Adam Oehlenschläger
Die Fischerstochter
Adam Oehlenschläger

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Dritter Aufzug.

Eine große gewölbte Küche.

(Die Küchenjungen kommen, machen Feuer auf den Herd und setzen Töpfe mit Wasser darüber. Nach und nach versammeln sich die Köche, in reinlichen weißen Jäckchen, mit langen Messern an der Seite, Schürzen vorgebunden. Es werden Lauch und Petersilie gehackt, Rüben und gelbe Wurzeln geschabt &c. Allmälig heitert sich Alles auf. Das Feuer brennt lichterloh, das Wasser kocht. Es wird geschnitten, gespickt, mit Mehl bestreut, Eier und Öl gebraucht. Braten werden an den Spießen gedreht. Wenn Alles im Gange ist, tritt der Vezier der innern Angelegenheiten auf, als)

Oberküchenmeister (und hält mit Würde folgende Rede).
Mundköche! Meisterköche! Wackre Jungen!
Ganz von dem Fleiß', dem Eifer überzeugt,
Womit, bei wichtigen Gelegenheiten
Im Dienst des Staats, ihr die Spicknadel braucht,
Den Bratspieß und die Löffel, bitt' ich euch
Heut' mit verdoppelten Kräften zu wetteifern,
Damit das Feuer, das mit reiner Flamme
Hoch auf des Vaterlandes Altar brennt –
        (Er zeigt auf den Herd.)
Bewund'rungswürd'ger noch auflodern möge!

Die Sache, Kinderchen, ist kürzlich diese:
Ein großer Zaub'rer aus Europa's Reichen
Ist heut' in Asien plötzlich angelangt:
Erst riethen wir auf jenen Vogel Rock;
Als aber durch die Luft er näher kam
Und mitten in des Schlosses Hof herabsank,
Entdeckten wir, es sei 'ne große Blase,
Aus eines Ungeheuers Bauch geschnitten,
Mit Luft gefüllt, die durch die Luft ihn trug.
Seltsam ist dieser Zauberer gekleidet
Und gar phantastisch. Närrisch zugespitzt
Deckt ihm der Rock von hinten kaum die Lenden,
Und dingelt als ein Läppchen, wenn er geht;
Vom kahlen Haupte nimmt er einen Filz
Bei jedem Wort', er spricht, und zeigt die Glatze,
Wo ihm das wen'ge Haar als Dornenkrone,
Mit Mehl und Fett bedeckt, den Scheitel kränzt.
Klein ist er, blatternarbig; dick die Nase,
Der Bauch, sonst Alles dünn. Er schnupft Taback
Für seine schwachen Augen, und scheint nicht
Der Mann zu sein, der er doch wirklich ist.
Nun steht er draußen und erklärt dem Sultan
Die ganze Construction der Wunderblase.
Der Sultan will, wir sollen ihn mit Pracht
Bewirthen und mit allen Leckerheiten
Des Jahres. Strengt euch also an, ihr Leute!
Damit der feine Europäer Achtung
Für unsre Kunst und Wissenschaft bekomme.
        (Er will gehen, kehrt aber zurück.)
Noch Eins! Im Fahrzeug bei der Wunderblase
Saß mit dem Herrn ein seltsames Geschöpf.
Erst glaubten wir, es sei ein Hexenmeister;
Doch umgekehrt – es war ein Secretair,
Der Alles aufschreibt, was der Herr erfährt.
Ist nun die Suppe gut und nicht verbrannt
Der Braten, werden wir im Werk genannt;
Denn er beschreibt das ganze fremde Wesen.
Das wird gedruckt und wenn auch nicht gelesen,
So steht's doch da und wird in künft'gen Tagen
Gewiß von den Gelehrten nachgeschlagen,
Wenn in latein'schen Schriften sie beweisen,
Wie andre Nationen trinken, speisen!

Ein Koch (kommt).
Es trifft sich ganz besonders glücklich, Herr!
Da ist mit wunderschönen seltnen Fischen
Ein Fischer eben angekommen; doch
Er hält sie theuer.

Oberküchenmeister.   Laßt mich selber sehn.

(Der Koch bringt die Fische, Sandib folgt ihm.)

