Friedrich von Oppeln-Bronikowski
Der Rebell
Friedrich von Oppeln-Bronikowski

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Zweiter Teil

»... O das Leben, Vater,
Hat Reize, die wir nie gekannt. Wir haben
Des schönen Lebens öde Küste nur wie ein umirrend Räubervolk befahren,
Das in sein dumpfig enges Schiff gesperrt,
Im wüsten Meer mit wüsten Sitten haust, vom großen Land nichts als die Buchten kennt
Wo es die Diebesladung wagen darf. Was in den innern Tälern Köstliches
Das Land verbirgt, o! davon – davon ist
Auf unsrer wilden Fahrt uns nichts erschienen ...«
Schiller, »Wallenstein«.

»Welches ist der große Drache, den der Geist nicht mehr Herr und Gott nennen mag? Du sollst, heißt der große Drache. Aber der Geist des Löwen sagt: ich will.

Neue Werte schaffen – das vermag auch der Löwe noch nicht: aber Freiheit sich schaffen zu neuem Schaffen – das vermag die Macht des Löwen. Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht, dazu bedarf es der Macht des Löwen.«
Nietzsche, »Zarathustra«.

1.

Der General a. D. von Brieg war zum fünfundzwanzigjährigen Kriegsjubiläum des Grenadierregiments, das er im Feldzuge geführt hatte, in der Garnison eingetroffen und im »Deutschen Hause« abgestiegen. Seines Sohnes Befürchtungen erwiesen sich zum mindesten als verfrüht, denn einstweilen war er eitel Freude und Leutseligkeit. Der Vater war stolzer denn je auf sein »Söhnchen« mit dem sprossenden Schnurbärtchen und der keck auf ein Ohr gedrückten Czapka. Seinen Stammhalter als Leutnant bei den Ulanen zu sehen, war sein stiller Lebenswunsch geworden, als er mit seinen tapferen Grenadieren ruhmbedeckt aus dem großen Kriege heimgekehrt war und ihm nach Jahresfrist ein Sohn geboren ward, der den alten Familienvornamen Ferdinand erhielt ... Als der Knabe zum Jüngling herangewachsen war und das Kadettenhaus mit der höchsten Auszeichnung, der Belobigung des Kaisers, verließ, hatte der alte General in einem Immediatgesuch auf diese Auszeichnung wie auf seine eigenen Verdienste gepocht, um die Einstellung seines Lohnes in das Ulanenregiment mit dem endlosen Fürstentitel durchzusetzen, und dieser Wunsch war zum frohen Ereignis geworden.

So reichten sich im Geiste des alten Soldaten jetzt Gegenwart und Vergangenheit glücklich die Hand; und wenn er sich nicht seinem Sohne widmete, wurde er im Infanteriekasino von der gegenwärtigen Generation als Held im Liederkranz gefeiert oder von zahlreichen alten Offizieren und Veteranen, die sich mit dem Eisernen Kreuz auf der Brust eingestellt hatten, voller Ehrfurcht umringt, denn er war immer sehr grob und gefürchtet gewesen.

Frohe und trübe Erinnerungen wurden unter den alten Kriegern lebendig. Manchem, der den Geschoßhagel von Wörth überdauert hatte, war inzwischen der Strohtod genaht, oder er war zu kränklich, um dem Fest beizuwohnen; mancher hatte auf der Leiter des Ehrgeizes die höchsten Sprossen erklommen und mancher andre sich verbittert zurückgezogen, um jetzt aus dem Wiedersehen mit glücklicheren Altersgenossen neue Galle zu saugen. Im allgemeinen konnte man schon aus dem mehr oder minder eleganten, mehr oder minder abgeschabten Überrock den Schluß ziehen, welches Schicksal sein Träger gehabt hatte und welche Pension er bezog.

