Adam Oehlenschläger
Die Fischerstochter
Adam Oehlenschläger

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Dritter Aufzug.

Des Sultans Palast.

Agib. Der Sklavenhändler.

Sklavenhändler. Ja, edler Fürst und Herr! bei meinem Bart,
Das ist ein Schatz! Nicht blos, was man so oft
Euch bietet: Jugend, heit'res, frisches Blut
Und einen schönen Körper; auch das hat sie;
Ein schön'res Mädchen ward wol nie gesehn!
Doch macht nicht blos der Purpur, die Gestalt
Die Rose zu der Königin der Blumen,
Weit mehr der unsichtbare, geist'ge Duft;
Und meiner Sklavin Geist, ihr sanftes Herz
Und ihre feine Bildung, die ihr, scheint es,
Auch die Natur von selbst verliehen hat,
Macht diese zarte, schlanke Fischerin
Zur Fischerin fast aller Männerherzen.
Und wie die Blum' im Schatten schöner wird,
So ziert auch eine holde Traurigkeit
Den Glanz, und mischt ihn mit den dunkeln Streifen.

Agib. Sie trauert? Warum trauert sie?

Sklavenhändler.                                   Das thun
Sie all' im Anfang; das macht sie nachher
Geneigter nur für des Geliebten Trost.

Agib. Die bloße Sinnlichkeit kann mich nicht fesseln;
In Wollust bildet sich kein edler Geist,
Und jene Weiberthiere sind mir längst
Zuwider.

Sklavenhändler.
                Wenn sie dich nicht fesselt, Herr!
Geb' ich sie dir um nichts.

Agib.                                         Ha, welche Großmuth!
Um nichts bekomm' ich, was mir nicht gefällt;
Und wenn sie mir gefällt, was zahl' ich dann?

Sklavenhändler. Zehntausend Goldstück'.

Agib.                                                                 Nur zehntausend Goldstück'
Für Bildung, Herz und Geist, in Bausch und Bogen?

Sklavenhändler. Du spottest mein. Sieh selbst und prüfe sie:
Da kommt sie eben her mit ihrem Mädchen.

Agib. Still! Hinter diesem Vorhang will ich hören,
Was sie mit ihrem Mädchen spricht.

Sklavenhändler.                                     Ach, Herr!
Mit ihrem Mädchen spricht sie nichts Gescheites,
Sprich selbst mit ihr.

Agib.                                 Nein, nein! Ich wünsche keine
Studirte Rede! mit dem Mädchen will ich
Sie sprechen hören. So schließt sich das Herz
Am leicht'sten auf; und hat sie Geist, so wird
Der Geist, wie wir, wol hinter der Gardine
Versteckt nicht lange bleiben.

(Sie treten hinter den Vorhang.)

Amine kommt mit Hadscha, ihrem Mädchen.

Hadscha. Ach, welch' ein schöner, kühler Steinpalast,
Und welche seidne Divans längs den Wänden!
In lust'gen Fenstern duften Blumentöpfe!
Springbrunnen in den Sälen. Sah'st du auch
Den Rosengarten? Alle Gänge weiß,
Mit Silbersand bestreut; und goldne Löwen
Mit Fratzengesichtern auf den grünen Terrassen,
Und in den schwarzen Beeten bunte Tulpen,
Und Hyazinth, Narciß von tausend Farben.
Denk', welch' ein Glück! hier wirst du Herrscherin,
Gewinnst des edeln Jünglings, Agib's Herz,
Und wenn der alte strenge Sultan stirbt,
Dann bist du Sultanin! Ach, sei dann gnädig,
Und mache mich zu deiner lieben Vertrauten!

Amine. Ha, säß' ich wieder blaß im Sonnenschein
Auf dem Kameel', fern in der öden Wüste,
Dann hätt' ich noch die Hoffnung, daß vielleicht
Ein freundlich Fieber mich erlösen würde!

Hadscha. Kann es dich schmerzen noch, von einem Vater
Getrennt zu werden, der sein Kind verkaufte?

Amine. Das hat aus Kindeslieb' er nur gethan.

Hadscha. So hat er also väterlich gehandelt?

Amine. Nein! Doch nicht väterlich. Der Vater ist
Ein Mann; ein Mann muß auf sich selbst vertrau'n.