Koch. Der, weiß wie Perlenmutter, ist ein Hecht;
Der Roth' eine Karausche, und der Blaue
Scheint mir ein Dorsch zu sein; der Gelb' ein Aal.
Doch find' ich nur entfernte Ähnlichkeit.
Nie sah ich solche Fische noch!

Oberküchenmeister.                       Ich auch nicht.
Was kosten diese Fisch'?

Sandib.                                   In Bausch und Bogen
Vierhundert Bahams.

Oberküchenmeister.     Das ist äußerst billig!
        (Zum Mundkoch.)
Dies seltene Gericht vertrau' ich dir,
Nur dir in eignen Händen. Doch selbst will ich
Zugegen sein, wenn sie bereitet werden,
Damit hübsch Alles in der Ordnung bleibe.

Koch. Soll ich sie braten?

Oberküchenmeister.       Unglückseliger!
War's nun nicht gut, daß ich hier selbst zugegen?
Willst du die seltne Schüssel mir verderben?
Glaubst du, ich zahle hier vierhundert Bahams,
Um unserm Sultan, um dem fremden Herrn
Geröstete Fisch' im braunen Mehl zu zeigen?

Koch. Doch der Geschmack!

Oberküchenmeister.             Einfält'ger! was Geschmack?
Wenn du Geschmack besäßest, wüßtest du,
Daß von Geschmack hier nicht die Rede sein kann,
Denn der Geschmack fällt Keinem in die Augen.
Bei diesen Fischen sind die schönen Farben
Das Wichtigste. Du sollst sie kochen!

Koch.                                                           Blau?

Oberküchenmeister. Den Blauen magst du immer blau abkochen;
Den Rothen roth, den Weißen weiß, und gelb
Den Gelben.

Koch.                 Doch wenn nicht die Farben Stich
Im heißen Wasser halten?

Oberküchenmeister (legt väterlich seine Hand auf des Kochs Schultern).
                                            Nun, mein Sohn!
Dann hast du deine Pflicht gethan; dann mögen
Die Kräfte der Natur sich selber rathen.
Komm, Fischer! Ich will dir die Bahams zahlen.

(Ab mit dem Fischer.)


Der Schloßhof.

Der Europäer und sein Secretair, aus dem Luftballon gestiegen, vom Sultan und seinen Hofleuten umringt.)

Sultan. O großer Mann, deß Kenntniß, dessen Scharfsinn
Ich tief bewundern muß! Wie fühl' ich mich
Gering doch gegen dich! Was ist die Kraft
Des Arms, die leibliche Gewalt wol gegen
Den mächtigen Gedanken, das Genie?
Selbst, sagst du, hast du dieses Werk erfunden?

Europäer (sehr bescheiden).
Großmächtigster! Wenn ich die Freud' etwa
Gehabt, durch eine glückliche Idee
Zuerst auf diese Neuigkeit zu stoßen,
Darfst doch du mein Verdienst nicht überschätzen.
        (Leise zum Secretair.)
Die guten Leute! – 'S wird am besten sein,
Daß in dem frommen Wahne sie verharren:
Ich sei Erfinder dieses Luftballons.
Das gibt Respect, Vertrau'n. In einem Lande,
Wo Wechselbriefe, wo Empfehlungsschreiben
Nichts nutzen, ist es immer gut, mein Lieber,
Ein solch unschuld'ges Mittel zu gebrauchen.

Secretair. Gewiß! Doch wollen Eure Gnaden sich
Nicht auch Erfinder des Schießpulvers nennen,
Der Druckereien, der Uhrmacherei,
Sammt des Kompasses?

Europäer (belehrend).           Nein, mein Lieber, nein!
Lern' er von mir, wenn er es noch nicht weiß:
Man muß bescheiden sein, und nie sich mit
Gelieh'nen Federn schmücken, außer wo
Es nöthig ist.

Secretair.           Ich leihe keine Feder,
Die ausgenommen aus dem Gänseflügel,
Womit ich Euer Gnaden Tagbuch schreibe.

Sultan. Obschon ihr Europäer Christenhunde
Nur seid, beweist ihr doch in euern Thaten
Fast übermenschlichen Verstand. Wir fangen
Schon an, allmälig uns nach euch zu bilden.
Mit den Kanonen wißt im Krieg ihr besser
Als wir zu spielen. Und so gibt es Vieles.
Du hast denn durch die Tiefe des Verstandes
Ein solches Werk zu Stande nur gebracht,
Und nicht durch Zauberei?