Brieg mußte natürlich an dem Festessen für Weißenburg teilnehmen; es war das erste Mal, daß er auf den Rohrstühlen des bescheiden eingerichteten Infanteriekasinos saß. Sein Nachbar war der frühere Gardist, der neulich im Ulanenkasino mitgespeist hatte, ein baumlanger Mensch, der von seiner Potsdamer Zeit her jenes unbestimmte Etwas bewahrt hatte, das einen alten Gardisten auf zehn Schritt verrät: eine gewisse zurückhaltende Steifheit, die immer an den verschluckten Ladestock denken läßt, in Verbindung mit weltmännischen Allüren, aber ohne den leichten Einschlag von Übermut, den er bei seinen Regimentskameraden gewöhnt war. Brieg unterschied deutlich, wie sich dieser und ein jüngerer Hauptmann aus dem Rest ungewollt heraushoben. Dieser Rest setzte sich vornehmlich aus zwei Kategorien zusammen: die eine bestand aus gutmütigen, anstelligen, eifrigen Dutzendmenschen, die einen etwas überhasteten Eindruck machten; manche hatten magere Wangen und hervortretende Backenknochen, aber das mochte wohl von den Strapazen des Regimentsexerzierens herrühren. Der andren Gruppe las man einen brutalen, eisern gezügelten Willen von den harten, groben Zügen ab; ihrer robusten Gesundheit schien auch das »Strampeln« nichts anzuhaben und jede Krankheit, außer vielleicht ein diskretes Leiden, fernzubleiben. Sein Vater pflegte solche Gefühlsnuancen wegwerfend als »Kavallerietick« zu bezeichnen, obwohl er selber nichts heißer gewünscht hatte, als seinen Sohn bei dieser Waffe zu sehen. Im Grunde hatte er den nämlichen Kavallerietick; seine eignen Vorfahren waren samt und sonders Reiteroffiziere gewesen, wie jener Ferdinand von Brieg, der berühmte Husarengeneral der frederizianischen Zeit; und nur weil sein eigner Vater als Rittmeister ohne Vermögen den Abschied genommen hatte, war er selbst zur Gardeinfanterie gekommen, seine Brandreden gegen den Dünkel, die Kavallerie sei eine zu kostbare Waffe, um sich totschießen zu lassen wie andre, hatten bei ihm also einen ganz persönlichen Hintergrund. Ihm schwebte immer noch die frederizianische Schlachtenkavallerie vor, und er wollte nichts davon hören, daß die modernen weittragenden Feuerwaffen der Reiterei ihre frühere Rolle beschnitten. Mit vollen Rotten wären die Kavallerie-Divisionen aus dem letzten Kriege zurückgekehrt; sie hätten nur die Stabswache prinzlicher Heerführer gespielt, während andre Truppen sich verbluteten ... Für die Ulanen traf das allerdings zu: sie feierten am Tage von Wörth ihre einzige Waffentat, die Erbeutung eines französischen Trains, und Brieg konnte das große Wörthfest bei den Grenadieren zum größten Leidwesen des alten Herrn darum nicht mitfeiern. Übrigens veranstaltete der Oberst von Rößing, der kriegsgeschichtliche Exkurse sehr liebte, an diesem Tage auf dem Exerzierplatz eine wilde Attacke auf das Trainbataillon und hielt darauf seinen Einzug in die Stadt, bei dem er nur das eine bedauerte, die Mehlkutschen nicht als Siegesbeute hinterdrein schleppen zu können.

Der alte Herr erzählte seinem Sohn am nächsten Mittag mit leuchtenden Augen von den Ehrungen, deren Gegenstand er am Ruhmestage seines alten Regiments geworden war: er hatte den Vorbeimarsch der Grenadiere auf dem Paradeplatz selbst abnehmen müssen; und dann entfaltete er ein Telegramm von Bord der »Hohenzollern«, wie Seine Majestät allergnädigst geruht hätten, ihm in Erinnerung an seine Verdienste in der Schlacht bei Wörth den Charakter als Generalleutnant und einen hohen Orden zu verleihen. Seine heisere Stimme, durch das viele Trinken und Reden noch rauher gemacht, zitterte bei dieser Verlesung vor Rührung: es war eine späte, aber süße Genugtuung für manches Jahr des Grolls und des Mißvergnügens; denn der alte Brieg fühlte das Zeug zum Feldherrn in sich, und allein durch die rücksichtslose Art, in der er seine Ansichten herauszupoltern pflegte, hatte er sich schon als Brigadegeneral den Hals gebrochen. Nach seiner Verabschiedung hatte er sich vom Vermögen seiner Frau ein Landgut gekauft; aber er mußte einsehen, daß Regen und Sonnenschein sich nicht so kommandieren lassen, wie ein Infanterieregiment, und schließlich war er froh, das Gut mit Verlusten wieder loszuwerden. Seitdem lebte er zurückgezogen in Berlin, seit dem Tode seiner Frau ganz vereinsamt; sein einziges Glück war sein »Söhnchen«, das ihn Sonntags als Kadett besuchte, und der Klub, in dem er allwöchentlich zweimal mit alten, verabschiedeten Offizieren Whist spielte und über die bestehenden Zustande nörgelte.

