Richard Muther
Geschichte der Malerei. IV
Richard Muther

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6. Velasquez

Ein Jahr nach Zurbaran wurde Velasquez geboren, und vielleicht verknüpft auch geistig gerade diese beiden das engste Band. Die meisten anderen Spanier schwelgten in tragischem Schmerz und wilder Verzückung. Bei Velasquez wie bei Zurbaran giebt es nichts Schwüles. Ihr Grundzug ist eine königliche Ruhe, ihr Unterschied nur, daß von den beiden Säulen des spanischen Staatswesens, Kirche und Grandentum, in Zurbarans Werken mehr die kirchliche, in denen des Velasquez mehr die ritterliche sich spiegelt.

Auch Velasquez hat Kirchenbilder gemalt. Es giebt eine Anbetung der Hirten von ihm und eine Anbetung der Könige, einen Crucifixus und eine Krönung der Maria. Er hat Landschaften gemalt, Historien wie die Uebergabe von Breda, antike Bilder wie die Borracchos und die Schmiede des Vulkan, den Mars und die Venus. Trotzdem denkt man wenig an diese Werke, wenn der Name Velasquez genannt wird. Man denkt an seine Porträts. Velasquez ist für uns der Hofmaler par eccellence. Der ganze entnervte, durch Familienheiraten degenerierte spanische Hof des 17. Jahrhunderts starrt aus seinem Werk wie aus einem Hexenspiegel entgegen. Kein Porträtmaler der Welt hat, scheint es, ödere Aufgaben gehabt. Während bei Tizian und Rubens Fürsten mit Gelehrten und Künstlern, schöne Frauen mit Feldherren und Staatsmännern wechseln, kehren bei Velasquez in ermüdender Gleichförmigkeit immer dieselben Gestalten wieder. Obwohl seine Thätigkeit in Madrid 36 Jahre währte, malte er kaum ein Bild, das nicht vom König bestellt war. Zwei Reisen, die er 1629 und 1648/51 nach Italien machte, waren die einzigen Ereignisse, die ihm zeigten, daß es eine Welt außerhalb des Madrider Königsschlosses gab. Dieselben Mauern, die den Alcazar vom profanum volgus scheiden, umgrenzen seine Kunst. Und innerhalb dieser Mauern geschah so wenig wie in den Bergschlössern Ludwigs II. Selten sind fremde Fürstlichkeiten zu Gast. Von Würdenträgern, die bei Hofe erscheinen, ist außer dem Minister Olivares fast der einzige der Kardinal Gaspar Borgia, der 1636 in die spanische Hauptstadt zurückkam, nachdem er durch zelotisches Wesen sogar in Rom sich unmöglich gemacht. Sonst liebte Philipp IV. mehr mit Subalternen zu verkehren, an denen er hing wie der Herr am Hund. Seine Jägermeister, stramme Oberförster und Forstgehilfen, waren ihm lieber als Minister; die Zwerge und Narren lieber als Vernünftige. Es war so lustig, diese komischen alten Käuze mit Onkel und Vetter anzureden, so erhebend, neben einem blödsinnigen kleinen Ungeheuer die Gottähnlichkeit der Majestät zu fühlen.