Europäer.                                   Was Zauberei?
Es gibt gar keine Zauberei, Großmächt'ger!
Das Wunder ist des Aberglaubens Mutter,
Ein Kind der Thorheit, der Unwissenheit,
Und füllt mit Gaukelbildern nur das Hirn.

Sultan. So glaubst du nicht an Zauber?

Europäer                                                   Ei, bewahre!

Sultan. Auch nicht an Geister?

Europäer.                                   Wen'ger noch.

Sultan.                                                                 Du hast
Doch selber einen.

Europäer.                     Das ist eine Frage,
Die uns zu weit vom Ziele führen würde.
So viel behaupt' ich: Alles in der Welt
Geht platt natürlich zu. So der Ballon:
Wenn der mit Gas des Wasserstoffs gefüllt ist,
Steigt er mit mir empor. Warum? Der Mensch
Wiegt nur vier Pfund im Wasser – in der Luft
Verhältnißmäßig freilich etwas mehr;
Doch wird die Schwere von der Leichtigkeit
Besiegt, die Luft von einer leichtern Luft;
So fliegen wir, wie Faust auf seinem Mantel,
Davon, doch ganz natürlich, mathematisch!

Sultan. Die luft'ge Leichtigkeit beneid' ich dir.
Willst du mich diese Kunst wol lehren?

Europäer.                                                       Gern!

Sultan. Ich werde meine Dankbarkeit dir zeigen.

Europäer. Nein, großer Sultan! Du mußt mir versprechen,
Daß du mich nicht dafür bezahlen willst.
Der Eigennutz ist mir im tiefsten Herzen
Verhaßt; doch lieb' ich innig die Natur;
Von Mineralien und Steinen hab' ich
Schon eine nette Sammlung; doch es mangelt
Mir Vieles noch. Wenn etwa sich in deiner
Ein Doppel-Exemplar befinden sollte,
Wenn einen überflüss'gen Diamant,
Rubin, Smaragd, Saphir du haben solltest –

Sultan. Die sollst du haben.

Europäer (sich tief verbeugend).   Und ich werde dir
So vielen Wind, als du verlangst, bereiten.

(Alle ab.)


Die Küche.

Oberküchenmeister. Köche. Jungen.

Oberküchenmeister. Nun? Habt ihr sie ins Wasser schon gethan,
Und kocht das Wasser bald?

Koch.                                             Ja, Herr! es kocht.
Noch leben sie, es heben sich die Häupter,
Sie gaffen weit.

Oberküchenmeister.   Das ist doch recht curios!
Ja, ja! Der Tod kann oft sehr schmerzlich sein,
Nicht blos für Menschen, denk' ich, auch für Thiere.
Der Aal besonders will nicht gern daran,
Er hat ein zähes Leben. – Güt'ger Allah!
Was ist doch dieses? Sieh! Die Mauer berstet,
Und eine schöne Dame steht im Schornstein.

(Amine ist durch die Mauerritze getreten, im flatternden Gewande, mit weißen Rosen bekränzt, den Zauberstab in der Hand.)

Amine.
        Fische! thut ihr eure Pflicht?

Oberküchenmeister. Ist dies ein Traum, ist's ein Gedicht?

Die Fische (strecken die Häupter aus dem Topfe heraus und sprechen:)
        Länger athmen wir nicht
        In der Lust, in der Frische;
        Jetzt, nach schuldiger Pflicht,
        Sind im Wasser wir Fische.
        Doch in kühlender Flut
        Dürfen mehr wir nicht rennen;
        In der sengenden Glut
        Wir Unschuldigen brennen.
        Unsre Freude verschwand,
        Und wir sollten dich hassen;
        Doch es hat der Verstand
        Ja dich Arme verlassen.
        Unsre Farben sind schön,
        Doch der Tod wird sie rauben;
        Wir sind bunt noch zu sehn,
        Nach verschiedenem Glauben.
        Die Erlösung geht an.
        Lös' das Räthsel, wer kann!

Oberküchenmeister. Ich kann es nicht; ich gebe gleich ein Pfand.

