Friedrich Wilhelm Nietzsche
Fragmente Anfang 1880 bis Sommer 1882, Band 3
Friedrich Wilhelm Nietzsche

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[Herbst 1881]

[Dokument: Notizbuch]

12 [1]

Nachts, vor dem bestirnten Himmel:

– Oh dieser todtenstille Lärm! –

12 [2]

Wortspiele:

Ridicultur eines Menschen

der geistige Nachtisch jetzt für Viele: Gorgon-Zola – in der Grotte seiner Nymphe Ärgeria.

12 [3]

Genua, dieser entfärbte Süden.

12 [4]

Künstler, die mit ihrem Antreiben und ihrem Verlangen zu wirken wissen, während sie nicht im Stande sind, selber ihre Ziele zu erreichen. Aber sie theilen den Impuls mit – und mitunter hat der Andere die mächtigere Thatkraft im Erreichen oder wenigstens Voraussehen des Ziels.

12 [5]

die Wissensch<aft> stellt auf, worin der Mensch festgeworden ist (nicht worin die Dinge – obschon sie so sich ausdrückt, jetzt!) Die Polypen werden sich des ungeheuren Gebirgs bewußt, das sie gebaut haben das aus ihnen besteht, daß sie ein lebendiges Gebirge von furchtbarer Festigkeit sind.

12 [6]

Diese furchtbare Realität, diese Furchtbarkeit der Realität ist ebenso ersichtlich bei den moralischen Phänomenen wie den physikalischen, ja deutlicher: wie hier [+] im Grunde alles Dichtung! Dies habe ich zu beweisen! – Es ist wie im Traum, es übt die ganz reale Macht aus, der Glaube daß hier wirkliches ist (z. B. bei einem Mord, einer Hinrichtung, einem Leichenbegängniß)

12 [7]

Ohne die Vorstellung anderer Wesen als Menschen sind bleibt alles Kleinstädterei, Klein-Menschelei. Die Erfindung der Götter und Heroen war unschätzbar. Wir brauchen Wesen zur Vergleichung, selbst die falsch ausgelegten Menschen, die Heiligen und Heroen sind ein mächtiges Mittel gewesen. Freilich: dieser Trieb verbrauchte einen Theil der Kraft, welche auf die Findung des eigenen Ideals verwendet werden konnte. – Aber eigene-Ideale-suchen war nichts für frühere Zeiten, das Wichtigste war den Menschen nicht mehr unter ein Mittelmaaß hinabsinken zu lassen und dazu diente, daß er wie angeschmiedet wurde an ein allgemeines Menschenbild, daß Selbstlosigkeit ihm gepredigt wurde.

12 [8]

Wie habe ich den Menschen gesucht, der höher ist als ich, und der mich wirklich übersieht! Ich fand ihn nicht. Ich darf mich nicht mit W<agner> vergleichen – aber ich gehöre einem höheren Range an, abgesehn von der "Kraft".

12 [9]

Wenn wir nicht aus dem Tode Gottes eine großartige Entsagung und einen fortwährenden Sieg über uns machen, so haben wir den Verlust zu tragen.

12 [10]

Das neue Problem: ob nicht ein Theil der Menschen auf Kosten des anderen zu einer höheren Rasse zu erziehen ist. Züchtung – – – –

12 [11]

Zuletzt: unsere idealistische Phantasterei gehört auch zum Dasein und muß in seinem Charakter erscheinen! Es ist nicht die Quelle, aber deshalb ist es doch vorhanden. Unsere höchsten und verwegensten Gedanken sind Charakterstücke der "Wirklichkeit". Unser Gedanke ist von gleichem Stoffe wie alle Dinge.

12 [12]

Wir verachten den Besitzlosen – darum auch den, der sich selber nicht beherrschen kann, der sich selber nicht besitzt. Er ist, nach unserer Empfindung, nicht als Egoist verächtlich, sondern als Wetterfahne von Impulsen und Mangel an Selbst.

12 [13]

An einem klugen rücksichtslosen Spitzbuben und Verbrecher tadeln wir nicht seinen Egoismus als solchen, der sich auf die feinste Weise äußert, sondern daß dieser sich auf so niedere Ziele richtet und auf sie beschränkt. Sind die Ziele groß, so hat die Menschheit einen anderen Maaßstab und schätzt "Verbrechen" nicht als solche, selbst die furchtbarsten Mittel. – Das Ekelhafte ist, ein guter Intellekt im Dienste einer erbärmlichen Anspruchslosigkeit des Geschmacks – wir ekeln uns vor der Art ego, nicht an sich vor dem ego.

12 [14]

Die Musik repräsentirt jetzt Gefühle – sie erregt sie nicht!

12 [15]

unorganische Materie, ob sie gleich meist organisch war, hat nichts gelernt, ist immer ohne Vergangenheit! Wäre es anders, so würde es nie eine Wiederholung geben können – denn es entstände immer etwas aus Stoff mit neuen Qualitäten, mit neuen Vergangenheiten.

12 [16]

Verschiedenes bei gleicher Musik erleben!

12 [17]

Ein Ding, ganz allein, würde gar nicht existiren – es hätte gar keine Relationen. Z. B. mein Buch.

12 [18]

Ich stelle mich vor mir selber erzürnt über die Kälte und Vernachlässigung, die ich von Freunden erfahre – im tiefsten Grunde läßt mich dies unbewegt, und ich wünschte fast, es zu einem Motiv zu machen, das mich etwas erregte. Ich suche Gründe gegen die Langeweile und finde nicht viel.

12 [19]

Daß ein Mensch manche Dinge nicht begehrt, nicht liebt, das rechnen wir ihm an als Zeichen seiner Niedrigkeit und Gemeinheit. "Selbstlosigkeit" als Gegenstück – er liebt manche Dinge und bringt andere Triebe zum Opfer, die den meisten Menschen nicht begreiflich als Gegenstand solcher Liebe sind – deshalb nehmen sie das Wunder der "Selbstlosigkeit" an!

12 [20]

Die Menschen haben die Liebe immer mißverstanden – sie glauben hier selbstlos zu sein, weil sie den Vortheil eines anderen Wesens wollen, oft wider ihren eigenen. Wollen sie dafür jenes andere Wesen besitzen? Oft nicht einmal!

12 [21]

Das erste Buch als Grabrede auf den Tod Gottes. –

12 [22]

Hundert Tannhäuser. – An Wotan nicht zu glauben! Ausdeutung der Vergangenheit

12 [23]

Dieser einsamste der Einsamen, der Mensch, sucht nun nicht mehr einen Gott, sondern einen Genossen. Dies wird der mythenbildende Trieb der Zukunft sein. Er sucht den Freund des Menschen.

12 [24]

Diese Welt die wir geschaffen haben, oh wie haben wir sie geliebt!

Wie tief- fremd ist uns die durch die Wissenschaft entdeckte Welt!

12 [25]

Opfer bringen wir fortwährend. Bald siegt diese Neigung über die andere und deren Anforderungen, bald jene. Du würdest erstaunen, wenn ich vorrechnete, wie viel Opfer jeder Tag mich kostet.

12 [26]

Alles was der Mensch aus sich heraus gelegt hat, in die Außenwelt, hat er dadurch sich fremd gemacht und immer mehr: so daß es nun wie ein Nicht-Ich wirkt, und alle moralischen Prädikate trägt und erträgt, die der Mensch sich selber nicht beizulegen wagt. "Natur". So hat er sich erniedrigt und verarmt: je reicher sein Außer-sich wurde (Farbe Bewegung ebenso wie Schönheit Linie Erhabenheit).

