Thomas Moore
Lalla Rukh
Thomas Moore

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die seltsame Gefälligkeit, mit welcher Fadladin dem ganzen letztern Theile dieser schadendrohenden Geschichte zugehört hatte, setzte die Prinzessinn und den Dichter in großes Erstaunen, und neigte ihm die Herzen solcher verdachtlosen jungen Wesen zu. Wie wenig kannten sie die Quelle eines so wunderbaren Nachgebens! Das Wahre an der Sache bestand darin: er hatte in den letztern paar Tagen einen höchstgründlichen Verfolgungsplan gegen den Dichter entworfen, sich auf die Folgerung einiger Stellen stützend, welche diesem am zweyten Abende seiner Vorträge entschlüpft waren, und dawider dem würdigen Kämmerling sowohl in Hinsicht des Ausdrucks als des Inhalts nichts Geringeres, als die Gipfelkritik des seid'nen Stranges anwendbar schien.

Es war deßhalb seine Absicht, gleich nach der Ankunft in Kaschmir den König Buchariens von den höchstgefährlichen Gesinnungen seines Minstrels zu unterrichten; – sollte alsdann unglücklicherweise der Monarch bey dieser Gelegenheit nicht mit angemessener Kraft verfahren, (das heißt: sollte er dem Feramors nicht den Seidenstrang und dem Fadladin eine Ehrenstelle zuerkennen) so stehe freylich das Ende aller rechtmäßigen Herrschaft in 71 der Bucharey zu befürchten. Er konnte jedoch nicht umhin, Besseres für sich und die Sache aller Regenten des Erdrundes zu erhoffen, und das Vergnügen, welches aus solchen gemischten Vermuthungen entstand, ergoß jene ungewöhnliche Behaglichkeit über all seine Gesichtszüge, und ließ seine Augen, den Mohnblüthen der Wüste gleich, über die weite Leerheit seines Antlitzes hinleuchten.

Indem er nun auf diese Weise die Strafe des Poeten im Voraus bestimmt hatte, hielt er es nur eben für Menschlichkeit, ihm die mindern Schmerzen der Kritik zu ersparen. Deßhalb – da man sich nächsten Abends im Gezelte versammelte, und Lalla Rukh schon erwartete, alle Schönheiten ihres Sängers eine nach der andern im Essig der Kritik fortschmelzen zu sehen, wie Perlen im Becher der Aegyptischen Königinn – täuschte er ihre Vermuthung auf angenehme Weise, indem er bloß mit ironischem Lächeln sagte, die Trefflichkeiten eines solchen Gedichtes verdienten vor einem höhern Tribunal gewürdigt zu werden.

Dann ging er schnell in eine Lobrede auf alle muselmännische Herrscher über, sie vorzüglich auf seinen erlauchten Herrn, den kaiserlichen Aurungzeb wendend, – den weisesten und besten aus allen Abkömmlingen Timurs, – welcher, unter andern großen Thaten für das Beste der Menschheit, auch ihm, dem Fadladin, den höchst einträglichen Posten eines Betelträgers und Scherbetkosters verliehen, und ihn zum Groß-Razir oder Kämmerling des Harems erhoben hatte.

Sie waren jetzt nicht fern mehr vom verbotenen 72 Fluß,Der Attock.»Akbar befahl auf seinem Wege, eine Veste am Nilab zu erbauen, welche er Attock nannte; das heißt in der Indischen Sprache Verboten. Denn ein Aberglaube der Hindus hielt es für unrecht, diesen Fluß zu überschreiten.« — Dow's Hindostan. welchen kein Hindu überschreiten darf, und rasteten ein wenig in dem reichen Thale Hassun Abdaul, von jeher ein Lieblingsruheplatz der Kaiser auf ihren jährlichen Wanderungen nach Kaschmir. Hier war Jehanguir, jenes Licht des Glaubens, mit seiner geliebten und schönen Nurmahal gewandelt, und glücklich würde Lalla Rukh sich gefühlt haben, immer hier verweilen zu dürfen, aufgebend den Thron Buchariens und die Welt für Feramors Liebe in diesem einsam süßen Thal. Die Zeit nahte nun schnell heran, wo sie ihn nicht fürder sehen sollte, – oder ihn doch mit Augen sehen, – deren Blicke nur einem Andern gehörten, und es gab etwas schwermüthig Köstliches in diesen letzten Augenblicken, welches ihr Herz daran festwob, wie an das Leben selbst. Wirklich fühlte sie sich während des letztern Theiles der Reise in eine tiefe Traurigkeit versenkt, aus welcher nichts, als die Gegenwart des jungen Sängers, sie erwecken konnte. Gleich den Lampen in Gräbern, die nur aufleuchten, wenn die Luft hineinströmt, glänzten nur vor seiner Nähe ihre Augen lächelnd und belebt. Doch hier, in diesem lieben Thale, ward jeder Augenblick eine Lebenszeit voll Vergnügen. Tagtäglich sah sie ihn, und war also tagtäglich beglückt, – ähnlich darin, wie sie oftmal dachte, jenen Leuten von Zinge»Die Bewohner dieser Gegend (Zinge) werden nie von Traurigkeit oder Melancholie ergriffen. In Bezug hierauf dichtete Scheikh Abu-al-Kheir-Azhari folgendes Distichon:
»Wo ist der Mann ohne Sorge und Trauer? (Sprich!) daß ich meine Hand an ihm reibe.«
»(Siehe) die Zingianer ohne Sorge und Trauer, lustiglich in Rausch und Munterkeit.«
»Die Philosophen haben entdeckt, daß die Ursache dieses Frohsinnes vom Sterne Canopus komme, welcher allnächtlich über ihnen aufgeht« — Extract from a geographical Persian Manuscript, called Heft Aklim, or the Seven Climates, translated by W. Onseley, Esq.
, welche die niewelkende Heiterkeit, deren sie genießen, einem einzigen begeisternden Stern,Der Stern Soheil oder Canopus. allnächtlich über ihren Häuptern aufsteigend, zuschreiben.

In der That schien die ganze Reisegesellschaft 73 während der wenigen Tage, die man in dieser ergötzlichen Einsamkeit verlebte, aufs allerheiterste gestimmt. Die jungen Begleiterinnen der Fürstinn, denen hier ein freyeres Leben vergönnt war, als es sich für einen minder abgeschiedenen Ort geziemt haben würde, liefen fast wild durch die Gärten, und hüpften über den Rasen, leicht wie junge Rehe über die duftenden Ebnen von Tibet. Fadladin derweil, außer dem geistigen Trost, welchen ihm eine Wallfahrt an das Grab des Thalesheiligen gewährt hatte, fand Gelegenheit einigermaaßen seine Opferlust zu befriedigen, indem er einige hundert der unglücklichen kleinen Eidechsen umbrachte»Die Eidechse Stellio, von den Arabern Hardun genannt. Die Türken tödten sie, weil sie sich einbilden, dies Thier äffe ihnen durch die Neigung seines Hauptes die Stellung nach, worin sie ihre Gebete hersagen.« — Hasselquist., welche zu tödten jeder gewissenhafte Muselmann für eine Verpflichtung hält. –

Etwa zwey Stunden von Hussun Abdaul befanden sich die königlichen GärtenIch verdanke diese nähern Kunden von Hussun Abdaul, der sehr interessanten Einleitung des Herrn Elphinston, zu seinem Werke über Kabul., emporgeblüht unter der Sorgfalt so mancher lieblichen Augen, und immer noch blühend, obgleich jene Augen sie nicht mehr zu sehen vermochten. Dieser Ort mit seinen Blumen und seinem heiligen Schweigen, nur unterbrochen durch das Flügeltauchen der Vögel in den Krystall der Marmorbecken, welche sich aus den reinsten Quellen der umliegenden Hügel füllten, – es war Alles für Lalla Rukh, was ihrer beseelten Phantasie nur an Wohlgedüften, Kühlung und beynahe himmlischer Ruhe vorschweben mochte, wie der Prophet einst von Damaskus sagte, daß es allzu ergötzlich sey»Beym Eintritte in den Bazar außerhalb des Thores von Damaskus sieht man die grüne Moskee, also benannt, weil ihr Thurm mit grün glasirten Backsteinen überzogen ist, und dadurch sehr glänzend erscheint; seine Dachspitze bildet ein Pavillon von selbigen Stoff. Die Türken sagen, man habe die Moskee auf diesem Platz erbaut, weil Muhamed, bis dahin gelangt, nicht in die Stadt gehen wollte, äußernd, daß sie allzu ergötzlich sey.« — Thevenot. – Dies erinnert an folgende schöne Stelle in Isaak Walton: »als ich zum letztenmal auf dieser Schlüsselblumenbank saß, und über diese Matten hinunterblickte, dachte ich davon, wie Kaiser Carl von der Stadt Florenz: »dergleichen seye zu anmuthig, um anders, als an Festtagen beschaut zu werden.«; – und hier auf Feramors süße Stimme lauschend, oder in seinen Augen lesend, was er doch nimmer ihr auszusprechen wagte, schwanden ihr die erlesensten Augenblicke ihres ganzen Lebens vorüber. Eines Abends, als man von der Sultaninn 74 Nurmahal sprach, dem Lichte des Harems,Nurmahal bedeutet Licht des Harems. Späterhin nannte man sie Nuriehan oder das Licht der Welt. ehedem so oft unter diesen Blumen wandelnd, so oft an diesen Marmorbecken mit eigenen Händen den kleinen glänzenden Fischen, denen sie so hold war, Speise streuend, – fragte der Jüngling, um den Augenblick der Trennung hinauszuschieben, ob er wohl eine kurze Geschichte, oder vielmehr ein Liederspiel vortragen dürfe, dessen Heldinn jene angebetene Herrinn sey. Es habe Bezug, sprach er, auf die Ausgleichung eines Minnestreites, der sich zwischen ihr und dem Kaiser während eines Rosenfestes zu Kaschmir erhoben habe, und die Prinzessinn werde sich dabey wohl eines ähnlichen Streites zwischen Harun-al Raschid und seiner schönen Geliebten Marida erinnernHaroun al Raschid, cinquième Khalife des Abassides, s'étant un jour brouillé avec une de ses maitresses nommée Maridah, qu'il aimoit cependant jusqu'à l'excès, et cette mesintelligence ayant déjà durée quelque temps, commença à s'ennuyer. Giafar Barmaki, son favori, qui s'en apperçut, commanda à Abbas ben Ahnaf, excellent poëte de ce tems là, de composer quelques vers sur le sujet de cette brouillerie. Ce poëte executa l'ordre de Giafar, qui fit chanter ces vers par Moussali en présence du Khalife, et ce Prince fut tellement touché de la tendresse des vers du poëte et de la douceur de la voix du musien, qu'il alla aussitôt trouver Maridah, et fit sa paix avec elle.« — D'Herbelot., welchen die sanften Saitenklänge des Musikers Mussali so glücklich beylegten. Da beynah das Ganze singend vorgetragen werden sollte, und Feramors unglücklicherweise seine eigene Laute im Thale vergessen hatte, borgte er der kleinen Persersclavinn Lalla Rukhs ihre Wina ab, und begann folgendergestalt:

