Adam Oehlenschläger
Die Fischerstochter
Adam Oehlenschläger

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Die Fischerstochter.

Erste Abtheilung.


Personen.

Sandib, ein Fischer.
Amine, seine Tochter.
Ein Sklavenhändler.
Eine Meerfeie.
Agib, ein junger Fürst.
Floristane, eine Fee.
Ein Waldgeist.
Hadscha, ein Mädchen.
Fünf Geister.
Zwei Knaben.
Ein Abdallah.
Machmud, Sultan.
Der Vezier.
Duban, ein Arzt.
Ein Sklav.
Ein Scharfrichter.

Erster Aufzug.

Eine ärmliche Fischerhütte am Strande des rothen Meers.

Zwei Kindlein schlafen im Bette. Amine, die ältere Tochter, geht ihrem Vater Sandib entgegen, der mit Fischergeräthen zur Thür hereintritt.

Amine. Hast, Vater, einen guten Fang gemacht?

Sandib. Da liegt und plätschert Etwas in dem Eimer.
Ich bin der Fastenspeisen überdrüssig;
Man steht im Nebel stundenlang, der Wind
Durchschauert Einen. Fleisch verlangt mein Magen;
Bekomm' ich's nicht, bekomm' ich bald das Fieber.

Amine. Nein, morgen will ich all' mein Garn verkaufen;
Für das empfangne Geld kauf' ich dir Speisen.
Ich will dir einen guten Pillau kochen.

Sandib. Reich mir die Schale da!

Amine.                                           'S ist nichts darin.

Sandib. Hier nichts und da nichts, und am Strande nichts!
Die Hände leer, und leer die ganze Hoffnung.

Amine (mit unterdrückter Bewegung).
Du könntest deinen Zustand leicht verbessern.

Sandib. Wie so, mein Töchterlein?

Amine.                                             Verkaufe mich!

Sandib (beiseit).
Hat sie mir tief in's Herz geschaut? (laut.) Ja, Kind,
Dein Glück würd' ich gewiß dadurch befördern,
Denn du bist schön, es stünd' uns leicht die Wahl,
Im großen Haufen der begier'gen Freier
Dir einen guten Käufer aufzusuchen.
Was aber würd' aus mir, den Kleinen werden,
Von dir verlassen? Nein! mein Garten steht
Auf trocknem Sand und bringt nicht Vieles ein;
Doch blüht in ihrem Beet die schönste Rose,
Das einz'ge Köstliche, was ich besitze;
Nimmt auch der Sturm mir diese Zierde weg,
Dann wohn' ich aus der Wüst'; bald auf dem Kirchhof.

Amine (küßt ihn).
Du lieber Vater!

Sandib.                   Habt wol nichts gegessen?

Amine. Ja doch!

Sandib.               Im Traum! Nicht wahr? Gar schöne Schüsseln;
Der Schlaf – traun, das ist ein gemachter Koch!

Amine. Der Schlaf stärkt, Vater!

Sandib.                                         Dich! doch nicht die Kleinen.
Ein frisches Mädchen blüht in ihrer Fülle,
Saugt, wie die Lilie, Nahrung aus der Luft;
Doch diese armen Pflanzen beugen bald
Die schlaffen Häupter, wenn man sie nicht wässert.

Amine. Allah wird für sie sorgen.

Sandib.                                           Ja – im Himmel!
Im Himmel aber sind der Engel g'nug.
Ein armer Vater braucht auf Erden Kinder.

Amine. Du bist betrübt, ich wollte dich gern trösten.

Sandib. Das kannst du nicht. Geh nur zu Bett, mein Kind!

Amine. Die trübe Nacht trübt dir das wunde Herz;
Doch morgen wirst du, in dem schönen Frühroth
Ein Hoffnungsliedlein mit der Lerche singen.

Sandib. Wol möglich. Gute Nacht, und schlafe wohl.

(Sie geht hinter die Gardine.)