Übrigens drückte ihn die Einsamkeit nicht; er war von jeher ein schroffer, verschlossener Charakter gewesen, und selbst seinem Sohn gegenüber war er, wenn er nicht eins seiner Lieblingsthemata bearbeitete, recht einsilbig. Die Ferien waren diesem denn auch oft recht langweilig geworden; es hatte dem alten Herrn genügt, seinen Lohn im selben Zimmer zu wissen, während er in irgend einer Biographie oder Kriegsgeschichte las, wie es ihm jetzt genügte, seinen Sohn als Ulanenoffizier zu wissen und an der Idee seiner Zukunft zu arbeiten.

Beim nächsten Liebesmahl speiste die neue Exzellenz mit dem jüngst verliehenen Orden und dem Eisernen Kreuz auf der Brust im Ulanenkasino mit und rief ein über das andre Mal aus: »Herr Gott, seid Ihr jetzt luxuriös geworden!« In der Tat war das Kasino der einzige ansehnliche Raum in der baufälligen Kaserne; es war vor einem Jahrzehnt mit großem Aufwand erneuert worden. Die jüngeren Herren schienen sich übrigens durch die Anwesenheit eines verabschiedeten Infanteriegenerals wenig stören zu lassen und setzten sogar ihre Neckereien gegen seinen Sohn unverblümt fort; dagegen befreundete sich der Oberst sehr bald mit ihm, als hätte er in ihm einen wahlverwandten entdeckt. In der Tat waren beide als Theoretiker und Dauerredner gefürchtet; nur in ihrem Stil unterschieden sie sich. Wenn die neue Exzellenz noch den Bismarckschen Stempel trug und mit ihrer herzdörrenden politischen Kannegießerei in Kürassierstiefeln auftrat, so hatte sich der Freiherr von Rössing nach dem neuesten Kurse gemodelt; er liebte historische Reminiszenzen, Huldigungstelegramme, Festfeiern, Zitate und Kranzspenden, und als die Lichter aufgetragen waren, suchte er den General, der heute allen Groll auf den »jungen König« vergessen hatte, besonders zu ehren, indem er den neuen »Sang an Ägir« vortrug. Bei dem alten, völlig unmusikalischen Herrn verfehlte er freilich jede Wirkung; desto mehr Freude aber bereitete er seinen Leutnants. Seine barsche Kommandostimme und das gewohnte Prusten in den Gesangspausen erweckte bei diesen in der Tat die Vorstellung, als wäre er selbst der Meergott, der aus den Fluten auftaucht und sich die Wassertropfen aus dem grimmigen Schnauzbart bläst ...

Auf Brieg machte diese Annäherung zwischen dem Kommandeur und seinem Vater einen beängstigenden Eindruck; ihm war, als verbündeten die zwei sich da gegen ihn, wie sich die Kameraden gegen ihn verbündet hatten. Zum mindesten fürchtete er, wie er sie so darauflosreden sah, der Oberst möchte seinen Arrest oder gar sein Vater die Spielschuld zur Sprache bringen; er sagte sich nicht, daß weder der eine seinen Sprößling ohne Not verklatschen, noch daß der andre den erst jetzt von der kaiserlichen Huld Bestrahlten in seinem Vaterstolz verletzen würde.

