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1.

Es ist nicht möglich, liebste Madame Petermann, denn es wäre gegen alle Grundsätze, sagte Herr Frohlieb.

Sie werden mir aber doch Glauben schenken, bester Herr Frohlieb, antwortete Madame Petermann, wenn ich Ihnen versichere, daß es wahr ist.

Das versteht sich! schrie Herr Frohlieb. Wer sollte Ihnen keinen Glauben schenken, liebste, schönste Frau, es müßte ein verruchter Barbar sein. Und wenn Sie mir sagten, Daniel Frohlieb, Du verstehst von Taback und Cigarren, Deckblatt, Einlagen und Saucen so viel wie ein Nachtwächter, und diese La Fama, welche Du soeben da rauchst, ist nicht in der Havannah, sondern im gesegneten Pfälzerlande gewachsen – ich glaubte es Ihnen aufs Wort, allerschönste Frau, keinen Augenblick zweifelte ich daran! nicht einen einzigen Augenblick!

Madame Petermann steckte die Hände in ihren Zobelmuff, beugte ihr hübsches Gesicht unter die breiten, schwarzen Kanten ihres Sammethutes und lächelte die kleine, dicke Frau an, welche neben ihr auf dem Sopha saß. Ihr Herr Gemahl ist doch immer spaßhaft, sagte sie, er verliert niemals seine gute Laune.

Er hält sich immer noch halbweg gerade genug, antwortete die kleine Frau, indem sie ihren Mann wohlgefällig ansah.

Herr Frohlieb hielt sich jedoch eben jetzt nicht besonders gerade, sondern stand vor den beiden Damen, den Oberleib weit vorgebeugt, und seine rechte Hand mit der Cigarre, welche in einem goldigen Porzellanpfeifchen steckte, beschrieb einen weiten Bogen zu einer unterthänigen Huldigung. Er war gewiß schon in ziemlich hohem Lebensalter, was die Falten in seinem Gesicht und der Verlust seiner Zähne genugsam ankündigten. Allein obwohl sein Mund eingefallen und sein Kinn vorgeschoben war, hatte er doch noch etwas Jugendliches und Bewegliches behalten. Dies bewirkte nicht sowohl die braune, lockige Perrücke, welche sein Haupt bedeckte, auch nicht der magere, nach innen biegsame Körper, sondern weit mehr thaten es die lebendig blickenden, lichtbraunen Augen und die lustige Behaglichkeit, mit welcher er umherschaute, immer bereit zu ausdrucksvollen Geberden und Zeichen, auch immer bereit, etwas zu sagen, das seinen Zuhörern gefallen und ihnen Spaß machen sollte.

Wissen Sie denn, wovon das bei mir kommt, liebste Madame Petermann, daß ich immer guter Laune bin? fragte er, seine Stirn in weise Falten ziehend, während alle anderen Theile seines Gesichts vergnüglich lachten. Weil ich die richtige Leber besitze, wodurch der ganze Mensch ein zum heiteren Dasein bestimmtes Wesen wird. Sehen Sie gefälligst in meine Augen, die so klar sind, wie der klarste Krystall. Bis in den Grund meiner Seele können Sie sehen, nirgend ein Fleck, nirgend eine dunkle Stelle. Nun aber sehen Sie dagegen meinen Jungen, meinen Wilhelm, eben so an und es wird Ihnen kein Zweifel mehr übrig bleiben; Sie werden einen Schreck kriegen, wie es in ihm aussieht!

Herr Frohlieb beugte sich dabei bis an das jugendliche Antlitz der hübschen Frau, streckte seine ansehnliche Nase noch weiter vor und machte seine schalkhaften Augen groß auf.

Aber Herr Frohlieb! lachte Madame Petermann, indem sie sich zurückzog, ich fürchte mich wirklich!

Aber Daniel, schrie die kleine, dicke Frau damit zugleich, ist das eine Art mit einer jungen Wittwe umzugehen?!

Wie so denn? fragte Herr Frohlieb verwundert, was ist denn los? Warum soll eine junge, schöne Wittwe nicht in meine klaren Augen sehen? Warum soll ich ihr meine mir von Gott gegebenen Vorzüge nicht begreiflich machen?

Mache es nur nicht zu arg, Vater, sagte die kleine Frau.