12 [27]

Während es dem Melancholiker allzusehr an phosphorsaurem Kali in Blut und Gehirn gebricht, sieht er den Grund seines Mangelgefühls und seiner Depression in den moralischen Zuständen der Menschen, der Dinge, seiner selber!!!

12 [28]

Kinder die ein Gedächtniß für Strafen haben, werden tückisch und heimlich. Aber zumeist vergessen sie – und so bleiben sie in der Unschuld.

12 [29]

Wir kommen über die Ästhetik nicht hinaus – ehemals glaubte ich, ein Gott mache sich das Vergnügen, die Welt anzusehen: aber wir haben das Wesen einer Welt, welche die Menschen allmählich geschaffen haben: ihre Ästhetik.

12 [30]

Musik – eine verkappte Befriedigung der religiosi. Vom Worte absehen! Das ist ihr Vortheil! Ja auch von Bildern! Damit sich der Intellekt nicht schäme! So ist es gesund und eine Erleichterung für jene Triebe, welche doch befriedigt sein wollen!

12 [31]

nach der Wahrheit jagen – es ist auch nur eine Form der Jagd nach dem Glücke

12 [32]

Ach, nun müssen wir die Unwahrheit umarmen und der Irrthum wird jetzt erst zur Lüge, und die Lüge vor uns wird zur Lebensnothwendigkeit!

12 [33]

Ach, ich bin hinter die Maskerade der großen Männer, der großen Erfolge, der großen Verluste gekommen. Es ist alles perspektivisch zu betrachten – wenn man sich nicht unter die Kleinen einordnet, so hat man nichts davon als Lärm und Anlaß zu Lachen und Herzbrechen.

12 [34]

Meine Aufgabe: alle die Schönheit und Erhabenheit, die wir den Dingen und den Einbildungen geliehen, zurückfordern als Eigenthum und Erzeugniß des Menschen und als schönsten Schmuck, schönste Apologie desselben. Der Mensch als Dichter, als Denker, als Gott, als Macht, als Mitleid. O über seine königliche Freigebigkeit, womit er die Dinge beschenkt hat, um sich zu verarmen und elend zu fühlen! Das ist seine größte "Selbstlosigkeit", wie er bewundert und anbetet und nicht weiß und wissen will, daß er schuf, was er bewundert. – Es sind die Dichtungen und Gemälde der Urmenschheit, diese "wirklichen" Naturscenen – damals wußte man noch nicht anders zu dichten und zu malen, als indem man in die Dinge etwas hineinsah. Und diese Erbschaft haben wir gemacht. – Es ist diese erhabene Linie, dies Gefühl von trauernder Größe, dies Gefühl des bewegten Meeres alles erdichtet von unseren Vorfahren. Dieses Fest- und Bestimmt sehen überhaupt!

12 [35]

Wie kommt es, daß wir unsere stärkeren Neigungen auf Unkosten unserer schwächeren Neigungen befriedigen? – An sich, wenn wir eine Einheit wären, könnte es diesen Zwiespalt nicht geben. Thatsächlich sind wir eine Vielheit, welche sich eine Einheit eingebildet hat. Der Intellekt als das Mittel der Täuschung mit seinen Zwangsformen „Substanz" "Gleichheit"; „Dauer" – er erst hat die Vielheit sich aus dem Sinne geschlagen.

12 [36]

Die Musik ist mein und unser Vorläufer – so persönlich sprechen und so gut und edel! Unsäglich <vieles> hat noch kein Wort gefunden und keinen Gedanken – das beweist unsere Musik – nicht, daß kein Gedanke und kein Wort da zu finden wäre.

12 [37]

nox intemp<esta> wo Ursache und Wirkung aus den Fugen gekommen zu sein scheinen und jeden Augenblick etwas aus dem Nichts entstehen kann. (Richard Wagner hat es in „Hagens Wacht" in Musik gesetzt)

12 [38]

Diese Schönheit und Erhabenheit der Natur, vor der jeder Mensch klein erscheint, haben wir erst in die Natur hineingetragen – und folglich um diesen Theil die Menschheit beraubt. Sie muß es büßen.

12 [39]

Wo wir etwas ganz Schätzenswerthes zu erkennen glauben und es erwerben und erhalten wollen, also im Eigenthum-Verlangen, erwachen unsere edelsten Triebe. Der Liebende ist ein höherer Mensch: obschon er mehr Egoist ist als je. Aber 1. sein Egoismus ist concentrirt, 2. der Eine Trieb ist entschieden siegreich über die anderen und bringt das Außergewöhnliche hervor.

12 [40]

Das Bollwerk der Wissenschaft und ihrer Vernunft-Allgemeinheit muß erst errichtet sein, dann kann die Entfesselung der Indi<viduen> vor sich gehen: es darf keinen Irrthum dabei geben, weil die Grenzen der Vernünftigkeit vorher festgesetzt und ins Gewissen und den Leib einverleibt wurden. Erst Einverleibung der Wissenschaft – dann:

12 [41]

Mein Gefühl unterscheidet höhere und niedere Menschen: was und wie es da unterscheidet, will ich einmal so hart und bestimmt wie möglich aussprechen.

12 [42]

Eins ist immer nöthiger als das Andre.

12 [43]

Handlungen durch welche wir einen Affekt befriedigen (sei es der der Liebe Neigung Abneigung gegen jemanden) nennt man nicht "selbstlos", es sei denn im ungenauen Sprachgebrauch. Der Liebende bejaht ersichtlich sich selbst mehr als je – und wenn er auf die Handlungen der Liebe und Aufopferung verzichten muß, so leidet er sehr – Das Problem ist hier nicht – wir thun auch anscheinend selbstlose Handlungen, gegen gleichgültige, selbst unangenehme Personen und Sachen. Darüber mein [–]. – Aber das Problem bleibt: wie kann man jemanden lieben? Gar einen Bruder? Einen solchen Bruder.

12 [44]

Der Denker, der seine Stille gewöhnlich zwischen zwei Lärmen zu finden hat, wenn er sie überhaupt zu finden weiß!

26 Okt. 1881.

12 [45]

Wie viele verschiedene Lebensalter haben unsere moralischen Qualitäten!

12 [46]

Was wird aus dem Überschuß von göttlichen Gefühlen? Oder giebt es den nicht?

12 [47]

Gespräche in der Einsamkeit.

12 [48]

12 Sommer.

12 [49]

Spott bei dem ruhig Genießenden, als Zeichen daß der Geist nicht einschlummert! Haß aber – – –

12 [50]

Aber die Welt, die die Wissenschaft entdeckt – woher stammt die? Wäre alles von uns, so dürfte es so etwas gar nicht geben! Oder ist es nur unsere vergessene Welt? War alles einmal Oberfläche und Haut und Gegenstand des Bewußtseins, bis es eine neue Oberfläche und Haut gab und die alte vergessen wurde?