Sandib (allein).
Was soll ein armer Mensch noch auf der Erde?
Wie viel hat er dem Thiere zu beneiden!
Da ist kein armer Fuchs, kein armer Habicht,
Sie finden Nahrung in dem tiefen Wald,
In hoher Luft. – Wo aber find' ich meine?
Mein spottet das unendlich reiche Meer.
Die kleinste Perle könnte mich bereichern,
Doch geizig ruht der Abgrund auf dem Schatz,
Und gönnt mir nicht einmal so viele Fische,
Daß ich die armen Würmer sätt'gen kann.
Wozu bekam ein Unglückseliger
Verstand? Empfindung? Um sein Unglück tiefer
Zu fühlen nur. Wär' dumm ich, wie der Seehund,
Stumm, wie der Fisch, für meinen eignen Schmerz!
Was hilft das Winseln? Nun – das Klagen pumpt
Das Wasser Einem wieder vom Verdeck,
Damit das lecke Boot noch ein'ge Zeit
Mit Sturm und Regen und mit Wellen streite.

(Man hört Musik draußen, Sandib geht hinaus.)


Grüner Platz vor der Hütte.

(Eine kleine Karavane macht Halt. Schöne Sklavinnen steigen von den Kameelen herunter und gehen in bunte Zelte hinein, die von schwarzen Sklaven in aller Eile errichtet worden. Der Sklavenhändler grüßt den Fischer, der zur Thür heraustritt.)

Sklavenhändler. Guten Abend, Fischer! Hast wol kaum so spät
Gesellschaft hier erwartet?

Sandib.                                      Herr, ich grüße dich.
Wer bist du, fremder Herr?

Sklavenhändler.                       Nun, wie du siehst:
Ein lust'ger Zeisig und voll guter Laune,
Mit Sklaven, schönen Mädchen und Kameelen
Reichlich versehn. Du bist ein Muselmann,
Nicht wahr?

Sandib.             Ist das zu fragen?

Sklavenhändler.                           Nun – ich habe
So meinen Grund zu dieser Frage, siehst du!
Ich bringe guten Wein in irdnen Krügen,
Und bin gleich willens meine Abendmahlzeit
Im Grünen und im Mondenschein zu halten;
Bin aber leider ein Gesellschaftsthier,
Das nicht allein schmarotzen, trinken mag.
Zwar – der Erzvater Noah, der betrank
Sich ernst und in der stillen Einsamkeit;
Das darf man so genau mit ihm nicht nehmen:
Er war Erfinder der Betrunkenheit;
Von ihm war das schon viel, daß nüchtern er
Allein im Bett besoffen werden konnte.
Doch mit der Zeit reift auch die Wissenschaft,
Steigt und erweitert sich; und was nur Handwerk
Gewesen, wird Fabrik, Manufactur,
Und ganze Scharen wirken jetzt zusammen
Mit kunsterfahrner Kraft zu einem Ziel.
Nun, also – du bist Muselmann?

Sandib.                                               Warum
Ist diese Frage dir so wichtig, Lieber?

Sklavenhändler. Ei, siehst du, mit den Weibern kann, mit Sklaven
Mag ich nicht trinken. Doch du bist ein Freier;
Mit dir wol möcht' ich eine Schale leeren;
Doch wünscht' ich auch, daß es dir schmecken möchte.

Sandib. Nun also?

Sklavenhändler.   Bist du Jude, Christ, bist Heide,
So trinkst du, wie das Schaf die Quelle trinkt;
Und das hat keine Art; doch bist du Moslem,
Dann schmeckt dir erst der Wein vortrefflich, weil er
Verboten ist.

Sandib.               Nun ja! Ich bin Rechtgläubiger.

Sklavenhändler (ruft).
So bring uns, Kulif, nur sogleich zwei Krüge,
Nebst Fleisch und Brot und Frücht' und Eingemachtem.
Und setze du dich auf den Teppich, Freund!
Denn strafen deine schlaffen, bleichen Wangen
Und dein erloschnes Auge mich nicht Lügen,
So hast du, denk' ich, läng're Zeit gefastet,
Als es im Koran vorgeschrieben steht.

Sandib. Zwar bin ich etwas hungrig.

Sklavenhändler.                                 Nun, so iß!

(Sie essen.)

Sklavenhändler (nach einer Pause).
Du bist ein Fischer!

Sandib.                           Ja!

Sklavenhändler.                 Das bin ich auch.
Doch du bist arm, wie soll ich das begreifen?
Verstehst wol noch das Fischerhandwerk schlecht?
Wo fischest du, mein Freund?

