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10.

Es war endlich beschlossen worden, daß Leisegang am nächsten Tage für seinen Freund um die Hand der Madame Petermann anhalten sollte, und er begab sich zu ihr, um diesen Auftrag auszuführen. Was ihn dazu trieb, sich gern in diese Angelegenheit zu mischen und solchen Eifer für seinen Freund zu zeigen, kam nicht über seine Lippen, aber sein inniger Antheil daran schien sich noch vermehrt zu haben.

Lächelnd trat er bei der jungen Frau ein und begrüßte sie vertraulich und unbefangen. Nachdem er ihre Hand geküßt, einige Scherze gemacht und sie mehrmals »Gnädige Frau« genannt hatte, fing er plötzlich an, laut aufzulachen, und hielt nicht eher ein, bis sie ebenfalls ins Lachen gerieth.

Ich sehe jetzt, daß wir uns verstehen, sagte er dann. Aber habe ich nicht Recht, daß ich Sie grausam nannte?

Warum soll ich denn durchaus grausam sein? fragte sie.

Das fragen Sie! Sind Sie nicht gestern wahrhaft unmenschlich mit dem armen, im Irrgarten der Liebe umhertaumelnden Cavalier umgegangen?

Madame Petermann spitzte die Lippen zusammen. Von einem Cavalier, sagte sie dann, sollte man allerdings ein anderes Benehmen voraussetzen.

Wer kann für die Schüchternheit seiner Gefühle! antwortete Leisegang. Sagt nicht Göthe: Tritt den Frauen zart entgegen, Du gewinnst sie, auf mein Wort! Allerdings aber setzt er gleich darauf hinzu: Doch wer keck ist und verwegen, kommt vielleicht noch besser fort. –

Er ließ seine Augen listig blitzend auf der hübschen Wittwe ruhen und sprach dabei weiter:

Der große Dichter war auch ein großer Herzenskenner. Wilhelm war in Verzweiflung, als er erfuhr, Sie hätten seine Eltern verlassen, und doch wieder äußerst dankbar für Ihre Gnade und Güte, die so zart ihm über Beschämungen forthalf. Hätte ich ihn nicht zurückgehalten, er würde Ihnen nachgeeilt sein.

Sie haben ihn zurückgehalten! rief Madame Petermann.

Allerdings, denn was wäre daraus geworden! Dieser schüchterne Jüngling hätte zum zweiten Male sehr wahrscheinlich einige wenige, aber sinnlose Worte gestammelt und würde dann erröthend entflohen sein; geblendet von so vielen Reizen und gänzlich verwirrt von seinem Glücke.

Das Geberdenspiel, mit welchem der Finanzrath seine Worte begleitete, war so komisch, daß die junge Frau sich sehr daran belustigte.

Aber mein Gott! sagte sie, ich hätte nie geglaubt, daß Herr Frohlieb –

Ein solcher Pinsel sein könnte, lachte Leisegang. Das darf man auch durchaus nicht von ihm denken. Er ist ein vortrefflicher, junger Mann, der die größte Achtung verdient, äußerst ruhig, äußerst gelassen ist, nur Damen gegenüber leider von größter Blödigkeit und vollständigem Mangel an Selbstvertrauen. Darum eben sagte ich, Wilhelm muß eine kluge, feine Frau haben, die ihm den richtigen Halt geben kann; und mit diesem schönen Vertrauen zu Ihnen, meine gnädigste Frau, bin ich eifrig bemüht, meinem armen Freunde zu dienen.

Sie kommen also in seinem Namen? lächelte Madame Petermann.

Ich komme mit dem Auftrage, Ihnen sein Herz und seine Hand zu Füßen zu legen.

Und warum – bringt er dies nicht selbst?

Weil er sich noch immer fürchtet, weil er noch immer besorgt, aus Angst das rechte Wort und die rechte Stelle nicht finden zu können. – Daran sehen Sie seinen eigenthümlichen Charakter; diese allerdings linkische Schüchternheit, welche aber doch auch ihre liebenswürdige Seite hat. Nehmen Sie sich seiner an, kommen Sie ihm zu Hülfe, er wird dafür immer Ihr unterthänigster Verehrer und gehorsamster Anbeter bleiben. Für Frauen von starkem, edlem Charakter hat es gewiß etwas sehr Reizendes, die unbeschränkte Gebieterin ihres Geliebten zu sein. Und dafür kann ich mich verbürgen. Wilhelm ist von sanftester Gemüthsart.

Nicht immer, fiel sie ein. Die Ursache unserer Zwistigkeit war ja, daß er mich beleidigte, und zwar ohne alle Ursache, weil ich ganz unschuldig über Fräulein Hartfelds Verlobung mit Ihnen scherzte.