12 [51]

ästhetische Urtheile sind Überreste unserer Urtheile über glücklich-unglücklich z. B. in einer Landschaft der Reichthum an Farben, an Genießbarem, an Ruhe, an festen Linien – es sind alles die Abzeichen und Symbole eines Menschen, der uns einst als der Glückliche galt. So andere Male die leidenschaftliche Gegend – wir hielten auch die Leidenschaft für den Zustand des Glückes. Die fromme Gegend, die heilige Gegend, die verehrte Gegend, die alterthümliche, die kindliche, die weibliche, die stolze, die schlafende

12 [52]

Wenn ich von Plato Pascal Spinoza und Goethe rede, so weiß ich, daß ihr Blut in dem meinen rollt – ich bin stolz, wenn ich von ihnen die Wahrheit sage – die Familie ist gut genug, daß sie nicht nöthig hat, zu dichten oder zu verhehlen; und so stehe ich zu allem Gewesenen, ich bin stolz auf die Menschlichkeit, und stolz gerade in der unbedingten Wahrhaftigkeit

12 [53]

Für die Gedankenlosen bedarf es einer abgekürzten Philosophie und Moral. Gott. Nämlich wenn die bösen Stunden kommen!

12 [54]

Hohe Zimmer!

Viele dumme Frauen halten Milch für keine Nahrung, wohl aber Rüben.

12 [55]

Ein Weib ist das Geschöpf, welches seinen Feind und Räuber lieben soll – und liebt.

12 [56]

An einem schlechten Hange zu Grunde gehen – nicht so schlimm! Phantasterei über das Böse wie über den Schmerz aufzudecken!!

12 [57]

Inwiefern jeder hellere Gesichtskreis als Nihilism erscheint

12 [58]

Wir Aesthetiker höchsten Ranges möchten auch die Verbrechen und das Laster und die Qualen der Seele und die Irrthümer nicht missen – und eine Gesellschaft von Weisen würde sich wahrscheinlich eine böse Welt hinzuerschaffen. Ich meine, es ist kein Beweis gegen die Künstlerschaft Gottes, daß das Böse und der Schmerz existirt – wohl aber gegen seine " Güte"? – Aber was ist denn Güte! Das Helfenwollen und Wohlthunwollen, welches ebenfalls solche voraussetzt, denen es schlechter geht! Und die schlechter sind!

12 [59]

Es genügen außerordentlich kleine Veränderungen der Werthschätzung, um ganz ungeheuer verschiedene Werthbilder zu bekommen (Anordnung der Güter)

12 [60]

Wir sind nicht die Reste und Überbleibsel der Menschheit (wie wir dies gewiß von der organisch werdenden Welt sind) Vieles Neue kann von uns noch ausgehen, was den Charakter der Menschheit verändert.

12 [61]

Wer erfindet uns das tragische Ballet mit Musik? Besonders nöthig bei Völkern, die nicht singen können und die sich durch die dramatische Musik die Kehlen gebrochen haben!

12 [62]

"ich habe meinen Regenschirm vergessen"

12 [63]

Ursache und Wirkung. Wir verstehen darunter im Grunde eben das, was wir denken, wenn wir uns selber als Ursache eines Schlages usw. denken. "Ich will" ist Voraussetzung, eigentlich ist es der Glaube an eine magisch wirkende Kraft, dieser Glaube an Ursache und Wirkung – der Glaube, daß alle Ursachen so persönlich-wollend sind, wie der Mensch. Kurz, dieser Satz a priori ist ein Stück Urmythologie – nichts mehr!

12 [64]

Wir dürfen nicht wider den Strich die Vernunft der Menschheit entwickeln, aber es ist auch dafür gesorgt, daß wir es nicht können.

12 [65]

die versöhnenden Menschen sind mir fatal

12 [66]

das aschgraue Licht, das der Mond von der erleuchteten Erde erhält

12 [67]

Der Schmerz ist wegen seiner großen Nützlichkeit so ausgebildet worden – er ist ebenso nützlich wie die Lust

12 [68]

Emerson

Ich habe mich nie in einem Buch so zu Hause und in meinem Hause gefühlt als – ich darf es nicht loben, es steht mir zu nahe.

12 [69]

Die Masken fallen einem bei der ital<ienischen> Musik ein.

12 [70]

Ich will das Ganze als eine Art Manfred und ganz persönlich schreiben. Von den Menschen suche ich weder "Lob noch Mitleid noch Hülfe" – ich will sie vielmehr „durch mich überwältigen".

12 [71]

durch Alcohol bringt man sich auf Stufen der Cultur zurück, die man überwunden hat. Alle Speisen haben irgend eine Offenbarung über die Vergangenheit, aus der wir wurden.

12 [72]

Nein! Ich will nicht älter sein als ich bin. Es wird vielleicht einmal noch die Zeit kommen, wo auch die Adler scheu zu mir aufblicken müssen (wie zum h<eiligen> Johannes)

12 [73]

Schriftgelehrte – Naturgelehrte

12 [74]

Daß alles und jedes Geschehen die Folge von Willensakten sei und damit erklärt oder nicht weiter erklärbar – diesen Glauben haben die Wilden mit Schopenhauer gemeinsam: er hat ehemals alle Menschen beherrscht, und es war ein bloßer Atavismus, ihn noch im 19. Jahrhundert in der Mitte Europas, zu haben und zu predigen. Das Gegentheil – daß bei allem Geschehen der Wille nicht betheiligt ist, so sehr er es scheint – ist nahezu bewiesen! (Und das für das unsäglich kleine Stück Geschehens, wo überhaupt ein Wille betheiligt sein könnte!)

12 [75]

Ich wehre mich dagegen, Vernunft und Liebe, Gerechtigkeit und Liebe von einander zu trennen, oder gar sich entgegenzustellen und der Liebe den höheren Rang zu geben! Liebe ist comes, bei Vernunft und Gerechtigkeit, sie ist die Freude an der Sache, Lust an ihrem Besitz, Begierde sie ganz zu besitzen und in ihrer ganzen Schönheit – die aesthetische Seite der Gerechtigkeit und Vernunft, ein Nebentrieb.

Nachdem wir Vernunft und Gerechtigkeit haben, müssen wir die Leitern zerbrechen, die uns dazu führten; es ist die traurige Pflicht, daß diese höchsten Ergebnisse uns zwingen, gleichsam die Eltern und Voreltern vor Gericht zu laden. Gegen die Vergangenheit gerecht sein, sie wissen wollen, in aller Liebe! Hier wird unsere Vornehmheit auf die höchste Probe gestellt! Ich merke es, wer mit rachsüchtigem Herzen vom Christenthum redet – das ist gemein!

12 [76]

Die Wissenschaft giebt uns unseren adeligen Stammbaum, unsere Heraldik: sie giebt uns die Vorfahren. Im Vergleich zu uns waren alle bisherigen Menschen "Eintagsfliegen" und Pöbel, der nur ein kurzes Gedächtniß hatte.

Das historische Gefühl ist das Neue, da wächst etwas ganz Großes! Zunächst schädlich, wie alles Neue! Es muß sich lange einleben, ehe es gesund wird und große Blüthe treibt! Wir hören, was unsere Vorfahren – Helden alles besaßen – wir müssen vieles fahren lassen, aber allen Verlusten höhere Erwerbungen entgegenstellen.

Vernunft und Gerechtigkeit sind am schwersten zu würdigen, weil jung und schwach und oft schädigend!

12 [77]

Gott ist todt – wer hat ihn denn getödtet? Auch dies Gefühl den Heiligsten Mächtigsten getödtet zu haben, muß noch über einzelne Menschen kommen – jetzt ist es noch zu früh! zu schwach! Mord der Morde! Wir erwachen als Mörder! Wie tröstet sich ein solcher? Wie reinigt er sich? Muß er nicht der allmächtigste und heiligste Dichter selber werden?