Sandib.                                           Im offnen Meer.

Sklavenhändler. Da haben wir's! Du fischest, wo gar wenig
Zu finden ist, nichts an der Angel beißt.
Du Narr! Nun, trink' einmal und werde klüger.

(Sie trinken.)

Sandib. Wo fischest du denn, Freund?

Sklavenhändler.                                   Im Trocknen, Fischer!
Im Trocknen.

Sandib.               Wie im Trocknen?

Sklavenhändler.                             Mit dem Netze
Der List, im Strom der üpp'gen Leidenschaften.
Im trüben Wasser fischt man stets am besten!
Doch meine Fische haben keine Schuppen,
Sind glatt und rund, geschmeidig, lauter Aale.
Du bist wol jetzt zu alt – wärst du ein Jüngling
Und rührtest einen meiner Zitteraale, –
Ich wett', es zuckte dir durch Mark und Bein,
Und in der ersten Stunde würdest du
Den Mond kaum von den Sternen unterscheiden.

Sandib. Du bist ein lust'ger Kopf.

Sklavenhändler.                             Ganz recht! Doch du
Bist ein betrübtes Herz; das thut mir leid.

Sandib. Nun – auf dein Wohlergehn!

Sklavenhändler.                                 Und auf das dein'ge.

(Sie trinken.)

Sandib. Dein Wein ist ganz vortrefflich, lieber Herr!
Doch – deine Schönheiten? Ach ja, warum nicht?
Die kleine Blonde dort war gar nicht übel.

Sklavenhändler. Nicht übel? Wie zum Teufel, alter Murrkopf,
Willst du noch kritteln?

Sandib.                       Nun – so große Schönheit
Hat früher man gesehen.

Sklavenhändler.                   Ja – im Kruge!

Sandib. Nein, nein!

Sklavenhändler.     Ein Bild im Wasser? Eine Meerfei?

Sandib. In meiner eignen Hütte!

Sklavenhändler (aufmerksam).       In der Hütte?

Sandib. Selbst hab' ich eine Tochter, die bei Gott
Weit schöner ist.

Sklavenhändler.     In deinen Augen? Ja,
Das glaub' ich! In der Einbildung, und durch
Die Zauberbrille eitler Vaterliebe.

Sandib. Sieh selbst! Die Thür steht offen, und sie schläft
Schon auf dem Lager.

Sklavenhändler (schaut hinein und sagt erstaunt, leise).
                                      Allah! welche Schönheit!
Zehntausend Goldstück' ist sie reichlich werth.

Sandib (immer trinkend).
Nun, Freund? was sagst du jetzt?

Sklavenhändler (läßt den Vorhang wieder fallen und setzt sich gleichgültig auf seinen Platz).
                                                        Ja! sie ist recht hübsch.
        (Für Sandib wieder eingießend.)
Ich merke, Fischer, du bist Philosoph:
Du hast die Armuth nicht aus Noth gewählt,
Du liebst sie, treibst sie nur aus Eigensinn.

Sandib. Wie soll ich das verstehn?

Sklavenhändler.                             Mit dem Verstande,
Wenn sonst du einen hast. Die schönste Nuß
Hält'st du in deiner Hand, den süß'sten Kern,
Und magst nur nicht die dünne Schale knacken.

Sandib. Und welchen Kern?

Sklavenhändler.                   Sag', können tausend Goldstück'
Dich glücklich machen?

Sandib.                                 Wie bekomm' ich die?

Sklavenhändler. Glaubst du, die Tochter freue sich in Armuth,
Als Kinderwärterin, und Netze flickend?
Ich wette, lieber möcht' ins eigne Netz
Sie einen Freier fangen.

Sandib.                                   Das ist möglich!
Die Zeit, die Sorge!

Sklavenhändler.         Ja, ganz recht! die Sorge.
Denn mit der Zeit verschwindet auch die Schönheit,
Und Sorg' und Kummer stellen bald sich ein.

Sandib. Ein wackrer Eh'mann ist nicht leicht zu finden.

