülen Parfüms. Wie die Frauenzimmer ihn anglotzten, als hätten in diesem Kreise selbst Dirnen ein Recht, ihn zu verachten! Und dazu die schlüpfrigen Reden, die den Brand der Begierde noch schürten! Ihm kam das mit einem Mal alles so widerlich vor, daß er die Teller mit den Speiseresten hätte zerschmeißen mögen und den ganzen Krempel kaputschlagen.

»Kommen Sie, Fräulein,« sagte er mit zitternder Entschlossenheit, »ich werde Sie hinausbringen.«

Aber Meyring hatte sie festgepackt und zerrte sie am andern Arm. »Gehen Sie doch mit Ihrem Frauenzimmer, aber mischen Sie sich nicht in andrer Leute Angelegenheiten,« schrie er zornrot.

Brieg fühlte das Blut in seinen Schläfen pochen. Ein wilder Haß ergriff ihn gegen diesen Pharisäer, der Karten spielte und hilflose Mädchen bedrängte und ihm gegenüber doch immer den Sittenrichter oder Vorgesetzten herausbiß.

»Lassen Sie uns hinaus,« schrie er mit drohender Faust, »oder ...«

Waldburg wollte eben einschreiten, als es draußen stark an die Glasscheibe klopfte. Alles fuhr ernüchtert zurück und drängte dann wieder nach dem Fenster.

»Wer ist draußen?« fragte Korner, die Flügel aufreißend, und lehnte sich mit der Rothaarigen hinaus.

Eine Weibsperson in flammendem Goldhaar stand auf der Straße, in ein schrilles Gelächter ausbrechend. »Ich wollte nur schauen,« schrie sie herauf, »wen du jetzt krank und unglücklich machst, nachdem du mich an den Rinnstein gebracht hast.«

Marie war beim Klang dieser Stimme zusammengefahren und, ehe sie Brieg zurückhalten konnte, ans Fenster geeilt. »Emmy,« rief sie über die Köpfe weg, »geh nach Hause, armes Ding! Was machst du jetzt draußen?«

»Was ich jetzt mache? Ich habe nach keinen gefunden ...« Und mit gellender Lache verschwand sie in die Nacht.

Die ganze Gesellschaft blickte Marie von unten nach oben mit einem langen »Ah!« an und die Eule begann unterdrückt zu feixen. Korners Freundin hatte sich aus seinem Arm losgerissen. Er warf einen schneidenden Blick auf Marie, dann auf Brieg, und sagte, kalt lächelnd: »Ah, Sie haben ihr wohl gesagt ...«

»Komm, gehen wir jetzt,« wich dieser aus, um Marie vor weiteren Unbilden zu schützen. »Und Sie, Fräulein, auch,« setzte er zu Grete hinzu.

Jetzt hinderte sie keiner, ihren Hut zu nehmen und sich anzuschließen. Brieg wurde kaum begrüßt. Dann schloß sich die Tür.

»Der Teufel hole den Brieg und seine Dirne!« fluchte Meyring hinterdrein und alles brach in Verwünschungen aus. Umsonst bat Korner die Rothaarige, auf die Lügen einer albernen Dirne nicht zu hören. Er wüßte, wer sie sei, und würde sie durch die Polizei belangen lassen. Anna setzte taub ihren Hut auf und ging, seine Begleitung mit Schimpfworten abweisend.

Da brachen auch die übrigen auf. Korner bat die Herren verlegen, sich durch eine dumme Weiberlaune nicht vertreiben zu lassen. Aber seine Vorstellungen fanden kein Gehör.

Auer war der erste, der den Humor wiederfand. Er umfaßte die Kristallbowle, in der noch ein ziemlicher Rest stand, mit beiden Händen und setzte sie an. »Prost, Kinder!« schrie er. »Wir wissen nicht, ob wir so jung nochmal zusammenkommen!« So lachte man wenigstens beim Abschied.

»Na, alter Freund, Sie wackeln ja bedenklich,« stieß Waldburg Herrn Janitschek an, der sich den Schlaf aus den Augen wischte.

»Ja, ich weiß auch nicht ...,« lallte dieser.

»Kommen Sie, ich bringe Sie noch in irgend 'ne Kneipe,« erbot sich der andre, ihn am Arm packend; »da können Sie sich wieder stärken.«

»Aber nur nicht wieder Kartenspielen,« jammerte der Schlaftrunkene.

»Das wird sich alles finden. Kommen Sie nur mit! Der Abend ist doch einmal angebrochen,« redete Waldburg ihm zu und schob ihn zur Tür hinaus.

»Gute Nacht, meine Herren! Keinen zu tollen Kater morgen früh!« ermahnte der Adjutant mit herablassendem Abschiedsgruß; dann schritt er mißlaunig und unbeweibt zum Ausgang.

Im Hausflur hörte der betroffene Korner noch Auers Stimme gröhlen:

»Und wär' das Leben nicht so schwer,
Schön wär's, wenn's nicht so teuer wär' ...«


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