       

Wer hörte nicht schon von Kaschmirs Thal,
Wo die Rosen blühen, die schönsten der Welt?»Die Rose von Kaschmir blieb wegen ihrer Pracht und der Zartheit ihres Duftes lange sprichwörtlich in den Morgenlanden.« — Forster.
Von den Tempeln, den Quellen sonder Zahl,
Vor spiegelnden Augen liebeserhellt? 75

O sieh es am Abend, – wenn warm auf dem See
Die Sonne verschämt im Scheideblick lacht,
Wie zaudernde Braut im lieblichen Weh
Den Spiegel zuletzt noch begrüßet vor Nacht! –
Wenn Tempel, sanft schimmernd durchs Laubengeflecht,
Holdfeyern die Stunde nach wechselndem Recht.
Wie Töne dort betend vom Minaret locken,
Sieht hier man den Magier sein Räucherfaß schwingen,
Hört jenseit den Gürtel voll lieblicher Glocken
Am Kleide der Indischen Tänzerinn klingen!»Rings um ihr Kleid der Glockengürtel geschlungen, der in entzückenden Tönen erklang.« — Sang des Jayadeva.

Oder sieh es im Mondlicht, das goldig und lind
Die Burgen und Gärten und Tempel umrinnt,
Wenn der Wasserfall glimmt wie ein Sternenfall,
Von Schenarhain flötet die Nachtigall
Und auf kühligen Bahnen der hüpfende Fuß
Der Jugend durchhinrauscht und lachender Gruß! –
Oder sieh es am Morgen, wenn zauberischem Licht
Der Frühe sich Wunder auf Wunder entflicht:
Quell, Hügel und Kuppel, aus nächtigen Thoren
Ersteh'nd, wie jüngst von der Sonne geboren!
Wenn der Duftgeist wach mit dem Tage nun wird,
Und dem Harem nachtblühender Blumen entirrt,
Wenn ein zärtlicher Wind die Espen»Die kleinen Inseln im See von Kaschmir sind mit breitblätterigen Espenbäumen von hohem und schlankem Wuchse besetzt.« — Bernier. mit Zittern 76
Umkost, daß sie beben und rauschen und flittern!
Wenn glüht, wie erwachendes Hoffen, der Strahl
Des Osten, und Tag mit prangenden Fahnen
Hervorgeht durch's mächtige Bergeportal,»Der Tuckt Solyman, – so benennen die Muhamedaner diesen Hügel – bildet auf der einen Seite des Sees ein großes Portal.« — Forster.
Die Welt an dies Eden voll Segen zu mahnen!

Doch nimmer je bey Tag und Nacht,
In Frühlingsthau und Sommerpracht
Hat dieses Thal so hold gelacht,
Als jetzt, da Lieb und Pracht sind Gäste.
Süß träumt der Tag, die Nacht sieht Feste!
Ein freudges Licht will jeden Blick,
Lust alle Herzen reg' umkosen,
Und Alles schwimmt im heitern Glück, –
Denn jetzt beginnt das Fest der Rosen!»Das Fest der Rosen währt so lange, als diese in Blüthe stehen.« — San Pietro de la Valle.
Die Wonnezeit, wenn Freuden fliegen
Ringsher, und vor dem duft'gen Wiegen
Herz gleich der Rose sich erschließt, –
Der Rose hundertblättrig prangend,»Gul sad berk, die hundertblätterige Rose. Ich halte sie für eine besondere Gattung.« — Ouseley.
Aufblühend wenn sich Thau ergießt,
Und Balsam jedes Blatt empfangend!

Die Stunde war's, wo Düfte schwammen
Auf abendlicher Seefluth Schein,
Und Tag verbarg die schwülen Flammen
Um BaramulS. Bernier. im Palmenhain. 77
Die Mägdlein hoben sanft das Haupt
Von Kissen, stickerey-umlaubt,
Wo sie der Sonne Gang verschliefen,
Bis Mondlicht sie und Spiele riefen.
Man eilt hinaus. Kein Bienenschwarm
Auf BelasEin Ort, dessen die Tauzek Jehangiry oder Memoiren des Jehanguir erwähnen, indem sie Bericht von den Beeten der Saffran-Blumen in der Gegend von Kaschmir abstatten. blum'gem Hügelarm
Schwärmt so lebendig und so leicht,
Als hier die muntre Schaar sich zeigt.
Wohl tausend Fackeln ziehn entlang
Durch jeden Hain und Inselgang;
Wohl tausend Lampen werden wach
Auf Minaret und Tempeldach;
Und Feld und Fußweg, nah und weit,
Schwimmt in glanzlichter Herrlichkeit,
Und zeigt, dem Strauch entsunken matt,
Am Grund das kleinste Rosenblatt.
Doch blieb der Frau'n und Mägdlein Schaar
Beym Fest für heut des Schleyers baar.
Die Augen leuchten süß hervor,
Die Wangen, sonst umhüllt von Flor
Vor Tages allzukühner Pracht,
Glüh'n offen jetzt. Es war ja Nacht!
Und Alle wandeln froh und frey,
Und grüßen sich mit holden Mienen,
Betheuernd sich, so lieblich sey
Noch nie das Rosenfest erschienen;
Nie habe man des Mondes Flimmer
So klar geschaut auf Wies' und Höh'n, 78
Kaum halb so glüh'nd der Rosen Schimmer
Und kaum sich selbst nur halb so schön.

Und welche Wildniß süßer Blumen!
Als sey aus allen Heiligthumen
Der Blüthenwelt, aus jedem Kreis
Des Jahrs vereint hier jedes Reis!
Der See auch athmet gartengleich
Aus holder Knospen Fluthgewimmel,
Als sey ein Blüthenschauer weich
Auf ihn herabgeströmt vom Himmel!
Und dann der Hall der Tamburin
Der Füße, die den Reigen ziehn; –
Der Sängerinnen Freudenklang
Von heller Minarete Gang!»Es ist ein Gebrauch der Weiber, von der Gallerie des nächsten Minarets, welche man zu diesem Behufe erleuchtet, herabzusingen; die im Hause versammelten Frauen antworten hin und wieder mit einem Ziralit oder fröhlichem Chor.« — Russel.
Zur Antwort dann ein Ziralit,
Das nahem Harem wild entflieht; –
Des Lachens fröhliches Gegaukel
Aus Gärten, wo die seidne Schaukel»Die Schaukel ist ein Lieblingszeitvertreib im Osten, indem sie eine in diesen schwülen Gegenden ausnehmend erfrischende Kreisbewegung der Luft hervorbringt.« — Richardson.
»Die Schaukeln sind mit Laubgewinden geschmückt. Diesen Zeitvertreib begleitet die Musik von Singstimmen und Tonwerkzeugen, welche der Herr der Schaukel gemiethet hat.« — Thevenot.

Rasch ein ergötztes Mädchen hebt,
Daß über'm Blüthenhain sie schwebt, –
Und Lärm der Kinder, die am Wege
Sich tummeln, und beym Zeltgehäge,»Als man das Rosenfest hielt, sahen wir eine Unzahl aufgeschlagener Zelte; umher ein solches Gedränge von Männern, Weibern, Kindern und Mädchen, mit Musik, Tanzreigen,« u. s. w — Herbert.
Wo Mutter nicht, nicht Sklav sie hüthen,
Sich werfen dicht mit Rosenblüthen! – 79
Und die Klänge vom See, – das Geflüster in Böten
Hinschießend durch's Mondlicht, – der Ruder Getön,
Und der trillernden Lieder lusthauchendes Flöten,
Von Hayn und von Insel und Uferlands Höhn,
Als ob sie, gleich denen von Kathay, im Schwellen
Der Klänge begrüßten die küssenden Wellen»Ein alter Erläuterer des Tschau-King sagt, da in der Vorzeit bemerkt worden sey, daß der Strom des Wassers aus einigen Steinen am Ufer einen Klang hervorlocke, habe man welchen davon losgebrochen, und von dem ergötzlichen Ton derselben entzückt, Kings oder musikalische Instrumente daraus zusammengesetzt.« — Grosier.!Diese wunderbare Eigenschaft ward auch den Ufern von Attika zugeschrieben. »Hujus littus, ait Capella, concentum musicum illisis terrae undis reddere, quod propter tantum eruditionis vim puto dictum.Ludov. Nives in Augustin de Civitat. Dei libr. XVIII. c. 8.
Doch lieblichstes Tönen und seelenbezwingend,
Ist das, von der Zither des Liebenden klingend,
Des Liebenden, wissend, was sehnendes Ach
Und Zither in magischer Stunde vermag!
O Glück, wo es sey auch, ihr nahe zu seyn,
Der Einen! – Wie herrlicher viel noch, im Schein
Des Mondes, im Tönen der Lieder, zu gleiten
Durch den See von Kaschmir, und die Eine zur Seiten!
Gibt weibliches Lächeln auch Wildnissen Zier,
So macht es zum Himmel dies holde Kaschmir!

