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8.

Der Finanzrath Leisegang besuchte am folgenden Tage seinen Freund, den er nach jenem Wortwechsel nicht wieder gesehen hatte. Es war ihm nicht viel daran gelegen gewesen, Wilhelm so bald zu versöhnen, aber er hatte sich bei dessen Vater beschwert und seine guten Absichten und Wünsche vertheidigt, die dort willig genug angehört wurden. Heute endlich kam er nun selbst in das Geschäftszimmer des jungen Buchhändlers, den er arbeitend fand und ihm seine freundlichen Grüße zurief, als er eintrat.

Laß Dich nicht stören, Frohlieb, sagte er. Wenn Du keine Minute für mich übrig hast, komme ich wieder.

Wilhelm legte die Feder fort. Als Leisegang eintrat, schien er von einem widerwärtigen Gefühle überrascht zu werden, und diese Bewegung entging dem Finanzrath nicht. Aber es war nur ein Augenblick, denn im nächsten schien er völlig gefaßt und führte seinen Besuch in ein nebenliegendes Cabinet, wo sie allein waren.

Zunächst, sagte Leisegang, müßte ich mich über Dich beklagen, allein man muß einem Freunde Vieles nachsehen. Lieber will ich gleich von dem sprechen, was mich betrifft. Seit gestern bin ich Bräutigam, ein glücklicher Bräutigam.

Mit wem brauche ich nicht weiter zu fragen, sagte Frohlieb gewaltsam lächelnd.

Du siehst, ich halte, was ich verspreche, lachte der Finanzrath. Gestern habe ich Julie einfach gefragt, ob sie mich haben will. Sie war liebenswürdig bescheiden, verlangte nur mein Herz und meine Liebe und schwor mir zu, immer zärtlich und folgsam zu sein. Aber Du siehst nicht gut aus, Wilhelm; Dein Vater hat Recht, Du mußt an der Leber leiden.

Wohl möglich, ich sitze viel, erwiderte Frohlieb, allein ich fühle mich ganz wohl. Nimm meinen aufrichtigen Wunsch für Deine Zukunft. Mache Julie glücklich, sie verdient es.

Dafür werde ich Alles thun, was ich vermag, erwiderte Leisegang. Ich habe sie lieb, weil ich sehe, daß sie mich lieb hat; doch noch mehr, weil ich sehe, daß sie verständig ist.

Sie besitzt ein sanftes, schönes Gemüth bei großer Bildung, sagte Wilhelm.

Die übermäßige Bildung ist mir gleichgültig, fiel Leisegang ein.

Ich meine auch nicht die angelernte, sondern die gleichmäßige Durchbildung des Herzens und des Geistes.

Du bist ihr Verehrer, lachte der Finanzrath, und ich will Dir nicht widersprechen; ich schätze sie jedoch mehr von der Seite ihrer praktischen Tugenden und der Harmonie, die zwischen unseren Neigungen besteht. Mein werther Schwiegerpapa wollte gleich morgen ein Fest veranstalten, um unsere Verlobung möglichst glänzend zu feiern, wie ihm denn überhaupt ein ausgebildeter Hang zur Verschwendung anklebt; doch Julie bat ihn und mich, Alles so still und einfach wie möglich zu begehen, und damit unterstützte sie meine eigenen Absichten. Es soll noch nichts öffentlich bekannt werden. Wir haben Zeit dazu. Ich will zunächst erst in meines Onkels Stellung mich festsetzen. Jetzt könnte es mancherlei Anstoß finden, daß ich die Tochter des Rendanten heirathe, woran ich mich später noch weniger kehren werde, als ich es jetzt thue. Ich will jedoch jeden Schein vermeiden. Es ist allerdings bekannt genug, daß Hartfeld ein reicher Mann ist, doch will ich nichts von ihm haben, als seine Tochter, was Dein Vater sehr mercantilisch findet, weil alles Andere von selbst nachkommt.

Er lachte und schüttelte Wilhelms Hand.

Sieh doch nicht so trübselig aus, rief er ihm zu, wir wollen jetzt unsere Gelöbnisse wahr machen, wollen uns zusammen verloben und dann unser gemeinsames Hochzeitsfest feiern. Damit giebst Du mir zugleich Genugthuung für Deine Beleidigung, die ich noch nicht vergessen habe.

Ich bin noch immer der Meinung, sagte Wilhelm, daß ich meine Herzensangelegenheiten selbst besorgen muß.

Ein Freund hat das Recht, sich auch dabei einzumischen, erwiderte Leisegang, und ich will es thun, Du magst sagen, was Dir beliebt. Ich will Dir zu einer schönen, jungen Frau helfen, die sich Deiner Hartherzigkeit wegen obenein grämt und nach Dir seufzt.

Das wirst Du nicht thun wollen, wenn ich Dich nicht um Deinen Beistand bitte, sagte Wilhelm mit einigem Nachdruck.

Aber Du wirst mich darum bitten.

Gewiß nicht.

Wir wollen es abwarten. Ich bin davon überzeugt.