Mache ich es zu arg, liebste, schönste Frau? lachte Herr Frohlieb. Wenn es wahr sein sollte, bitte ich allerunterthänigst um Verzeihung. Aber ich mache es nicht zu arg, sondern mein Junge, der Wilhelm, macht es zu arg, eben weil er nicht die richtige Leber besitzt und um dessentwegen ein dickblütiges, vergeßriges und ungesundes Wesen ist.

Wie kannst Du solche Lügen sagen, Daniel? fiel die kleine Frau eifrig ein. Glauben Sie es ihm nicht, Thereschen. In seinem ganzen Leben ist Wilhelm noch niemals krank gewesen.

Inwendig, versetzte Herr Frohlieb kaltblütig; auswendig nicht, aber inwendig ist er schwer krank. Da so – hier! Er legte beide Hände auf seine linke Brust und machte ein jämmerliches Gesicht.

Aber sitzt denn da die Leber? fragte die junge Wittwe. Da sitzt ja das Herz!

Wie? antwortete Herr Frohlieb mit schalkhaftem Erstaunen. Wirklich? Wissen sie das gewiß? Sollte mein armer Junge etwa gar an einer Herzkrankheit leiden? Daß wäre ja fürchterlich! Wissen Sie kein Mittel, Thereschen, wie er geheilt werden kann?

Er brach in ein lustiges Gelächter aus, indem er auf die junge Frau lossprang, die ihm ihren Muff abwehrend entgegen hielt, doch ebenfalls lachte und bei der kleinen Frau Schutz suchte.

Wenn ich Alles bedenke, so muß ich Ihnen Recht geben! schrie Herr Frohlieb dabei, es muß das Herz sein, obwohl ich von solchen Krankheiten nicht viel mehr verstehe, da es etwas lange her ist, wo ich selbst einmal daran gelitten habe. Aber geben Sie Acht, beste, werthgeschätzte Frau, ich werde Ihnen meine Beobachtungen aufzählen. Erstens hat Wilhelm seit längerer Zeit schon keinen Appetit mehr, dann sitzt er oft da, als sähe und höre er nicht. Wenn Andere lachen, sieht er aus, als hätte er Zahnschmerzen, und wenn eine rührende Geschichte, ein schaudervolles Unglück erzählt wird, fängt er an sich zu erheitern und fragt nach Dingen, von denen gar nicht die Rede war. Dabei vergißt er Alles, während er sonst ein merkwürdiges Gedächtniß hatte, und wenn er etwas erzählt, bricht er zuweilen plötzlich ab, verwirrt sich, verliert den Faden, wird stumm, sieht auf einen Fleck und – es ist meiner Seele wahr! – fängt an zu seufzen: Ach! oh! ah! Ich habe es selbst gehört, wie er seufzt, kläglich wie ein Wurm. Was sagen Sie dazu? Ist es nicht schrecklich? Woher kann das kommen?

Das kann sehr verschiedene Ursachen haben, erwiederte die hübsche Wittwe.

Ursachen? sagte Herr Frohlieb, indem er den Arm mit dem Pfeifchen ausstreckte und seine weisen Falten zog, das versteht sich, Thereschen! Ursachen hat Alles in dieser Welt; es geschieht nichts auf Erden ohne Ursache! So weit sind wir, Gott sei Dank! in Bildung und Aufklärung fortgeschritten, daß wir wissen, es muß eine jede Wirkung auch eine Ursache haben. Aber wo liegen diese Ursachen von meinem Wilhelm seiner Krankheit? Welches ist ihr Anfang und welches wird ihr Ende sein, allerliebste, guteste Frau?

Er sah so schelmisch dabei aus, während er den Finger an seine Nase legte und würdevoll nachzudenken schien, daß Madame Petermann laut auflachte und sich zu der kleinen, dicken Frau wandte, welche ihr die Hände drückte und ihrem Manne zurief:

Fange nur nicht von Deinen Ursachen und Wirkungen an, Daniel! Es wird schon Alles von selbst gut werden.

Herr Frohlieb kehrte sich nicht an diese Ermahnung.

Ich sage nur dieses, begann er von Neuem, aus nichts wird nichts! Aber wissen Sie was, Thereschen, ich bin ein Homöopath, durch und durch Homöopath, das bin ich! Und darum sage ich: was diese Krankheit verursacht hat, muß dem Patienten eingegeben werden, so erfolgt dessen Herstellung. Habe ich Recht oder Unrecht, was meinen Sie? Sagen Sie mir aufrichtig, ob dies nicht die beste Art ist, ihn zu curiren. Wie? Ehe! Bin ich auf dem rechten Wege, oder nicht?