Sklavenhändler. O zehn für einen! Doch erst muß er sehn.
In deiner Hütte bleibt sie unbekannt,
Wie unter nassen Blättern eine Knospe,
Und welkt, eh' sie geduftet hat. Gib mir
Die Schöne! Tausend Goldstück' geb' ich dir;
Und jeder hat gewonnen, alle Drei;
Und mehr als alle Drei recht bald der Vierte.

Sandib. Du bist ein Sklavenhändler, merk' ich wohl.

Sklavenhändler. Pfui Teufel! Glaubst, ich würde mich so tief
Erniedrigen? Sklavinnenhändler bin ich,
Mußt einen Goldschmied wohl vom Grobschmied scheiden.

Sandib. Ich meine Tochter dir verkaufen? Ha!
So wär' ich ein Nichtswürdiger, nicht werth,
Je des Propheten Paradies zu schau'n.

Sklavenhändler. Hör mich, und thu nachher, was dir gefällt.
Was wünscht sich bald ein Mädchen? Einen Mann!
Was noch? Ein gutes Haus, Wohlstand und Segen.
Was wird der Tochter, wenn sie bei dir harrt?
Armuth und Elend! Alle Tage Jammer.
Ich kaufe sie für eine große Summe,
Und hoffe durch den Kauf doch zu gewinnen;
Also verkauf ich sie an keinen Lump.
Ein reicher Edler kann sie nur erstehn;
Ist er auch hübsch, dann wird sie bald ihn lieben.
Ich gebe dir mein Ehrenwort darauf,
Ich werde sie an einen guten, schönen,
Vornehmen Herrn verkaufen. Alles hat sie
Dann, was sie braucht; und du hast ebenfalls
Das langgewünschte, unverhoffte Gold.

Sandib. Sie liebt mich und die Kleinen gar zu sehr.

Sklavenhändler (lacht.)
O ja! das glaub' ich. Hab' ich doch selbst Mädchen
Gekannt, die kleine Hund' und Katzen kos'ten,
Weil kein Geliebter da war.

Sandib.                                       Glaubst du wirklich,
Sie würde dieses Schicksal überleben?

Sklavenhändler. Sieh meine Puppen da! Sie spielen, tanzen,
Sie schlafen zuversichtlich im Gezelt,
Und lassen mich und das Verhängniß walten.
Glaubst du von anderm Thon dein Kind gebildet?

Sandib. Ha Weiber! Schwache, wankende Geschöpfe!

Sklavenhändler. Ja, nächst den Männern wüßt' ich auf der Welt
Nichts Schwankenders und auch Charakterloseres.
Geht es uns besser, wenn als Miethlinge
Wir in die erste Schlacht zusammenlaufen?
Erst wird geweint, von Ältern und Geschwistern,
Von Muhmen, Basen Abschied fromm genommen,
Geheult, geschluchzt. Und doch – im ersten Khan
Da trinken die Kam'raden Brüderschaft,
Das Auge wird getrocknet. Ein'ge Tage
Verlaufen kaum, und alles ist vergessen.
Da wird gesiegt, geplündert und geraubt;
Und der, der eben selbst am meisten weinte,
Sieht ruhig Andre weinen, deren Thränen
Er kalt verschuldet. – Freund, so ist die Welt!

Sandib. Fürwahr! recht eine böse Welt.

Sklavenhändler.                                       Was bös?
Ich kenne keine bessere.

Sandib.                                   Doch kann ich
Mir eine bessre denken.

Sklavenhändler.                   Ja warum nicht?
Der Herr Gott sollte dich gefragt nur haben,
Als er die Welt erschuf! Da wär' es schöner
Geworden. Nicht? Wir hätten Abende
Dann ohne Mücken, ohne Mittagsschwüle
Den Tag bekommen. Auf die Blätter hätte
Kein Wurm, kein Ungeziefer sich gewagt;
Und selbst im stärksten Regenwetter hättest
Du auf den Straßen keinen Koth gelitten.

Sandib. Zwar bin ich nur ein Fischer; doch ein Derwisch
Hat mich erzogen, und Grundsätze tief
Mir eingeprägt, die mir hernach im Leben –

Sklavenhändler. Zu großer Unbequemlichkeit gewesen.

Sandib (trinkt).
Pedantisch bin ich nicht, und mein Gewissen
Sträubt gegen einen guten Trunk sich nicht.