Das fühlte der prachtvolle Sohn des AkbarJehanguir war der Sohn Akbar des Großen.,
Wenn von Macht und von Pomp und erobernder Schaar 80
Er eilt, das Alles vergessend, zum Thal
Mit dem Lichte des Harems, mit Nurmahal.
Frey streifte der Sieger und kronenlos
Mit der Einziggeliebten an Uferrands Moos;
Der Kranz galt ihm mehr, den sie spielend ihm wand
Aus blühendem Strauch, als sein Kronenband,
Und das kleinste Löckchen, das ringelnd ihr fällt
Auf den Schneehals, mehr als die Throne der Welt!

Wohl Schönheiten gibt's, alles Wechsels baar,
Wie der Lauf des längsten Sommertags klar;
Die glänzen und glänzen, durch gar nichts getrübt,
Bis Liebe vor Glanz sich in Schlummer begibt.
Nicht so ist die Schönheit, im mindesten nicht,
Die Nurmahals Jugend mit Zauber durchflicht;
Nein, immer belebt, und im wechselnden Gleiten,
Wie Lichter in Herbstes mildschattenden Zeiten,
Nun hier und nun dorthin die Schimmer versprüh'nd,
In Lippen, in Wangen, in Augen erglüh'nd;
Nun schmelzend in Nebel, nun Strahlenlicht ganz,
Wie in Träumen der Heil'gen ein Himmelsglanz!
Nachdenkend erschien sie, als sey nur erkoren
Der Ernst ihr als Reiz, und zum Ernst sie geboren: –
Unwillig, – im sanftesten Klima wohl auch
Sieht Blüthen man kräuseln durch neckenden Hauch –
Schien selbst sich auch da noch ihr Reiz zu erneu'n,
Wie bewegte Blumen mehr Düfte verstreu'n. 81
In Zärtlichkeit glomm ihr der Augen Gefunkel
Mit Eins von tieferem, himmlischrem Dunkel,
Wo aus schattigem Grund, – wie aus heiligem Hain
Weissagung – ihr Lieben quoll selig und rein!
Und ihr Scherz, – o wie ließ sie vom Herzen ihn fliegen,
Gleich Vöglein, die frey sich in Lenzesluft wiegen, –
Beleuchtet vom Witze, dran Weise sich sonnen,
Doch tändelnd, wie Peri's, dem Käfig entronnen; –In den Kriegen der Diwen mit den Peri's, als Jene die Letztern fingen, »verschlossen sie die Besiegten in eiserne Käfige, und hingen diese auf die höchsten Bäume. Hier wurden die Gefangenen durch ihre Gefährten besucht, welche ihnen die erlesensten Düfte brachten.« — Richardson.
Indeß ihr Lachen, leichthell, sonder Zwang,
Nur dienstbar der Anmuth, der Seel' entklang;
Man wußte nicht, wo es am schönsten sich fachte,
Weil Mund, Stirn, Augen, und Alles ihr lachte,–
Wie strahlend ein See, wenn der Lufthauch erwacht,
All überall spielt und im Sonnenschein lacht.
Solch Zaubern gab lieblich in Nurmahals Hand
Den Herrscher des Ostens im dienstbaren Band.
Wie reich auch sein Harem – erlesenstes Beet
Der BlumenIn der Malayischen Sprache bedeutet dasselbe Wort Frauen und Blumen., die liebend zog unser Planet! –
Von Schätzen strahlte, drum Solyman 82
Hingäb' alles Gold, das ihm Ophyr gewann, –
Doch dunkel vor ihr sind die Blühenden all,
Und das Licht seines Harems bleibt Nurmahal!

Doch heut, wo weilt sie, in der Nacht
Die alle Herzen glücklich macht?
Da Alles blüht im holden Strahl,
Geboren wie durch Träumesmächte,
Daß Jeder, den ein Zufall brächte,
Jetzt unversehns in's schöne Thal,
Wohl meynt', er säh' die Gassenzahl
Der Stadt, erbaut aus Blumenreihen
Und Gemm' und Licht, im Land der Feyen, –Die Hauptstadt von Schadukiam. S. die Anmerkungen zu: das Paradies und die Peri.
Wo weilt die Sultaninn? – Da Freude
Die Schönen eint zur Augenweide,
Will sie, die allerschönste, nun
In schwermuthvoller Stille ruhn?

Ach, wie so leicht doch Kleinigkeit
Zwey Herzen, liebeglüh'nd, entzweyt!
Zwey Herzen, lang' umsonst von Welt
Und Noth versucht, – nur mehr gesellt,
Je grimm'ger Wetter's Blitze brennen, –
Die nun in sonn'ger Zeit sich trennen,
So wie ein Schiff versinkt in Fluth,
Wenn Meer und Himmel friedlich ruht!
Ein Etwas, leicht wie Lust, – ein Blick,
Ein Wort, zu trüb, – auch mißverstanden, –
Verstört oft Lieb' im Augenblick, 83
Die jedem Sturm hat widerstanden.
Und schlimm're Worte kommen nach,
Erweiternd was ein Wort erst brach;
Die Augen wissen nichts zu sagen
Vom Licht aus früh'rer Liebe Tagen;
Der Stimm' entweicht der süße Klang,
Dem jeder Spruch ward Minnesang; –
Bis, schwindend Eines nach dem Andern,
Fort alle Liebeshulden wandern,
Und Herzen, jüngst noch einig, gleichen
Sturmwolken, – ähnlich auch dem reichen
Bergwasser, das hoch oben quillt,
Als könn' es nimmer je sich theilen,
Um, eh' es naht dem Thalgefild,
Auf stets getrennt sich zu enteilen.

O Ihr, die Liebeswächter seyd,
Stets haltet rosig sie gebunden,
Wie hoch im Land der Seligkeit
Sie weilt, mit Blumen rings umwunden! –Man sehe das Abbild des östlichen Cupido, dicht mit Blumengeflechten umwunden, in Picart's Cérémonies Religieuses.
Laßt keinen Fesselring entschlüpfen,
Laßt nie sie nur die Schwingen lüpfen; –
Auf Stunden, auf Minuten nur
Ein Flug, – man sieht die trübe Spur! –
So wie des schönen Vogels Schwingen,
Der sich in Ostlands Düften wiegt,
Im Ruhen Glanz und Farb' umringen,
Doch plötzlich schwinden, wenn er fliegt.»Unter den Vögeln in Tonkin gibt es eine Gattung Goldfinken, so melodischen Gesanges, daß man dies Thier den Himmelsvogel nennt. Wenn er seine Flügel senkt, erscheinen sie von schönen Farben bunt; im Fluge jedoch verlieren sie all ihre Pracht.« Grosier. 84

Ein Zwiespalt von so ernster Art –
Gefährlich, ob auch leicht und zart,
Den Herzen treuverbundner Gatten,
Streu'nd auf den Liebeshimmel Schatten,
Der erst wie stock'ge Wölklein zieht,
Doch endlich wohl noch Blitze sprüht, –
Solch Dunkel hüllt den Freudenschein
Des liebentglühten Kaisers ein,
Und bannt von seinem Angesicht
Fort Nurmahal, sein Haremslicht
Drum – während Liebe Kränze flicht,
Und wonniglich durch Feld und Wald
Der Chor all ihrer Freuden wallt,
Und jedes Herz das seine fand, –
Geht freudlos er und abgewandt,
Und trüb, wie Thraciens Vogel irrt,
Dem nie ein Ruhplatz eigen wird.»Da man diesen Vögeln keinen Ruheplatz nachweisen kann, werden sie von den Franzosen: les âmes damnées genannt.« — Dalloway.
Umsonst, daß Blick und Wangen glänzen,
Die reich dies ird'sche Eden kränzen; –
Sie nah'n sich, – bleich ihm dünkend all, –
Die Augen trüb'! – Wie reich ein Ort
Auch lacht in Blüthen fort und fort,
Was hülf's dem Meister Nachtigall,
Wär' nicht sein Liebling Rose dort?»Hundert Handvoll duftender Kräuter und Blumen mögt ihr vor dem Sänger Nachtigall ausbreiten: er sehnt sich in seinem treuen Herzen nur nach dem süßen Athem seiner geliebten Rose allein.« — Dschami. 85
Vergebens winkt das Huldgedränge
Des Thals, auf jedem seiner Gänge;
Er achtet's nicht; – Ein Lächeln gält'
Ihm mehr, als Huld'gung einer Welt!
Die kann ja nur den Stern verehren, –
Doch Himmel kann den Stern verklären!

Aus gleichem Grund bleibt Nurmahal
Fern dieser wonnereichen Stunde,
Fern von des Festes heiterm Schall,
In ihrem stillen Laubenrunde.
Und Keinen duldet nah ihr Leid,
Als nur die Eine Wundermaid,
Namuna nur, die Zauberinn,
Ob der die Sonn' als Königinn
Endlos durch Jahre zog dahin,
Und jetzt noch ihrer Schönheit Blühn
So hold sieht, als zu Anfang glühn!
Ja, wie vor eil'gen Westwinds Fächeln
Nur frischer noch die Blumen lächeln,
Ward vor des Zeitenfittig's Schwung
Sie mehr und mehr noch hold und jung.
Doch Wehmuth floß um's holde Bild;
Und wenn – wie oft – vom Lichtgefild
Des Himmels sprach ihr Wort und Sang, –
O welch ein Wunderstrahl dann drang
Aus ihrem Blick! – Und Jeder sann:
»Gehört sie wohl uns Menschen an?« –

Sie kannte Spruch und Talisman,
Vom großen Mantra»Man glaubt, er habe den großen Mantra gefunden, einen Zauber oder Talisman, vermittelst dessen er die Elemente und die Geister aller Herrschaften regierte.« — Wilford., der die feinen 86
Luftgeister hält in seinem Bann,
Bis zu den goldnen Edelsteinen,»Die goldenen Edelsteine von Dschinny, welche die Araber, ihrer angeblichen Zauberkraft wegen, El Herriz nennen.« — Jackson.
Die der Araber trägt am Arm,
Zu wenden Siltims Spuk und Harm.»Ein Dämon, von welchem man glaubt, daß er Wälder u. s. w. in menschlicher Gestalt bewohne.« — Richardson.
Und sie beschwört all ihre Kunst, –
Mit aller ernstgetreuen Gunst
Der Freundinn, die aus höherm Kreis
Doch Liebesweh zu fühlen weiß, –
Um neu mit zaubrischen Gewinden
SelimDer Nahme Jehanguirs vor seiner Thronbesteigung. an Nurmahal zu binden.