12 [78]

Unsere Gesetze sind Versuche, aus Papier den weisen Mann zu machen, der allen Umständen gewachsen ist und dessen Gerechtigkeit so groß ist wie seine Unerschrockenheit – ach, wo ist das ehrfurchterweckende Gesicht des Gesetzgebers hin, welcher mehr bedeuten muß als das Gesetz, nämlich den Wunsch, es aus Liebe und Ehrfurcht heilig zu halten?

12 [79]

Ich habe eine Herkunft – das ist der Stolz, entgegengesetzt der cupido gloriae. Es ist mir nicht fremd, daß Zarathustra – – –

12 [80]

Das Originelle des Menschen ist, daß er ein Ding sieht, das alle nicht sehen.

12 [81]

Die Unbefriedigten müssen etwas haben, an das sie ihr Herz hängen: z. B. Gott. Jetzt, wo dieser fehlt, bekommt z. B. der Socialismus viele solche, die ehemals sich an Gott geklammert hätten – oder patria (wie Mazzini). Ein Anlaß zu großartiger Aufopferung, und einer öffentlichen (weil sie disciplinirt und fest hält, auch Muth macht!) soll immer da sein! Hier ist zu erfinden!

12 [82]

Wir selber müssen, wie Gott, gegen alle Dinge gerecht gnädig sonnenhaft sein und sie immer neu schaffen, wie wir sie geschaffen haben.

12 [83]

Man überträgt fälschlich Empfindungen (die bei jetzigen Zuständen z. B. Ehe erklärlich sind) auf Urzeiten, wo die Ehe anders war und gar nicht Liebe der Gatten unter sich hervorbringen konnte!

12 [84]

R<ichard> W<agner> wollte eine große Cultur, um einen Platz für seine Kunst zu haben – aber es fehlte ihm der neue Gedanke. So machte er Anleihen überall: zuletzt christliche Empfindungen, wenn auch noch nicht christliche Gedanken etc.

12 [85]

Aufgeben die niederen Grade der Macht, um zu höheren zu kommen

12 [86]

Mir als Mann ist die träumerische Beschaffenheit der Welt zuwider – aber ich sage als Mann die Wahrheit, auch die zuwidere.

12 [87]

Jene Art von Egoism, welche uns treibt, etwas um des Nächsten Willen zu thun oder zu lassen.

12 [88]

Situationen zu sammeln

12 [89]

Erster Satz meiner Moral: man soll keine Zustände erstreben, weder sein Glück, noch seine Ruhe, noch seine Herrschaft über sich. Der Zustand soll immer nur comes, nie dux virtutis sein! Warum? – Auch nicht "das Ideal" – sondern jede kleine und große Handlung so erhaben und schön wie möglich und auch sichtbar ausführen! Die Art und Weise soll uns unterscheiden!

12 [90]

Die Wissensch<aft> fliegt auf einmal so rasch aufwärts, daß ihre jünger kaum Athem holen können – und eben in der allzu dünnen Luft wird es ihnen wehe, so weit und rein ihr Blick auch reicht. Die Menschheit muß es nachholen – sie muß es, wie sie es bisher gethan hat! Alle Klugheit und Vernunft auf der unser Leben jetzt ruht, ist die Entdeckung Einzelner gewesen und ganz allmählich der Menschheit aufgedrungen, aufgezwungen, angeübt, einverleibt worden – so daß es jetzt wie zum unverrückbaren Wesen des Menschen zu gehören scheint!

12 [91]

Wer die Ernährung z. B. oder die Heizung studirt, lernt eine Menge Verhaltungsmaßregeln. Ehemals gehörten alle diese Regeln unter die "Moral" – jetzt ist der Unterricht nicht mehr so feierlich und das Heil der Seele ist nicht daran geknüpft. Wie die Magie unendlich von der Wissenschaft übertroffen ist an Kraft und Kunststücken – so:

12 [92]

Wir alten eingefleischten Wagnerianer sind doch die dankbarsten Bellini- und Rossini-Hörer.

12 [93]

Ich sehe das Mißverhältniß von Wissenschaft und Mensch fortwährend – es schwindet nie aus meinem Gesichte: gab es etwas Ähnliches? Priester und Mensch, Prophet und Mensch, Fürst und Mensch, Richter und Mensch. Jedesmal schien die Forderung das Individuum aufzuheben

12 [94]

Die Fiorituren und Cadenzen in der Musik sind wie süßes Eis im Sommer.

12 [95]

Nach dem periodischen Stile greifen alle, wie nach einem Gewande, welche sich nicht nackt zeigen wollen – sei es nun, daß sie ungestaltet sind, sei es, daß sie sich allzu schamhaft gewöhnt haben. Ihre Gedanken sind scheu und linkisch ohne Hülle – das Wenige von Anmuth, dessen sie fähig sind, zeigt sich erst, wenn die Falten der Periode ihnen Muth und Glauben an die eigene Würde geben. Dies wollen wir an ihnen ertragen und selbst gutheißen: nur bitten wir diese Mantelträger und Faltenreichen aus sich kein Gesetz der Moral und Schönheit zu machen: der periodische Stil ist und bleibt ein Nothbehelf und – – –

12 [96]

M<eine> Brüder! Verbergen wir es uns nicht! Die Wiss<enschaft> oder, ehrlicher geredet, die Leidenschaft der Erkenntniß ist da; eine ungeheure neue wachsende Gewalt, dergleichen noch nie gesehen worden ist, mit Adlersschwung, Eulenaugen und den Füßen des Lindwurms – ja sie ist schon jetzt so stark, daß sie sich selber als Problem faßt und fragt: "wie bin ich nur möglich unter Menschen! Wie ist der Mensch fürderhin möglich mit mir!"

12 [97]

Diese Leidenschaft der Erk<enntniß> fällt sich selber an, sie fragt nach ihrem Warum? Nach ihrem "Woher?" – und – – –

12 [98]

die Menschheit ist schlechter geworden

12 [99]

Das Gefühl moralischer Geringschätzung ist jetzt gewöhnlich!

12 [100]

ein Ungeheuer von Zeitenlänge, für das wir Spracharmen wieder kein Wort mehr bereit halten – wir müßten da sagen: eine kleine Ewigkeit von Zeit –

12 [101]

Hier bin ich dies lebende Muschelthier, unter all den Felsen am Gestade

12 [102]

Wer die Tragödie moralisch genießt, der hat noch einige Stufen zu steigen.

12 [103]

Die beste Musik ist wenig, wenn nicht ein Sänger, eine Sängerin uns durch Stimme und Kunst in sanfte Trunkenheit versetzt – und in diesem Falle wird geringe Musik unsäglich gehoben!

12 [104]

Sind diese Dinge denn wichtig? Ich gehe durch große Städte und finde Keinen der sie dafür halten würde – oder solche die es heucheln – von Berufs wegen. Wichtig ist aber, daß sie es nicht mehr wichtig nehmen! Savonarola in Florenz ist vorüber! ganz!

12 [105]

Der Bauende fragt: wer gilt dafür, den besten Geschmack als Baumeister zu haben? Dessen Geschmack will ich haben – und er gewöhnt sich daran, es wird sein Bedürfniß. So bekommen Städte endlich einen Geschmack

12 [106]

Das Glück, breite und langsame Treppe

12 [107]

Die Gedanken der Alten wirken ungeheuer, weil sich der Glaube an die Alten seit Jahrhunderten angesammelt hat. Meine Gedanken betreffen zu hohe und schwere Dinge als daß sie ohne den größten persönlichen Druck wirken können –

12 [108]

Wenn dieser M<ensch> nicht ein großer Tugendhafter wird, so wird er fürchterlich sein, sich und Anderen. Bei Anderen lohnt es sich nicht, wenn sie sich so heftig um die Tugend bemühen – sie werden durch ihre Mittelmäßigkeit sogar die Tugend um ihr Ansehen bringen.