Amine (schmerzlich).
        Vergebt mir an dem Todesort,
        Und saget mir ein Trosteswort!

Die Fische.
        Nur der Mensch, voll Begier,
        Wünscht die Dauer der Tage;
        Ohne Wunsch ist das Thier,
        Und es stirbt ohne Klage.
        Die Natur ist gerecht,
        Mag sie kränken, erfreuen;
        Der erschuf das Geschlecht,
        Kann es wieder erneuen.
        Und das sagen wir dreist,
        Ob verwandt auch mit Thieren:
        Wer gehabt einen Geist,
        Kann ihn nimmer verlieren!

Amine.
        Länger soll die Glut nicht schmerzen;
        Werdet Kohlen, arme Herzen!

(Sie wirft den Topf im Feuer um und verschwindet durch die wiedergeöffnete Mauerritze, die sich gleich schließt, wenn sie fort ist.)

Oberküchenmeister. Mundkoch! Komm, kneip' mich in die Nase!

Koch.                                                                                                     Gern! (Er thut's.)

Oberküchenmeister. Verfluchter Kerl! Bist du denn ganz des Teufels?
Laß bleiben, sag' ich! Mensch, bist du verrückt?

Koch. Ich thue ja nur, Herr, was du befohlen.

Oberküchenmeister. Kerl! Maß und Mäßigung sollst du doch halten.
Ich wollte mit Gewißheit nur erfahren,
Ob ich nicht träume, ob ich wirklich wache?

Koch. Nun, Herr! hast du den Glauben in den Händen.

Oberküchenmeister. 'S ist nicht zum ersten Mal, mein lieber Usbek,
Daß deine Pfiff' und Tück' ich wohl gemerkt.
Nimm dich in Acht!

Koch (leise).                     'S ist nicht das erste Mal,
Daß ich ihn bei der Nas' genommen habe,
Doch nie so deutlich und so derb wie jetzt.

Oberküchenmeister. Ist noch der Fischer da?

Junge                                                                       Ja, hoher Herr!

Oberküchenmeister. Er muß mir morgen wieder Fische schaffen;
Vier solche Fische für denselben Preis.
Dann lad' ich unsern Sultan und den Fremden
Zu diesem wunderbaren Schauspiel ein.
Befleißigt euch jetzt, Alles blank zu scheuern,
Mit seiner Asche reibt die Cedertische,
Daß hell sie, wie der Mond am Himmel, glänzen;
Und mit gerieb'nem Ziegelstein das Kupfer,
Daß die Castrollen roth wie Sonnen funkeln.
Wird meine Nase nur so bald geheilt!
Denn der verfluchte Koch – Du Schwerenöther!
Nur dran gewöhnt, Geschlachtetes zu greifen,
Nimmst du nicht Rücksicht auf lebend'ges Fleisch.
Kühlsalbe werd' ich brauchen müssen, Balsam
Drauf schmieren und ein garst'ges Pflaster tragen.
Ruft mir den Fischer! Denn geht der mir fort,
So können wir den ganzen schönen Plan
Mit Rauch und Ruß nur in den Schornstein schreiben. (Ab.)


Die Küche, den Tag darauf.

Alles ist blank und sauber. Auf dem Gußsteine duftet Lavendelwasser. Ein ölpapiernes Transparentbild bedeckt den Schornstein. Es stellt des Sultans Namenzug dar in einem Palmkranze, von zwei fliegenden Posaunenengeln getragen, die noch Palmzweige in den Händen halten. Divans sind in der Küche angebracht.

Der Sultan kommt mit dem Europäer und Gefolge. Der Oberküchenmeister folgt prächtig angezogen, mit einem schwarzen Pflaster auf der Nase. Eine große Symphonie wird gespielt, welche das Geheimnißvolle der Situation, das Kochen des Wassers und der Fische Tod musikalisch malt. Zwei Küchenjungen schlagen zugleich auf Castrollen, und ein Bratenwender knarrt dazwischen.

Der Europäer. Sublim, auf Ehre! In der That sublim!
Hätt' ich doch nicht geglaubt, daß der Geschmack
In Asien so weit schon fortgerückt.

Sultan. So habt ihr auch in euerm Land dergleichen?