Sklavenhändler. Und auch nicht gegen einen vollen Beutel.

Sandib. Du sagst: sie würde glücklich sein?

Sklavenhändler.                                             Gewiß
So glücklicher, als in der Armuth Hütte.

Sandib (immer mehr berauscht).
Und kann ich sie besuchen, wo sie wohnt?

Sklavenhändler. Ja freilich! Wenn sie Sultanin geworden.

Sandib. Wie? Sultanin?

Sklavenhändler.           Kann es geringer sein?

Sandib. Gut! Ich verkaufe sie. Geh! Nimm sie gleich
Derweil sie schläft! Denn wacht sie auf, weint sie,
Dann ist's um mich geschehen. Nimmermehr
Will ich sie wiedersehn. Ein einz'ger Blick
Von ihren Augen würde deine Rede
Zu Boden schlagen. – Geh! – Ich trinke fort
Indeß, Muth zu bekommen. An die Kinder,
Die mutterlosen Waisen will ich denken,
Die ich mit Hülfe dieses Gelds ernähren,
Erziehen kann. Das danken wir Aminen.
Sie stand uns immer bei, treu in der Noth.

Sklavenhändler. Gut, gut! ich hole sie.

(Er winkt seinen Sklaven, Amine wird auf dem Ruhebette schlafend herausgetragen.)

Sandib (forttrinkend).                                 Also versprichst du:
Sultanin soll sie werden?

Sklavenhändler.                   Nur ein Fürst
Kann solche Perle kaufen.

Sandib.                                     Siehst du wol –
'S ist nicht das erstemal – Wie heißt du doch?

Sklavenhändler. Bedreddin heiß ich.

Sandib (umarmt ihn).                               Nun, Gott bessre dich!
Du kannst es nöthig haben. – Küsse mich!

Sklavenhändler. Recht gern, mein lieber Bruder.

Sandib.                                                                         Höre mich!
Vergiß nicht, was du eben sagen wolltest! –
Es ist mir oft schon durch den Kopf gefahren,
Wenn ich ganz nüchtern war. – Und glaube du
Nur nicht, daß mir der Wein – Der Wein ist gut!
Wo ist er her?

Sklavenhändler.   Von Ceylon.

Sandib.                                         Ceylon hoch!
Da liegt der alte Adam ja begraben.
Nur glaube nicht, daß du durch Überredung –
Denn freilich bin ich arm, und jetzt berauscht,
Und deshalb bin ich lustig; aber nüchtern,
Und nüchtern bin ich meine meiste Zeit,
Da traur' ich tief. – Die Arme! Hülle sie
Gut in die Tücher ein – Ich will sie küssen!

Sklavenhändler. Hast ja gesagt, du wollest sie nicht sehn.

Sandib. Der letzte Zug hat mich beherzt gemacht.
        (geht hin und küßt sie.)
Nun lebe wohl, Amine! Jetzt bekommst
Du einen schönen Bräutigam. Wenn du
In seinen Armen selig bist, vergißt du
Wol bald den armen Vater. Die Geschwister,
Den kleinen Lolo darfst du aber nicht
Vergessen; denn sie weinen sich die Augen aus,
Wenn morgen sie erfahren, daß du weg bist.

Sklavenhändler (zu den Sklaven).
Jetzt bringt sie in mein eigenes Gezelt.

Sandib. Und pflegt sie wohl! Das sag' ich dir, Bedreddin!
An jenem Tage fodr' ich meine Tochter
Zurück aus deinen Händen. Wehe dir,
Ist sie dann glücklich nicht: ich haue dir
Den Kopf vom Rumpf!

Sklavenhändler.             Sei ruhig, lieber Fischer!
Du wirst schon von mir hören.

Sandib.                                             Ei was frag' ich
Nach dir, du Bösewicht? Nach meinem Kind,
Aminen, frag' ich.

Sklavenhändler.       Gut. Ja, ja, von ihr
Sollst du auch Nachricht haben.

Sandib (ihm nachahmend).                     Ja, ja, ja,
Versprichst und lügst in einem Athemzug!
Es kostet dir ein Ja nicht mehr als Nein;
Doch wehe dir, wenn du mein Kind mishandelst.