'S war Mitternacht. Durch das Spalier,
Umrankt mit Laub, haucht dort und hier
Gedüft von Pflanzen, die erblühn,
Wenn andre schlafen. Der Jasmin,
Der furchtsam, während Sonne schießt
Ihr Strahlenlicht, die Knospen schließt,
Läßt nun, da aller Glanz verfließt,
Sein liebliches Geheimniß quellen
Vor jedes Lüftchens Schmeichelwellen.
Namuna sprach: »die Stunde thaut
Rings Zauberkraft auf Blum' und Kraut, 87
Und Kränze lassen nun sich finden,
Die, wenn sie Schläfers Haupt umwinden,
Ihm Träume weben wundergleich,
Und labend süß, und blendenreich,
Wie sie der Sonne Genien seh'n,
Aus ihren goldnen Zelteshöhn,
Wo Abends all die holde Zahl
Süß spielt, bis, dämmernd Strahl an Strahl,
Ihr Lager schwindet allzumal!
Nun fänd' ein Blumenkranz sich auch,
Mild angeweht vom Mondeshauch,
Der, trüg' ihn ein verlassnes Kind,
Wohl eine Peri lockt' hernieder.
Solch holde Seelen, weißt Du, sind
Ganz Blumenduft, ganz Liebeslieder.
Die kundet dann –«

                              »O, meinen Locken
Den Kranz!« ruft Jene, süß erschrocken;
»O halt' ihn mir zur Nacht bereit!«
Und schon mit Rehes Flüchtigkeit
Eilt sie, um jede holde Blüthe,
Die heil'ges Mondenlicht umglühte,
Kraftvoll für diesen Traumeskranz
Zu sammeln reich im frischen Glanz.
Goldsee'n»Hesmagara, oder die Goldsee, mit Blumen von der leuchtenden Goldfarbe.« — Sir W. Jones. und heitre Anemonen,
Und Lilien, jüngst erblüht am Bach,
Und jene süßen Blumenkronen, 88
In Kamadewa's Köcher wach;»Dieser Baum (der Nagacesara) ist einer der ergötzlichsten auf Erden, und der köstliche Duft seiner Blüthen gibt ihnen mit Recht einen Platz im Köcher Kamadewa's oder des Liebesgottes.« — Sir W. Jones.
Der Tuberose Silberpracht,
Sie, in den Gärten der Malayen
Genannt die Königinn der Nacht,»Die Malayer benennen die Tuberose (Polianthes tuberosa) Sandal Malum, oder die Herrinn der Nacht.« — Pennant.
Die bräutlich duftet, bräutlich lacht,
Wann Sterne ziehn den Abendreihen, –
Und Amaranthen, Mädchenkränze
Bereitend in Zamara's Gränze;Die Einwohner der Batta-Provinz in Sumatra (das im Alterthum auch Zamara hieß) »führen wenn sie nicht im Kriege sind, ein müßig thatenloses Leben; während sie den ganzen Tag über auf einer Art Flöte blasen, ist ihr Haupt mit Blumenkränzen geschmückt, unter welchen der Amaranth-Globus, ein Eingeborner der Gegend, die Hauptstelle einnimmt.« — Marsden.
Die weiße Mondesblume, blüh'nd
Vom Riff Serendibs, Düfte sprüh'nd
Auf Abendwindes Luftgefieder
Zum Naheschiffenden hernieder, –
Kurz, jede Blume, jede Pflanze, –
Von göttlichen Amrita's Sprossen,»Die größte und reichste Gattung (des Jambu oder Rosenapfels) nennt man Amrita oder den Unsterblichen, und die Sagenlehrer Tibets legen denselben Nahmen einem Himmelsbaum mit ambrosischen Früchten bey.« — Sir W. Jones.
Deß Frucht den Geist im Himmelsglanze
Macht zum Unsterblichkeitsgenossen, – 89
Bis zum Basiliknm,Das süße Basilikum, in Persien Rayhan geheißen, findet man gewöhnlich auf Begräbnißplätzen. den Duft
Am liebsten streu'nd um stille Gruft,Die Weiber in Aegypten beten und weinen mindestens zweymal die Woche über den Gräbern der Todten, und die Sitte erfordert, dabey auf die Grabstätten ein Kraut zu streuen, welches die Araber Rihan heißen. Es ist unser süßes Basilikum.« Maillet, Lett. 10.
Zum Rosmarin, achtlos entsprossen
Wo in der Wüsteneinsamkeit,
Niemand sich seines Athems freut, –»In der großen Wüste sieht man öfters Stengel von Lavendel oder Rosmarin.« — Asiat. res.
Sie blühn in diesen Gärten all,
Und alle pflückt sie Nurmahal,
Füllt ihre Körbchen, hold erfreuet,
Bis Keines Blum' und Blatt mehr hält,
Fliegt zu Namuna dann, und streuet
In ihren Schooß die Blüthenwelt.

Wie sah entzückt die Zauberinn
Auf all die lichten Knospen hin,
Die heil'ger Stunde Thau umwebt!
Ihr Blick sprach mehr, als ird'sche Wonnen,
Und wie von sel'ger Lust durchbebt,
Neigt sie sich ob dem Blumenbronnen,
Als ob sie mit der Balsamfrische
Die eigene holde Seele mische.
Und wirklich nährt sie aus dem Hauch
Von Blum' und duft'gen Flammen auch
Ihr Zauberleben! – Niemand sah
Ihr je noch Erdenspeise nah,
Niemand sie andern Trank genießen,
Als welchen Thaugewolk' ergießen.
Nun süß erlaubt von duft'ger Kühle, 90
Begann sie ihre Zauberspiele,
Und während mystisch sie verschlang
Die Zweig', entquoll ihr dieser Sang:


Ich weiß, wo die luft'ge Träumeschaar,
Nacht's Betten umtändelnd, ruht!
Ich weiß, wo in Blumen sie Paar an Paar
Süß schlummert bey Tagesgluth!
            Laß uns flechten, o Kind,
            Die Kränze geschwind,
Eh Blume noch welket, und Traum noch entrinnt.

Das Liebesgebild, im nächt'gen Fliehn
Umschwebend erröthende Maid,
Stiehlt auf sich aus himmlisch bewegtem Jasmin,
Wie Mädchen dem Schatten, geweiht!
Die Hoffnung, die kosend im glücklichen Traum,
Um thränende Wangen sich schwingt,
Entfliegt der Blüthe vom Mandelbaum,»Der weißblumige Mandelbaum blüht aus nackten Zweigen.« — Hasselquist.
Die laublosem Zweige entspringt.
            Laß uns flechten, o Kind,
            Die Kränze geschwind,
Eh Blume noch welket, und Traum noch entrinnt.

Der Traum, wie ihn oft schon Geizige sahn,
Der Gänge voll Erzes entrollt,
Bewohnet das Bergkraut,Ein Kraut auf dem Berge Libanon, welches den Zähnen der dort grasenden Ziegen und andern Thieren eine gelbe Goldfarbe mittheilen soll. färbend den Zahn 91
Der Heerde wie leuchtendes Gold. –»Niebuhr meynt, dies sey dasselbe Kraut, welches die östlichen Alchymisten für ein Mittel zum Goldmachen hatten. Viele dieser alchymischen Enthusiasten hatten sich des Erfolges versichert, sobald sie das Kraut ausfindig machen können, welches die Zähne vergoldet, und dem Fleische der davon weidenden Schaafe eine gelbe Farbe gibt. Man nennt es Haschischats ed Dab.«Pater Hieronymus Dandini jedoch versichert, die Zähne der Ziegen auf dem Berge Libanon seyen silberfarb, und fügt hinzu: »dies bestätigt mir die in Candia gemachte Bemerkung, das die auf dem Berge Ida lebenden Thiere ein gewisses Kraut abweiden, welches ihren Zähnen eine Goldfarbe mittheilt, welches meinem Urtheile nach, nicht anders als aus den unterirdischen Minen entstehen kann.« — Dandini, Voyage to Mount Libanon.
Die Bilder – o flieh sie! – Voll tödtlichem Grau'n,
Um's Lager des Mörders gereiht,
Sie lauern im leiblichen Stamm des Alraun,
Der, entwurzelt um Mitternacht, schreyt!
            Laß uns flechten, o Kind,
            Die Kränze geschwind,
Eh Blume noch welket, und Traum noch entrinnt.

Und des lieblich duldenden Mädchens Traum,
Deß Auge manch Unrecht netzt,
Entquillt dem verwundeten Zimmetbaum,
Süß duftend, wenn herb verletzt!
            Laß uns flechten, o Kind,
            Die Kränze geschwind,
Eh Blume noch welket, und Traum noch entrinnt.