Europäer. Ach, Gott! was hat man nicht in unserm Lande?
Parole d'honneur! hier hätt' ich's nicht erwartet.
Zwei Künste: Malerei und auch Musik
Verbinden sich in schwesterlicher Eintracht. –
Sehr – sehr bewundr' ich den Posaunenengel;
Den Linken! Welcher Ausdruck – in den Backen!
Wie er sich anstrengt. Weniger bemüht sich
Der Rechte da. Das nenn' ich Übergänge,
Nuancen, Feinheit. – Und nun die Musik,
Ganz in dem besten Genre: kräft'ger Lärm
Und dreiste Wiederholung lust'ger Sätze.
Nichts von der vor'gen Dudelei, gar nichts
Von melodiöser Herzempfindelei.
Was hat Musik mit dem Gefühl zu thun?
Noch wen'ger, denk' ich, als die Poesie. –
Und obendrein ganz neue Instrumente:
Die zwei Castrolle und der Bratenwender.
Sie wirken mit erstaunlichem Effect,
Großartig und mit trag'scher Ironie,
An rechten Stellen angebracht. Das haben
Wir noch in den Orchestern nicht zu Hause.
Kommt Zeit, kommt Rath! An einem Tage ward
Nicht Rom gebaut.

Sultan (zu den Leuten).     So zeigt uns jetzt das Wunder!

(Das Transparent wird weggenommen. Man sieht den schwarzen Schornstein; der Topf mit den Fischen wird, mit Wasser gefüllt, über's Feuer gesetzt.)

Europäer (bedenklich).
Die Bühne stellt hier einen Schornstein vor.
Ja, so! Ich seh', man hat sich nach dem Shakespear
Gebildet. Nun, warum nicht? Jeder Anfang
Ist schwer, und nach und nach steigt aus dem Chaos
Die Form, die niedlich-zierlich-elegante,
Die glattgehobelte, die bloße Schönheit
Weit übertrifft; von der gigantischen
Erhabenheit nun gar nicht hier zu reden.

(Die Mauer berstet.)

Floristane (tritt leichtsinnig im dünnen halbdurchsichtigen Gewande hervor, mit rothen Rosen um's Haupt, einen Myrtenzweig in der Hand, und fragt die Fische lachend).
Ihr Fische! übet ihr eure Pflicht? Antwortet der Frage vernünftig,
Und sprecht nicht dummes, betrübtes Zeug, sonst straft euch die blühende Myrte.

Die Fische. Ja, mächt'ge Fee! gern thun wir die Pflicht. Der Natur ja sind wir verpflichtet;
Und handeln wir der Natur gemäß, so handeln wir auch nach den Pflichten.

Floristane. Betrübt euch denn die Verwandlung nicht?

Fische.                                                                                 Wie sollt' uns solche betrüben?
Als Fische doch haben wir Fischverstand; als Menschen hatten wir keinen.

Floristane. Es ist doch artig, ein Mensch zu sein.

Fische.                                                                       Das können die Menschen nicht meinen;
Sonst strebten sie nicht bei Tag und Nacht den Bestien wieder zu gleichen.

Floristane. Worin besteht denn die Freude jetzt?

Fische.                                                                       Erst können immer wir trinken,
Ins Wirthshaus brauchen wir nicht zu gehn, den letzten Heller zu zahlen,
Um arm und elend Rubinen zuletzt zu tragen zum Spott auf der Nase.

Floristane. Doch habt ihr im Wasser nichts zu thun, da müßt ihr euch langeweilen.

Fische. Das eben ergötzt die faule Natur. Nichts scheuten wir mehr als die Arbeit!

Floristane. Was macht ihr denn da?

Fische. Wir laufen umher und bilden uns sehr auf der Reise.
Auch brauchen wir Pferd und Wagen nicht; selbst als das schnelleste Dampfboot
Wir fahren durch die kühlende Flut.

Floristane.                                               Der Vogel hat es doch besser.

Fische. Ach, bald ermüdet der Vogelflug; er ruht auf Zweigen des Baumes;
Wir segeln, als Schiffer und Schiff zugleich, blitzschnell durch ferne Korallen.

Floristane. Doch scheint euch nicht die erquickende Sonn'.

Fische.                                                                                         Dann kann sie auch nicht ermatten.
Wir kühlen uns tief im Schilfeswald, in dunkeln Hainen des Meeres;
Und freundlich lächelt die Sonn', als Mond, uns durch die dämmernde Fläche.