So laß uns nicht streiten, da es unnütz uns die Zeit verdirbt, die mir knapp genug zugemessen ist.

Wie mir nicht minder, erwiderte der Finanzrath aufstehend. Du mußt heirathen, und was ich dazu beitragen kann, soll redlich geschehen.

Er nahm lachend Abschied, lud Wilhelm ein, ihn bald zu besuchen und sagte endlich:

Uebrigens wär's eine Schande, wenn Du Dir von einem Andern die hübsche Wittwe fortschnappen ließest. Du bist gescheidt genug, um einzusehen, daß dies geschehen kann, ehe Du es ahnst, also besinne Dich nicht lange und laß mich rufen, wenn ich helfen soll.

Das verspreche ich Dir, versicherte Wilhelm, so scherzhaft, als er es vermochte; aber er war froh, als er allein war und allen verstellenden Zwang von sich abthun konnte. In tiefer Traurigkeit deckte er beide Hände über sein Gesicht, preßte die Finger in seine heißen Augen und sah verstört erst auf, als ihm nach einiger Zeit ein Billet gebracht wurde. Es kam von dem Kriegsrath und enthielt in wenigen Zeilen die Bitte, ihn noch heute zu besuchen.

Wenn Sie nicht kommen wollen, hatte Hartfeld hinzugefügt, so bestimmen Sie mir die Zeit, wo ich Sie antreffen kann. Ich muß Sie sehen, mein Herz verlangt danach; auch betrifft es Mittheilungen, welche wichtig für uns Alle sind.

Frohlieb blickte lange auf dies Papier. Was war es denn, was so wichtig für ihn sein konnte? Ihm graute vor einem Gespräche mit seinem Vetter, und doch fühlte er zugleich auch ein Verlangen danach.

Was wollte er ihm mittheilen? Betraf es etwa Julien? War es die Nachricht ihrer Verlobung? Wollte er selbst ihm diese ankündigen? Und oh! sollte er die Braut sehen? Hatte sie ihm einen letzten Aufschluß über ihren Entschluß zu geben?

Er versank in Nachsinnen, aber das beruhigte ihn nicht. Es war etwas Geheimnißvolles bei dieser traurigen Herzenssache, das er sich nicht enträthseln konnte. Ein ahnendes Gefühl beschuldigte Juliens Vater, allein verständiges Ueberlegen sprach diesen immer von Neuem frei. Er hatte seiner Tochter keinen Zwang aufgelegt, und indem Wilhelm mißtrauisch umhersuchte, trat der große, freundliche Mann mit seinen treuen Augen, seinem biedern, offenen Wesen überwältigend vor sein Gedächtniß.

Wie wäre es möglich gewesen, daß er, der allen Menschen half, allen Armen wohlthat, dessen Güte und Menschenliebe von tausend Zungen gepriesen wurden, sein eigenes Kind zum Unglück zwingen sollte? Und war es denn ein Unglück? War Leisegang nicht ein kluger, reicher Mann, dem Alles, was die Welt schätzt, gehörte? War er dagegen nicht ein untergeordneter Arbeiter, der weder auf Ehren, noch auf Titel und Ruhm und Orden, sondern bei allem Fleiß höchstens auf bescheidenen, bürgerlichen Wohlstand rechnen konnte?

Oh! glücklich bevorzugt war auch er allerdings gegen die vielen, vielen Tausende, die mit aller Mühe und allem Eifer nicht aus Sorgen und Noth kommen, bis endlich der Tod sie von dem Fluch befreit, geboren zu sein. Sein Geschäft warf einen hübschen Gewinn ab, und wären seine Mittel nicht beschränkt gewesen, so hätte er manche Unternehmung beginnen können, welche bedeutende Vortheile versprach.

Da er diese Mittel nicht besaß, wagte er auch nichts Ungewisses, allein als er jetzt grübelnd nachdachte, flüsterte eine Stimme in ihm, daß eine reiche Frau ihm ja Alles geben könne, was er brauche, und einer der bösen Geister, die zwischen Erde und Himmel geschäftig schweben und in des Menschen Gehirn kriechen, um es mit verlockenden Bildern und Gedanken zu erhitzen, wiederholte ihm die Worte, welche Leisegang gesprochen hatte, als er ging: Es wäre eine Schande, wenn ein Anderer die hübsche, reiche Wittwe bekäme, die sich um Dich grämt!

Und es war ihm, als sähe er sie, wie ihre Augen voll Thränen hingen, als er sie tadelte, und wie sie auf der Schulter seiner Mutter weinte. Er wußte auch, was sein Vater wollte und hoffte, und was seine Mutter jetzt gern gesehen hätte. Seit Wochen war er darum selten zu seinen Eltern gekommen, immer nur zur Zeit, wo er gewiß war, Therese nicht zu treffen, und immer bereit, bei der ersten Anspielung auf sie die Flucht zu ergreifen. Warum denn das? War denn die hübsche Wittwe so abscheulich? –

Er wußte sich eigentlich nichts Bestimmtes darauf zu erwidern, aber das Gefühl der Abneigung blieb auch jetzt wenigstens als Gefühl der Gleichgültigkeit stehen, und ihm gegenüber sammelten sich seine Sehnsucht und seine Klagen und bildeten eine Gestalt, die immer noch Gewalt über ihn hatte. Da stand sie mit dem blassen Gesichte, und er sah in ihre dunklen Augen, auf deren Grund eine Flamme brannte, die verzehrend über ihn aufstrahlte. Es war Täuschung, es war erlogen! Dies Feuer war ein Irrlicht, dem er vergebens gefolgt und das ihn plötzlich in Finsterniß zurückgelassen.