Indessen gingen die Jubeltage allmählich zu Ende, und mit ihnen hörte auch die fröhliche Laune des alten Herrn auf. Brieg atmete darum auf, als dieser erklärte, in eine Pension (von Carsten) übersiedeln zu wollen; durch diesen Ersatz für sein Heim, so hoffte er, würde sein Vater etwas häuslicher werden und seinem Sohn weniger auf den Hacken sitzen. Diese Pension war ihm von einem Infanteriehauptmann empfohlen worden, der sich am Tage des Jubelfestes sehr an ihn herangemacht hatte; er war mit einer der beiden Pensionsdamen seit kurzem bekannt und drückte seine lebhafte Freude aus, Seine Exzellenz dort wieder zu treffen und ihm seine Dienste zur Verfügung zu stellen, Auch gegen seinen Sohn war er leutselig und wohlwollend, als wollte er sagen: »Fahren Sie nur so fort, junger Mann.« Sein Vater war ganz begeistert von ihm. »Ein liebenswürdiger und korrekter Mann,« sagte er, und der junge Herr wußte danach ungefähr schon, was er von ihm zu denken hatte. Die Übersiedlung in die Pension ging nicht ohne einen kleinen Skandal vonstatten. Der Dienstmann, der Koffer und Zylinderschachtel aus dem Hotel herübergeschafft hatte, verlangte zwei Mark Gebühren und wollte die Stücke wieder mitnehmen, als er nur eine Mark erhielt; ja, er wurde sogar unverschämt und die neue Exzellenz polterte gewaltig los. Frau von Carsten hatte schließlich dem Manne noch fünfzig Pfennig aus ihrer Tasche zugelegt, denn ihre beiden jungen Engländerinnen erschienen bereits in der Tür und beklagten sich über den ungebührlichen Lärm.

Sein Sohn erfuhr die näheren Umstände haarklein am nächsten Mittag, als er, staubbedeckt vom Exerzieren, ins Zimmer trat und den kriegslustigen Vater zu seinem peinlichen Erstaunen vor seinem Schreibtische fand, den der Leichtsinnige wie gewöhnlich nicht abgeschlossen hatte. Natürlich war ihm gerade die Mahnung des Schneiders und der letzte Liebesbrief von Marie in die Hände gefallen, und er begann sein Verhör kurzerhand mit dem billet doux, konnte indessen aus seinem verstockten Sohn keine Silbe herausbringen.

»Ach, mein Sohn, mein Sohn, was machst du mir für Sorge!« stöhnte er. »Jetzt fängst du nun auch noch mit Frauenzimmern an. Verplämpre dich nur nicht mal an so 'ne Person; das wär' mein Tod! Du bist noch so jung und unerfahren, und die Weiber fahnden mit Lasso und Pechstiefeln auf jeden, den sie ergattern können ... Und dies hier,« fuhr er fort und hielt ihm die Rechnung mit einem Ruck unter die Nase, daß das Papier knitterte.

»Eine Schneiderrechnung,« entgegnete Ferdinand.

»Noch nicht bezahlt?« forschte er weiter.

»Ach nein,« seufzte der junge Offizier, »wo soll ich plötzlich dreihundertfünfzig Mark herbekommen? Höchstens kann ich es auf die Kleiderkasse anweisen lassen, aber die ist für dieses Jahr schon anderweitig belastet.«

»Aber mein Sohn,« monierte der Vater in seinem hochmütig-galligen Ton, »wirst du denn nie auskommen lernen? Du sollst sogar immer etwas in den neuen Monat herüberschleppen – und nun hier dreihundertfünfzig Mark! wenn man sich etwas bestellt, dann bezahlt man es Zug um Zug, oder man kauft sich nichts. Aber bestellen und nichts bezahlen, das ist nicht comme il faut ...«

»Aber wenn ich die Sachen doch brauche, Papa!« wandte Ferdinand verlegen ein. »Du siehst eben, daß ich hier mit meiner Zulage nicht auskommen kann. Ich muß mir ein oder zwei Pferde halten, mich gut kleiden, im Kasino essen ...«

»Aber keine Spielschulden machen,« unterbrach ihn der Vater ingrimmig, »von den vierhundertfünfzig Mark, die ich für deinen Leichtsinn hergeben mußte, konntest du die ganze Schneiderrechnung bezahlen und noch mehr. Du mußt mit deiner Zulage auskommen! Es muß dir, ich möchte sagen, einen gewissen Spaß machen, damit auszukommen! Du lieber Gott – in meiner Jugend war das anders! Sechs Taler Zulage habe ich gehabt beim Alexanderregiment, sage sechs Taler. Und dabei glaubten alle, ich sei reich! Alle großen Heerführer haben sich so durchgehungert. Im Kasino trank man Wasser oder ein Glas Bier...«

»Und bei uns ist Biertrinken in den Statuten verboten,« warf Brieg dazwischen.

»Nun ja, das ist eben der Luxus, den ihr jetzt treibt, wenn ich das so mit ansehe ...« sagte der alte Herr mit einem kritischen Blick auf die paar altmodischen Möbel, die er seinem Sohn zur Verschönerung seiner Kasernenstube abgetreten hatte. »Hier ist es doch wahrhaftig einfach genug,« wandte dieser ein.