Hadscha. Er wollte dir auch einen Mann verschaffen,
Der deiner werth ist.

Amine.                             Macht das Gold ihn werth?

Hadscha. Es ist doch eine gute Eigenschaft,
Doch immer eine schöne Tugend mehr
Bei einem Mann. Ach, sieh einmal, Amine,
Die hübschen Blumen da!

Amine.                                       Drei holde Blumen
Verließ ich in der Hütte. Die Aurikel
Hat nicht so goldne Locken als mein rascher,
Mein lust'ger Lolo; – jetzt ist er betrübt;
Und meine kleine Sara trägt das Haar
Noch krauser als die dunkle Hyazinthe.

Hadscha. Der schöne Fürst wird dich weit besser lieben.

Amine, Ich nimmer ihn.

Hadscha.                       Mein Gott, was sprichst du da?
Den Fürsten nicht? Das ist ja Hochverrath!

Amine. Ich den Wollüst'gen lieben, der sein Herz
Mit tausend faden, dummen Puppen theilt?

Hadscha. Und woher weißt du denn, daß alle Tausend
So dumm sind?

Amine.                   Der Verstand ist unter ihnen
So selten wie ein Vierklee auf der Wiese.

Hadscha. Man findet doch mitunter ein'ge da.
Kein Kind sei mehr! dazu bist du zu groß.

Amine. Für Kindeseinfalt ist kein Mensch zu groß.

Hadscha. Weißt deine Worte besser zwar zu drechseln,
Doch weiß ich – Recht hab' ich bei alledem.

Amine. Da sieht man, Hadscha! Du hast auch Gefühl;
Wenn auch für Liebe nicht – für Eigenliebe.

Hadscha. Da kommt der Sklavenhändler schon zurück.

Sklavenhändler (kommt).
Du bist verkauft, Amine!

Amine (ängstlich).                     Wie?

Hadscha.                                         Dem Fürsten?

Sklavenhändler (mit verstellter Gleichgültigkeit).
Den sie nicht mag, der mag sie auch nicht mehr.
Der Fürst schenkt sie an seinen alten Gärtner,
An Mesrun, der sich längst ein fleiß'ges Mädchen
Für seinen Rosengarten dort gewünscht.

Amine (froh).
Ich athme wieder!

Sklavenhändler.       Nun, gehab dich wohl,
Amine! Ich verlasse dich. Gehorche
Jetzt deinem neuen Herrn.

Der alte Gärtner (kommt).       Ist das die Sklavin?

Sklavenhändler. Ja! Sie versteht die Tulpen gut zu warten,
Auch Rosenhecken zu beschneiden, Kränze
Recht mit Geschick und mit Geschmack zu binden;
Auch fischen kann sie in dem kleinen Teich,
Mit Netz und Angel, wie es dir beliebt.

Gärtner. Was sagst du dazu? Magst du mir wol dienen?

Amine. Von Herzen gern.

Gärtner.                             Und dieses ält're Mädchen?

Sklavenhändler. Geht mit so in den Kauf. Ich will sie nicht
Von ihrer Freundin trennen. Wer den Ring
Mit dem Demanten kauft, bekömmt für nichts
Das hölzerne Futtral. Sie ist recht stark
Und kann Aminen bei der Arbeit helfen.
Lebt wohl, mein schönes und mein garst'ges Kind. (Ab.)

Hadscha. Mein garst'ges Kind! Und. »geht mit in den Kauf!
Fast ärgern könnt' ich mich, wär' ich nicht längst
Schon gegen solche Reden abgehärtet.
Es freu't mich, bei Amine doch zu bleiben,
Und treu, wie sie, werd' ich dir, Alter, dienen.

Gärtner. So kommt denn, meine beiden Gärtnerinnen!

(Sie gehen ab.)

Agib. (schlägt den Vorhang zurück und tritt entzückt hervor).
Verwandle mich, o Liebe! Zaub're gleich
Des Sultans Sohn in einen Gärtner um
Der schönsten Augen Pfeil hat mich getroffen,
Und ohn' es selbst zu wissen, hat das Mädchen,
Natürlich, schlicht und groß, mein Herz gewonnen.
Sie will den Fürsten nicht? Wohlan, sie soll
In mir den Gärtner nur, den Menschen kennen.
Vielleicht vermag der Sklav mehr als der Fürst;
Denn Rosenketten haben oft gehalten,
Wo Eisenketten brachen. (Ab.)