Und was sollte er jetzt thun? Sollte er der Einladung nach kommen, auf die Gefahr hin, sich neue, große Schmerzen zu bereiten? Was sollte er ihr sagen, wenn er mit ihr zusammentraf? Ihr Glück wünschen? Was konnte er anders tun! –

Ein Gemisch von Zorn und Sehnsucht rang in seiner Brust und ließ ihn lange bald diesen, bald jenen Entschluß bedenken und verwerfen.

 

Während dessen hatte Leisegang seinen Weg fortgesetzt und er befand sich noch in spottlustiger Stimmung über die ehrbare Widersetzlichkeit seines Freundes.

Im Grunde, sagte er zu sich selbst, verdenke ich es ihm nicht, denn diese hübsche Wittwe ist eine äußerst widerwärtige, fratzenhafte Person; Alles an ihr ist gemacht, nichts wahr, nichts gesund, aber bin ich denn besser daran? So gut wie ich beide Augen zudrücke, kann er es auch thun, und was will er denn mehr!

Bei diesen Worten blickte er zu dem Fenster eines Hauses hinauf, an welchem eine Dame stand, welche er sogleich erkannte und höflich grüßte, denn es war Madame Petermann.

Nun, wenn das kein Götterzeichen ist, lachte Leisegang, so giebt es keines. Auf der Stelle will ich mein Werk beginnen.

Mit diesen Worten trat er in das Haus, eilte die Treppe hinauf und zog die Klingel. Wenige Minuten darauf stand er vor der jungen Wittwe.

Der Herr Finanzrath? sagte sie überrascht, als er ihre Hand küßte, wie komme ich zu dieser unerwarteten Ehre?

Längst wollte ich mir einen Besuch erlauben, erwiderte er. Ebensowohl um Ihnen, meine gnädige Frau, meine Hochachtung zu beweisen, wie im Interesse eines mir sehr lieben Freundes, den ich unverschuldet leiden sehe.

Einen Freund? wiederholte die hübsche Wittwe.

Einen Freund, den Sie kennen.

O, ich weiß in der That nicht, fiel sie ein.

Sie wissen es ganz gewiß, sagte er, sie anblickend.

Nein wirklich! ich kenne Niemand, der unverschuldet leidet, versetzte sie kopfschüttelnd.

Wenn ich unverschuldet sagte, begann er darauf, so meinte ich dies so, daß seine Leidenschaft die Schuld seiner Leiden trägt. Können wir dafür, gnädige Frau, daß unsere Leidenschaften zuweilen stärker sind, als unsere Vernunft? Sind nicht vielmehr diejenigen anzuklagen, deren Anblick uns in einen Zustand versetzt, wo wir alle Gewalt über uns verlieren?

Sein Lächeln wurde von dem Lächeln der anmuthigen Frau beantwortet, die jedoch, nachdem sie ihre Augen niedergesenkt hatte, erwiderte, daß sie sich nicht erinnere, jemals zu einem so gewaltthätigen Verfahren Anlaß gegeben zu haben.

Das haben Sie allerdings gethan! rief der Finanzrath. Ich wünsche sehr, daß es gegen Ihren Willen geschah, allein verzeihen Sie mir, Sie sind grausam gegen meinen armen Freund gewesen.

Ich grausam! rief Madame Petermann, sehr ergötzt darüber, daß Jemand ihr Grausamkeit vorwarf.

Allerdings, so wenigstens glaubt mein betrübter Freund, sagte Leisegang.

Nun wirklich, erwiderte die hübsche Wittwe in scharfem Tone, dann ist die Art, wie dieser Freund sich gegen mich betragen hat, gewiß kein Mittel, um eine günstigere Stimmung zu erwecken.

Theuerste, gnädigste Frau, entgegnete der Finanzrath achselzuckend, bedenken Sie, daß, wenn ein Liebender einmal mißtrauisch daran zweifelt, ob die Geliebte ihm auch ihr ganzes Herz geschenkt hat, er sich um so leichter einer gereizten Stimmung überläßt und in seiner Verzweiflung im höchsten Grade ungerecht wird.

Er muß jedoch sein Unrecht einsehen, unterbrach sie ihn, Seine Verblendung läßt dies nicht zu. Er ist gekränkt, sieht sich verlassen, verschmäht und erbittert sich immer heftiger, statt Reue zu empfinden und sein Knie zu beugen, obwohl er dies mit Freuden thun würde, wenn er gewiß wäre, Verzeihung zu erhalten und – von allen Zweifeln geheilt zu sein.