Um dessentwegen also! sagte Leisegang. Das ist allerdings lustig genug, und dafür muß er bestraft werden. Machen Sie ihm die Bedingung, daß er Abbitte leisten muß. Es soll ja überhaupt gut sein, wenn in einer Ehe sogleich feste Grundlagen für das gegenseitige Verhältniß aufgestellt werden.

Meinen Sie? lachte die hübsche Frau.

Der schwächere Theil muß alsbald zur Nachgiebigkeit und zum Gehorsam gewöhnt werden. Und wo dies der Mann ist, muß er sich fügen.

Das klingt ja allerliebst.

Wie man sich giebt, so wird man genommen, fuhr er in derselben übermüthigen Weise fort. Er wird diese Rosenketten küssen und den kleinen, niedlichen Pantoffel mit so vielem Vergnügen auf seinen Nacken setzen, wie ich dies selbst thun würde.

Nun hören Sie auf, lachte die schöne Wittwe, indem sie ihre Augen feurig strahlen ließ und ihre Ohren zuhielt.

Ich bringe ihn also her. Heute ist es nicht mehr möglich, aber morgen bin ich zu Ihren Diensten. Ich übernehme zwar morgen die gesammte Verwaltung meines neuen Amtes, allein die Kassenrevision wird nicht lange dauern, und dann hole ich Wilhelm ab und führe ihn zu Ihren Füßen. Seien Sie gnädig mit ihm, theuerste Frau. Wir wollen ihn gemeinsam bessern und bilden und in Zucht und Ordnung halten.

Ich hoffe, daß Ihr gütiger Beistand nicht nöthig sein wird, erwiderte sie.

Ein gemeinsames Gelächter folgte dieser Bemerkung.

Gewiß nicht, sagte er. Diese feine Hand wird die sicherste Leitung ausüben und ihm eine Zukunft bereiten, welche ich ihm von ganzem Herzen gönne.

So empfahl er sich unter Glückwünschen und Scherzen, die sich noch lange in ihm fortsetzen mußten, denn während er die Straßen hinabging und endlich bei dem jungen Frohlieb eintrat, drückten seine Mienen die heiterste Laune aus.

Wilhelm erschrak, als er ihn sah, denn sichtlich in Verwirrung ließ er seine Arbeiten liegen, und wie ein Verurtheilter sah er aus, als Leisegang ihn mit dem Erfolg seiner Sendung bekannt machte.

Es ist soweit Alles in Ordnung, berichtete der Freund, sie erwartet Dich, und Dein ist sie sammt allen ihren Schätzen! Du bist doch eigentlich ein Glücksmensch, Wilhelm; um diese Partie wirst Du von Vielen beneidet werden. Ich komme morgen und hole Dich ab, oder willst Du allein gehen?

Nein, ich bitte Dich, komm, wenn Du mich begleiten willst, antwortete Frohlieb zögernd; es würde mir lieb sein.

Leisegang lachte auf. Sonst freilich ist man am liebsten mit seinem Schätzchen allein, wenn man es ans Herz drückt, seine Lippen mit feurigen Küssen bedeckt und allen Tonarten seiner Liebesgluth freien Lauf läßt.

Er verfolgte mit schelmischen Blicken den Eindruck seiner Spötterei auf seinen Freund, der ihm keine Antwort gab, aber langsam die Hand an seine Stirn drückte und mit hohler Stimme vor sich hinmurmelte:

Es ist doch entsetzlich!

Was ist entsetzlich?

Liebe zu heucheln!

Heucheln? Sei doch kein Thor! Warum heucheln? Wer könnte Dir denn im Sinne liegen? Alles ist Gewohnheit, Freund, und nichts ist wahrer, als was Voltaire einmal sagte, daß selbst die Verdammten in der Hölle sich wie Fische im Wasser befinden müßten, eben weil sie an Höllenqualen gewöhnt seien.

Höllenqualen! ja, auch dahin kann es kommen, erwiderte Wilhelm, die Augen auf den Boden gerichtet.

