Adam Oehlenschläger
Die Fischerstochter
Adam Oehlenschläger

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Zweiter Aufzug.

Am Strande bei Sandibs Hütte.

(Früh Morgen. Der Mond scheint noch.)

Sandib (mit Fischergeräthe).
Der Sturm hat so gebraust die ganze Nacht,
Als sollte schon die Welt zu Grunde gehn.
Sehr große Steine hat das Meer zum Strande
Gewälzt, und voller Meergras liegt das Ufer.
Wenn nur die Fische nicht hinweggescheucht
An fremden Küsten ihre Laiche werfen.
Ich bleibe hier, wenn auch ich hungern sollte;
Verlasse nicht die Felsenhöhle, wo
Mein Schläfer, mein Scheintodter blühend ruht.
Ich kann ihn alle Tage doch besuchen,
Und täglich hoffen, wenn auch täglich fürchten.
Ach, wie vermiß ich meinen lieben Jungen,
Sein freundliches Geschwätz, woraus schon Keime
Der Klugheit sproßten. – Sollte meine Tochter
Einmal zurückekehren, weiß sie doch
Noch, wo der Vater wohnt. – Ich kann's mir selbst
Nicht deutlich machen, und doch ist dem so;
Verzweifeln sollt' ich, und ich hoffe wieder.
Mir scheint's, als sei nur Alles eine Probe,
Um mich in Zuversicht an Gott, Geduld
Zu stärken. Und besonders Lolo's Tod,
Der doch kein wahrer Tod ist, tröstet mich.
Es ist der eh'rne Arm nicht der Natur,
Der schonungslos, nach ewigen Gesetzen
Die Wunde schlägt. Ein launenhafter Geist
Treibt hier sein Spiel. So will ich muthig auch
Das End' erwarten; und in Allah's Namen
Üb' ich nun mein Geschäft und werfe dreist
Mein Netz hinaus; der Sturm hat sich gelegt.
        (Er wirft das Netz hinaus und ziehts wieder hinauf.)
Nur Schutt' und Steine! Dacht' ich's nicht? Geduld!
Ich muß das Glück zum zweiten Mal versuchen.
        (Er reinigt das Netz und wirft es wieder hinaus.)
Noch schwerer jetzt! Es scheint mir, es bewege
Sich Etwas drin. Das werden Fische sein.
        (Zieht hinauf.)
Was seh' ich? Eines Esels Beingerippe?
Ach, armer Esel! wie bist du ins Wasser
Geplumpt? Das ist ja nicht dein Element.
Und doch vielleicht schliefst du weit ruhiger da,
Als in der Knechtschaft auf dem trocknen Lande.
Dich höhnt der Mensch, der ein weit ärg'rer Esel
Als du ist; undankbar vergißt er höhnisch,
Wie nützlich du ihm bist – den treuen Dienst,
Derweil er schmauset und du Disteln friß'st
Verwandter Weiser mit dem garstigen
Gesicht! Bescheid'ner Freund! Geduld'ges Herz!
Hier scharr' ich dein Gebein in nassen Sand.
Zwar bin ich Mensch, doch hab' ich schwere Bürden,
Wie du, getragen; Stolz und Hohn für Dank,
Wie du, bekommen. – Thier! wir sind Verwandte.
Zum dritten Male jetzt. Nun, güt'ges Schicksal,
Versuche mich nicht gar zu sehr! Ein wenig,
Haushälterin des Lebens! nur ein Bissen
Aus deiner großen Speisekammer. Geiz'ge
Beschließerin! mach' nur den Speicher auf!
Warum soll sich die träge Herrschaft täglich
Den fetten Bauch nur überfüllen? Hast
Du gar nichts übrig für die Dienerschaft?
        (Zieht hinauf.)
Ha, was ist das? Wie schwer! Wenn es nur nicht
Das Netz zerreißt, dann bricht die ganze Hoffnung. –
Ein Schrein! Ein eh'rner Schrein! Dicht zugeschlossen,
Mit einem großen Siegel wohl versehn.
Ha, freu' dich, Sandib! Hast dein Glück gemacht:
Ein Schatz, ein seltner Schatz liegt hier verwahrt.
Schiffbrüchiger, vergib mir diese Freude!
Man sagt: des Einen Tod, des Andern Brot.
Wie öffn' ich doch das schöne Kästchen gleich?
Mit meinem Messer? Ja, das geht! das geht!