Sklavenhändler (zu den Sklaven).
Er ist betrunken. Tragt sie schleunig fort.
Und ihr! bringt ihn hinein, bringt ihn zu Bett,
Und legt ihm diesen Beutel auf den Tisch.

Sandib. Leb' wohl, Amine! Diesen letzten Trunk
Noch auf dein Wohlergehn. Leb' wohl, leb' wohl!
Und grüße deinen König, Sultan vielmals!
        (Er wirft die Trinkschale über den Kopf.)
Kein Schuft soll mehr aus dieser Schale trinken!
Und nimmer, nimmer trink' ich wieder Wein;
Denn tränk' ich mehr, verkauft' ich wol die Andern
Auch bald – ja selbst das Herz mir aus dem Leibe.
        (Stolz zu den Sklaven.)
Nun, Knechte, bringt mich in das Schlafgemach!
Ich bin des Sultans Schwager, sollt ihr wissen.

(Sie bringen ihn hinein.)


Die Fischerhütte.

Morgen.

Sandib (eben aufgestanden, ruft).
Amine! Kind, wo bist du? Schläfst du noch?
Sie holt vermuthlich Wasser bei der Quelle.
Ich fühle Kopfschmerz, schwer ist mir das Haupt;
Ich hab' auch einen niederträcht'gen Traum
Gehabt! Wie man so etwas träumen kann?
Nein – war es ja doch ganz natürlich, daß
Mir davon träumte! Sprachen wir davon
Doch kurz vor dem Zubettegehn. – Doch so
Lebendig! Dieser list'ge Sklavenhändler,
Weltklug und lebenslustig, kalt, verschmitzt;
Und Mädchen, Zelte, Sklaven und Kameele!
        (ruft.)
Amine! Kommt sie noch nicht? Zehnmal könnt'
Das Wasser ja geholt sein.
        (Schaut hinter die Gardine.)
                                            Gott! ihr Bett
Ist fort! Und da – da liegt der Beutel wirklich.
Allah il Allah! Was hab' ich gethan?
        (Er zerreißt sein Gewand.)
Ich Rabenvater hab' mein Kind verkauft.
Es ist kein Traum! 'S ist Wahrheit, bittre Wahrheit.
Ha, Bösewicht! Und nun? Ich sollte ruhig
Das Blutgeld noch verprassen? Nein, ihr armen
Unschuld'gen! eure Ehrenlumpen will
Ich mit gestohlnem Purpursammt nicht sticken.
Es brennt mir in der Hand das Hexengold.
Hinaus damit! Hinaus damit zum Strande!

(Er läuft hinaus, öffnet den Beutel, wirft alle die Goldstücke ins Meer und eilt in Verzweiflung von dannen.)

Eine Meerfei (steigt aus dem Wasser, setzt sich auf einen trocknen Stein und spricht).
        Schön liegt die kleine Hütte
        Hier dicht am rothen Meer;
        Das Gras, die Palmen, die Quelle
        Schmücken den Ort gar sehr;
        Kommt nun ein Fremder gefahren
        Im Kahn und schaut zurück,
        Glaubt er, daß da, seit Jahren,
        Wohne das stille Glück.

        Ach, säh'st du hinter der Mauer
        Die Armuth und die Qual,
        Des Vaters Gram und Trauer,
        Du liebtest nicht das Thal!
        Hört ihr es drinnen weinen?
        Verlassen in der Noth,
        Es sind die armen Kleinen,
        Sie haben nicht Morgenbrot.

        Doch diese Wassermelone
        Werf' ich zum Fenster hinein.
        Ein Goldstück, von den vielen,
        Leg' blank ich auf den Stein.
        Das findet der kleine Lolo,
        Wenn hier er Muscheln sucht.
        Ein Haus, wo Unschuld wohnet,
        Wird nicht von Gott verflucht.

        Ein Goldstück sollst du finden
        Hier, jede vierte Woch';
        Nicht wird die Fei verschwinden,
        Sie hilft den Kleinen noch.
        Ich liebe den schönen Knaben,
        Er spielt an meinem Strand.
        Ein Scherflein meiner Gaben
        Leg' ich in seine Hand.

(Verschwindet im Wasser.)

 


 


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