Das sind also die Persönlichkeiten, die Velasquez zu malen hatte. Man sieht in dutzendfachen Varianten das bleiche, kalt phlegmatische Gesicht des Königs, sieht die Brüder Philipps IV., Carlos und Ferdinand, Männer mit schmächtigen, blassen Gesichtern, langem habsburgischem Kinn und vorstehender Unterlippe, schlaffe, müde, ausdruckslose Gestalten, die schon alt waren, als sie geboren wurden; sieht Balthasar, den Kronprinzen, bei dessen Geburt Seine Majestät »so freundlich und content war, daß er alle Thüren öffnen und jedermann hineingelassen, derart, daß auch die gemeinen Sesselträger und Küchenbuben Ihro Majestät in ihren innersten Gemächern Glück gewünscht und die Hand zu küssen begehrt und solches allergnädigst erlangt«. Weiter folgt der Minister des Königreiches, der Herzog Olivares, ein paar Jägermeister und die sinistre Reihe der Narren. Einer ist als türkischer Wüterich ausstaffiert. Einem anderen hat man den Spitznamen Don Juan d'Austria, des Großoheims Seiner Majestät, gegeben. Ein dritter steht auf der Bühne, um einen seiner Schwänke vorzutragen. Einer der Zwerge, der eine mächtige Hündin zur Seite hat, ist als vlämischer Grandseigneur kostümiert. Ein anderer, mit einem riesigen Folianten, beschäftigt sich mit genealogischen Studien. Einer grinst blödsinnig. Einer mit ungeheurem Wasserkopf blickt schlaftrunken aus leeren Augen. Und so wenig die Männer interessant, sind die Frauen schön. Sowohl Isabella von Bourbon und Marianne von Oesterreich, wie die Prinzessinnen Maria Theresia und Margarete gleichen in ihrem ungeheuerlichen Kostüm mehr chinesischen Pagoden als lebenden Wesen. Weder Koketterie giebt es noch Anmut, weder Schalkhaftigkeit noch freundliches Lächeln. Alles ist eisigem Stolz, unerbittlichem Ceremoniell geopfert. Wer den Blick zurückgleiten läßt in die Vergangenheit, sich der himmlisch schönen Weiber erinnert, die aus den Bildern der Venetianer uns anschauen, fühlt vor den Werken des Velasquez sich in eine Welt unheimlicher Phantome versetzt.

Wie kommt es, daß man trotzdem das Porträt-Werk des Velasquez mit heiligem Schauer durchblättert? Daß, wenn man von ihm kommt, Rubens als Plebejer, van Dyck als parvenuhafter Geck erscheint?

Viel trägt zu dem imposanten Eindruck schon bei, daß bei Velasquez eine so fest umgrenzte Welt sich darbietet. Bei anderen Porträtisten wechseln die Eindrücke. Bald weilt man in der Gelehrtenstube, bald im Ballsaal, da auf dem Schlachtfeld, dort im Boudoir. Hier hat man das Gefühl, in einem weiten, einsamen Königsschloß zu stehen, dessen Parkettboden der Plebejer nur in Filzsocken betritt, einem Königsschloß, wo uralte Ahnenbilder ernst von den Wänden herniederblicken und greise Diener in goldgestickter Livree lautlos über weiche Teppiche schreiten.

Auch das Pathologische all dieser Menschen giebt ihren Bildnissen einen seltsamen Zauber. Sowohl die Bourbons wie die Stuarts, die auf den Bildnissen Rigauds und van Dycks erscheinen, sind noch vollblütig, gesund und kräftig. Sobald der Leibarzt eine Verdünnung der Säfte feststellte, haben sie aus einem fremden Fürstenhaus eine gesunde Amme geheiratet, die dem Stamm neues Lebensblut zuführte.

Die spanischen Habsburger, die sich durch jahrhundertelange Inzucht marode gemacht, sind fein und nervös, bleich und mager, von jener gebrechlichen Zartheit, die sich bei uralten Geschlechtern in den letzten Erben vorfindet, mit denen der Stamm ausstirbt. Es liegt etwas Fascinierendes in der Verbindung der zwei Faktoren, aus denen diese Charaktere sich zusammensetzen: Krankheit und Ritterlichkeit, Verfall und erzwungene Willensstärke, schlappe Blasiertheit und die Gewohnheit der Anspannung. Alle sind sie müde und haben doch keine Zeit, müde zu sein. Alle möchten sie sitzen, und der Herrscherberuf erlaubt kein Sichgehenlassen. Nur Velasquez hatte Kinder zu malen mit so seidenartigem, aschblondem Haar und so großen, blauglänzenden Augen, die, während sie uns anblicken, sagen, daß das nächste Jahr ihr Todesjahr sein wird. Gerade weil seine Helden so fahle, entnervte, blutlose Menschen sind, wirken seine Bildnisse so überfeinert aristokratisch inmitten einer Zeit, die noch so kräftig war.