Floristane. Doch Kleider traget ihr länger nicht.

Fische.                                                                       Den schönsten, leichtesten Panzer,
Kein Waffenschmied mit besserer Kunst kann Schuppen bilden und fügen.

Floristane. Wo ist das vorige Vaterglück, und wo die häusliche Freude?

Fische. Als Menschen hatten wir Kinder vier; als Fische werfen die Weibchen
Die Laiche mit Hunderttausenden drein, wenn alle glücklich gerathen.

Floristane. Die frißt ein Mund dir als Caviar in einer einzigen Mahlzeit.

Fische. Dann werfen wir leicht die Laich' auf's neu. Das nehmen wir dort so genau nicht.

Floristane. Doch ewige Feindschaft, ew'ger Streit ras't dort am Boden des Meeres.

Fische. Wie auf der Fläche des festen Lands, naiv wir fressen einander.

Floristane. Doch hören könnt ihr ja leider nicht; man sagt, die Fische sind taubstumm.

Fische. Verleumdung! Hörest du selber doch, daß wir vortrefflich dich hören.

Floristane. Da hab' ich es, traun, gelesen einmal in einer Naturgeschichte.

Fische. Wir waren es einst; doch steigt die Kunst. Jetzt haben wir drunten im Wasser
Der Taubstummen treffliches Institut. So ist der Mangel gehoben.

Floristane. Es thut mir leid, doch das Schicksal will's, ich muß euch Arme verkohlen.

Fische. Ein Fisch, Philosoph mit kaltem Blut, erträgt geduldig sein Schicksal.

(Sie wälzt den Topf in die Asche und verschwindet durch die Mauer.)

Der Sultan (springt erstaunt von seinem Sitze auf).
Allah il Allah! Wunder über Wunder.

Europäer (mit einem dummen vornehmen Lächeln).
Recht artig! Ganz charmant. Und was bekommen
Wir noch?

Sultan (betrachtet ihn verwundert).
                  Mehr willst du noch?

Europäer.                                         Ein kleines Nachspiel,
Nicht wahr?

Oberküchenmeister (verbeugt sich tief vor dem Sultan).
                    Das seltne Schauspiel ist zu Ende.

Europäer. So kurz? Nun – besser kurz als gar zu lang.
Und die drei Einheiten, sie waren doch
Ganz richtig observirt: das ist der Knoten!
Auch wurden die Coulissen gut gebraucht;
Und ich bewundre Eurer Majestät
Mechanici, die mit so vieler Täuschung
Selbst todtgekochte Fische sprechen lassen;
Das können die lebend'gen nicht einmal.
        (Leise zum Secretair.)
So ist der Anfang immer bei Barbaren!
Das Aug' erfreuen Phantasmagorien,
Doch – was bekömmt Geschmack? Was der Verstand?
Kein einziger Charakter ward entwickelt,
Wenn ich mich selbst nicht, in dem Zwischenspiele,
Mitrechne. – Doch – man muß wol höflich sein.

Secretair. Versteht sich!

Sultan (zum Oberküchenmeister).
                                      Laß sogleich den Fischer holen.

Europäer (galant).
Ich danke dir, großmächtiger Monarch,
Der einem fremden Mann die Gnad' erwiesen,
Persönlich in dem Schauspiel ihn zu bringen.
Die kleine Scene da war allerliebst;
Doch muß ich frei gestehn: das Transparent
Mit deinem Namenszug im Palmenlaub,
Und mit den trefflichen Posaunenengeln,
Die Ouvertur' auch mit dem Bratenwender,
Trompeten, Pauken und mit den Castrollen
Gefielen mir am besten; steht im wahren
Ästhet'schen Werth weit über jener Farce:
Ein seltsam unverständliches Gemisch
Vom Platten und Sublimen; doch gesteh' ich,
Originell. Denn sprachen auch die Fische
Ganz gegen ihre sonst'ge Fischnatur
Und spaßten läppisch mit dem bittern Tode,
So schienen sie mir Fische doch zu sein.
'S ist viel die Illusion ganz aufzuheben
Und – ein'germaßen – doch zu illudiren.