Ein böses Weib soll die Hölle auf Erden sein, wie die Dummköpfe faseln, fuhr Leisegang fort, allein doch jedenfalls nur für den, der dem Teufel die Nägel nicht zu beschneiden weiß. Was diese liebliche Wittwe aber betrifft, so mag sie eigensinnig, eitel und von beschränkten Ansichten sein, allein sie hat so viele löbliche Eigenschaften, sie ist so leicht zu gewinnen, so leicht zu streicheln, dabei so haushälterisch, fein säuberlich, hübsch und zierlich, daß Du glücklich werden mußt. Mir wäre nur ein einziger Fall denkbar, wo es Dich reuen könnte. Wenn eine andere Frau Dich schon besäße, so etwas Deine Eingeweide plagte, was man unglückliche Liebe nennt. Wenn Du nach Einer seufztest, die Deine zärtlichen Gefühle unerwidert ließe und einen andern vorzöge, oder auch etwa selbst einige himmlische Neigungen verspürte, doch leider sich ihnen nicht überlassen könnte oder dürfte. Damit hast Du ja aber nichts zu schaffen.

Wann willst Du kommen? fragte Frohlieb, hastig aufblickend.

Gleich nach der Kassenrevision, welche morgen stattfindet. Und nun, mein theurer Freund, spreche ich noch eine Bitte aus, welche Du mir nicht abschlagen darfst. Hartfeld giebt morgen ein Diner, er ist nicht davon zurückzuhalten. Er ist ein Epicuräer und hat lange genug gefastet. Morgen soll der alte Glanz in sein Haus zurückkehren, der durch den Tod meines Onkels einen langen Riß bekommen hat. Mag er es thun, künftig wollen wir ihn schon zur weisen Sparsamkeit gewöhnen; morgen jedoch soll es köstlich hergehen, denn das laute Geheimniß soll veröffentlicht werden, meine Verlobung! Doch nicht die meinige allein, Wilhelm. Es bleibt bei unserer Verabredung, wir feiern Verlobung und Hochzeit zusammen. Auch Deinen Eltern wird heute noch eine Einladung zugehen, und morgen werden wir Beide Deine Braut bestürmen, daß sie an Deinem Arme bei Hartfeld erscheint und Theil an dem Feste nimmt.

Das wäre doch auffallend, es wird nicht sein können! unterbrach ihn Frohlieb.

Warum denn nicht? Laß mich nur machen. Wir überraschen Julie damit, und Deine schöne Therese wird nichts dagegen haben, wenn ein Hoch! auf ihr Glück in Deinen Armen getrunken wird. Welche allerliebste Gelegenheit ist das nicht, Schmuck und Putz zu zeigen. Meine Julie wird freilich eine üble Rolle bei allen Vergleichen spielen, obenein sieht sie seit einigen Tagen noch blasser und schmachtender aus, als sonst. Also, bester Wilhelm, kein Wort mehr. Denke Dir Deinen Vater, wenn die Hurrahs auf die Brautpaare losgehen, diese Glückwünsche, diese Seligkeit. Ich muß jetzt fort, Julie erwartet mich, wir wollen noch einige Einkäufe machen. Ich werde ihr einige Andeutungen zukommen lassen, wie es mit Dir steht; Therese muß ihre Freundin werden! Und morgen halte Dich bereit; sobald ich im Ministerium fertig bin, komme ich her. Lebe wohl, glückseliger Wilhelm! Du siehst für einen Bräutigam passabel ernsthaft aus, allein der Humor wird durchbrechen. Der Humor kommt von selbst, wenn man sein Glück oder sein Schicksal unvermeidlich vor sich sieht.

Heiter lachend schüttelte er dem Schweigenden die kalten Hände, sah noch einmal übermüthig in das farblose Gesicht und ging dann ebenso ergötzt davon, wie er die hübsche Wittwe verlassen hatte. Bald darauf trat er bei dem Kriegsrath ein, der bei seiner Tochter saß und ihr aus einem langen Zettel vorlas.

Was haben Sie denn da? fragte Leisegang nach der ersten Begrüßung. Die neusten Nachrichten aus dem Reiche Gottes?

Wirklich, so könnte man es nennen, erwiderte der würdige Herr mit seiner behaglichen Freudigkeit. Ich gebe Julien eben hier noch einige Anweisungen zu unserm Mittagsmahle. Es ist mir gelungen – oder vielmehr man bat mir noch einige schöne Gaben angeboten, die ich nicht abgewiesen habe.

Was ist es denn? fragte Leisegang, in den Zettel sehend.

Einige junge Gemüse, ein paar Schüsseln nur, und frische Erdbeeren.

Ei der Tausend! Das sind ja Seltenheiten in dieser Jahreszeit, rief Leisegang, die müssen theuer sein.

Wir feiern auch ein seltenes Fest, erwiderte der Kriegsrath, dafür ist nichts zu theuer. Der Präsident hat meine Einladung angenommen auch habe ich noch einige werthe Gäste geladen, die das Gute zu würdigen wissen.

Und ich bringe Ihnen andere dazu, die Sie mir bewilligen müssen, sagte Leisegang. Auf Ihre Güte hin habe ich mich unterstanden, sie schon zu benachrichtigen.