Ich weiß es nicht, versetzte die hübsche Wittwe, ihren Kopf nach allen Seiten drehend, denn – es ist ja die Frage, ob dem Herrn Wilhelm Frohlieb diese Medicin gefällt.

Ob sie ihm gefällt! schrie er beide Arme durch die Luft schwenkend. Wie ein Zuckerherz wird er sie aufessen und immer mehr davon haben wollen. Niederfallen wird er und dem allerliebsten Doctor die Hände abküssen! Aber es ist Menschenliebe, Thereschen, Christenliebe, Nächstenliebe, daß Sie ihn aus diesem Zustande erlösen. Sie haben ihm das Geschäft des seligen Herrn Petermann übergeben, haben Forderungen an ihm zu machen und müssen sorgen helfen, daß es nicht zu Grunde gehe. Ein Buchhändler muß vor allen Dingen seine Sinne zusammen haben, muß immer auf dem Platze sein und wissen, was der menschlichen Gesellschaft an Stärkung und Nahrung Noth thut. Es ist daher ein Verbrechen gegen sich selbst und gegen die ganze Menschheit, wenn mein armer Junge nicht von Ihnen hergestellt wird. Wäre er reich, wie hier oben über uns sein Freund, der Finanzrath Leisegang, so ginge es noch an; aber er hat keinen Bankier zum Vater, sondern blos einen alten Tabakshändler.

Sie sind ja ein Rentier, fiel Madame Petermann ein.

Ja so, richtig! rief Herr Frohlieb, das bin ich, aber wie bin ichs geworden? Hätte der Junge, der Wilhelm, nicht partout ein Buchhändler werden wollen, statt seinem alten Vater beizustehen und nachzufolgen, so wäre es mir niemals eingefallen, Rentier zu spielen, und wenn ich nicht immer noch so unter der Hand ein bischen handeln thäte, könnt' ichs Rentiergeschäft nicht eine Woche lang aushalten. Es ging aber nicht anders, seufzte er wehmuthsvoll, denn der Junge wollte durchaus nichts von Tabak wissen.

Sie hätten ihn studiren lassen sollen, sagte Madame Petermann

Wollte er denn? schrie Herr Frohlieb. Meinen Wilhelm? Ich? Warum denn nicht! Aber er wollte nicht, liebste, schönste Frau, und am Ende, allerdings, war es mir auch einerlei, denn bei Lichte betrachtet, ließen sich seine Grundsätze, richtig genommen, durchaus nicht verachten. Es giebt genug Beamte, Vater, sagte er, warum soll alle Bildung sich dahin wenden, warum nicht ins praktische Leben, in die Geschäftswelt? Dieser praktische Blick machte mir Vergnügen bei meinem Jungen. Hast Recht, Willem, sagte ich, Bildung kleidet jeden jungen Menschen gut und macht ihn angenehm überall, dieses weiß dein Vater an sich selbst. Und so sagte auch unser Herr Vetter, der Kriegsrath Hartfeld, zu mir: Lassen Sie ihn, Vetter, sagte er, er hat einen richtigen Blick. Der Bürgerstand hat tüchtige Männer nöthig, die fehlen ihm nur zu sehr. – Aus solchem Munde war mir dies eine Wonne zu hören, denn dieser Mann wird von den Höchsten und Ersten hochgeachtet, und was er sagt, das geschieht.

Es ist ein sehr kluger Mann, der Herr Kriegsrath, ich habe schon viel von ihm gehört, sagte Madame Petermann zu der kleinen Frau.

Klug! schrie Herr Frohlieb, dieses wäre das Wenigste, aber es ist nicht Alles. Es giebt nichts, was er nicht verstände, und dabei ein Menschenfreund, ein Freund der Künste, ein Verehrer des Schönen, ein Vater aller Nothleidenden. Wo ein Verein entsteht zum Besten der Menschheit, ist er mit an der Spitze, wo was Gutes gethan werden soll, ist er da. Wer in irgend einer Bedrängniß ist, geht zu ihm.

Und dabei hat er doch gewiß viele Geschäfte.