Man muß nicht allzuleicht Beleidigungen vergeben, sagte Madame Petermann, mit ihrem Taschentuche spielend. Ich bin wirklich sehr ungerecht behandelt worden, wie ich es keineswegs erwartete.

Aber Sie wissen doch, scherzte Leisegang, daß Herr Daniel Frohlieb bei allen Dingen auf die Ursachen zurückgeht, und diese Ursachen, fuhr er fort, indem er die Bewegungen und die Sprache des ehrlichen Papas nachahmte, sind in der That durchaus nicht mercantilisch zu betrachten, auch sind sie nicht christlicher Natur, sondern sie stammen aus dem Reiche eines kleinen heidnischen Gottes, der von je an die Menschen zu den schlimmsten Thorheiten verführte. Darum verzeihen Sie diese Wirkungen ihrer Ursachen wegen und begnadigen Sie den Missethäter.

Die hübsche Wittwe konnte sich nicht enthalten, über diese leichtfertigen Spöttereien zu lachen, und je länger der Finanzrath sie unterhielt, um so mehr fand sie, daß er doch gar nicht so übel sei. Er war äußerst höflich, fing seine Reden immer mit den Worten: Gnädige Frau, oder einer andern ehrfurchtsvollen Benennung an, wie diese in der höheren Gesellschaft üblich sind und welche in Madame Petermanns Ohren äußerst angenehm klangen.

Dabei war er voller Laune und Einfälle, witzig und immer bereit Anspielungen zu machen, die ebensowohl ergötzten, wie schmeichelten, so daß eine Stunde beinahe verging, ohne daß eine langweilige oder verlegene Stille eingetreten wäre. Von der Angelegenheit der Dame sprang Leisegang zu seinen eigenen über und plauderte ungemein offenherzig und drollig, als sei er der gutmüthigste und harmloseste Mensch. Er erzählte ihr von seinem Oheim, den er soeben verloren, von seiner Jugendfreundschaft zu Wilhelm Frohlieb, von seinen Lebensverhältnissen und von dem Kriegsrath Hartfeld und dessen Tochter.

Madame Petermann erinnerte sich dabei, daß die Scene, welche sie gehabt, um diese fatale Person entstanden sei, und sie fragte mit einem arglistigen Blitzen ihrer blaugrauen Augen:

Fräulein Hartfeld ist wohl sehr schön, Herr Finanzrath?

Wenn dies wirklich der Fall wäre, erwiderte er, würde ich es eben jetzt gewiß nicht zu behaupten wagen.

Aber sie soll sehr geistreich sein, fuhr sie fort, indem sie that, als glaubte sie daran.

Wer hat Ihnen das gesagt?

Jemand, von dem ich auch noch andere Dinge gehört habe.

O, Wilhelm! Ich kann es mir denken.

Was hat er Ihnen mehr gesagt?

Daß sie – Madame Petermann hörte auf und fing an zu lachen. Es ist doch sehr komisch, begann sie dann, daß ich Ihnen das berichten soll.

Ich kann es mir wohl denken, sagte Leisegang. Er hat Ihnen meine Verlobung im Voraus gemeldet. Ist es nicht so?

Ist es etwa nicht wahr?

Keineswegs. Er hat mich als Beispiel aufgestellt, um sich selbst Muth zu machen.

Aber mein Gott! rief Madame Petermann erstaunt, er hat es mit der allergrößten Bestimmtheit behauptet.

Nun, ich sage Ihnen mit noch größerer Bestimmtheit, daß er dann besser unterrichtet war, als ich selbst, fiel er ein. Bei Gott ist kein Ding unmöglich, meine gnädigste Frau, also behaupte ich nicht etwa, es könne nicht geschehen; allein eine so ernste Angelegenheit will wohl überlegt werden.

Allerdings, sagte die hübsche Wittwe, man muß alle Verhältnisse streng prüfen.

Und endlich doch nur sein Herz fragen, nur nach wahrer Neigung wählen, fuhr er fort, indem er sie mit geheimer Bosheit anblickte. Nur keine Heirath um Geld, obenein wenn man selbst Vermögen besitzt.

Sie denken sehr edelmüthig, Herr Finanzrath, sagte sie beistimmend.

Nach Grundsätzen, erwiderte er. Hüte sich Jeder vor Leichtsinn! Leichtsinnige Heirathen haben das Lebensglück vieler der trefflichsten Menschen zerstört, aber schöne, liebenswürdige Frauen flechten, wie unser großer Dichter sagt, himmlische Rosen ins irdische Leben.

Er ergriff die Hand der lächelnden jungen Frau und sah sie bittend an.

