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Simon Petrus.

( Der Fischer am Bachesufer.)

Milde Morgenwinde linde
Kühlten diese heiße Lust;
Sanft sich Wellen kräuseln, säuseln
In der Blätter Blumenduft.

Schlanke Lilie wiegt sich, biegt sich
Mit dem Schmetterling so klein,
Und der Morgenröthe Flöte
Tönt vom Walde klar und rein.

Alles lächelt Wonne; Sonne
Wie das kleinste Gras der Au.
Aus dem Felsen dringen, springen
Klare Quellen, weiß und blau.

Während Alles gaukelt, schaukelt
Leicht ein Kahn dem Ufer nah,
Bei der Angel fröhlich, selig
Sitzt ein junger Fischer da.

Und wie mit Entzücken blicken
Seine Augen auf das Spiel,
Glaubt er, daß er höre Chöre
Aus dem buntesten Gewühl;

Alles! Grasgewimmel, Himmel,
Blumen, Wellen, Vogelschaar
Zauberisch umlacht ihn, macht ihm
Ein Geheimniß offenbar.

Ein Spruch nur das Ganz' im Glanze
Schreibt, und redet selbst den Spruch,
Und der Fischer, harrend, starrend,
Liest entzückt im großen Buch.

Und wie so er sitzet, blitzet
Jeder Zug im Buch Natur;
Ueberall nur fächeln, lächeln
Junge frische Kelche nur.

Erst ein Haufen feine, reine
Lilien sieht er auf der Au.
Zwei Vergißmeinnichte lichte
Blühen in dem Weißen blau.

Dabei zwei gesunde runde
Rosen roth im Mädchenschein;
Freundliche Aurikeln wickeln
Golden häufig sich hinein.

Und die Tulpen strahlen, malen
Weit den ganzen Anger dicht.
Auf den grünen Matten Schatten
Mischen sich mit Sonnenlicht.

Plötzlich die Gestalten falten
Aus einander sich; und rein,
Aus der Lilie Weiße, leise
Steigt ein Jüngling schlank und fein.

Zwei Vergißmeinnichte lichte
Funkeln blau, ein Augenpaar;
Und zwei Rosenwangen prangen
Statt der jungen Rosenschaar.

Gelb sich die Aurikeln wickeln
Jetzt als Locken zart und kraus;
Und die Tulpen breiten, weiten
Als Gewand sich blumig aus.

Und die goldnen Strahlen malen
Um sein Haupt den Reif so licht,
Und was sonst im Walde schallte,
Jetzt als eine Stimme spricht:

Kann dein sonst so blindes Auge endlich jetzt den Schöpfer sehn?
Hat es doch gelernt die stumme Sprache der Natur verstehn?
Schaust du in der Blumenhaufen Glanz, der Vögel Waldgesang,
In der Quellen Guß, der Bäume Schatten, in der Sonne Gang,
In den Sagen, in des Dichters edlem Lied, des Weisen Wort,
In der Helden That, der Frauen Tugend hier, an jedem Ort,
Nicht nur einen schwachen Schimmer, welcher gaukelnd angefacht,
Nein, den ew'gen Tag, der kräftig strahlet durch des Grabes Nacht;
Siehst du diese Fluth von Lichte, herrlich leuchtend, nimmer matt,
Die in einer schönen Sonne mächtig sich vereinigt hat?
Merkst du jetzt des Schöpfers Finger, der uns nie vom Auge weicht,
Der den edlen Geist, der aufstrebt, väterlich die Heimath zeigt?
Sahst du, wie vom Aug' der Nebel floh beschämt nach kurzer Frist,
Daß im ew'gen, großen Leben Alles treu verbunden ist;
O dann werfe nur getrost den Köder tief in Meeresgrund!
Fische nicht, sollst Menschen fangen, Petrus! gleich von dieser Stund'.

*


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