Kaum daß die Blumenkron' umschlingt
Ihr Haupt, als Schlummer nieder sinkt,
Wie Sommernächt' aus blauen Höhen,
Die holden Augen zu umwehen; –
Und einen Luftzug hört man ziehn,
So reich an leisen Harmonien,
Als je ein Windhauch, reich an Düften,
Um Azabs LagerDas Myrrhen-Land. schwoll in Lüften; – 92
Ihr ziehn in's Ohr die süßen Stimmen,
Schwill'n, fluthen, so wie Zephyr tief
Eindringt in jener Muscheln Krümmen,
Wo Liebe selbst vor Alters schlief.»Dieses Bild (von in Muscheln lebenden Gottheiten) war den Griechen nicht fremd, welche den jungen Nerites, einen der Liebesgötter, als in den Ufermuscheln des rothen Meeres wohnend darstellen.« — Wilford.
Ein Geist, wie ganz aus Klang und Licht
Gewoben, – denn so herrlich tönt
Die Luft umher, und sein Gesicht
Ist also reich von Glanz verschönt, –
Umschwebt mit leisem Fittig sie,
Und singt in süßer Melodie: –


Ich komme von Tschindara's tönendem Quell,»Ein fabelhafter Quell, wo man beständig den Klang von Tonwerkzeugen vernehmen soll.« — Richardson.
Berufen durch Mondlichts Blüthenkranz; –
Dort wohn' ich in Klängen so hold und hell
Bey Nachtgedunkel und Tagesglanz.
Da hört man die Lauten ringsher in der Luft,
Und Stimmen singen den lieben langen Tag,
Und jedes zärtlichen Seufzers Duft
Wird entquellend den Lippen, als Liedlein wach.
            Nun schweb' ich heraus
            Vom magischen Haus!
Und wohnen noch Zauber im Klang der Lieder, –
            So schwör' ich's beym Duft
            Dieser Mondscheinluft:
Bald kniet Dein Liebling zu Füßen Dir wieder! 93

Denn mein ist der fröhliche Minnesang,
Und mein der flüsternd schwindende Klang,
Der sanft hinsäuselt wie Schnee auf den Quell,
Und im Herzen auch hinschmelzt eben so schnell!
Und der Leidenschaft Hall, deß tiefes Schwellen
Kühn adelt des Busens verschwieg'nes Reich,
Wie der Muskuswind befahrend die Wellen,
Sie aufregt, aber versüßt zugleich!

Mein ist die Kunst, derem mystischem Reigen
Sich Geister entschwundnen Glückes zeigen; –
Kaum tönt der klangreiche Talisman,
Und wie Genien dringen sie rings heran. –
Und mein ist der Liebesgesang, durch Lüfte
Die Wünsche tragend seelaus, seelein,
Wie ein Vogel, der das Saamengedüfte
Des Zimmets hinsäet von Hain zu Hain.»Die Pompadour-Taube ist diejenige Gattung, welche, indem sie die Zimmetfrucht an verschiedene Orte hinträgt, für eine große Aussäerinn dieses köstlichen Baumes gelten kann.« — S. Brown's Illustr. Tab. 19.

Ich bin's, der im lieblichen Sang' erfrischt
Das War und das Wird, und dem Ist es mischt.»Wo irgend unser Vergnügen aus einer Folge der Töne entsteht, ist es eine Wahrnehmung von zusammengesetzter Natur, entstehend aus einem Gefühle des gegenwärtigen Klanges, und einer Idee oder Erinnerung des verschwundenen, indem ihre wetteifernde Mischung ein so geheimnißreiches Ergötzen verursacht, wie keines von Beyden allein zu erwecken vermocht hätte. Noch wird es oft durch eine Ahnung der nachfolgenden Klänge oder Noten erhöht. So befinden sich Empfindung, Gedächtniß und Einbildungskraft in gleicher Thätigkeit.« — Gerrard über den Geschmack.
Dies ist genau die Epikurische Theorie des Vergnügens, die Cicero also ausdrückt: »Quo circa corpus gaudere tamdiu, dum praesentem sentiret voluptatem, animam et praesentem percipere pariter cum corpore et prospicere venientem, nec praeteritam praeterfluere sinere. –
Frau von Staël entwickelt aus demselben Prinzip, das Vergnügen, welches der Reim uns gewährt. – »La rime est l'espérance et le souvenir. Un son nous fait désirer celui, qui doit lui répondre, et quand le second retentit il nous rappelle celui qui vient de nous échapper.«

Wenn Gedächtniß bindet entschwundnes Tönen
An den holden Klang, noch umtönend das Ohr,
Und Hoffnung erwacht aus dem jetzigen Schönen
Auf Schöneres, himmlisch sich hebend empor!

Des Kriegers Herz, belebt es mein Hauch,
Wird so daunig sanft, und schmiegsam auch, 94
Wie sein weißer Busch, der den Tod hinträgt
Durchs Feld, und den doch ein Lüftchen bewegt.
Und o, wie die Augen der Schönheit blinken,
Wenn die innerste Seel' ihr trifft der Gesang,
Gleich verschwiegenen Sternen, die lauschen und winken
In Himmels ewigem Sphärengesang
            So schweb' ich heraus
            Vom magischen Haus!
            Und wohnen noch Zauber im Klang der Lieder,
            So schwör' ich's beym Duft
            Dieser Mondscheinluft:
            Bald kniet Dein Liebling zu Füßen Dir wieder!


Es tagt; – wohl nur mit frühstem Blick,
Der blinzelnd wieder taucht zurück,»Sie haben einen zwiefachen Morgen, den Subhi Kazim und den Subhi Sadig, den falschen und den echten Tagesanbruch.« — Waring.»Die Perser haben zwey Morgenröthen, den Subhi Kazim und den Sadig, den falschen und echten Tagesanbruch. Sie erklären diese Erscheinung auf eine höchst grillenhafte Weise. Weil nähmlich – sagen sie – die Sonne hinter dem Kohi Quaf (Bergkaukasus) hervorkommt, geht sie an einer diesen Berg durchschneidenden Hölung vorüber. Schießt sie nun ihre Strahlen da herdurch, so veranlaßt sie den Subhi Kazim oder diese vorübergehende Erscheinung des Tagesanbruches. Ihr Höhersteigen verhüllt die Erde aufs neue in Dunkelheit, bis sie sich über den Berg erhebt, und den Subhi Sadig oder wirklichen Morgen herbeyführt.« — Scott Waring. Er meynt, Milton spiele darauf an, wenn er sagt:
    »Eh schwatzhaft noch der Morgen lauscht,
    Sticht aus dem Ind'schen Bergesthor
    Der kleine Morgen listig vor.«

Als ob Aurora's Augenlieder
Halb offen, schlummernd sänken nieder.
Doch Nurmahal erprüfet schon
Die Wunder ihrer Zauberlaute;
Und Heil! – es hebt sich reicher Ton,
Wie er vom Geisterfittig thaute!
Der Herrinn Stimm' ist Himmelsang.
Nie ward bis dahin noch verliehen
Es ird'schen Frauen, so im Klang
Das Paradies herabzuziehen, 95
Süß, wie ein Engelseufzer labend,
In göttlichster Begeistrung rein; –
»O«– ruft sie – »tön' ich so bis Abend,
So ist er mehr als jemals mein!«
Und stündlich hebt auf's neu' sie an
Ihr Lied, besorgt, ob es wohl nichtig
Vor Abend ihr bereits entrann; –
So schöne Gab' ist oft so flüchtig!
Doch nein, statt zu entrinnen, klang
Nur immer holder der Gesang.
Sie weilt entzückt bey jeder Seite,
Hat jeden Ton auf's neu' geübt,
Wie Echo süß im Sehnsuchtstreite
In eignen Wundersang verliebt.
An diesem Abend – wohl im Hoffen,
Daß nun ihr Liebesweh' verläßt,
Von Spiel, Musik und Wein getroffen, –
Hält Selim kaiserliches Fest
In seinem prächt'gen Schalimar, –»In der Ebne Mitte, da wo sie sich dem See nähert, hat Einer der Kaiser von Delhi, ich glaube Schah Jehan einen weiten Garten, der Schalimar geheißen, erbaut, welcher im Ueberfluß mit Fruchtbäumen und blühenden Gebüschen versehen ist. Einige der Bäche, welche die Ebne durchschneiden, hat man an der Rückseite des Gartens in einen Kanal geleitet, und wie der nun mitten hindurchfließt und sich gelegentlich zu mannigfachen Wasserkünsten gestaltet, bildet er die vorzüglichste Schönheit des Schalimar. Diese Gegend zu schmücken haben die Mogul-Fürsten Indiens eben so viel Pracht als Geschmack angewendet; vorzüglich Jehan Ghir, welcher nebst der bezaubernden Nurmahal in den Sommermonden Kaschmir zu seiner gewöhnlichen Residenz erkor. Auf über den Kanal in gleichen Abständen geführten Bogen, sind vier oder fünf Reihen von Gemächern errichtet; jede enthält einen Salon mit vier Zimmern an den Winkeln, wo das Gefolge des Hofes sich versammelt, und die Bedinten Kaffee, Scherbet und den Hukah bereiten. Die Thürpfosten des vorzüglichsten Saales sind aus Stücken eines schwarzfarbigen Steines zusammengesetzt, den gelbe Linien durchstreifen, und dessen Dichtigkeit und Politur den Porphyr übertrifft. Sie wurden, heißt es, durch einen der Mogulfürsten aus einem Hindu-Tempel genommen, und stehen in hohem Wert.« — Forster.
In dessen Hallen, wenn halb klar
Die ersten Stern' im Wasser flimmern,
Des Thales liebste Wesen schimmern;
Die Holden, die wie Träume winken
Durch das Gebüsch, und Strahlenblinken
Der Schönheit aus den Wassern trinken!»Die Wasser von Kaschmir sind um so berühmter durch die Meinung, daß die eingebornen Frauen ihnen einen Theil ihrer Schönheit verdanken« — Ali Yezdi.
All jene Minnesängerinnen,
Die wandernd oft von hier entrinnen, –
Warum aus solchem Paradies? – 96
Und in des Südens Gärten singen»Durch ihn empfing ich den folgenden kleinen Gazzel oder Minnesang, dessen Noten er von der Stimme einer der singenden Mädchen von Kaschmir auf's Papier brachte, die aus diesem ergötzlichen Thal durch die verschiednen Landstriche Indiens hinwandern.« — Persische Miscellen.
Die Lieder welche nie so süß,
Als von Kaschmirschen Lippen klingen; –
Auch Harems frohe Kinder nah'n: –
Westmädchen, Gold ihr Lockenglüh'n, –
Auch die aus Nilus Gartenbahn,»Die Rosen des Jinan-Nil oder Nilgarten, der sich um den Palast des Kaisers von Marokko zieht, sind unvergleichlich. Mit ihren Blättern füllt man Matratzen für die Ruhebetten der Vornehmen.« — Jackson.
Zart, wie die Rosen dorten blüh'n; –
Von Cyprus Fels die Liebentbrannten,
Im Haare Paphische Demanten; –»An einem Berghange bey Paphos findet sich eine Höle, welche den schönsten Bergkrystall erzeugt. Man hat ihm, seines Glanzes wegen, den Nahmen des Paphischen Demanten ertheilt.« — Mariti.
Perigestalten, zart wie Schatten,
Aus Kandahars Goldwiesenmatten:»In Kandahar gibt es eine Gegend, Peria oder Feeenland geheißen. Thevenot. – Man nimmt an, daß einige dieser Indischen Nordlande Pflanzengold hervorbringen.
Und die mit träumerischen Blicken
Durch Kathays Lauben sehn die Schaaren
Der Schmetterlinge farbig zücken,»Dies sind die Schmetterlinge, welche die chinesische Sprache fliegende Blätter nennt. Einige von ihnen tragen so leuchtende Farben, und sind so mannigfach bunt, daß man sie wohl fliegende Blumen nennen könnte. Und wirklich entstehen sie auch immer in den schönsten Blumengärten.« — Dunn. 97
Stillsinnend, ob das Blumen waren,
Im Sonnlicht seufzend rings um sie,
Bis Zauber ihnen Fitt'ge lieh!