Das versteht sich, versetzte Herr Frohlieb, würdevoll nickend. Er verwaltet ja die große Kasse für die gesammten wissenschaftlichen und Kunst-Anstalten des Staates als erster Rendant. Drei Orden, Thereschen, und wie oft hätte er schon Geheimer sein können, wenn er gewollt hätte. Zulage ist besser, sagte er; Geld, Vetter, damit kann man Gutes schaffen. Geheimrath ist ein Titel, weiter gar nichts; nichts Reelles.

Ein Titel ist doch auch sehr hübsch, lächelte die junge Wittwe.

Allerdings, warum denn nicht, sagte Herr Frohlieb, Frau Geheimräthin, gehorsamer Diener! – er machte eine tiefe Verbeugung – aber so ein Mann wie Vetter Hartfeld braucht das Alles nicht. Ich bin Hartfeld, sagt er, damit ist es genug.

Stolz ist er aber gar nicht, fiel die kleine Frau ein.

Warum sollte er stolz sein? rief Herr Frohlieb energisch, den Arm in die Seite stemmend. Seine Grundsätze stehen viel zu hoch dazu. Der wirkliche Geheime Ober-Finanzrath Leisegang, Onkel von unserm Finanzrath oben, ist sein Chef und geht mit ihm um, wie ein Bruder mit dem anderen, Thereschen. Als ob sie beide an einer Brust gelegen hätten, so lieben sie sich, sind ein Herz und eine Seele, und der Finanzrath ebenfalls. Wer sollte diesen Mann auch nicht verehren! Und jetzt will ich Ihnen auch noch etwas mittheilen von wegen meinem Wilhelm und seiner Krankheit, woran Sie sehen können, wie dieser Vetter Hartfeld bis in die tiefsten Tiefen des menschlichen Herzens steht. Vorige Woche kam er mit heran, wie er dies öfter thut, und wie wir von Wilhelm sprachen, dem er immer sehr gewogen war, saß er da in der Sophaecke, ließ sich alles erzählen und dachte lange ernsthaft nach. Darauf sagte er plötzlich: Haben Sie ein Auge auf Ihren Wilhelm, Vetter, krank ist er nicht, doch bis über die Ohren verliebt.

Hier brach Herr Frohlieb in ein schallendes Gelächter aus, denn die hübsche Wittwe schlug verwirrt die Augen nieder und beugte sich zu der kleinen, dicken Frau, die sie in Schutz nahm.

So höre doch endlich auf, Daniel, mit Deinen gottlosen Späßen! rief sie ihrem vergnügten Gatten zu.

Meiner Seele, es ist wahr! schrie er. Verliebt bis über die Ohren! Und wie ich dem Herrn Finanzrath mittheilte, meinte der, er hätte es auch schon gemerkt; es wäre die höchste Zeit, daß er zur Vernunft gebracht würde.

Was hat denn der Herr Finanzrath sich darum zu bekümmern? fragte Madame Petermann. Das ist doch jedes Menschen eigene Sache, vernünftig zu sein oder nicht, und wenn Wilhelm –

Da kommt Wilhelm! unterbrach sie Herr Frohlieb, indem er nach der Thür lief.

Nein! Nein! rief Madame Petermann ängstlich, die kleine Frau umfassend.

Ja, ja! schrie Herr Frohlieb, er muß curirt werden. Hierher, Willem! Komm her, Du – bei diesem Worte schnappte ihm die Stimme plötzlich ab, und während er ein paar gelenkige Verbeugungen machte, begann er mit erneuter Redseligkeit: I Herr Jees! Sie sind es, liebster Herr Finanzrath, kommen Sie doch näher, Setzen Sie sich ein bischen zu uns. Frisches Wetter heute! Immer näher heran, wo es warm ist, Herr Finanzrath.

Der Herr, welcher hereingetreten war, blieb jedoch an der Thür stehen und beantwortete diese Einladungen mit einer Verneigung gegen die Damen. Es war noch hell genug, um sehen zu können, daß er wenig mehr als dreißig Jahre zählen mochte, aber er war ungewöhnlich stark beleibt, sein Kopf dick und fleischig, die Stirn hoch und das lichtbraune Haar sehr dünn. Madame Petermann wandte ihr hübsches Gesicht von ihm ab, als hätte sie keine Lust, weder ihn zu beachten, noch sich beachten zu lassen.

Ich wollte nur zusehen, sagte der Finanzrath, ob Wilhelm etwa schon hier wäre.