Erlauben Sie mir ein vertrautes Wort, sprach er, sich zu ihr neigend. Mein Freund Wilhelm ist ein überaus vortrefflicher Mensch. Wahr, redlich, dabei verständig und trotz seiner schlichten Einfachheit klug und geschickt. Er verdient es von einer schönen Frau geliebt zu werden, die ihn als ein getreuer Engel leitet und behütet. Ich habe daher geschworen, daß er glücklich werden soll, und noch mehr als das, ich habe gelobt, daß wir gemeinsam unsere Hochzeit feiern müssen. So lassen Sie sich doch erweichen, gnädigste Frau, damit vereinigt und gemeinsam ein Band der Freundschaft uns umschlinge.

Was soll ich denn thun, bester Herr Finanzrath? fragte Madame Petermann, als er fortfuhr sie anzuschauen und ihre Hand festzuhalten.

Zunächst sollen Sie mir die Versicherung ertheilen, daß Sie meinem armen Freunde verziehen haben.

Weiß ich denn, ob er dies wünscht? erwiderte sie.

Er darf also kommen?

Wenn er aufrichtiges Verlangen danach empfindet. Ich bin durchaus nicht geistreich, nein, gewiß nicht – sehr einfach.

Leisegang ließ seine Augen umherwandern. Die schlanke junge. Wittwe trug ein prächtiges Morgenkleid mit Bortenbesätzen, und ihre Wohnung paßte zu dem Ausputz ihrer Person. Ihre Zimmer waren vollgestopft mit allerlei Möbeln, Decken, bunten Stickereien, Behängen, Glasschränken voll Silbergeräthe und zierlichen Spielereien, Uhren, Spiegeln, Broncen; Alles war äußerst sauber gehalten, da Madame Petermann den größten Theil ihrer Zeit damit zubrachte, Staub abzuwischen und zu poliren, aber das Ganze sah wie ein Mosaikkasten und geschmacklos genug aus.

Ich wüßte nicht, wo es ihm besser gefallen könnte, als in dieser edlen Einfachheit und Stille, sagte er darauf. Man vergißt bei Ihnen, daß die Zeit Flügel hat, und daß die schönsten Stunden leider keine Dauer haben.

Damit stand er auf und fügte eine ganze Reihe ähnlicher hochtrabender und wenig bedeutender Redensarten hinzu, welche ausdrücken sollten, daß es ihm unendlich leid thue, sich jetzt empfehlen zu müssen. Hierauf verneigte sich Madame Petermann, erwiederte einige dankende Worte über das große Vergnügen, das sein Besuch ihr gemacht, worauf Leisegang die Hoffnung kundgab, daß er wiederkommen dürfe, wozu Madame Petermann beifällig lächelte.

Ich werde wiederkommen, sagte der Finanzrath die Hand auf sein Herz legend. Im Interesse meines Freundes sowohl, wie in meinen eigenen Interesse wird es mich zu Ihnen ziehen, gnädigste Frau. Wir werden dann gemeinsam die Wirkungen der Ursachen zu betrachten haben, welche ich aus diesem glücklichen Geschäft erwarte.

Nehmen Sie auch meine unterthänigen Glückwünsche für Fräulein Hartfeld und was Sie hoffen und wünschen, lachte die schöne Wittwe.

Ich verspreche, daß ich Ihnen Alles vertrauen werde, sobald ich dies thun darf, sagte er, und als er aus dem Hause war, fügte er hinzu: Allein ich denke niemals in diese Lage zu kommen. Hübsch ist sie, aber unangenehm. Der Himmel erbarme sich über Wilhelm, allein heirathen muß er sie. Jetzt ist dafür zu sorgen, daß er zu Einsehen gelangt, und ich denke, daß ich guten Grund dazu gelegt habe.

 

Was der Finanzrath sich zutraute, hatte jedoch weniger Grund, denn Frohlieb war weit entfernt davon, den Ermahnungen seines Freundes Eingang zu gestatten. Seine Vorstellungen blieben flüchtige Eindrücke, die bald von anderen gegnerischen überwältigt wurden, und als er sich dazu entschloß, der Einladung des Kriegsraths Folge zu leisten, dachte er nicht mehr an die Wittwe.

Zur angegebenen Stunde verfügte er sich zu Hartfeld mit der inneren heftigen Unruhe und der äußeren erzwungenen Kälte eines Menschen, der das letzte Urtheil in einem Prozeß erwartet, von dem er im Voraus weiß, daß er ihn verloren hat, und dennoch begierig ist, die öffentliche Ankündigung genau zu hören.

Er wurde in das Zimmer des Kriegsraths geführt, der mit beiden ausgestreckten Händen ihm entgegenkam, ihn umarmte und nach dem Sopha führte, dort niederdrückte und mit väterlicher Zärtlichkeit ihn anschaute und befragte.

Mein lieber Wilhelm, sagte er, dicht an ihn rückend, warum sind Sie nicht einmal zu mir gekommen? Ich beklage noch immer, daß meine Wünsche sich nicht erfüllt haben.

Hier unterbrach ihn der junge Mann, indem er ihn bat kein Wort mehr über das, was unabänderlich geschehen, zu verlieren.

Sie haben an mich geschrieben, fügte er dann hinzu, ich bin Ihrer Aufforderung nachgekommen.