(Er öffnet den Schrein, ohne das Siegel zu zerbrechen. Ein starker Rauch steigt empor wie eine Wolkensäule und verbreitet sich über das Meer. Es blitzt und donnert aus der Wolke. Eine ungeheure Riesengestalt wird kennbar, die spricht.)

Der Geist. Ha, Gefängniß! Scheußliche Kluft!
In pechschwarzer Nacht Finsterniß
Zusammengedrängt, litt mein Körper
Unendliche Qual, des Lichts beraubt
Und der freien Bewegung der Glieder,
Eng hineingepreßt, entbehrend
Des erquickenden Sturms, der Felsenluft.
Dumpf verhöhnt von tobender Wellen
Schaum, hört' ich den sausenden Flug
Der Fische; selbst in erstickenden Dampf
Aufgelöst! Der Riesenkörper – des Rückgrats
Sehnigte Flechten. Ein Wurm in der Nuß –
Nuß ohne Loch! Schnöde gebannt
In ewige Knechtschaft. Nur des Bewußtseins
Nicht entbehrend; des Gefühls, um die Schmach
Tief zu empfinden, verzweiflungsvoll
Dem Schicksal fluchend, und die Kühnheit,
Die den Dummdreisten dazu trieb,
Großer Salomon! Herrscher der Geister,
Deiner ewigen Macht zu trotzen.

Sandib (entsetzt).
Was hör' ich hier? O Allah! Mohammed!

Der Geist (wird immer deutlicher in der Wolke).
Heilige Freiheit! athm' ich auf's neu
Deine himmlische Lust? Kann ich in voller
Lebensgröße mich wieder dehnen,
Wie ein Kind aus den Windeln
Die zarten Glieder? – Breitet euch jetzt
In Wolken, Schultern! Flattre, mein Haar!
Wie des Kometen Schweif durch die Luft.
Und du, mein Bein, fuß' auf der Erd'!
Füllt euch Lungen, und erschall'
Meine freudige Stimm' mit Donnergetös
Siebenfach wiederholt an den Felsen;
Während im Aug' röthliches Feu'r
Zuckt als tödtender Blitz.

Sandib. Die langen Locken auf dem großen Haupte
Hinwehen zu den Sternen. Ha, ich zitt're!
Ich fürchte, daß er mit dem breiten Fuße
Mich, einer Raupe gleich, zertreten wird. –
Ist aber, in der That, der Mann so groß?
Vielleicht bin ich, zu Nichts hineingeschrumpft,
Ein Zwerg geworden, dem so Alles größer
Und ungeheuer deucht. – Doch nein; bin ich
Ein Zwerg, dann hat die ganze übrige
Natur sich auch verändert! Dann sind dort
Die Palmen Disteln nur, die Weiden Gras,
Dann ist das Meer ein Bach, worüber, naß
Bis an die Knöchel nur, der Große watet.

Der Geist (hat sich nach und nach zusammengenommen und tritt nun in edler, obschon übermenschlicher Gestalt Sandib entgegen).
Nun sag' mir, Fischer, die gewünschte Todesart!
Denn sterben mußt du; wählen kannst du selbst den Tod.

Sandib. Was hör' ich? Güt'ger Allah! morden willst du mich?

Geist. Ich hab's geschworen, ehrlich halt' ich meinen Eid.

Sandib. Abscheulich sind dein Eid' und deine Ehrlichkeit.