Weiter kann darauf hingewiesen werden, daß die Bildnisse des Velasquez anderen Zwecken als die Repräsentationsbilder des 17. Jahrhunderts dienten. Schon Ludwig XIV. war in gewissem Sinn ein demokratischer König, der – nicht zum Volk zwar – doch zu den »Edelsten der Nation« herabstieg. Er hielt es für nötig, durch Glanz zu imponieren, lebte nach außen, zeigte sich leutselig. Es war ihm schon in seinem Gottesgnadentum bange. An den Grundpfeilern der spanischen Monarchie rüttelten solche Mächte noch nicht. Philipp IV, wäre, wenn er von einer Unzufriedenheit seines Volkes gehört hätte, ebenso erstaunt gewesen, wie der gute Kaiser Franz, als er 1848 auf die Meldung seines Adjutanten, es sei Zeit zum Fliehen, denn das Volk stürme die Hofburg, die überraschte Antwort gab: »Ja, dürfen s' denn dees?« Für die Habsburger giebt es weder Volk noch Aristokratie. Sie sind noch Fürsten, denen der Minister knieend Vortrag hält, Fürsten, die unsichtbar über dem Volke schweben. Wohl war der spanische Hof der kostspieligste Europas. Die Livreen der Diener allein kosteten im Jahr 130 000 Dukaten. Aber diese Ausgaben geschahen nicht zum Zwecke der Repräsentation. Sie waren selbstverständliche Dinge, die sich ein König leistet. Er lebt in seinem Palast. Die langen Gänge des Alcazar gestatten ihm, unsichtbar zwischen den entferntesten Punkten des Schlosses zu verkehren. Wenn er ausnahmsweise den Fuß auf den plebejischen Boden der Außenwelt setzt, vermeidet er die »Hurracanaille«, sorgt dafür, daß ihn niemand sieht, läßt höchstens irgendwo sein in großen Buchstaben gemaltes Monogramm »Jo el rey« zurück, damit die Leute wissen, daß Gott allgegenwärtig ist. »Der spanische Hof«, sagt ein gleichzeitiger Schriftsteller, »ist kein Hof im Sinn des französischen und englischen; er ist ein Privathaus und führt ein abgeschlossenes Leben.«

Auch die Bildnisse des Velasquez waren also nicht bestimmt, von profanen Augen gesehen zu werden, hatten keine patriotische Mission zu erfüllen, nicht die Edelsten der Nation zu mahnen, daß über ihnen ein König schwebe. Sie waren Familienbilder, die an den Wänden des Alcazar, im Speisesaal entlegener Jagdschlösser hingen oder als Geschenke an die Verwandten in Wien geschickt wurden. Alles, was in anderen Ländern den höfischen Porträtstil kennzeichnet, war daher in Spanien nicht angebracht. Dort muß die Krone und das verschiedenste Beiwerk auf dem Tisch liegen, um kundzuthun, daß hier ein König steht. Bei den Habsburgern bedarf es dieser Insignien nicht. Jeder, der das Bild sieht, weiß: das ist mein Bruder Philipp, das mein Onkel Ferdinand, das meine Base Marianne. Dort geben sich die Fürsten leutselig, huldvoll, oder sie setzen sich in imposante Positur, bewegen demonstrierend die Arme, nehmen, wenn sie zu Pferd sind, die Attitüde des Feldherrn an, der sein Heer besichtigt. Die Habsburger haben das nicht nötig. Denn sie sind ganz unter sich. Weder brauchen sie durch Säule und Vorhang andeuten zu lassen, daß sie in Schlössern wohnen, noch brauchen sie ihre weiße Hand, ihre kostbare Toilette zu zeigen. Denn alle diese Dinge verstehen sich von selbst. Und Bühneneffekte, die man anwendet, um dem Volk zu imponieren, haben unter Verwandten keinen Zweck. Sie lassen sich malen in den Situationen, die für sie selbst die großen Momente des Daseins bedeuten: wenn sie Audienz erteilen – Gott weiß, welche Ueberwindung das kostet –, wenn sie in der Manège sind oder auf der Jagd. Ein Bild des Velasquez ist für sie dasselbe, wie für uns eine arme Photographie.