Der Garten.

(Abend.)

Amine. Hadscha. Agib, als Gärtner.

Agib. Gott grüß' dich, holdes Mädchen!

Amine.                                                       Wer bist du?

Agib. Ein Sohn des alten Gärtners, deines Herrn,
Er hat von seiner neuen, schönen Sklavin
Mir viel erzählt, und hat mir auch erlaubt,
Dich zu besuchen hier.

Amine.                                 So sei willkommen!

Agib. Wie geht es mit der Arbeit? Ist die Kanne
Nicht gar zu schwer? Erlaubst du, daß ich dir
Im Eimer Wasser aus dem Teiche hole?

Amine. Die kleine hübsche Kanne, die mein Herr
Absonderlich für mich hat schmieden lassen,
Ist gar nicht schwer. Der irdne Krug war schwerer,
Den ich zu Hause nach der Quelle trug.

Agib (beiseit).
Doch, Arme! trugst du ihn wol leichtern Herzens!
        (Laut.)
Du eine Wasserträgerin? Wer sollte
Das an den weißen Händen wol vermuthen.

Amine. Man holt ja Wasser in der Morgenkühle,
Eh' noch die Sonne scheint, und wässert Blumen
Auch erst nach Sonnenuntergang. Ich hatte
Stets wenig mit der Sonne nur zu thun!

Agib. Du scheinst auch mehr ein Kind des Monds zu sein:
Wie herrlich fallen dir die blonden Flechten,
Wie lange Mondesstrahlen von den Schultern!

Amine. Hat dir der Vater auch befohlen, Freund,
Von meinen Händen, Flechten schön zu sprechen?

Agib. Ach nein! Das thu ich selbst aus freien Stücken;
Dazu ist nöthig kein Befehl.

Amine.                                         Laß es
Doch lieber bleiben.

Agib.                                 Sind das Zauberdinge,
Die etwa man nicht laut besprechen darf?

Amine. Du scheinst ein lust'ger, loser Vogel, Freund!

Agib. Ein Vogel? Ja, vielleicht! Doch gar kein loser;
Ich kann nicht fliegen mehr, ich kann nicht singen.

Amine. Nicht singen, laß ich gelten, viele Vögel
Nur schreien schlecht. Doch fliegen? Wie nicht fliegen?

Agib. Du hast den Faden mir ums Bein gebunden.

Amine. Ein schlechtes Vogelbein, das einen schwachen
Und dünnen Faden nicht zerreißen kann!

Agib. Soll ich dir Wasser holen?

Amine.                                         Ja, warum nicht?
        (Er geht mit dem Eimer.)
Ein lust'ges junges Blut, das lieber Feuer
Als Wasser holt.

Hadscha (in Gedanken vertieft sitzend, den Kopf schüttelnd).
                            Ach Gott, ach Gott, Amine!
Warum hat dich der junge Fürst verschmäht?
Du könntest Fürstin sein.

Amine.                                     Jetzt bin ich Gärtnerin,
Das ist vielleicht noch besser.

Agib (kommt mit dem Eimer).               Wovon ist
Die Rede?

Hadscha.       Ach, der Thörin! Sie will lieber
'Ne Gärtn'rin sein als eine Fürstenbraut.

Agib. Warum?

Hadscha.         Sie mag den Fürsten gar nicht leiden.

Agib. Hat sie ihn schon gesehn?

Hadscha.                                     Nein, ganz und gar nicht.

Agib. Was hast du gegen ihn, mein schönes Kind?

Amine. Er soll so stolz und vornehm thun. Er hat
Dreihundert Weiber schon. Da wär' ich, denk' ich,
Wol überflüßig.

Agib.                       'S ist 'ne gute Haut,
Das glaube mir.

Amine.                     Du kennst ihn?

Agib.                                                   Wie mich selbst!
An einem Tage sind wir ja geboren,
Und meine Mutter war auch seine Amme.
Wir heißen Agib beide; haben vieles
In dem Charakter Ähnliches; wir waren
Als Knaben Spielkam'raden, und er schämt
Sich meiner noch nicht.