Jeder, den Sie mir mitbringen, ist mir willkommen, erwiderte Hartfeld. Sie können mir keine größere Freude machen.

Es sind Ihre eigenen Verwandten, mein lieber Papa. Herr Frohlieb und seine Gattin, mein Freund Wilhelm und noch eine Dame, die zu ihm gehört. Seine Braut!

Er beobachtete die Gesichter, aber zu seinem ärgerlichen Erstaunen entsprachen diese seinen Erwartungen nicht. Julie blieb stumm, aber es kam ihm vor, als freue sie sich über seine Bosheit. Ihr sanftes, bleiches Gesicht erhielt eine Art Heiligenschein, der aus ihren Augen darüber hinstrahlte, während ihre Hände sich zusammenfalteten. Der Kriegsrath dagegen war nicht ganz so geduldig.

O! sagte er, das ist allerdings eine angenehme Nachricht; wahrscheinlich die junge Wittwe, von der schon so lange die Rede ist?

Dieselbe, mein lieber Papa. Madame Petermann, eine höchst respectable Dame, denn sie besitzt wenigstens sechszigtausend Thaler.

Hoffentlich auch noch andere Tugenden, lächelte Hartfeld.

Sehr viele andere Tugenden, die unsern Freund sehr glücklich machen werden, sobald er sie näher kennen lernt. Vor der Hand scheint das Geld allerdings den meisten Eindruck auf Wilhelm und seine Eltern gemacht zu haben, doch warum soll man die goldene Seite bei einer ehelichen Verbindung geringschätzen? Bei einigem praktischen Blick für das Leben wäre das sehr thöricht.

Aber diese Frau liebt doch gewiß unsern guten Vetter? fragte Julie schüchtern aufblickend.

Wer kann das untersuchen? lachte der Finanzrath. Wenn eine Dame sich verlobt, muß man das wenigstens von ihr voraussetzen, und der sie heirathen will, thut jedenfalls am besten, daran zu glauben. Findet er später, daß er sich getäuscht hat, so ist die Schuld nicht sein. Was aber diese junge, hübsche Frau betrifft, so glaube ich kaum, daß allzuviel Glück bei ihrer Ehe herauskommt. Sie ist ziemlich ungebildet, eigensinnig, putzsüchtig, empfindlich und dabei geizig. Es kommt darauf an, ob Wilhelm ihr beizubringen weiß, daß er ihr Herr sein soll, oder ob er sich, was ich noch mehr glaube, geduldig unterwirft und sein Kreuz trägt. Aber ich denke, wir brechen davon ab. Das ist kein Gespräch, das Ihnen Vergnügen machen kann, theuerste Julie.

Vergnügen macht es mir nicht, Ihre Befürchtungen zu hören, erwiderte sie, allein ich nehme lebhaften Antheil an Frohliebs Geschick und bin darum besorgt um ihn.

Seien Sie nicht allzu mitleidig, spottete er. Jeder muß in dieser Welt für sich selbst sorgen, und der Mann verdient geringe Theilnahme, der nicht Mannes genug ist, mit seinem selbstgewählten Liebesglück abzurechnen. Mein Glaube ist darin einfach der, daß was man sich selbst aufgebürdet hat, auch getragen werden muß, und zwar so leicht, friedlich und freundlich, als irgend möglich. Aber was sind das für Geschichten! rief er laut lachend. Wohin verirren wir uns mit diesem Liebespärchen. Wenn ich es recht bedacht hätte, wäre es vielleicht besser gewesen, die Frohliebs nicht einzuladen.

Allerdings würde es uns wenig geschadet haben, sagte Hartfeld. Wir kennen diese Dame nicht. Ich habe sie kaum flüchtig gesehen, Julie gar nicht.

Er schüttelte den Kopf, seine Mißstimmung war unverkennbar. Wenn es Ihnen unlieb ist, so müssen wir sie wieder ausladen, sagte Leisegang.

Hartfeld stand auf und näherte sich seiner Tochter, und über ihre Stirn streichelnd, beugte er sich zu ihr nieder und küßte diese.

Ich denke, das geht nicht an, sagte er. Wilhelm Frohlieb ist von uns Beiden herzlich geliebt und geachtet. Wenn seine Wahl wirklich unglücklich ausfallen sollte, würde es uns sehr nahe gehen. Aber wer kann das wissen? Zuweilen scheint es, als müsse man das Unglück einer Ehe voraussagen, dennoch geht dies nicht in Erfüllung, während Andere, die nur Glück verheißen, wo alle Himmel voll Geigen hängen, bald in Trübsal enden. Darum wollen wir Das Beste hoffen.