Man könnte nun sagen: also ist die Vornehmheit der Bildnisse des Velasquez gar nicht das Verdienst des Malers. Sie kommt auf Rechnung des Milieus. Doch wie wenig das zutreffen würde, zeigt ein Vergleich mit den Bildnissen, die Rubens während seines Aufenthaltes in Madrid von den gleichen Persönlichkeiten malte. Philipp IV., Isabella und Ferdinand sind dargestellt. Und man glaubt in der Münchener Pinatothek Menschen einer anderen Rasse gegenüberzustehen. Philipp, bei Velasquez blaß und müde, der welke Ast eines uralten, saftlosen Baumes, ist bei Rubens ein frischer, behäbiger Herr. Isabella, bei dem Spanier kalt und ernst, erscheint als liebenswürdige, glückstrahlende Dame. Der Kardinalinfant Ferdinand, dort ein bleicher, langaufgeschossener junger Mann mit matten, fiebergeröteten Augen, ist ein robuster, genußfroher Prälat. Und hätte van Dyck sie gemalt, so würden sie nicht so polizeiwidrig gesund, aber desto eitler und stutzerhafter sein. Philipp würde mit seiner blaugeäderten, schwindsüchtigen Hand kokettieren und die Pose eines Adonis annehmen. Isabella würde zeigen, daß ihre seidene Robe sehr wertvoll ist und ihr Taschentuch aus echten Brüsseler Spitzen besteht. Don Ferdinand, der Kardinal, würde empfindsam warmäugig, wie um schöne Frauen zu bethören, aus dem Bilde herausschauen. Es wäre etwas elegisch Weiches und Geckenhaftes, eine aufdringliche Vornehmheit in die Bilder gekommen. Rubens sowohl wie van Dyck hatten in diese hocharistokiatische Welt ganz fremde Züge hineingetragen. Velasquez konnte sie so vornehm sehen, weil er selbst zu ihr gehörte. Er lebte nicht nur inmitten des ältesten Adels von Europa, im Schlosse selbst, mit allen Ehrentiteln des Hofmannes überhäuft, sondern war auch einer altadeligen Familie entsprossen. So groß war sein Stolz auf einen alten Stammbaum, daß er seinen Vaternamen Silva, obwohl er zu den vornehmsten des Königreiches gehörte, ablegte und den seiner Mutter annahm, weil das der Name eines noch älteren Adelsgeschlechtes war. So sehr fühlte er sich als altspanischer Kavalier, als Hausmarschall Seiner Majestät, daß er beleidigt war, wenn er als Künstler betrachtet wurde. Nichts, was an das Fach erinnern könnte, ist seinem Selbstbildnis der Uffizien beigefügt. Keine Palette hat er, nicht den Malerblick. Eisig stolz, ritterlich vornehm, steif und ernst wie ein spanischer Grande schaut er herab. Und aus diesem Bestreben des Velasquez, für einen Hofmann, nicht für einen Maler zu gelten, ist überhaupt die Eigentümlichkeit seines Stils zu erklären. Er ist von den zünftigen Malern durch eine ähnliche Schranke getrennt, wie Goethe, der Staatsminister, von den armen Litteraten,

Die Thätigkeit des Künstlers besteht nach den gewöhnlichen Begriffen darin, die Wirklichkeit zur Schönheit zu verklären. Sie legen ihren Modellen nahe, sich von der einnehmendsten, gewinnendsten Seite zu zeigen, setzen oder stellen sie so, daß sich gefällige Linien ergeben, bestimmen das Kostüm, suchen durch malerische Attitüden die Bildnisse zu beleben. Als Maler lieben sie auch die Schönheit der Farbe. Rubens, als kräftiger Sanguiniker, spricht selbst in Bildnissen fortissimo, veranstaltet einen Farbenlärm mit blendenden, rauschenden Tönen, Rembrandt, als Meister des Helldunkels, bewegt sich in schummerigen, geheimnisvollen Harmonien, hat, als er die Nachtwache schuf, ein simples Regentenstück mit Märchenzauber umwoben. Oder sie fühlen sich als Virtuosen des Pinsels. Hals namentlich, als echter Sohn des kriegerischen Jahrhunderts, scheint mit dem Bewußtsein vor der Staffelei zu stehen, statt des Pinsels einen Husarensäbel zu führen.