Ja, Reiz und Jugend funkelt dort
Aus Ost und West und jedem Ort:
Nur nicht, – nur nicht, – o Nurmahal!
Du Liebste, Schönste aus der Zahl,
Du Ein' in Deines Lächelns Glanz,
Du Einzg' in aller Welten Kranz!
Dein Licht, wann rings sich Lichter flechten,
Gleicht jenem Stern in stern'gen Nächten,
Den aus dem ganzen Firmament
Als Lenker der Pilot erkennt!
Und Du bist fern? – Dein Selim dacht' es,
Und fern Dir, schien ihm Alles trüblich.
Doch nah war das Gestirn; – auch bracht' es
Sangzauber mit sich frisch und lieblich.
Sie mischt zum Chor sich unerkannt
Der Singenden aus manchem Land,
Durch eine Larventracht versteckt,
Wie sie Arabiens Mägdlein deckt;»Die Arabischen Frauen tragen schwarze Larven mit kleinen zierlich geschmückten Schnallen.« — Carrari. Niebuhr erwähnt, daß sie in Gesellschaft nur ein Auge zeigen.
Die läßt nur Eins der Augen frey,
Wohl zu noch größ'rer Zauberey. –
Sie streift umher bewegt und bange:
Sie sehnt sich, – zitterndholde Elfe! – 98
Zu prüfen, ob mit Zauberklange
Das liebe Saitenspiel ihr helfe!

Schon prangt der Tisch mit Obst und Wein;
Goldtrauben, gleich den üpp'gen Reih'n
Aus Kasbins Höhn,»Die Goldtrauben von Kasbin.« — Description of Persia. – Granatfrucht, schwellend
Von Süsse, Birn und Apfel blinkt,
Wie Kabul»Die Früchte, welche Kabul ausführt, bestehn aus Aepfeln, Birnen, Granatäpfeln, u. s. w.« — Elphinstone. sie, das Laub durchhellend,
Aus seinen tausend Gärten»Wir setzten uns unter einen Baum, lauschten den Vögeln und sprachen mit dem Sohne unsres Mehmaundars über unser Vaterland und Kabul, von welchem er einen entzückenden Bericht gab. Diese Stadt und ihre 100000 Gärten, u. s. w. — Elphinstone. bringt.
Pisang, goldfarb und leuchtendgrün,
Malaya's Nektar-Mangustin,»Der Mangustin, die edelste Frucht der Welt, und der Stolz der Malayischen Inseln.« — Marsden.
Bokharas Pflaum', und ferngesucht
Die Nüss' im Hain von Samarkand,
Und Basra's Aprikosenfrucht,»Eine köstliche Gattung Aprikosen, von den Persern tokm-ek-schems genannt, welches Sonnensaat bedeutet.« — Description of Persia.
Als Sonnensaat aus Irans Land; –
Und Wisnakirschen,»Süssigkeiten in einem Krystallbecher, aus eingemachten Rosenblättern bestehend, nebst Wisnakirschen, Orangenblüthen, u. s. w.« — Russel. eingemacht 99
Sammt der Orangenblüthen Pracht,
Und jenen frischen wilden Beeren,
Die Eraks Berg-Gazellen nähren, –»Antilopen, die frischen Beeren von Erak abweidend.« Moallakat, ein Gedicht von Tarafa.
Das alles glüht, wie hingeblasen,
In Gold und Sandelholz umher,
Und auch in porcellanen Vasen
Des Eiland's unter'm Indusmeer,Mauri-ga-Sima, eine Insel bey Formosa, soll wegen der Verbrechen ihrer Bewohner in's Meer versenkt worden seyn. Die Gefäße, welche Fischer oder Taucher von dort heraufbringen, werden zu unermeßlichen Preisen in China und Japan verkauft. — S. Kempfer.
Von wo ein Fund kann Tauchern glücken,
Um Königshall'n damit zu schmücken.
Auch Wein, aus jedem Land entsprossen,
Strahlt rings mit feuchten Gluthgeschossen:
Ambra Rosolli,Siehe die Persischen Sagen. – und, ergossen
Am grünen See, der Rebenquell;Der weiße Wein von Kischma.
Und Schiraswein, der prunkend rann,
Als ob des Edelsteines Schimmer,
Für den die Stadt bot Kublai-Khan,»Man sagt, der König von Zeilan besitze den alleredelsten Rubin, der je gesehen worden sey. Kublai-Khan bot ihm durch eine Gesandtschaft den Werth einer Stadt dafür, aber der König entgegnete, nicht für die Schätze der Welt würde er ihn hingeben.« — Marco Polo.
Geschmolzen und erröthendhell
Hmträufl' in Bechers goldne Flimmer! 100

Und Selim zecht aus jedem kühn;
Es scheint, die Wogen woll' er sprühn
In's tiefste Herz, – daß rings sich winde
Der geist'gen Ueberschwemmung Fluth,
Und Amor nicht Ein Plätzchen finde,
Drauf er den müden Fittig ruht.
O wiß', den Knaben gönnt verbündet
Der Becherstrom zu gern die Bahn,
Die er mit süßem Lichtblick zündet; –
Wie Dichter ihn in Träumen sahn
Entlang den Ganges lachend schwimmen
Auf ros'gen Lotuszweig gelehnt,Die Indier dichten, Cupido habe sich zuerst gezeigt, den Ganges auf der Nymphaea Nelumbo herniederschwimmend. — S. Pennant.
Verschönt von Stromes blauem Glimmen,
Und durch sein Bild der Strom verschönt.

Doch ach, wie Wein so matt nur rinnt,
Dem Lieder ihren Schwung nicht mischen!
Und sieh – ein hold Georgisch Kind,
Das all die Blüth' und Gluth erfrischen,
Verliehn der Spielgenossen Schaar
Aus Tiflis Bädern, warm und klar, –Tiflis ist wegen seiner natürlichen warmen Bäder berühmt. — S. Eben Haukal.
Ihr Aug' ein rastlos dunkler Strahl,
Vollströmend! – Wem je mächtig glühte
Sein Herz, der fleh', daß Himmels Wahl
Vor solchen Augen stets ihn hüte! –
Mit süßer Wildheit läßt sie gleiten 101
Die Schneehand durch Syrindasaiten,»Die Indische Syrinda oder Zither.« — Symez.
Um dieses Lied ihr zu begleiten:


Eilt her! O hieher! – Bey Nacht und bey Tag
Umträumt uns ein nimmermehr schwindend Vergnügen;
Gleich Wellen des Sommers: wenn Eine sich brach,
Nah'n andr' im gleich süßen und schimmernden Schmiegen.
Aus ersterbender Liebe wacht liebendes Leben
Aufs neue gleichfunkelnd an glühender Zier.
O kann's hienieden Elysium geben,
        So ist's hier, so ist's hier!Rings außenher am Dewan Khaß (einem Gebäude Schach Allum's) sind an der Kranzleiste die folgenden Worte in Goldbuchstaben auf weißem Marmorgrunde zu lesen: – »gibt es ein Paradies auf Erden, so ist es hier, so ist es hier.« Franklin.


Hier seufzen die Mädchen; ihr Seufzen ist Duft
Wie der Ambrablüthe, vom Bienlein erschlossen;»Erquickend sind die Blüthen des Ambrabaumes auf den Berggipfeln, wenn summende Bienen ihr liebliches Geschäft verfolgen.« — Gesang des Jayadeva.
Ihre Zähren sind köstlich wie Thränen der Luft,
Die zu Perlen werden, in Seefluth ergossen.»Der Nisan oder das Getropf des Frühlingsregens, welches nach ihrer Meinung, wenn es in Seemuscheln fällt, Perlen erzeugt.« — Richardson.
Wie muß Lächeln und Kuß sich entzückend verweben, 102
Wenn Thrän' ist und Seufzer so himmlisch an Zier,
Verkündend: mag's irdisch Elysium geben,
        So ist's hier, so ist's hier!


Hier funkelt der Nektar, der liebeshell
Wohl wieder herabzög' aus seliger Ferne
Die Engel, vergessend den himmlischen Quell
Um Wein,Einen Bericht über den Antheil des Weins am Falle der Engel gibt Mariti. und um irdische Blicke die Sterne.
Erquickt mit dem Naß unsrer duft'gen Reben,
Was fehlt einem Geist an edenischer Zier?
Denn o, kann's hienieden Elysium geben,
        So ist's hier, so ist's hier!