12 [109]

Ist nicht Alles Alles bereit für diese Revolution? Die Lage ist zu schildern.

12 [110]

Paradoxie im Weibe und seiner Erziehung – sehr geheimnißvoll und interessant. – Diesen Sinn hat alle Moral

12 [111]

Es giebt keine Parteilichkeit für das Lebende oder gegen das Todte in der Natur. Wenn etwas lebend nicht erhalten bleibt, so ist kein Zweck verfehlt! der Charakter "nützlich" "zweckmäßig" ist accessorisch, menschlich

12 [112]

"Wenn Z<arathustra> die Menge bewegen will, da muß er der Schauspieler seiner selber sein"

„Zarathustra's Müssiggang ist aller Laster Anfang"

12 [113]

Giebt es denn in der ganzen Welt jetzt einen Menschen, der so wie ich am Meere sitzt und –

12 [114]

Genueser Müssiggang. Wenn ich recht beobachtet habe, so bin ich hier der einzige Müssiggänger.

12 [115]

Die Mittelstände streben mit allem Eifer die Arbeiter in ihre Lage zubringen: sind sie denn glücklicher?

12 [116]

An den eigentlichen Misojuden (wie W<agner> ist mir eher die Verwandtschaft mit dem jüdischen als die Unähnlichkeit aufgefallen – es ist eine ungeheure Eifersucht. Die Deutschen zerfielen jetzt in Juden und Misojuden, d. h. – – –

12 [117]

Eine neue Art Verdummung – durch die Lust am Thun und Unternehmen.

12 [118]

Ein M<ensch> mit bleichem Gesicht, tief gebückt über meinem Tische. Diese Vorstellung dauerte einen Augenblick: im nächsten nahm ich eine Katze wahr, ein paar Schritte weiter

12 [119]

Die Musik als die Kunst der Morgenröthe!

12 [120]

Was R<idard> W<agner> werth ist, das wird uns erst der sagen, der den besten Gebrauch von ihm macht. Einstweilen haben wir W<agner> geglaubt, was er gern geglaubt haben möchte

12 [121]

Chamfort in seiner Weise, der Einen Augenblick lachen, und viele Augenblicke nachdenken macht.

12 [122]

Veredelung der Prostitution

12 [123]

Zu Ehren der alten Frauen

12 [124]

in Deutschland, wo die besten Stimmen durch die häßliche Sprache ruinirt werden so daß zuletzt schöne Blasinstrumente übrig bleiben und nicht mehr –

12 [125]

Die Ehe hat das schlechte Gewissen gehabt – sollte man es glauben? Ja man soll es glauben

12 [126]

Meine Kunst, das Pathetische zu mildern und zu brechen.

12 [127]

Ich nehme mir die Freiheit, mich zu vergessen. Warum nicht widersprechen!

12 [128]

Du widersprichst heute dem, was du gestern gelehrt hast – Aber dafür ist gestern nicht heute, sagte Zarathustra.

12 [129]

Zum Äußersten bereit Alle Arten tapferer M<enschen> um – – –

ein unsägliches Wehgefühl, daß das Leben so wegfließt.

Eines Tages sagte ich mir: es kommt alles wieder, und dieser wundervolle Tropfen Schwermuth im Glücke des Eroberers ist vielleicht das Schönste.

Zu seinem jünger sagte er: "das ist die purpurne Schwermuth, die schönste Muschel, die du am Meere des Daseins auflesen kannst das Gefühl des nahen Abschieds, die Abendbeleuchtung der Dinge

für Könige

12 [130]

Du bist hart gegen dein früheres Ideal und die Menschen, mit denen es dich verband. – In der That, ich bin über sie hinweg gestiegen, um nach einem höheren Ideale umzuschauen. Es war eine Treppe für mich – und jene meinten, ich wolle mich auf ihr zur Ruhe setzen.

12 [131]

Man brachte 2 Jünglinge zu Z<arathustra>. "dieser wird jede Sache mittelmäßig machen – dieser wird nicht wehethun wollen, er ist nicht heroisch-grausam genug."

12 [132]

Nicht Gattungs- sondern Heerden-Egoismus

12 [133]

barbarisch, gerade die Schwäche einer Sache zu nehmen, das Gegentheil, eine Sache so zu nehmen, daß man an Stelle ihrer Schwäche die eigene Stärke zu stellen weiß und sie so beschenkt

12 [134]

die furchtbaren Schreie Zeichen Rätsel alles womit die Verdauung der Menschheit nicht fertig wird, – der " Koth des Daseins" ist der fruchtbarste Dünger gewesen

12 [135]

Wer viel siegt, muß viel Gegner gehabt haben. Alle unsere Kräfte wollen fortwährend kämpfen. Die Moral will: zu allererst Gegner! und Krieg!

12 [136]

Wie vielen edlen und feinen Ziegen bin ich auf Reisen begegnet! sagte Z<arathustra>.

12 [137]

Verdi ist arm an den Erfindungen schöner Sinnlichkeit und läßt gar noch merken, daß er äußerst sparsam mit ihnen umzugehen hat. Aber er hält sein Publikum mit seinen paar Einfällen fest – sie sind alle ärmer geworden wie er und wollen trotzdem nichts anderes, ganz wie er – so ist er ihr Mann und Meister. Auch W<agner> hat eine arme Sinnlichkeit und eine in Bezug auf Melodie an's Verrückte streifende Widerspenstigkeit in der Armut – aber wie hat er daraus sich eine Brücke zum Ideal zu bauen gewußt!

12 [138]

W<agners> Musik gleicht der Wolke – und man muß von der Art der Rosenkranz und Güldenstern sein, um, gleich einigen Äesthetikern, in dieser Wolke ein Kameel zu sehen und nicht mehr

12 [139]

Von den deutschen Dichtern hat Clemens Brentano am meisten Musik im Leibe

12 [140]

Heroismus ist die Kraft, Schmerz zu leiden und zuzufügen.

12 [141]

Der Stoicismus im gefaßten Ertragen ist ein Zeichen gelähmter Kraft, man stellt seine Trägheit gegen den Schmerz auf die Wage – Mangel an Heroismus, der immer kämpft (nicht leidet) der den Schmerz "freiwillig aufsucht".

12 [142]

"Wie ertrug ich nur bisher zu leben!" auf dem Posilipp als der Wagen rollte – Abendlicht

12 [143]

Es liegt wenig an Menschen, welche einen Gruß auf der Straße eher erwidern als sie die Person erkennen

12 [144]

den Thee oder sein Wasser " mediterranisiren" (durch Orangenwasser)

12 [145]

Jener Kaiser hält sich beständig die Vergänglichkeit aller Dinge vor, um sie nicht zu wichtig zu nehmen und ruhig zu bleiben. Auf mich wirkt die Vergänglichkeit ganz anders – mir scheint alles viel mehr werth zu sein als daß es so flüchtig sein dürfte – mir ist als ob die kostbarsten Weine und Salben ins Meer gegossen würden.

12 [146]

Wenn unser Glück uns nicht verleumden soll, müssen wir sichtbare Gebrechen an uns tragen.