Sie haben Recht, sagte Hartfeld, wir müssen uns auf das bestimmte Ziel beschränken. Zunächst wollte ich Sie sehen, um Ihnen zu sagen, daß ich noch der Alte bin und immer bleiben werde; dann aber hat man mir erzählt, daß Sie leiden und sich Ihrem Kummer überlassen, dagegen wollte ich Ihnen Vorstellungen machen; endlich, lieber, guter Wilhelm – ja das gehört zu der Medizin, die ich Ihnen eingeben will – muß ich Ihnen mittheilen, daß Juliens Verlobung mit Leisegang geschehen ist und nächstens auch öffentlich bekannt werden wird.

Sie sagen mir nichts Ueberraschendes, erwiderte Frohlieb, Leisegang selbst hat mich schon heute davon benachrichtigt.

Hat er das gethan! rief Hartfeld. Nun dann noch eine Bitte, lieber Vetter. Leisegang weiß nichts von meinen Wünschen, und es ist gewiß das Beste, wenn er auch niemals etwas davon erfährt.

Ein helles Roth überdeckte Wilhelms Gesicht.

Wenn das die Ursache ist, weshalb Sie mich zu sprechen begehrten, sagte er, so war jede Sorge überflüssig.

Der große Mann schüttelte sanft und strafend den Kopf.

Was denken Sie denn von mir? sagte er seine klaren Augen aufhebend. Kennen Sie mich wirklich nicht besser, um so wenig Vertrauen zu haben? Nein, mein lieber Wilhelm, dessenwegen wünschte ich Sie nicht zu sprechen. Ich weiß, daß wir in Ihnen einen treuen, edelgesinnten Freund besitzen, der uns niemals verloren gehen wird.

Der Ton innigster Ueberzeugung, mit welcher Hartfeld dies sprach, und der Ausdruck herzlichster Liebe in seinem Gesicht rührten den jungen Mann aufs Tiefste. Er erwiderte den Druck, mit welchem sein ehrwürdiger Verwandter seine Hände umschloß, und sagte leise:

Verzeihen Sie mir, Sie sind gut und großmüthig und können um Ihres Lebens Preis kein Unrecht thun. Ich klage auch nicht an, denn ich habe keinen Grund dazu. In Arbeit und Geduld bewährt sich ein Mann. Sie haben mich darauf hingewiesen, mein väterlicher Freund, ich danke Ihnen dafür.

In Arbeit und Geduld, wiederholte Hartfeld, stärkt sich jeder Mensch und trägt, was er tragen muß, aber wir haben auch Pflichten sowohl gegen uns selbst, wie gegen Alle, die wir lieben. Das ärmste Wesen will glücklich sein. Jede Blume, jeder Halm hat die Zeit, wo er Blüthen treibt und frische Keime; diese Zeit soll nicht unbenutzt verstreichen. Arbeit ist stärkend und Geduld die höchste Menschentugend, allein diese Arbeit muß freudig sein und die Geduld belebend. Mein liebes Kind, höre darum, was ich Dich bitte: Ein junger Baum soll nicht traurig seine Blätter senken, er soll muthig auch in Stürmen sein Haupt erheben und dem Gärtner Schatten bieten, der ihn gepflanzt. Ihr Vater war bei mir, Vetter Wilhelm, und das ist die Ursache, warum ich Sie zu mir bitten ließ. Ihr Vater ist in größter Sorge um seinen Sohn, der ihm Freude machen soll, aber Kummer verursacht.

Mein Vater? Was will er denn? unterbrach ihn der junge Mann.

Hartfeld faßte seinen Arm und sagte zu ihm gebeugt:

Er will, daß Sie heirathen sollen.

Unmuthig betroffen stand Wilhelm auf.

Das also ist es, sagte er. Das ist allerdings eine eigenthümliche Art, mein Leid zu heilen. Oh, ich weiß, mein Vater wünscht es, aber Sie – Sie –

Ich wünsche es ebenfalls, fuhr Hartfeld ruhig fort. Die Frau, welche man seit langer Zeit schon für Sie bestimmt hat, ist jung und angenehm, dabei vermögend und Ihnen zugethan. Unterbrechen Sie mich jetzt nicht, lassen Sie uns ruhig überlegen. Sie sind krank an einer Wunde, welche Heilung verlangt. Was kann da besser thun als eine sanfte Hand, die Lebensbalsam darauf schüttet? Liebe thut dem wunden Herzen am wohlsten, und wie vieles Glück verbreiten Sie. Ihre alten Eltern segnen diese Liebe, alle Ihre Freunde freuen sich, so auch die Frau selbst, welche Ihnen anhängt. Und nun, mein Kind, noch eine andere, die praktische Seite. Sie sind ein Geschäftsmann, sind jung und streben vorwärts. Das Vermögen ihrer Frau wird sich in Ihrer Hand verdoppeln und Ihnen Reichthum zuführen.

Mich verlangt nicht danach! murmelte Frohlieb.