Kaum war des Mägdleins Lied verklungen,
So ward die Weise Klang für Klang
Von andrer Laute nachgesungen,
So himmlisch all den Hain entlang,
Daß Alles staunend bleibt und still,
Die Augen himmelan erhoben,
Wie hoffend, Engel IsrafilDer Engel der Musik.
Erscheine sichtbar nun dort oben; –
So mächtig und so lieblich stehlen
Sich diese Kläng' in alle Seelen.
Und eine Stimme wie die Saiten
Bezaubernd, schwebt im süßen Gleiten
Durchhin und webt sich so hinein, 103
Daß Niemand weiß, mag Sang, mag Laute
Das Göttlichste von Beiden seyn, –
So hold durchflochten sich die Laute:


Wohl gibt's einen Segen, den Lied nicht erreicht,
Wann Zwey, durch ein himmlisches Bündniß verbunden, –
Nie kalt je ihr Herz, nie die Wange gebleicht, –
Fromm lieben im Leid und in tödlichen Stunden!
Der Augenblick voll von so heiligem Leben,
Verlöscht ein Jahrhundert voll herzloser Zier;
Und o kann's hienieden Elysium geben,
        So ist's hier, so ist's hier!


Nicht war's das Lied, nicht war's die Weise,
Doch die Magie, die tief und leise,
Nie so noch aus Musik erwacht,
Den Saiten gab und Lippen Macht. –
Rings tönte Stimm' an Stimme hin:
»'S ist die verlarvt Araberinn!«
Und Selim, den der Sang vor Allen
Ergriff, der im Entzückungswallen
Lag, wie umstrickt von Zauberbächen,
Als nun erscholl das Tönemeer,
Noch viel zu tief bewegt zum Sprechen,
Winkt leise mit der Hand nach Mehr: –


Fleuch zu der Wüste, fleuch mit mir!
        Dünkt rauh Arabiens Zelt auch Dir, 104
        Dein Herz erkör' ja gern zum Lohn
        Liebvolles Zelt für kalten Thron.
Rauh ist mein Fels; doch funkelt klar
        Dort der Akazie gelbes Haar,
        Einsam und süß, nicht minder hold,
        Weil sie durch Wüsten webt ihr Gold.
Dürr ist mein Sand, doch auf und ab
        Schlüpft Antelope's Silbertrab;
        Sie springt so hold und froh durch's Thal,
        Als ging's durch Königs Marmorsaal.
Komm! – Dein Arabisch Mädchen will
        Akazie Dir seyn lieb und still,
        Als Antelop' in Tanzes Zier
        Die Einsamkeit beleben Dir!
O manch ein Blick und Ton dringt ein
        Durch's Herz, wie rascher Sonnenschein! –
        Die Seel' erfaßt's in seiner Flucht,
        Und fühlt: das hab' ich längst gesucht!
Aus wär', was glimmt aus Aug' und Mund,
        Seit jeher unsrem Sehnen kund;
        Als hieße, was dort blickt und spricht,
        Auf ewig nun: vergiß mein nicht!
So kam Dein Blick, Dein Ton und Wink,
        Da strahlend, athmend mich's umfing;
        Neu wie aus fremder Sphären Land,
        Doch traut, wie längst mir schon bekannt!
Drum fleuch mit mir, – wenn Du nicht schon
        Von andrer Flamme glühst, – mit Hohn
        Nicht wegwarfst andern Edelstein,
        Dem Du es schwurest: »ewig mein!«
Komm, wenn dein Lieben glüht für mich
        So rein und frisch, als meins für Dich, – 105
        Frisch, wie die Quell' im tiefen Sand,
        Wo sie zuerst der Kibitz fand!Man glaubt, der Hudhud, oder Kibitz besitze die Gabe, unterirdische Wasser zu entdecken.
Doch wenn Du andre Maid betrügst
        Um meinethalb, und abwärts lügst,
        Ab vom Altar den holden Schatz,
        Mich stellend an verstörten Platz, –
Dann fahr' Du hin! – Dann wagt ich eh',
        Ein Schloß zu bau'n aus eis'gem See,
        Kurz vor der Frühlingssonne Thau'n,
        Als Deiner falschen Huld zu trau'n!


Im Liede war ein solch Gefühl,
Daß, ob auch Zauberey ihm fehle,
Wohl es erreicht hätt' all sein Ziel
In Selims liebeglüh'nder Seele;
Doch nun, von einem Hauch durchdrungen,
Fremd ird'schen Zithern so als Zungen,
Jedwede Saite frisch vom Spiel
Des Genius selbst, – es war zu viel! –
Ausstarrend geußt er hin den Becher,
Den, während Ton an Ton sich wand,
Still, ungekostet hielt der Zecher,
Wie durch Magie so festgebannt, –
Und die längst Ungenannte nennend
Ruft er, in Sehnsucht wild entbrennend:
»O Nurmahal! O Nurmahal!
Wär' dir entströmt dies Lied der Lieder,
Hin würf' ich Schmerz und Zorn zumal,
Auf ewig ganz dein eigen wieder!«

Die Larve fällt, – der Zauber siegt, –
Und Selim hält ans Herz geschmiegt, 106
Fest Nurmahal, sein Haremslicht!
Hold glüht, wie nie, ihr Angesicht,
Dem die entschwundnen Zorneswellen
Nur süßer jeden Strahl erhellen!
Dem zaubrischer die Schönheit lacht,
Die sich verbarg in kurze Nacht!
Nach ihren Seufzern mehr beglückt,
Flüstert sie leis' im süßen Kosen,
Das Haupt an seinen Arm gedrückt:
»Denk, holder Freund, an's Fest der Rosen!«


Beym Schlusse dieses leichten Sangspieles nahm Fadladin Gelegenheit, seine Meinung über die gesammte Poesie des Kaschmirschen Jünglings vorzutragen, die, wie er bey sich meynte, an diesem Abende zum letztenmale geklungen hatte. Nach einiger Wiederholung der Beyworte: »frivol« – »unharmonisch« – »nonsensicalisch« – kam er zu der Bemerkung, diese Poesie im günstigsten Lichte betrachtet, gleiche Einem der Maldivischen Kähne, auf welche die Prinzessinn in ihrem Traume angespielt habe; – einem leichten, vergoldeten Dinge sonder Ruder oder Ballast in die Weite hinausgeschickt, und nichts an Bord führend, als leere Süßigkeiten und verwelkte Blumen. Wahrlich, die verschwenderische Menge der Blumen und Vögel, welche dieser Poet bey jeder Gelegenheit in Bereitschaft habe, noch Thautropfen, Gemmen und dergleichen gar nicht zu rechnen, – sey ein höchlich ängstender Ueberfluß für die Hörer, und verleihe unglücklicherweise seinem Styl alles Geflitter eines Blumengartens ohne dessen Ordnung, und alles Geflatter einer 107 Vogelhecke ohne deren Gesang. Noch überdies wähle er seine Gegenstände schlecht, und sey immer durch die übelsten Theile derselben am mehrsten begeistert. Die Reize des Heidenthums, das Verdienst der Empörung, – das seyen die Themata, denen er mit absonderlichem Enthusiasmus zu huldigen pflege; ja, in der eben vorgetrag'nen Dichtung preise er durch eine der schmackhaftesten Stellen das Getränk der Ungläubigen, den Wein. – »Doch ist er vielleicht« – setzte er hinzu, seine Strenge in Lächeln umwandelnd, als schlage ihn das Gewissen wegen seines eignen Harem-Charakters in diesem Punct – »doch ist er vielleicht einer jener Sänger, deren Phantasie all ihre Erleuchtung der Traube verdankt, gleich dem so merkwürdigen als seltnen Porcellan»Die Chinesen besaßen früherhin die Kunst, auf die Seiten der Porcellanvasen Fische und andre Thiere zu mahlen, welche nur sichtbar wurden, wenn das Gefäß von irgend einer Flüssigkeit angefüllt war. Sie nennen diese Gattung Kia-tsin, d. h. Azur in der Presse, in Bezug auf die Art, mit welcher der Azur aufgetragen wird. – Sie versuchen noch bis jetzt hin und wieder, die Kunst dieser magischen Mahlerey neu aufzufinden, aber ohne Erfolg.« — Dunn., dessen Bilder nur sichtbar werden, wenn man Liquor hineingießt.« – Ueberhaupt sey es nach den angehörten Proben, denen er allerdings die ermüdendsten Stunden dieser Reise zuschreiben müsse, seine Meinung, daß – wie viel anderweitige Verdienste dieser wohlerzogene junge Herr auch besitzen möge – die Poesie auf keine Weise für seinen absonderlichen Beruf gelten könne; »und in der That,« – so schloß der Kritiker – »aus seiner Zärtlichkeit für Blumen und Vögel möchte ich zu folgern wagen, daß die Benennung eines Blumisten oder Vogelfängers weit angemessener für ihn seyn würde, als die eines Poeten.« –

Sie hatten nun angefangen, jene dürren Berge zu ersteigen, die Kaschmir von dem übrigen Indien trennen; und da die Hitze unerträglich ward, während sich zugleich die Zeit ihres Lagerns nur auf wenige Stunden, für Erfrischung und Schlaf 108 unentbehrlich, beschränkte, so hatte es ein Ende mit all ihren entzückenden Abenden, und Lalla Rukh sah nichts mehr von Feramors. Sie fühlte, daß nun ihr kurzer Traum von Glückseligkeit vorüber sey, und daß ihr nichts mehr bleibe, als die Erinnerung jener wenigen Stunden, dem Einen Trunke süßen Wassers vergleichbar, der das Kameel auf seiner ganzen Wüstenfahrt belebt, – um ihr Herz in der schrecklich vor ihr liegenden Wüste des Lebens zu erfrischen. Der Mehlthau, welcher auf ihre Lebensgeister gefallen war, fand bald auch den Weg zu ihrer Wange, und ihre Frauen sahen mit Betrübniß, obgleich nicht ohne einigen Verdacht der Ursache, – daß die Schönheit ihrer Herrinn, auf die sie beynahe so stolz, als auf die eigene, waren, mehr und mehr in dem Augenblicke dahinschwand, wo sie ihrer am nöthigsten bedurft hätte. Was mußte der König Buchariens fühlen, wenn statt der belebten und schönen Lalla Rukh, durch die Poeten Delhis für vollkommner gepriesen, als die göttlichsten Bilder in Azors WohnungEin ausgezeichneter Verfertiger von Götzenbildern, welchen der Koran für Abrahams Vater ausgibt. »Ich habe solch ein liebliches Idol als man es im Azors Hause nicht findet.« — Hafiz., er nun ein bleiches und schier hauchloses Opfer empfangen sollte, auf dessen Wangen weder Freude noch Gesundheit blühte, und aus dessen Blicken die Liebe geflohen war, – um sich desto tiefer im Herzen zu verbergen!