»Ich hatte in meiner Garçonwirtschaft nichts als meine Kommißmöbel und die stinkige Öllampe,« fuhr der General kopfnickend fort. »Und dabei war ich Abend für Abend zu Hause und habe in Unterhosen gesessen, um meine Beinkleider zu schonen, und in der Bibel gelesen oder französisch geochst. Schlafrock – das gab's nicht, den hatten nur die Reicheren. Wie glücklich wär' ich gewesen, wenn ich nur einen Teil von dem gehabt hätte, was dir jetzt in den Schoß fällt! Du weißt gar nicht, mein Sohn, wie gut es dir geht. Danke Gott täglich auf den Knien, daß du ein auskömmliches und sorgenloses Leben hast und die kleinen Freuden deiner Jugend genießen kannst!«

»Lieber Papa,« seufzte der Sohn, »wenn du mir ein solches Leben bereiteten wolltest, dann mußtest du mich nicht in ein teures Ulanenregiment eintreten lassen, dessen Zuschnitt meine Verhältnisse weit übersteigt.«

Der General gab hierauf keine Antwort, sondern nahm einen blaugrauen Brief zur Hand, der heute angekommen sein mußte und den er zu Ferdinand Entsetzen bereits erbrochen hatte. Er zitterte, was es sein möchte.

»Und was soll diese Liederei hier?« fragte die Exzellenz mit strafendem Blick. »Zwei Kabinettaufnahmen achtzehn, ein Visit sieben, Summa fünfundzwanzig.«

»Ach so, vom Photographen,« atmete Ferdinand auf.

»Aber mein Sohn, wo soll denn das hinaus? Wozu brauchst du überhaupt Bilder. Kaufe dir lieber ein paar gute Bücher.«

»Das tät' ich auch viel lieber,« seufzte der junge Herr, »Aber ich mußte zum Album für unsern Chef ein Kabinettbild beisteuern, und da ich mich auf dem Bilde unehrerbietig an einen Tisch lehnte, statt gerade zu stehen, so war halt noch eine Aufnahme nötig... Und die andern Bilder sind für ein Abschiedsalbum ...«

»So,« sagte der alte Herr; »schreibst du dir denn das auch alles auf?« Er hatte seinem Sohn bei der Equipierung ein dickes Kontobuch gekauft und dieser hatte es anfangs auch geführt; doch da er es nur aus Furcht vor dem Vater tat, so hatte er allerhand bedenkliche Posten verringert und bei andern Aufschläge gemacht, so daß die Gesamtrechnung ungefähr stimmte, Aber bald wuchs ihm diese Buchführung über den Kopf; er stellte sie schließlich ganz ein, und das Kontobuch benutzte er, um Gedichte hineinzuschreiben.

»Ach, Papa,« seufzte er, »durch das Aufschreiben wird das Geld auch nicht mehr, und ich bin abends gewöhnlich zu müde zum Rechnen. Außerdem, was käme dabei heraus, als daß ich nicht auskomme?« ...

Der Vater blieb dabei, daß man bei geordneter Buchführung viel besser auskäme, weil man sich dann alles besser einteilen könnte, und führte diesen Gedanken des längeren aus. Brieg ließ ihn reden, während er Bandelier und Schärpe ablegte und nach einer Mütze griff, um ins Kasino zum Frühstück zu gehen. Der alte Herr wollte gleich mitkommen und war nur mit Mühe davon abzubringen. War es doch für Brieg wie für seine Kameraden gleich ungemütlich, wenn sein »schwerbekümmelter Erzeuger«, wie Waldburg ihn geistreich getauft hatte, im Kasino schon zum Frühstück erschien, wo die Herren gerne den Überrock aufknöpften und sich ihren Ärger über den Kommandeur oder ihren Rittmeister frisch von der Leber herunterschimpften.

»Nun, wenn du mich nicht haben willst,« brummte der alte Herr, »so werde ich jetzt auf die Polizei gehen und mich über den Lümmel von Dienstmann beschweren; da hab' ich gleich was zu tun.«

Brieg bedauerte nur das eine, daß sein Vater nicht täglich umzog. Er versprach ihm auch, zum Abendessen in die Pension zu kommen.


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