Amine.                                 Schön! Ich mag recht gern
Von meinem Nächsten etwas Gutes hören.

Hadscha. Mein Gott! Den Fürsten nennt sie ihren Nächsten.

Agib. Sind wir nicht alle Menschen? (Beiseit.) Er ist ihr
Vielleicht schon näher, als sie selber glaubt.

Amine. Jetzt fällt der Thau, drum müssen wir nach Hause.

Agib. Wohlan! So will ich dir die Eimer tragen.
        (Er nimmt das Joch über die Schultern.)
Siehst du! ich gehe schon in deinem Joch!

(Alle ab.)


Lustwald außer dem Garten.

Amine (allein).
Wie schön ist die Natur! Auf jedem Stengel
Ihr einen Kranz gereicht der Frühling hat;
In jeder Knospe steckt ein kleiner Engel,
Ein Elfenflüglein, winkt mir jedes Blatt.
Wie wunderbar doch ist mir nun zu Muthe,
Als hätt' ich nie vorher den Lenz gesehn.
Sonst kannt' ich nur, sonst liebt' ich nur das Gute,
Nicht wußt' ich noch, was reizend war und schön.
Doch nein!– Die Kinder!– Ja, das waren Rosen,
Weit besser noch, als dies' am kühlen Born;
Mit ihnen konnt' ich zuversichtlich kosen;
Sie welkten nicht – und hatten keinen Dorn!
        (Seufzt.)
Hier ist es anders! was ich dort verloren,
Scheint mir wie – neugestaltet, neugeboren.

Die Phantasie lag noch vor wen'gen Wochen,
Ein Keim im Ei, beinah mir unbewußt;
Jetzt aus der Schal' ist er herausgekrochen,
Der lose Vogel! macht mir Schmerz und Lust.
Nach Agib frag' ich; kaum ist er gekommen,
So brennt mir in der Wange schon das Blut.
Ich weiß ja noch nicht, ob er treu und gut;
Doch – daß er schön – das hab' ich wol vernommen.

Entzückt fühl' ich mich hier, umringt von Bäumen,
Der Zephyr spielt, er ist nicht kalt und scharf.
Hier will ich schlafen und hier will ich träumen
Von Dem, deß kaum ich wach gedenken darf.
Das erste schlichte Bett war doch die Wiese,
Der Wald war doch das erste Schlafgemach;
Dasselbe Wiegenlied singt mir der Bach,
Als einst vor Eva in dem Paradiese.

(Sie schläft ein.)

Floristane (erscheint, von einer Brillenschlange gefolgt).
        Komm nur, komm, du schupp'ge Schlange!
        Sei nicht bange!
        Kennst nicht selber deine Macht.
        Aber sacht!
        Winde dich um ihr nacktes Bein!
        Noch soll sie nicht des Todes sein.
        Die volle Wade, den kleinen Fuß
        Dein kalter Körper decken muß.
        Angst erwacht sie, und wird sehn
        Deine Demantaugen offen stehn.
        Tief dann verwunde den warmen Schnee,
        Tödte die Feindin, räche die Fee! (Ab.)

(Die Brillenschlange windet sich um Aminens Bein und starrt sie mit funkelnden Augen an.)

Agib (kommt, noch als Gärtner gekleidet).
Da schläft sie! Ach wie schön! Sonst reizten mich
Die üpp'gen körperlichen Formen wenig.
Doch hier! – Ein schöner Geist in schöner Hülle,
Das ist was Anders. Und die schöne Hülle
Amine, hüllte deine Sittsamkeit
In Larven wieder. Doch der Schlaf, du Reine,
Ist nicht so streng verschämt. Allmächt'ger Allah!
Was wickelt da sich um ihr linkes Bein?
So wahr ich lebe – eine Brillenschlange.
Unglückliche!

Amine (wieder erwachend).
                        Was kühlt mir doch so sehr
Das Bein?

Agib.               Um Allah's willen, theures Mädchen!
Ist dir dein Leben lieb, so rühre dich
Nicht von der Stelle.

Amine.                             Was?

Agib.                                         Die Brillenschlange!

(Sie entdeckt die Schlange und wird ohnmächtig.)