Er sah seine Tochter an, Julie lächelte und preßte seine Hand an ihre Lippen. Hartfeld wandte sich zu Leisegang um, in dessen Herzen es grollte. So bleich und elend war ihm seine Verlobte noch nie vorgekommen; es kostete ihm viel Mühe, sich nichts von dem Spotte merken zu lassen, der in ihm arbeitete und ihn anreizte.

Mein lieber Sohn, so darf ich Sie doch jetzt schon nennen, sagte Hartfeld, versprechen Sie mir mit Ihrem heiligsten Worte, mit Ihrer Ehre, daß Sie Julien immer lieben und werth halten, niemals von ihr lassen wollen.

Aber mein theurer Papa, versetzte Leisegang, erstaunt über diese sonderbare Wendung, bedarf es denn wohl noch eines solchen Versprechens? Wenn Sie es wünschen, will ich jeden Eid leisten, aber was sind denn Eide, um Treue und Glauben zu sichern, oder gar um Liebe zu befestigen? Zwischen uns giebt es stärkere, bessere Bindungsmittel, nicht wahr, meine süße Julie? Zwischen uns wird immer Vertrauen herrschen. Wir werden immer einig und zufrieden sein; dadurch wird unsere Liebe niemals abnehmen.

Er legte seinen Arm um sie, ein Gedanke überkam ihn. Sollte dies mißgestaltete Mädchen ihn betrügen? Sollte sie Wilhelm wirklich lieben, ihm Zuneigung heucheln? War das leise Zittern, das er zu fühlen meinte, vielleicht das Zeichen geheimen Widerwillens? Aber was es auch sein mochte, gleichviel. Dann betrog ihre Eitelkeit sie selbst. Und welche Gründe hatte er denn, diese Frau zu wählen? Seine Eigenliebe überwältigte in einem Augenblick alle diese Vorstellungen. Andere, schönere Frauen wären gern ihm entgegen gekommen. Als er Julie anblickte, dachte er an die hübsche Wittwe, und es kam ihm vor, als verwandele sich das bleiche Gesicht und zeige ihm die anmuthigen Züge der gefälligen Frau.

Aber nein, die unschöne Braut hatte sich – nur eigenthümlich verschönt. Ihre Augen glänzten von einer schwärmerischen Gluth; sie blickte ihn in einer Weise an, daß ihm heiß dabei wurde. Ihr Lächeln hatte einen innigen Ausdruck, leise schmiegte sie sich an ihn voll sanfter Zärtlichkeit.

Gewiß, theurer Vater, begann sie mit ihrer wohllautenden, weichen Stimme, Ferdinand bat Recht. Ich werde sein Vertrauen erwerben. Er wird mich immer lieben und schützen; meines ganzen Lebens Aufgabe soll dafür sein, ihm zu gefallen, ihn zu beglücken. Gott wird mir beistehen, daß ich sein Herz nie verliere.

Das kann nicht geschehen! rief Leisegang, indem er sie umarmte. Wir werden alles Glück und alles Leid gemeinsam tragen, Julie. Aber ich hoffe, theurer Papa, Sie sollen noch viele Freude an uns erleben.

Hartfeld stand lächelnd vor ihnen. Sein würdiges Gesicht war voll milder Rührung. Ich habe nur dies eine Kind, sagte er, und wenn ich nicht mehr bin, hat es keinen andern Schützer, als den Mann ihrer Wahl. Sie haben mir gesagt, daß Sie Julien haben wollen, wie sie ist, und selbst von ihrer Ausstattung –

Kein Wort davon! fiel Leisegang ein. Mein Haus des stelle ich selbst, und wenn wir von solchen Dingen doch etwas sagen wollen, so bedenken Sie, daß Julie mir sofort zehntausend Thaler mitbringt, welche ich ihr zahlen müßte.

Aber, unterbrach ihn der Kriegsrath, bedenken Sie

Aber, fuhr Leisegang fort, bedenken Sie selbst, lieber Papa, daß ich kein Handelsmann bin, sondern meines Onkels Erbe, Sie dessen vielerprobter Freund. Ich weiß Sie zu schätzen, weiß welches Pfand ihrer Achtung Sie mir durch Juliens Hand geben. Lebte mein armer Onkel noch, er würde vor Glück und Freude nicht wissen, wie er Ihnen dankbar sein sollte; möge es mir vergönnt sein, Ihnen meine innige, ewige Dankbarkeit oft noch zu bezeigen.

Da steht die, sagte Hartfeld mit erhobener Stimme, indem er Beide in seine Arme zog, der Sie alles vergelten mögen!



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