Sultan (beiseit).
Der Mensch mag auf die Luft sich gut verstehn,
Doch scheint er – auf der Erd' – ein Narr zu sein.

Sandib kommt. Ohne auf den Europäer weiter zu achten, geht

Der Sultan (dem Fischer entgegen und fragt:)
Bist du ein Zauberer? Ein Hexenmeister?
Gestehe mir die Wahrheit unverhohlen.

Sandib. Ich bin ein armer Fischer, großer Sultan!
Und weiter nichts.

Sultan.                         Und diese Fische?

Sandib.                                                       Fang' ich
In einem See, von Hügeln dicht umschlossen.
Kaum eine Meil' unfern der Stadt.

Sultan.                                                   Ich habe
In meinem Reiche keinen solchen See.
Du sollst dahin mich bringen!

Sandib.                                             Nach Befehl!
Doch fischen darf ich morgen wieder erst.

Sultan. Warum dann erst?

Sandib.                                 Mich bindet ein Gelübde,
Das einem mächt'gen Riesen ich gethan.

Sultan. So stehst mit Geistern doch du in Verkehr?

Sandib. Ich kenn' ihn besser nicht als du, Herr König!
In einem eh'rnen Schrein gefesselt lag er;
Ich fischt' ihn aus der See heraus. Zum Lohn
Kann täglich ich vier schöne Fische fangen.
Wie's zugeht, weiß ich nicht!

Sultan.                                           Ich muß es wissen,
Und bin nicht ruhig, eh' ich das Geheimniß
Entdecke. Morgen folgst du mir dahin.

Der Sultan geht mit Gefolge; nur der Europäer und sein Secretair bleiben zurück.

Europäer (lachend).
Ei! hab' ich doch mein Tag so was gesehn!
Der Spaß hat mir beinah' den Kopf verrückt.

Secretair. Es war kein Spaß, Herr! Es war bittrer Ernst!
So wahr ich lebe, pure Hexerei.

Europäer. Ei, geh' er doch mit seiner Hexerei!
Hat auch die Luft ihn angesteckt?

Secretair.                                               Ich weiß es
Mir anders nicht natürlich zu erklären

Europäer. Es war nur eine Posse, sieht er wohl,
Um uns zu hintergehn. Die Indianer
Sind gute Taschenspieler, weiß man ja;
Sie gaukeln selbst mit gift'gen Brillenschlangen,
Liebkosen ihnen, tragen sie im Busen,
Wenn erst der Zahn herausgebrochen ist.
Warum denn Fische nicht so gut wie Schlangen?
Ich leugn' es nicht, sie waren schön gemacht,
Vermuthlich nur aus Pappe, buntgemalt
Und mit Springfedern drinnen wohl versehn;
Und um nun recht die Illusion zu steigern,
Spielt selbst der gnäd'ge Sultan eine Rolle,
Stellt sich erstaunt – um uns nur zu erstaunen,
Doch wir sind keine Kinder, keine Narren.
Ich wette, mein Gesicht hat nicht die mind'ste
Verwunderung gezeigt, denn sieh, mein Lieber!
Das wäre gänzlich infra dignitatem.
Nun schreib' er hurtig, eh' ich es vergesse:
        (Dictirt dem Secretair, der schreibt.)
»Am dritten hujus sahn wir eine Farce
Beim König« – – Ja, wo sind wir eigentlich?
Wir haben noch nicht Zeit gehabt, zu fragen,
In welches Königreich mit dem Ballon
Wir hingerathen sind. – Thut nichts zur Sache!
Schreib' er nur: »auf der malabar'schen Küste.«

Secretair. Der malabar'schen?

Europäer.                                   Oder: »der barbar'schen!«
»Am dritten hujus sahn wir eine Farce
Beim König auf der malabar'schen Küste,
Mehr zur Mechanik als Ästhetik hörend;
Woraus wir deutlich denn abnehmen konnten,
Auf welcher niedern Stufe noch die Kunst
Bei diesen ungeschliff'nen Völkern steht!«
Hat er's?

Secretair.     Verbotenus

Europäer.                           So kann man sich
Im Vaterland, wenn wir nach Hause kommen,
Von eines fremden Volks Geschmack und Sitten
Doch eine deutliche Vorstellung machen.

(Beide ab.)

 


 


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