Agib. Nun Leben, Glück auf einen Wurf gesetzt.

(Er ergreift die Schlange dicht um den Kopf und reißt sie von Aminens Bein los; die Schlange windet sich und will beißen, kann aber nicht.)

Agib. Ha, wohl gegriffen, beim Prophet! Ja, zische
Du nur, du garst'ger, gifterfüllter Wurm!
Schlecht sahst du die Gefahr durch deine Brille;
Warum auch trägst du sie dumm auf dem Rücken?

(Die Schlange wickelt sich um seinen Arm.)

Agib. Ich zittre! Sieh! das Gift fließt von dem Hauzahn
Mir auf die Hand hinunter. Doch die Haut
Ist heil, und eine Wunde tödtet nur.

(Er geht hin zu einem Baume, an dessen Rinde ein großer Schwamm wächst.)

Hier ist ein Fleisch, das ohne Schaden dir
Den Eiter aus dem holen Hauer saugt.
Hier kühle deinen Zorn!

(Die Schlange beißt sich in dem Schwamm fest; er reißt mit der linken Hand seinen Dolch aus der Scheide und schneidet ihr den Kopf ab, der im Schwamme sitzen bleibt.)

Agib. Sieg! Sieg!

(Er wirft den Körper weit weg ins Gras und wäscht seine Hände und Arme vorsichtig in dem Bache.)

Amine (erholt sich wieder).     Allah il Allah! Rette mich!

Agib. Du bist gerettet, holdes Leben!

Amine.                                                   Agib,
Wo ist der grause Mörder? Hat er mich
Gestochen – ach, dann muß ich sterben. Rette
Dich, mein geliebter Freund! Verlasse mich.
Daß ich dich nicht vergifte.

Agib.                                             O Amine,
Du hast mich schon mit süßem Liebesgift
Verwundet; sterben muß ich, heilst du nicht!
Die Brillenschlang' ist aber überwunden;
Denn ich ergriff sie hoch am Nacken, so
Daß mich der Zahn nicht mehr verwunden konnte.
Nun steckt das grimm'ge Haupt tief in dem Schwamm;
Im Grase zuckt der Körper mit der Brille.

Amine. O mein Befreier!

Agib.                                 Glückliche Gefahr!
Du liebst mich wieder?

Amine.                                 Ja, ich liebe dich!

Agib. So macht die todte Schlange ihrer Muhme
Versuchung wieder gut; denn sie verjagt uns,
Wie jene, nicht aus unserm Paradies;
G'rad umgekehrt: sie öffnet uns die Thüre!

(Sie umarmen sich.)


Wilde Berggegend.

Floristane (mit fliegenden Haaren auf nackten Felsen herumschwärmend).
Ausgelöscht in meinem Busen ist der Liebe letzte Glut;
Gegen meinen Willen wieder kämpft des Frechen Frevelmuth.
Rother Blitz! Ha, zucke nieder! tödt' ihn an der Thörin Brust!
Nein – noch sollst du nicht zerschmettern! dieses Sterben wäre Lust.
Ha, ich will mich besser rächen an dem zärtlichen Gemahl:
Will der Gattin Treue schwächen! Eifersucht zeig' deine Qual!
Bald, bald wird er selbst erfahren, was verschmähte Liebe sei;
Kalt wie Eis und hart, Amine, macht dich meine Zauberei.
Fort nun, fort! nach jener Höhle, wo durch den gewalt'gen Riß
Seit der Schöpfung keine Sonne brach durch meine Finsterniß.
Zu den Sümpfen, wo Vampyren, wo die gift'ge Fledermaus
Bauen, wo die garst'ge Natter wedelt mit dem Schwanze kraus.
Da will ich aus kräft'gen Dingen brauen einen solchen Saft,
Der ihr das Gehirn umnebelt mit der tollsten Zauberkraft.
Lieben soll sie den Verhaßten kurz, um, wenn die Liebe weicht,
Ihn empfindlicher zu martern, wenn sie ihm Verachtung zeigt.
Folgt mir jetzt, ihr schwarzen Vögel, von dem blut'gen Rabenstein!
Brausend flieg' ich durch die Wüste, blaß im blauen Mondenschein.

(Verschwindet.)

 


 


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