Geist. Ha, wisse, Sterblicher! einen Geist siehst du vor dir,
Der Urwelt Sohn, von übermäß'ger Riesenkraft.
Als keine Bäume, keine Pflanzen, Blumen noch
Das Thal bedeckten, als die irrende Wasserflut
Den Schlamm noch küßte, wirbelte schon Amgiad
In Felsenklüften, auf der Berge steinernem Dach
Im Sturmgebraus, und spielte mit dem rothen Blitz.
Nachher, als zarte Pflanzen wurden, Menschen auch,
Sah mich auf schwarzen Drachen reiten fern der Hirt,
Und zitterte. Der Jäger auch! denn oft, in Zorn,
Hab' ich den Mann vom Felsenrand hinabgestürzt,
Wenn meinen Freund, den Steinbock, er verwundete.
Doch bös' von Herzen bin ich nicht, nur launenhaft;
Und auch als Hund verwandelt biß ich todt den Wolf,
Der grausam in des Greises Heerde würgte.
So stürmend auf des Urgebirges Felsenstein,
In Höhlen mich verlierend, in dem weißen Schaum
Der Wassertrichter spielend, oft mich hängend lang
Zwischen Himmel und Erde, wolkenähnlich, saugend so
Durch luft'ge Röhren aus dem Abgrund salz'ge Flut –
Sah ich einmal im Frühling, als der Vogelsang
Aus grauem Dunst mich in den grünen Wald gelockt,
Ein schönes Feenmädchen, mild'rer Zeiten Kind.
Ein Geist der niedern Regionen, kann sie zwar
Sich solcher Ahnen rühmen nicht, wie mein Geschlecht;
Schön aber ist sie! Aus dem Bade stieg das Kind,
Mit vollen Lenden, weiß wie Schnee; das gelbe Haar
In Ringellocken zu den runden Waden tief
Hinunterfließend, zu dem niedlich kleinen Fuß,
Und mit der schönen Hände zartem Bilderwerk
Bedeckte sie erröthend halb die Mädchenbrust.
Da war's um mich gethan! Und gar zu thöricht schloß
Der Adler ernst ein Bündniß mit der Nachtigall.
Denn falsch wie Frühlingswetter, wie des Baches Perl',
Wie Flügelfarbenstaub des eiteln Schmetterlings,
Der, keine Treue kennend, nur vom Blumenkelch
Zum Blumenkelche flattert und sich Honig saugt,
So ist mein Weib. – Ich traf sie in des Buhlen Arm,
Und aufgebracht vom Wahnsinn der Erbitterung
Stieß, mit verruchter Kehle, gegen Salomon,
Den Herrn der Geister, Lästerungen toll ich aus.
Da griff er mich und bannte mich in diesen Schrein
(Das Hohngelächter meines Weibes hört' ich noch).
So liegend in dreihundert Jahren war ich mir
Der eignen Schuld, der Frechheit meines Weibs bewußt.

Sandib. Du armer Geist! Da hast du sehr dich langeweilt.

Geist. Wie der Bär im Winter schlafend seine Tatzen saugt,
Harrt' ich geduldig hundert Jahr' im engen Schrein;
Und dem Erretter, der den Deckel öffnete,
Versprach ich reichen Lohn von Silber, lichtem Gold,
Rubinen, Diamanten und Smaragden grün.
Denn eines schwachen Menschen Hand ist es erlaubt,
Was Salomon versagte dem gewalt'gen Geist:
Das Siegel aufzumachen. – Kein Erretter kam!
Sieh, da versprach ich dem Befreier Fürstenmacht.
Khalife, Sultan, Mogul, König, Tatarchan –
Was ihm beliebte, sollt' er werden. – Keiner kam!
Noch ein Jahrhundert schlich sich hin mit Schneckengang;
Oft glaubt' ich meine Rettung nah', wenn brausend sich
Der plumpe Walfisch dem Gefängniß näherte,
Das einz'ge Thier, das sich so tief hinunterwagt.
Doch ach, mit täpp'schen Flossen fegt' er weiter nur
Von meiner Hoffnung Blumenstrand den eh'rnen Sarg.
Nunmehr versprach im folgenden Jahrhundert ich
Gesundheit meinem Finder, häuslich stilles Glück,
Bewährte Freunde, Frieden, gute Jahreszeit,
Ein edles Weib, der Kinder Segen. – Keiner kam!
Selbst für den höchsten Lohn ich keine Hülfe fand,
Als Auster in der Schale steckt' ich immer noch.
Sieh, da verlor ich die Geduld, und schwur in Wuth,
Daß, wer mich aus der Kerkernacht erlöste jetzt –
Der Zaud'rer – sterben sollt' er, und zum Lohn der That
Nur selber wählen schleunig seine Todesart. –
Kaum war der Eid geschworen, als ich deutlich schon
Der Wogen Brausen hörte, hoch hinaufgewühlt.
Da suchten ängstlich im Orkan den Meeresgrund
Die Ungeheu'r, und schuppten, im Vorübergehn
Den Zauberschrein zum Strand hinauf. So fandst du mich.
Bezahlen werd' ich jetzt dir den verdienten Lohn;
D'rum rede, Fischer! wähle, wie du sterben willst!