Verlangt nicht danach, wiederholte Hartfeld. Danach muß jeder Mensch Verlangen tragen, denn – seine Stimme sank tiefer herab – Geld giebt uns Alles, Armuth führt uns zur Sünde, zum Verderben. Haben Sie nicht im Buche Hiob gelesen, daß der fromme Mann zu Gott betete: Herr bewahre mich vor Armuth, damit ich nicht schlecht werde! Darin liegt hohe Weisheit, mein Kind. Alles, was das Leben verschönt, gewährt uns der Reichthum. Wir können unseren Mitmenschen nicht helfen, können nichts Gutes thun, falten vergebens unsere Hände zum Himmel, wenn wir arm sind. Geld ist eine große Macht, mein lieber junger Freund. Was ist das redlichste Dasein werth, wenn es in Sorge mit Kummer und Entbehrung verbracht wird. Reichthum giebt Ansehen und Ehren, Armuth ist die Mutter aller Verbrechen. Ja, höre an, mein Sohn, höre was ich in meinem greisen Haar Dir sage: An die Armuth hängt sich alle Versuchung auf Erden, alle Laster strecken ihre Hände gierig nach dem Armen aus. Tausend Fesseln, tausend Ketten schlingen sich um ihn und ziehen ihn nieder. Reichthum allein macht unabhängig, frei und hält den Teufel von uns ab. Strebe dahin mein Kind, ja strebe dahin, Reichthümer zu erwerben, dadurch allein kannst Du den Menschen nützen und Dich selbst zu ihrem Wohlthäter machen.

Wilhelm war erstaunt über die eindringliche Art, mit welcher sein Verwandter ihm diese Lehren vortrug, denen er nicht überall beipflichtete.

Die Wohlthaten der Reichen haben für die gesammte Menschheit bis jetzt noch wenig Segen gebracht, sagte er, auch ist Hiobs Gebet leicht mißzuverstehen. Jeder Leichtsinnige oder jeder Dieb und Betrüger könnte sich damit zu entschuldigen suchen, daß er betrogen oder gestohlen habe, weil er leider nicht reich gewesen sei. Jeder könnte sich damit rechtfertigen, daß er verschwenden müsse, weil er berechtigt sei, sein Leben zu verschönen, und nebenbei auch Gutes zu thun. Aber viele der edelsten und ersten unter den Sterblichen sind arm gewesen und geblieben, und eben diese Beispiele tugendhafter Armuth und Entbehrung leuchten ja noch jetzt belebend aus der Weltgeschichte allen Menschen zum Beispiel.

Das ist Phantasterei! rief Hartfeld. Man muß die Lebensklugheit nicht vergessen.

Der Ton dieser Worte klang scharf und gereizt, dabei erhob er sich und schien das Gespräch abbrechen zu wollen, allein nach einigen Augenblicken begann er mit der milden Herzlichkeit noch einmal seinen Verwandten zu ermahnen.

Ich hoffe, Sie überlegen es reiflich, sagte er, und dann werden Sie finden, daß mein Rath ein guter, wohlgemeinter Rath ist. Was Sie verloren haben, muß ersetzt werden durch häusliches Glück, durch eine Frau, die, wie Leisegang allerdings nicht mit Unrecht sagt, so viele Vorzüge hat, daß Viele danach trachten.

Leisegangs Urtheil ist kein Maßstab für meine Wünsche, erwiderte Wilhelm.

Wir stimmen ihm alle bei, widerspenstiger Vetter, sagte Hartfeld. Auch Julie, auch sie wünscht es.

Julie? Sie gewiß nicht!

Auch ich! ja, auch ich! antwortete ihm eine leise Stimme hinter ihm und erschreckend, indem er sich umwandte, sah er die treulose Geliebte hereintreten.

Gut, daß Du mir zur Hülfe kommst, mein Kind! rief ihr Vater ihr entgegen. Vielleicht glaubt er Dir mehr als mir. Sage ihm Alles, was Du darüber denkst, denn es giebt gewiß noch mancherlei Gründe, welche ihn überzeugen müssen.

Damit entfernte er sich und ließ den bestürzten Vetter mit seiner Tochter allein. Frohlieb heftete seine Augen weich und vorwurfsvoll auf sie, deren Gesicht eigenthümlich von dem Abglanz des falben Gewölkes beleuchtet wurde, das den Abendhimmel bedeckte. Er konnte jeden kleinen Zug erkennen, der ihre Lippen umschwebte, die stille Freudigkeit in ihren Blicken, den Ausdruck der Ruhe, der auf ihrer Stirn zu leuchten schien. Es war, als wollte sie sein Herz damit erfüllen und ihm Muth geben, und wirklich fühlte er diesen sich verstärken, als sie ihn anredete.

Ich weiß eigentlich nur einen Grund, den ich Ihnen anführen kann, sagte sie, allein er gilt für viele. Er betrifft Ihr Glück, mein lieber Freund.

Das können Sie sagen, Julie! Mein Glück! erwiederte er seufzend.

Mit voller Ueberzeugung. Ein Herz erwartet Sie, das Ihnen gehört und Ihnen Ersatz bieten wird für Alles, was nicht sein konnte.