12 [147]

Edel: in wiefern ein anderes Maaß des Moralischen als das des Mitleids? Der Höhere – der Grad von Verachtungsfähigkeit

Man kann fragen: war die Moral ein Mittel der Veredelung des Menschen? Was ist da Veredelung"? Eine feinere Art der Moralität selber? – „ Höher von sich denken"? –

vorausverkündende Verbrechen

12 [148]

Ohne das Gefühl "ich bin verantwortlich" – was wird aus dem Menschen? Ohne den Glauben an das Gewissen – was wird aus ihm? Denn er kann Gewissensbisse haben, aber skeptisch gegen sie sein, wie gegen andere Triebe, die sich regen

12 [149]

Wallfahrten als die Badereisen der Armen – und die Kirchen ihr Pallast und ihre Vornehmheit

12 [150]

Inschrift des Dichters-Zimmers

12 [151]

der gedankenreichste Autor dieses Jahrh<underts> ist bisher ein Amerikaner gewesen (leider durch deutsche Philosophie verdunkelt – Milchglas)

Drei Irrthümer 1) die Vergeltung – – –

12 [152]

Goethe der auch über seine Leidenschaften Buch führt.

12 [153]

Ich gehe immer noch allem Leuchtenden nach – und du legst die Hand über die Augen, wenn du aussiehst.

12 [154]

Ich schwimme auf der obersten Welle.

12 [155]

Übler Geruch ein Vorurtheil. Alle Aussdeidungen ekelhaft – warum? Als übelriechend? Warum übel? sie sind nicht schädlich. Speichel Schleim Schweiß Same Urin Koth Hautreste, Nasenschleimhäute usw. Es ist unzweckmäßig! – Der Ekel mit der Verfeinerung zunehmend. Die Verrichtungen, die daran sich knüpfen, auch ekelhaft. – Ekel als Brechreiz zu verstehen: die Ausscheidungen erregen den Reiz, die Nahrung auszuscheiden unverdaut (wie ein Gift) Urtheil vom Standpunkte der Genießbarkeit aus: dies ist nicht zu essen! Grundurtheil der Moral.

12 [156]

Solche welche das Alter, gleich einem edlen Wein, immer geistiger und süßer macht – Menschen wie Goethe und Epikur – denken auch an ihre erotischen Erlebnisse zurück.

12 [157]

Hier schwieg Z<arathustra> von Neuem und versank in tiefes Nachsinnen. Endlich sagte er wie träumend: "Oder hat er sich selber getötet? Waren wir nur seine Hände?"

12 [158]

Um die Schönheit dieser Frau ganz zu sehen, muß man sie mit schwachen Augen ansehen: um aber ihren Geist ganz zu sehen, wird man das schärfste Augenglas anwenden müssen – denn sie verbirgt ihn aus Eitelkeit in ihrem Gesichte, so weit er nur zu verbergen ist: denn Geist macht Frauen alt.

12 [159]

Glück, o Glück, du schönste Beute,
immer nah, nie nah genung,
immer morgen, nur nicht heute, –
ist dein Jäger dir zu jung?
Bist du wirklich Pfad der Sünde,
aller Sünden
lieblichste Versündigung

12 [160]

Jedes Ding an jedem Dinge meßbar: aber außerhalb der Dinge giebt es kein Maaß: weshalb an sich jede Größe unendlich groß und unendlich klein ist.

Dagegen giebt es vielleicht eine Zeiteinheit, welche fest ist. Die Kräfte brauchen bestimmte Zeiten, um bestimmte Qualitäten zu werden.

12 [161]

ich würde mich nicht vermissen!

12 [162]

Die Morgenröthe hat geleuchtet – aber wo ist die Sonne? Dieser Tag wird Sturm bringen – Sturmwolken ziehen um den Horizont.

12 [163]

der einfachste Organismus ist der vollkommene – alle complicirteren sind fehlerhafter und unzählige der höheren Art gehen zu Grunde. Heerden und Staaten sind die höchsten uns bekannten – sehr unvollkommenen Organismen. Endlich entsteht, hinter dem Staate, das menschliche Individuum – das höchste und unvollkommenste Wesen, welches in der Regel zu Grunde geht und die Gebilde aus denen es entsteht zu Grunde richtet. Das ganze Pensum der Heerden- und Staatentriebe ist in seinem Innern concentrirt. Er kann allein leben, nach eigenen Gesetzen – er ist kein Gesetzgeber und will nicht herrschen. Sein Machtgefühl schlägt nach innen. Die sokratischen Tugenden!

12 [164]

Trost für die welche zu Grunde gehen! ihre Leidenschaften als ein unglückliches Lotterieloos betrachten. Sehen, daß die meisten Würfe mißlingen müssen, daß das Zugrundegehen so nützlich ist als das Werden. Keine Reue. Selbstmord abkürzend.

12 [165]

Ein Wort für die, welche an Gott glauben – sie mögen erwägen, ob ein Gott die Vernichtung von irgend etwas wollen kann oder überhaupt kann – ob dies nicht eben das göttliche Unvermögen ist

12 [166]

Die Gehirn-Unruhe, welche der Wein – und sei es ein Eßlöffel voll bei mir hervorbringt, ist mir unausstehlich.

12 [167]

Jugend hat keine Tugend

12 [168]

Es könnte noch immer eine Musik kommen, gegen welche die ganze Wagnerische Kunst unter den Begriff und die Rechtfertigung des recitativo secco fiele: und der welcher der sublimen Frage nach der Moralität der Musik nachhängt, wird auch jene Möglichkeit in Betrachtung zu ziehen haben.

12 [169]

Feindschaft Machtgelüst Grausamkeit Neid Rache Spott- und Tadelsucht Lüge Hang zur Wollust und zum Besitz

12 [170]

Voltaires edler Anstand und Zierlichkeit

12 [171]

Malherbe sagt zu seinem Beichtvater, der ihm von der Seligkeit in plumpen und niedrigen Wendungen sprach: "Genug! lassen wir das! Ihr schlechter Stil macht mir Ekel."

12 [172]

Jener Indier, welcher sich in den Kopf gesetzt hatte, wenn er seinen Urin abschlage, werde er ganz Disnajan unter Wasser setzen.

12 [173]

"diese gegenwärtige Brücke ist allhier gebaut worden" ländliche Einfalt

12 [174]

Freundschaft – verschieden von der Liebe

12 [175]

Der Cardinal Richelieu wollte gern heilig gesprochen werden

12 [176]

Von wem hast du das Alles gelernt, fragte Saadi einen weisen Mann. "Von dem Blinden, der den Fuß nicht eher in die Höhe hebt, als bis er zuvor den Boden, auf den er treten soll, mit dem Stocke untersucht hat"

12 [177]

Posilipp und all die Blinden, denen das Auge geöffnet wird.

12 [178]

Meine Gedanken sollen mir anzeigen, wo ich stehe, aber sie sollen nicht mir verrathen, wohin ich gehe – ich liebe die Unwissenheit um die Zukunft und will nicht an der Ungeduld und dem Vorwegnehmen verheißener Dinge zu Grunde gehen.

Ich falle, bis ich auf den Grund komme – und will nicht mehr sagen: "ich forsche nach dem Grunde!"

Meine unsichtbare Natur ist vielleicht im Grunde weitsichtig und langathmig: mein Geist aber ist vielleicht zu kurz für sie, er errafft mit schnellem Blicke einige ihrer letzten Zipfel und kann nicht satt werden; sich über deren Buntheit und scheinbaren Unverstand zu wundern.