Sandib. Von Alter will ich sterben.

Geist.                                                 Scherze nicht mit mir!

Sandib. Was wag' ich, wenn du doch sogleich mich tödten willst?

Geist. Wohl wahr! Ein armes Leben ist dein ganzer Schatz,
Das zeigt mir dein zerlumpter Turban, dein Gewand,
Dein kalt verzweifelt Lächeln, dein geflicktes Netz.
Ha, danke mir, daß ich von einer schnöden Last
Dich schnell erlöse, wodurch frei die Seele wird.

Sandib. Dann wär' es auch zum ersten Mal Undankbarkeit,
Daß Wohlthat danke dir für die Beleidigung.

Geist. Warum hast du mir früher nicht geholfen, Mann!
Ich hätte dich zu Asiens Sultan gern gemacht.

Sandib. Wie kann ein Riese doch so dumme Fragen thun?
Dein Handeln macht die Wahrheit recht einleuchtend mir.
Im großen Körper selten wohnt ein großer Geist.

Geist. Dummdreister Erdklos!

Sandib.                                       Zwinge deinen edeln Zorn!
Streng halt' ich an dein eigenes Versprechen mich,
Und geh' nicht weiter. Einen Eidschwur thatest du,
Ich solle sterben; doch des Todes freie Wahl
Hast du mir auch mit heil'gem Eid' versichert ja.

Geist. Ich that's, und halte dir mein Wort, bei Salomon!

Sandib. Recht gut! Nun also – wählen soll ich meinen Tod,
Nicht zu der Wahl gezwungen sein; denn Lieber! Zwang
Ist keine Wahl. Das siehst du, hoff' ich, selber ein?

Geist. So wähle denn, und mache mir die Zeit nicht lang.

Sandib. Nein, Freund! Ich will nicht wählen! Denn durch diese Wahl
Machst du mir grade umgekehrt die Zeit zu kurz.
Ich will nicht wählen! Noch nicht. Wann ich wählen will,
Das weiß ich nicht; vielleicht schon morgen, und vielleicht
Nach hundert Jahren erst; die Wahl steht ganz mir frei.
Und dir obliegt's, zugegen jeden Augenblick
Zu sein, um meinen Wink zu hören, meine Wahl.
Denn tödtest du mich nicht im selb'gen Augenblick,
Dann bist du ein Meineid'ger, und von Gott verflucht;
So mußt du, als ein treuer Hund, mir folgen stets,
Vermuthlich – bis zum Grabes Rand. Denn schwerlich wähl'
Ich meinen Tod, eh' selbst er mit der Hippe kommt.

Geist. Gibt's in der Welt wol einen so geschmeid'gen Wurm,
Mit hohlerm Zahn, als menschliche Spitzfindigkeit?

Sandib. Nun also?

Geist.                     Nun, so lebe, du Armseliger!
Der ein erbärmlich Leben schätzest feige mehr
Als Heldentod.

Sandib.                   Was willst du?

Geist.                                               Ich verlasse dich!

Sandib. Das darfst du nicht, du mußt mir folgen nach dem Eid.

Geist (wirft ihm einen Talisman hin).
Den scheu're, bist des Lebens überdrüssig du,
Und gleich erschein' ich, breche dir den frechen Hals.

Sandib (leise).
Da hat er wieder mich zum Besten! Hofft' ich doch,
Ich soll' ihm erst auspressen schweres Lösegeld.
Ich muß ihn noch versuchen. Wie ich merke, steckt
Er gar nicht tief im Scharfsinn. (Laut.) Nun gehab' dich wohl,
Du launenhafter Geist, der mir einbilden will,
Daß du in diesem engen Schrein verborgen lagst.

Geist. Wie? Zweifelt noch der Wurm an meiner Biederkeit?

Sandib. Du treibst mit dem Einfältigen dein loses Spiel.

Geist. Wie? Hab' ich nicht den Trost einmal, nach langer Qual,
Nach der dreihundertjährigen Gefangenschaft,
Daß man mir glaube? Gelt' ich für 'nen Lügner noch?

Sandib. Wer glaubt wol Wunder, die er selber nicht gesehn?

Geist (ungeduldig).
Ich sag' es dir, so war es doch!

Sandib (zuckt die Achseln).                   Jetzt glaub' ich dir,
Sonst wirst du böse.