Er muß kommen, jede Minute erwarten wir ihn, erwiderte Herr Frohlieb. Nehmen Sie gefälligst Platz, liebster Herr Finanzrath, und unterhalten Sie die Damen. Solch junger, feiner Herr ist den Damen allemal willkommener, wie ein alter.

Der Geschmack ist verschieden, Herr Frohlieb, versetzte der Finanzrath, und der Ton, in welchem er dies sagte, klang äußerst spöttisch. Ich bedaure, daß meine Zeit so beschränkt ist; allein ich komme wieder herunter und hoffe dann auch Wilhelm anzutreffen.

Sehr angenehm, bester Herr Finanzrath, außerordentlich lieb und angenehm! rief Herr Frohlieb ihm nach, indem er seine Hände rieb und einige unterthänige Schwenkungen machte. Erzeigen Sie uns die Ehre, immerdar willkommen, aber setzen Sie gefälligst Ihren Hut auf, Sie könnten sich erkälten.

Der Finanzrath befolgte diesen guten Rath, und Herr Frohlieb kehrte seelenvergnügt zurück, allein seine Vergnüglichkeit verschwand, als er sah, daß Madame Petermann Abschied von der kleinen Frau nahm, deren Zureden nichts fruchten wollte.

Wie! schrie Herr Frohlieb erschrocken – Thereschen! Sie werden uns doch nicht verlassen wollen. Wilhelm muß ja den Augenblick hier sein.

Der Herr Finanzrath wird aber auch gleich wieder kommen, sagte Madame Petermann.

Du hättest ihn doch gar nicht einladen sollen, sagte die kleine Frau.

Freilich – allerdings nein! brummte er kleinlaut.

Ein so interessanter Gesellschafter ist der Herr Finanzrath doch auch wohl nicht, fuhr Madame Petermann fort.

Gott bewahre! antwortete die kleine Frau. Er sitzt nur und lauert, frägt Jeden aus, um Allerlei zu hören und sich darüber lustig zu machen. Ueber Alles macht er seine Bemerkungen; ich kann ihn nicht ausstehen.

Ich auch nicht! bekräftigte Madame Petermann.

So reich er ist, giebt er doch keinem was, fuhr die kleine Frau fort. Mißtrauisch ist er; o du meine Güte! ich glaube, er traut sich selbst nicht; und geizig auch, er möchte Alles alleine haben. Wilhelm kennt ihn von Klein auf, aber denken Sie, dem würde er das Geringste anvertrauen? Gar nichts!

Pfui! sagte Madame Petermann, solch schlechter Charakter.

Aber gescheidt! flüsterte Herr Frohlieb, geheimnißvoll winkend. Er soll die knifflichsten Arbeiten machen. Wilhelm sagt, er wäre einer der besten Köpfe im ganzen Ministerium.

Was thue ich mit dem Kopfe, wenn das Herz nichts taugt! rief die hübsche Wittwe verächtlich.

So ist es Recht, Thereschen, so ist es Recht! lachte Herr Frohlieb, lustig in seine Hände schlagend. Auf das Herz kommt es an. Ist das Herz gesund, ist auch die Leber gesund, und das ganze Dasein eine Harmonie. Also bleiben Sie bei uns, damit wir den Wilhelm heut noch curiren.

Dazu war Madame Petermann jedoch nicht zu bewegen. Sie wollte durchaus nicht die Wiederkehr des Finanzraths abwarten, in dessen Gegenwart kein vernünftiges Wort gesprochen werden könnte.

Fangen Sie die Cur nur allein an, mein bester Herr Frohlieb, sagte sie, wenn aber meine Hülfe durchaus nöthig sein sollte, so will ich diese zwar nicht versagen, möchte jedoch zunächst noch Mancherlei von dem jungen Herrn erfahren.

Warum er gestern nicht zu Ihnen gekommen ist, fiel Herr Frohlieb ein, das soll er bekennen; auf seinen Knieen soll er die Wahrheit bekennen, und eben deswegen bleiben Sie hier, liebstes Thereschen, bis er Alles gebeichtet hat.

Die junge Wittwe aber schüttelte lachend den Kopf.

Ich habe auch meinen Willen, sagte sie, sich in den Sammetmantel hüllend. Er soll zu mir kommen, so will ich ihm verzeihen. Gute Nacht, Herr Frohlieb! Adieu, beste Mama! Der Kranke muß den Doctor aufsuchen. Gute Nacht! Gute Nacht!



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