12 [179]

"aus diesem Kelche schäumt Unendlichkeit".

12 [180]

Sophokles giebt oder schafft jeder Person Recht.

12 [181]

Ich habe nicht Kraft genug für den Norden: dort herrschen die schwerfälligen und künstlichen Seelen, die so beständig und nothwendig an Maßregeln der Vorsicht arbeiten als der Biber an seinem Bau. Unter ihnen habe ich meine ganze Jugend verlebt! das fiel über mich her, als ich zum 1. Male den Abend über Neapel heraufkommen sah, mit seinem sammtnen Grau und Roth <des> Himmels – wie ein Schauder Mitleid mit mir, daß ich mein Leben damit anfieng, alt zu sein, und Thränen und das Gefühl, noch gerettet zu sein, im letzten Augenblick.

ich habe Geist genug für den Süden

12 [182]

Ein M<ensch> der ohne alle Liebe und Theilnahme an Anderen ist, ist in meinen Augen einer, der nicht erwerben will, sich einen Genuß verbietet oder der Klugheit ermangelt, es fehlt ihm an Abwechslung, ein armer M<ensch>

12 [183]

Züchtung der Griechen.

Die Männer schöner als die Frauen.

12 [184]

Grillparzer: "Schiller geht nach oben, Goethe kommt von oben"

Unterscheidung der höheren Naturen

12 [185]

Spencer meint, das eigentlich Moralische sei, die wirklichen natürlichen Folgen einer Handlung in Betracht zu ziehen – nicht Lob Tadel Strafe. Aber dies "in Betracht ziehen" war unmoralisch! Die That wird gethan, was dabei auch herauskommt! – Die Rücksicht auf die gesammten Folgen einer That ist nie bisher verlangt worden – und wer sie verlangte, würde die Menschen stille stehen machen. Die Folgen sind unsäglich und unerforschlich: die nächsten Folgen würden durch die ferneren überwogen werden: jedes Verbrechen ließe sich so begründen.

12 [186]

Das Individuum war lange " unmoralisch" – es versteckte sich folglich, z. B. das Genie (wie Homer) unter dem Namen eines Heros. Oder man machte einen Gott verantwortlich.

12 [187]

"Der höhere Mensch mehr werth als der erkennende, der gemein und dumm sein kann. Es liegt nichts an den Leistungen. Als Werkzeug und Funktion ist der Mensch am werthvollsten – die Genie's sind selten."

12 [188]

Man übt sich, lange bevor man weiß, was man später einmal zu sagen hat, die Gebärde, die Haltung, den Stimmklang, den Stil ein, welcher dazu am besten sich eignet: die aesthetischen Triebe und Vorneigungen der Jugend sind die Ankündigungen von etwas, das mehr als aesthetisch ist. Seltsam!

12 [189]

Wir wollen es nicht machen, wie Wagners Wotan, der mit ungeheurer Wichtigkeit die alte Erda aus ihrem Schlafe weckt, um ihr zu sagen, daß sie weiter schlafen könne. Und auch nicht wie Wagners Parsifal – ein Arzt, der zwar seine Patientin heilt, doch so daß diese gleich nach der Heilung stirbt – und zwar mit rückwirkender Kraft; denn irgend ein alter Großvater muß auch deshalb noch sterben. Ja, wir wollen Aufwecker und Ärzte sein, doch so daß die Aufgeweckten nicht wieder einschlafen müssen und die Geheilten nicht an der Heilung zu Grunde gehen.

12 [190]

Lob Voltaires

12 [191]

Welches Erstaunen macht mir M<arc> Aurel und welches Grazian!

12 [192]

Eine ganz andere Aeternisirung – der Ruhm geht in einer falschen Dimension vorwärts. Wir müssen die ewige Tiefe hinein legen, die ewige Wiederholbarkeit.

12 [193]

Irren wir nicht im oeden All umher?

12 [194]

Die lange Liebe ist deshalb möglich – auch wenn sie glücklich ist – weil ein Mensch nicht leicht zu Ende zu besitzen, zu Ende zu erobern ist – es thun sich immer neue, noch unentdeckte Gründe und Hinterräume der Seele auf, und auch nach diesen streckt sich die unendliche Habsucht der Liebe aus. – Aber die Liebe endet, sobald wir das Wesen als begrenzt empfinden.

Der Conflikt der langen und der kurzen Leidenschaft entsteht, wenn der Eine den Anderen zu Ende zu besitzen glaubt und der Andere noch nicht – da wendet jener sich ab, entzieht sich und reizt nun durch die Ferne den Anderen noch mehr auf, neue Werthe zu suchen – zuletzt oft mit dem Entschluß, ihn lieber zu tödten, als einen Anderen in den Besitz kommen zu lassen. – Glücklicherweise haben die Dinge keine Seele; sonst sähen wir fortwährend diesen Conflikt: und die Natur, wenn sie den unendlichen M<enschen> wirklich geliebt hätte, würde ihn längst aus Liebe aufgezehrt haben – sei es auch nur um ihn nicht z. B. einem Gotte zur Beute zu lassen.

12 [195]

Zu jeder Moral gehört eine gewisse Art von Analyse der Handlungen: jede ist falsch. Aber jede Moral hat ihre Perspektiven und Beleuchtungen – ihre Lehre von den "Motiven".

12 [196]

"Jeder thue, was er für Pflicht hält" – damit hätten wir den Rückschritt und Stillstand.

12 [197]

Man nennt es Erkennen: in Wahrheit geht der lieb<ende> Mensch – – –

12 [198]

Nichts ist weiser als ein Sprüchwort – sagte der Seeigel, als ihn die Sonne stach: da machte er davon sofort fünfundzwanzig.

12 [199]

Der gute Mensch

 

  1. der seine (legale) aber auch 1. der seinem Herzen folgt Pflicht thut
  2. der Tapfere 2. der Milde Versöhnliche
  3. der Sich selber 3. der mit guter Natur, beherrschende ohne Zwang
  4. der pietätvolle 4. der Wahrheitsfreund
  5. der fromme 5. der sich-selber gehorchende
  6. der Vornehme, Edle 6. der nicht-verachtende
  7. der gutmüthige 7. der Kämpfe- und Siegbegierige.

immer auch der Gegensatz dazu ist gut genannt worden

12 [200]

Verachtung des Schauspielers (wirkt auf ihn zurück, selbst auf Shakespeare, Voltaire Befreier.

12 [201]

so lange wir jung sind und unser selber noch nicht gewiß, ist die Gefahr nicht gering, daß uns die Wissenschaft durch die Wissenschaftlichen verleidet werde – oder die Kunst durch die Künstler – oder gar das Leben durch uns selber.

12 [202]

Gott

Wir haben ihn mehr geliebt als uns und ihm nicht nur unseren "eingeborenen Sohn" zum Opfer gebracht.

Ihr macht es euch zu leicht, ihr Gottlosen! Gut, es mag so sein, wie ihr sagt: die Menschen haben Gott geschaffen – ist dies ein Grund, sich nicht mehr um ihn zu kümmern? Wir haben bisher umgekehrt geschlossen, Gott, weil er die – – –

Ach Freund, was haben denn die Menschen seit Jahrtausenden gethan als sich um ihren Gott gekümmert usw. Wenn er nun trotzalledem nicht leben kann, und keine Nahrung ihn mehr bei Kräften erhält -: so – – –

12 [203]

Das war ein stolzer Mensch! "Lieber sterben als einen Wohlthäter haben" – sprach's und sprang ins Wasser. Eine halbe Stunde später hatte er einen Wohlthäter und lebte: ein armer Arbeiter war ihm nachgesprungen und hinderte ihn zu sterben.