Geist.                               Sieh denn selbst, Ungläubiger!

(Er löst sich wieder in Dampf auf, der sich als Nebel über das Meer verbreitet und zuletzt als weißer Qualm sich in den Schrein zusammenzieht. Eine beinah erstickte Stimme fragt aus dem Qualm heraus.)

Glaubst du mir jetzt?

Sandib (klappt den Deckel wieder zu).
                                    Ja, großer Geist, jetzt glaub' ich dir.

Geist (im Schreine).
So mache nur gleich wieder auf!

Sandib.                                                 Nein, edler Herr!
Bin dazu gar zu schlecht; das kannst du selber thun.

Geist. Ich hab's dir ja gesagt, ich kann's nicht selber thun.

Sandib. So schlaf' ein Mittagsschläfchen noch, dreihundert Jahr,
Bis ein treuherz'ger Narr dich wieder findet, der
Dich aus dem Kästchen unversehns entschlüpfen läßt.

Geist. Mein lieber Freund, du scherzest.

Sandib.                                                       Nein, ich bin sehr ernst.

Geist. Mach' auf! und ich erfülle gern dir jeden Wunsch.

Sandib. Und was versichert mich wol deine Biederkeit?

Geist. Mein Eid, beim heil'gen Ring des hohen Salomon.

Sandib (leise).
Den Eid erfüllt er; hab' ich es doch selbst gemerkt.
        (Laut.)
Wohlan denn, ich befreie dich zum zweiten Mal.

(Er öffnet den Schrein. Der Geist erscheint auf die vorige Weise; wie er aus dem Nebel getreten ist, schiebt er den Schrein mit seinem Fuße ins Meer hinaus.)

Sandib (erschrickt).
Was machst du da?

Geist.                             Befreie mir mein Auge, Freund,
Vom sehr verhaßten Anblick.

Sandib.                                           Brichst du deinen Eid?

Geist. Nicht zweifle länger, Staub! an meiner Redlichkeit!
Doch hab' ich deine Naseweisheit wohl verdient.
Sprich! Was verlangst du?

Sandib.                                     Also kann ich Sultan sein
In Asien, vom rothen Meer bis China's Strand?

Geist. Recht gern! Ich hole dir die Krone.

Sandib.                                                         Thu' es nicht!
Ein armer Fischer lieber doch, als Herr der Welt.
Die Arbeit wäre schwier'ger und betrübter noch,
Und würde doch, wahrscheinlich, gar zu schlecht bestellt. –
Doch schöne Weiber schaffst du mir?

Geist.                                                           Im Überfluß.

Sandib (schaut nach dem Grabe seiner Frau unter den Weiden).
Kannst Todte du erwecken?

Geist.                                           Nein; das kann nur Der,
Der sie erschuf, wenn Israfil's Posaune tönt.

Sandib. Scheintodte?

Geist.                           Ja! da kommt dein kleiner Knabe schon.
Der Stein sperrt ihm den Eingang nicht, er läuft hieher,
Reibt sich die Augen, glaubt, daß er geschlafen hab'.

Lolo (kommt und umarmt Sandib).
Guten Morgen, Vater! Himmel, welch ein großer Mann.

Sandib. Dein Rettungsengel. Fürchte nicht, mein liebes Kind.
        (Bekümmert.)
Sag', wie befindst du dich? Du bist doch recht gesund?

Lolo (reibt sich die Augen).
Ich habe mich verschlafen, glaub' ich. Ach, ich bin
So hungrig, Vater!

Geist.                             Fischer! geh' zur Hütt' hinein,
Hol' deine kleinsten Kinder, und dann folge mir,
Dann sollst du Fische fangen, die sehr kostbar sind.

Sandib. Und find' ich wol Amine, meine Tochter, auch?

Geist. Das wäre möglich; doch bestimmt versprech' ich nichts.

Sandib. O segenreicher, o glückselig-schöner Tag!

Geist. Ja wohl! ein schöner Sommertag! Mich freut es auch
Nach langer Nacht die Morgenröth' im Wald zu sehn.

(Sie gehen ab.)


Eine wüste Gegend, mit einem See zwischen vier Hügeln.

Der Geist. Sandib.

Geist. Dort hab' ich deinen Kindern schon ein Haus gebaut.

Sandib. Wo bin ich? Allah! Nie sah ich noch diesen Ort.

