Adam Oehlenschläger
Die Fischerstochter
Adam Oehlenschläger

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An Ludwig Tieck.

        Zu meinen Kindermärchen kehr' ich wieder,
Doch kann der Mensch nicht aus sich selbst heraus;
Noch schwingt die Phantasie leicht ihr Gefieder,
Doch hat der Dichter Kinder, Weib und Haus.
Nicht mehr Aladdin er die Lampe scheuert,
Ein Fischer, harrt er an dem Strande dreist.
Hat sich das hübsche Wunder doch erneuert?
Zog er in seinem Netz hinauf den Geist?
Und blühen wieder ihm des Orients Freuden?
Das mag der liebe Leser selbst entscheiden.

Doch wie die alten Bilder mich besuchen
Und bringen wieder manch verschwundnes Glück,
Kehrt auch lebendig – unter meinen Buchen –
Des Freunds Erinnerung mir treu zurück.
Nicht blos Erinn'rung – nein, ich will ihn finden,
Den meine Seele liebt und Bruder nennt.
Ich fand ihn wieder. Alle Nebel schwinden,
Und keine Meinungsform die Geister trennt,
Aus einer Heimath, denen es gelungen.
Ein Lieb zu singen in verschiednen Zungen.

Dir reich ich gern, was in den letzten Träumen
Zu sehn die nord'sche Musa sich gewagt.
»Ich habe nie verlangt, daß allen Bäumen
Dieselbe Rinde wachse« – Lessing sagt;
Doch, edler Tieck, wenn auch in ein'gen Dingen
Verschieden, stehen wir und gar nicht fern:
Den Hippogryph mit breiten bunten Schwingen
Wir reiten nach dem Wunderlande gern.
Hast mir den Weg gezeigt, vom edeln Britten
In Sturm und Sommernacht vorher geritten.

Mein Tieck! ich seh' Dich wieder. Helle Thränen
Stehn mir im Auge, Du bist wieder mein.
Holberg's Apostel, und Du Freund der Dänen,
Du hast nicht aufgehört mein Freund zu sein.
Die Harfen schweigen jetzt, die frischen Lieder,
Die uns als Jünglinge so sehr erfreut –
Wir schlagen noch die Harfen! Und wie heut'
Zum Grabe lieben wir uns – treue Brüder.

Dresden,
im Junius 1831.
A. Oehlenschläger.

 


 


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