Aber ich – ich liebe diese Frau nicht!

Sie wird Ihre Liebe erwerben, denn Liebe erweckt Liebe; und wie mein Vater mit großem Rechte sagt, fügte sie hinzu: man muß verständig nachdenken und bei der Wahl, die man trifft, nicht einer vorübergehenden Leidenschaft folgen.

Vorübergehende Leidenschaft! murmelte er. Sie urtheilen hart.

Ich habe selbst danach gehandelt und fühle, daß ich Recht daran that. Ja, das habe ich, mein Freund, ich konnte nicht anders. Stände es heute noch in meiner Macht zu wählen, ich würde dieselbe Wahl treffen.

Julie! rief er erschüttert, zürnend und bebend, wie ist es möglich, daß Sie mir dies sagen können!

Weil es meine Pflicht ist, antwortete sie.

Sie mit Ihrem weichen, gütigen Herzen, fühlen Sie nicht, wie weh Sie mir thun?

Nein, denn es muß so geschehen, die Vergangenheit müssen Sie ausreißen aus Ihrer Brust, wie wucherndes Unkraut, damit die Zukunft Platz darin hat. Bin ich denn nicht Ihre Freundin? Wollen Sie fruchtlos klagen, statt zu handeln, wie es gut ist? Ihr Lebensglück verlangt es, Ihre Ruhe, Ihr Friede und auch der meine – ja auch um meinetwillen fordere ich es.

Ihre zitternde Stimme war fester geworden, und bei ihren letzten Worten richtete sie sich auf und sah ihn voll Ueberzeugung an.

Ich könnte es nicht ertragen, fuhr sie fort, wenn ich Sie freudlos, allein und unglücklich wüßte, ich die Ursache wäre, daß Sie alle Vorstellungen Ihrer Eltern, Ihrer Freunde zurückwiesen, deren Vorwürfe mich träfen. Ich bete zu Gott, daß er Sie segne; ich weiß, daß es geschehen wird, denn Sie werden die Frau glücklich machen, die Sie wählen, Sie werden von ihr geliebt werden, wie Sie es verdienen. Darum, mein lieber theurer Freund, ja um unser beider irdisches Heil bitte und beschwöre ich Sie, werfen Sie den Kummer von sich, den ich Ihnen gemacht, beginnen Sie ein neues Leben, das Ihnen Ersatz gewährt für Alles – Alles was verloren ging – o, mein Gott! glauben Sie mir, zu Ihrem irdischen Heil verloren gehen mußte!

Sie reichte ihm beide Hände hin, diese waren todtenkalt und lagen eine Minute lang regungslos zwischen seinen glühenden Fingern, welche sie fest umschlossen.

Das ist Alles wahr, sagte er mit dem tonlosen müden Ausdruck der Gleichgültigkeit. Sie haben wirklich Recht, man muß das Leben nützen, ehe die Reue kommt. Die Erscheinung flieht, sagt der Dichter, und Leidenschaft ist unbeständig. Haben Sie wirklich dies Alles so schnell eingesehen, Julie, und gab es keinen anderen Grund, Ihre Liebe zu mir – ich setze voraus, daß ich diese oder was man so nennt einst besaß – gab es keinen andern Grund, diese Liebe aus Ihrem Herzen zu reißen und vernünftig zu handeln?

Er blickte sie dabei starr und ernsthaft an.

Es gab keinen anderen Grund als meine bestimmte Ueberzeugung, daß es für uns beide so am besten sei, antwortete sie mit fester Stimme.

Ja, so haben Sie doch darin Recht, so ist es Zeit auch für mich, die Vergangenheit mit einem herzhaften Schritt zu ermorden. Ich danke Ihnen für den guten Rath.

Sie wollen ihn also befolgen?

Ja, ich will thun was Sie wünschen, denn im Grunde weiß ich nicht, warum ich es nicht sollte. Es ist wirklich in vieler Beziehung vortheilhaft. Ich werde mein Geschäft vergrößern können, manche gewagte Unternehmung beginnen, warum nicht mit dieser den Anfang machen? Man muß speculiren, um zu gewinnen. Es ist das die Zeit, wo ein Jeder sein Glück versucht. Leben Sie wohl, Julie.

Er ließ ihre Hand fallen und wandte sich von ihr. Sie hielt den Tuch vor ihre Augen.

So wollen wir denn beide glücklich werden, fuhr er fort, indem er sich einige Schritte entfernte und stehen blieb. Wenn wir es sind, wollen wir uns gegenseitig freuen, so klug gewesen zu sein.

O Wilhelm flüsterte sie kaum hörbar.

Rufen Sie mich zurück, Julie? Giebt es noch etwas, was Sie mir zu vertrauen hätten?

Nichts, nichts! Gott sei mit Ihnen! Halten Sie Wort! sagte sie ihre Hände faltend und verließ das Zimmer.

Er stand noch einige Augenblicke.

O, warum nicht? antwortete er dann. Warum unnütz die Zeit verlieren!



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