Geist (höhnisch).
Wol Vieles hat dein blödes Aug' noch nicht gesehn.
Hier weile! Hast du deine Netze mitgebracht?

Sandib. Hier sind sie.

Geist.                           Gut. So fische dreist! Doch einmal nur
Des Tages ist der Fischfang, merk' es, dir erlaubt.

Sandib. Nur einmal? Heil'ger Mohammed! Am rothen Meer
War dreimal oft zu wenig für die Dürftigkeit,
Um Brot nur zu bekommen.

Geist.                                           Hier Gesottenes
Wirst du zum Brote finden.

Sandib.                                       O der Wunder all'

Geist. Erstaune nur nicht länger! Grüble ferner nicht!
Du grübelst doch ins Blau hinein, entdeckest nie
Die Ursachen der Wirkung mit dem Breigehirn.
Kaum weiß ich's selber, der ich doch ein Riesengeist.
Wenn nun du einen Fang gemacht, dann geh' zum Schloß,
Wo dieser Gegend König wohnt; er wohnt nicht fern,
Und zum Palaste führt ein schöner Rosensteig.
Da, in der Küche, kaufen sie den Fang dir ab.
Vierhundert Bahams kosten sie; du darfst sie nicht
Verkaufen unter diesem Preis.

Sandib.                                             Ach, so verkauf'
Ich sie wol gar nicht?

Geist.                                 Wieder Zweifel? Könnt' ich doch
Dich ew'gen Zweifler würgen, und das Taubenhirn
Gen diese Klippe schlagen, hätt' ich Freundschaft nicht
Dir zugeschworen. Fische denn! und glaube mir:
Gold wirst du fischen, sag' ich.

Sandib.                                             Und die Tochter, Geist?

Geist. Die schöne Perle find'st du nicht in diesem See.

(Verschwindet.)

Sandib (allein).
        So will ich mehr auch grübeln nicht.
        Er hat nicht Unrecht, wenn er spricht:
        Das Forschen bringt uns nicht sehr weit,
        Wenn es betrifft die Göttlichkeit.
        Du bist ein starker Riesengeist,
        Und du machst Wunder – das beweist
        Ja eben, daß ein Geist du bist;
        Daß die Natur weit kräft'ger ist
        In dir, als mir, dem Menschenkind. – –
        Hier weht auch nicht der kleinste Wind,
        Der See ist spiegelblank und klar;
        Die Fische kommen schon fürwahr
        Mit schönen Schuppen durch die Flut.
        Sie sind beinahe gar zu gut
        Zum Essen. – Ja, ich seh's genau:
        Der da ist roth, und jener blau,
        Und dieser gelb, der Andre weiß
        Wie Silber. – Theu'r ist auch der Preis!
        Zu Haufen kommen sie herbei. –
        Ha, welche närr'sche Phantasei!
        Der stille See scheint mir ein Land,
        Die Fische Menschen allerhand.
        Die Silberweißen, wo das Licht
        Sich in die reinsten Stralen bricht, –
        Rechtgläub'ge sind's! Die Rothen dann,
        Sie beten wol das Feuer an,
        Sind Heiden. Und die sanften Blauen,
        Im blauen Wasser kaum zu schauen,
        Langsamer auch und wen'ger frei,
        Sind Christen in der Sklaverei.
        Die Gelben aber, die geschwind
        So emsig schwimmen wie der Wind,
        Die oft die kleinen Blauen fressen,
        Von Weißen wieder aufgegessen –
        Die, mit dem falben, matten Schein –
        Das mögen wol die Juden sein!

        Doch jetzt, denk' ich, genug geträumt!
        Die Arbeit wird dabei versäumt.
        Jetzt will ich fischen! – Ach, sieh da!
        Ein Weißer, Rother, Blauer ja;
        Und auch ein Gelber ging hinein,
        Nur wollt' er nicht der Erste sein. –
        Jetzt bring' zum Schloß ich meinen Fang,
        Der Weg, hör' ich, ist gar nicht lang.
        Ich kehre mit dem Geld' zurück,
        Theil' mit den Kindern dieses Glück.
        Den Lolo hat mir Gott gegeben;
        Die Tochter auch ist noch am Leben.
        Ein starker Geist mir leicht verschafft,
        Was schnöde List hinweggerafft.

(Ab mit den Fischen.)

 


 


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