Für Velasquez sind diese Dinge nicht vorhanden. Es gilt für ihn, was Nietzsche über Voltaire schreibt: »Ueberall, wo es einen Hof gab, hat er das Gesetz des Gut-Sprechens und damit auch das Gesetz des Stils für alle Schreibenden gegeben. Die höfische Sprache ist aber die Sprache des Höflings, der kein Fach hat und der sich selbst in Gesprächen über wissenschaftliche Dinge alle bequemen technischen Ausdrücke verbietet, weil sie nach dem Fache schmecken. Deshalb ist der technische Ausdruck und alles, was den Specialisten verrät, in Ländern einer höfischen Kultur ein Flecken des Stils.« Für Velasquez war alles, was den Spezialisten der Palette verraten konnte, ein Flecken des Stils.

Vor allen koloristischen Extravaganzen hat er instinktiven Abscheu. Weder hat er blendende Farben wie Rubens, noch Helldunkeleffekte wie Rembrandt, noch kennt er überhaupt eine interessante Beleuchtung. Er malt nur den kühlen Silberton des einfachen Tageslichtes. Seine koloristische Enthaltsamkeit ist so groß, daß in der Zeit der Asphaltmalerei von ihm gesagt wurde, er habe das Wesen der Farbe nicht begriffen, denn alle seine Bilder seien monochrom. Wie die Farbe, verleugnet er den Pinsel. Keine Skizze, nichts geistreich Improvisiertes giebt es von ihm. Wirken bei Hals die Pinselstriche wie Säbelhiebe, so merkt man bei Velasquez nichts von der Mache. Die Wirkung ist erzielt, ohne daß die Mittel sich verraten. Mit nichts, mit dem bloßen Willen pflege Velasquez seine Bilder zu malen, schrieb Mengs.

Auch sonst kennt er keine »künstlerischen Rücksichten«. Er fühlt sich als Offizier in der »Uebergabe Bredas«, und nichts kann ihn veranlassen, aus malerischen Gründen vom Exerzierreglement abzuweichen. Er fühlt sich als Oberlandjägermeister in seinen Jagdbildern und giebt daher keine freien Improvisationen wie Rubens, sondern streng historische Dokumente der Waidmannsthaten Philipps IV. Er fühlt sich als königlicher Stallmeister in seinen Reiterbildnissen und fragt deshalb gar nicht, ob eine Attitüde künstlerisch schön ist. Alles muß richtig sein, der Kritik des gewiegtesten Sportsmannes Stand halten: tadellos der Sitz der Reiter, die Gangart der Pferde so, daß nichts gegen die hohe Schule verstößt. Ebenso ist er in seinen Audienzbildern Ceremonienmeister, nicht Maler. Ueber seinem Schaffen schwebt kein Schönheitsideal, sondern das Reglement der spanischen Etikette. Er, der mehr als jeder Veranlassung gehabt hätte, ein Kostüm zu ersinnen, das ihm Freiheit und malerischen Schwung gestattete, hält sich nicht nur strikt an das Gegebene, sondern behandelt die Toilette mit einer fachmännischen Kenntnis, als sei er Vorstand der königlichen Civil- und Militärgarderobe gewesen. Noch weniger wird einer schönen Linie zu liebe von den Vorschriften des Hofmarschallamtes abgewichen. Mögen diese Bestimmungen unnatürlich sein – sein Ziel ist nur, dies Unnatürliche in denkbar größter Richtigkeit zu malen. Jeder Verstoß gegen die Satzungen des Hofceremoniells würde ihm als plebejische Geschmacklosigkeit erscheinen.

Aus diesem strengen Festhalten an der Hofetikette ergiebt sich die feudale Wirkung der Bilder. All die schönen Gesten, all die kunstvoll drapierten Vorhänge, die man auf anderen höfischen Bildnissen sieht, werden als billige Clichéschönheit empfunden. Eine unverfälschte aristokratische Schönheit herrscht bei Velasquez. Gerade weil er keine Künstlereinfälle in diese Welt des Uradels hineintrug, spiegelt in seinen Bildern das Wesen altspanischer Majestät so überwältigend sich wider. Sie scheinen Werke, die gar kein Einzelner, sondern der Geist des Royalismus geschaffen.


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