12 [204]

Logik im Diebstahl. Dieb sein können. – Jeder kauft so billig als er kann: d. h. Jeder bestiehlt seinen Nächsten, so lange als es dieser sich eben gefallen lassen muß.

12 [205]

Ich stehe still, ich bin auf einmal müde. Voran, scheint es, geht es abwärts, blitzschnell, in irgend einen Abgrund – ich mag nicht hinsehen. Hinter mir ragt das Gebirge. Ich greife zitternd nach einem Halt. Wie! ist alles um mich plötzlich zum Gestein und Absturz geworden? Hier dies Gesträuch – es zerbricht in meiner Hand und vergilbte Blätter und ärmliche Würzelchen rieseln abwärts. Mich schaudert und <ich> schließe das Auge. – Wo bin ich? Ich sehe in eine purpurne Nacht, sie zieht mich an sich und winkt mir – wie ist mir doch? was geschah, daß die Stimme dir plötzlich versagt und du dich wie verschüttet fühlst unter einer Last trunkener und undurchsichtiger Gefühle? Woran leidest du jetzt? – ja ich leide – das ist das rechte Wort! – Welcher Wurm biß mich ins Herz?

12 [206]

Ich dachte an das Zeitalter als ich heute einen Menschen sah, der vor einem plötzlich dahinrollenden Wagen mit einem Entrechat auswich,

12 [207]

Die Beängstigungen einer feigen furchtsamen und argwöhnischen Seele, die Unfähigkeit, irgend einen boshaften Einfall zurückzuhalten, wenn er Geist hatte, machen die Komödie in R<ousseau>'s Leben aus.

12 [208]

Ich bin am verbindlichsten gegen Leute, die mich sehr gut kennen (mich selber eingerechnet): gegen einen Fremden bin ich vorsichtig, bis er meiner Vorgebirge und Klippen gewahr geworden ist: ich will nicht, daß er sich an mir stoße und sich über sich selber dabei verdrieße.

12 [209]

12 [210]

Nun, ich wüßte schon eine Kur für einen so leckerhaft gewordenen Gaumen! – Die wäre? – Er sollte einmal eine Kröte verschlucken. Darauf würden ihm schon so gute Dinge, wie das Lob ist, auch wieder gut schmecken!

12 [211]

Die Verteidiger der Vorurtheile müssen sehr viel Geist haben, wenn sie nicht an diese Vorurtheile glauben – und hat einer so viel davon, so bekämpft er gewöhnlich die Vorurtheile.

12 [212]

Letzte Klugheit. Er fürchtet den Neid der Götter und der Guten: er versteht sich darauf, sein Verdienst durch seine Thorheiten in Frage zu stellen und dergestalt wieder gut zu machen.

12 [213]

Ego als gefühlter Gegensatz der Heerde (Selbst – Heerde) und das Heerdenstück-Gefühl, welches sich nicht zu unterscheiden vermag vom Interesse der Heerde – nicht zu verwechseln!

12 [214]

Die Menschen werden so reich, weil die Dinge nicht so viel werth sind, die ihnen gefallen, – sie sind nicht erfinderisch in der Freude.

12 [215]

Wer du auch sein magst, geliebter Fremdling, dem ich hier zum ersten Male begegne: nimm diese frohe Stunde wahr und die Stille um uns und über uns und laß dir von einem Gedanken erzählen, der vor mir aufgegangen ist, gleich einem Gestirne und der zu dir und zu Jedermann hinunterleuchten möchte, wie es die Art des Lichtes ist.

12 [216]

Für diesen Gedanken wollen wir nicht 30 Jahre Gloria mit Trommeln und Pfeifen und 30 Jahre Todtengräberarbeit und dann eine Ewigkeit der Todtenstille, wie bei so vielen berühmten Gedanken.

Schlicht und fast trocken, der Gedanke muß nicht die Beredtsamkeit nöthig haben.

Merkst du nicht – es wird plötzlich stille stille, stille um dich –

12 [217]

Grausamkeit ist das Heilmittel des verletzten Stolzes.

12 [218]

Der Irrthum beim Gelobtwerden besteht darin, daß der, welcher gelobt wird, dem Worte des Lobenden seinen Begriff dieses Wortes unterlegt und nicht den des Lobenden, – den er ja zumeist gar nicht kennen kann. Gewöhnlich aber ist der Begriff im Kopfe des Lobenden etwas viel Geringeres Matteres Ärmeres als im Kopfe des Gelobten: so daß der letztere sich oft genug sehr verdrießen müßte zu wissen, was eigentlich an ihm und seinem Werke gelobt worden ist.

12 [219]

Der Magen, moralisch beschrieben

Themata vorschlagen.

12 [220]

*           *
*

Es sind vorläufige Abrechnungen mit dem, was mich am meisten im Leben gehemmt und gefördert hat, Versuche, von Einigem loszukommen, dadurch daß ich es verunglimpfte oder verherrlichte (- ach, die Dankbarkeit im Guten und Bösen hat mir immer viel zu schaffen gemacht!

So weit ich etwas von meinen Zeitgenossen weiß, habe ich von Schopenhauer und Wagner den besten Gebrauch gemacht: vielleicht nicht zu ihrem Vortheil, denn ich habe sie um einen Zoll zu tief kennengelernt.

Ich könnte sie Juvenilia et Juvenalia nennen, deutlich genug wie ich meine, aber in einer Latinität, welche mich erröthen macht. Viel Jugendliebe und Jugendhaß ist darin, in allen Arten.

Geburt der Tragödie

1) gegen Wagner's Satz "die Musik ist Mittel zum Zweck" und zugleich Apologie meines Geschmacks an Wagner

2. gegen Schopenhauer und die moralische Deutung des Daseins – ich stellte darüber die aesthetische, ohne die moralische zu leugnen oder zu ändern.

12 [221]

Köselitz: Eckermann über Voltaire "zu vornehm war er – – –

12 [222]

Es ist die alte Geschichte
„Wenig Wolle und viel Geschrei",
so meinen solche, sie kommt zu Gesichte –
Wie's geschieht, zwei Mal oder drei.

12 [223]

Incipit tragoedia.

12 [224]

"Musiker Dichter Denker et hoc

genus omne."

Gelegenheiten Beobachtungen und Fragen von F. N.

12 [225]

Zarathustra's Müssiggang.

Von F. N.

flüssig feurig glühend – aber hell:

das letzte Buch –

es soll majestätisch und selig einherrollen. – So sprach Z<arathustra> „ ich klage nicht an, ich will selbst die Ankläger nicht anklagen"

12 [226]

Von dem Augenblicke an, wo dieser Gedanke da ist, verändert sich alle Farbe, und es giebt eine andere Geschichte.

12 [227]

Stellen des Glückes zu sammeln z. B. Em<erson>

12 [228]

Philosophie des Überflüssigen. Gegen die Aufopferung als schädlich auf die Dauer.

12 [229]

Colonie – Corruption.

12 [230]

Form nur fürs Auge.

12 [231]

Friedrich Nietzsche

am Ende seines zweiten Aufenthalts in Genua.

[lux mea crux]

[crux mea lux]


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