Hätte irgend etwas die Schwermuth ihrer Seele hinwegzuzaubern vermocht, so hätten es die frischen Lüfte und die entzückenden Gestaltungen des Thales gethan, welches die Perser, mit so vollem Rechte, das Unvergleichliche nennen.Kaschmir bi Nagir. — Forster. Aber weder die 109 Kühle seiner Atmosphäre, so köstlich nach dem Erklimmen jener dürren und glühenden Berge, – weder der Glanz seiner Minarete und Pagoden, wie sie aus der Waldestiefe hervorleuchteten, noch die Grotten, Einsiedeleyen und WunderquellenDer verzeihliche Aberglaube des sich absondernden Volkes, hat die Anbetungsorte des Mahadeo, des Beschau und des Brama vermehrt. Ganz Kaschmir ist heiliger Boden und überfließt an Wunderquellen.« — Major Rennel's Memoirs of a Map of Hindostan.
Jehanghir erwähnt »eine Quelle in Kaschmir, Tirnagh geheißen, welches Schlange bedeutet; vermuthlich weil dort ehedem eine große Schlange gehaust hatte.« – »So lange mein Vater lebte, kam ich zweymal zu dieser Quelle, die etwa zwanzig Koß von der Stadt Kaschmir entfernt ist. Die Spuren von verehrten und heiligen Orten finden sich in zahlloser Menge unter den durch die Nachbarschaft verstreuten Trümmern und Höhlen.« — Toozk Jehangeery.S. Asiat. Misc. vol. 2.
»Es gibt noch einen andern Bericht über Kaschmir von Abul-Fazil, den Verfasser des Ayin-Achari, welcher« – sagt Major Rennel – »zufolge seiner Beschreibung der Heiligthümer des Thales von der Begeisterung desselben etwas ergriffen war.«
, die jede Stelle dieser Gegend zu geweihtem Boden erheben, weder die zahllosen Wasserfälle, hernieder rauschend in's Thal von all den hohen und romantischen Bergen, die es umringen, noch die anmuthige Stadt des Sees, deren Häuser, mit Blumen gedeckt»Auf ein festes Holzdach legt man eine Bedeckung edler Erde, welche den Bau vor der großen Menge des im Winter herniederfallenden Schnee's beschirmt. Diese Schutzwehr verbreitet eben sowohl Wärme im Winter, als eine erfrischende Kühlung in der Sommerzeit, wenn die Gipfel der Häuser, mit verschiedenartigen Blumen bepflanzt, aus einiger Entfernung den Anblick schöner, schachbretartiger Beete darbieten.« — Forster. aus einiger Entfernung wie ein weites und vielfarbiges Beet erscheinen, – nicht all diese Wunder und Glorien der lieblichsten Gegend unter der Sonne vermochten ihr Herz nur augenblicklich von den trüben Gedanken zu lösen, die sich bey jedem Schritte vorwärts dunkler und herber gestalteten.

Die heitern Festlichkeiten und Ehrenzüge, welche ihr bey dem Eintritte in's Thal begegneten, wie auch die Pracht, auf allen Pfaden glänzend, machte dem Geschmacke und der ritterlichen Sitte des jungen Königs Ehre. Es war Nacht, als man sich der Stadt nahete, nachdem die letzten zwey Stunden herdurch der Zug unter Schwibbogen hingegangen war, die sich von Hecke zu Hecke verzweigten, einzig mit jenen seltensten Rosen bewunden, aus welchen das Altar Gul, köstlicher noch, als Gold, gepreßt wird, und in reichen und phantastischen Gebilden mit Laternen von den dreyfarbigen Schildkrötenschalen Pegu's»Zweyhundert Sclaven werden zu keinem andern Dienste gehalten, als die Wälder und Sümpfe nach dreyfarbigen Schildkröten für die Tafel des Königs zu durchspüren. Von den Gehäusen derselben macht man auch Laternen.« — Vincent le Blanc's Travels. erleuchtet. Bisweilen brach aus einer dunkeln Waldung zur Seite des Weges ein Schaugepränge von Feuerwerken los, so plötzlich und so funkelnd, daß ein Bramin hätte wähnen mögen, den Hain zu erblicken, in 110 dessen Purpurschatten der Gott der Schlachten geboren ward, zur Flamme emporsprühend im Augenblick seiner Geburt; während ein andermal wieder ein schneller und spielender Strahlenglanz fortwährend alle Gefilde und Gärten, durch welche man dahinzog, beleuchtete, eine Reihe von tanzenden Lichtern am Horizont bildend, – gleich den nördlichen Meteoren, von jenen Waidmännern erblickt, welche den weißen und den blauen Fuchs an den Ufern des Eismeeres verfolgenEine Beschreibung der Aurora Borealis, wie sie solchen Jägern erscheint, gibt die Encyklopädie..

An diesen Schwibbogen und Feuerwerken ergötzten sich die Damen der Prinzessinn ausnehmend, und schlossen, ihrer gewohnten guten Logik zufolge, der König der Bucharey, mit einem solchen Geschmacke für Illuminationen begabt, müsse den aller exemplarischsten Ehegemahl abgeben, den man sich nur erdenken möge. Und auch Lalla Rukh selbst konnte nicht umhin, die Freundlichkeit und Pracht zu empfinden, womit der junge Bräutigam sie bewillkommte; – doch gleichfalls auch empfand sie, wie schwer die Dankbarkeit laste, welche durch Dienstfertigkeit eines Gegenstandes, den man nicht zu lieben vermag, heraufbeschworen wird. Ja, sie fühlte, daß ihre holdesten Worte sich dem Herzen mit all der eisigen und tödtenden Süßigkeit entrangen, womit jener kalte und wohlgeruchduftende WindDieser Wind, welcher sich vom Damascanischen Syrien aus erheben soll, ist nach muhammedanischer Lehre eins von den Zeichen der Annäherung des letzten Tages. Ein andres dieser Zeichen ist folgendes. »Große Noth in der Welt,« so daß ein Mensch, bey dem Grabe des Andern vorübergehend, sprechen wird: »wollt Gott, ich wär' an seiner Stelle!« — Salés Preliminary Discourse. die Erde in ihren letzten Tagen dereinst anhauchen soll.

Die Hochzeitfeyer war für den Morgen nach ihrer Ankunft bestimmt, wo sie zum erstenmale dem Monarchen in dem kaiserlichen Palast am See, Schalimar genannt, vorgestellt werden sollte. Obgleich wohl nie eine Nacht voll so schlafloser und 111 ängstigender Sorge in dem glücklichen Thale verlebt seyn mochte, erschien doch Lalla Rukh nach derselben ihren Frauen, während sie sich am Morgen einfanden, um ihr in der Anordnung des bräutlichen Schmuckes zu helfen, noch Einmal so schön, als sie je sich erinnern konnten, sie früherhin erblickt zu haben. Was ihr an Blüthe und Strahlenpracht ihrer Reize verloren ging, ward mehr als ersetzt durch jenen tiefgemüthlichen Ausdruck, jene Seele in den Augen, dagegen alle andere Lieblichkeiten zurückstehen.

Sobald sie ihre Finger mit dem Hanna-Laub gefärbt, und ein zartes Kränzlein von Juweelen auf ihre Locken gedrückt hatte, in der Form, welche die Bucharischen Königinnen alter Zeit zu tragen pflegten, umhüllte sie ihr Haupt mit dem rosenfarbnen bräutlichen Schleyer, und schritt hinab, wo die Barke bereit lag, sie über den See zu führen; – doch küßte sie noch vorher, einen trauernden Blick im Auge, das kleine Karniol-Amulet, welches in der Scheidestunde der Vater um ihren Nacken hing.

Der Morgen war so schön, als die Jungfrau, zu deren Hochzeitfest er emporstieg, und der strahlende See, ganz mit Nachen bedeckt, – die Minstrels, an den Inseln spielend, – die gedrängten Lusthäuser auf den grünen Hügeln ringsher, Schawls und Banner von deren Dächern wehend, – das Alles stellte solch Bild lebendiger Freude dar, daß nur der Gegenstand dieser Herrlichkeit es ohne Entzücken zu betrachten vermochte. Für Lalla Rukh allein war es ein trübseliges Gepränge; ja, sie hätte es wohl nicht einmal über sich vermocht, 112 einen Blick auf das ganze Spiel zu richten; nur daß sie noch immer hoffte, vielleicht in dem Gedränge einen Scheideblick von Feramors zu gewinnen. So ganz und gar ergriffen war ihre Einbildungskraft durch diesen Gedanken, daß sie kaum an irgend einem Inselchen oder Boot vorüberfuhr, ohne daß ihr Herz vor dem augenblicklichen Wahne, dort müsse sie ihn finden, hoch aufschlug. Glücklich in ihren Augen das demüthigste Sclavenwesen, auf welches ein Licht seiner lieben Blicke fiel!

In der Barke unmittelbar hinter der Prinzessinn befand sich Fadladin, die Seidenvorhänge weit auseinandergezogen, damit ja alle Welt den Segen seiner erhabenen Gegenwart genieße, und dabey den Kopf ganz voll von der Rede, welche er dem Könige vorzutragen gedachte, betreffend Feramors, und die Literatur, und den nahe damit verknüpften Seidenstrang.

Sie befanden sich nun in dem Kanal, welcher vom See nach den prachtvollen Kuppeln und Hallen des Schalimar führt, und glitten durch Gärten einher, von jeder Seite des Ufers mit blumigen Gebüschen durchwebt, davor die Luft zu lautern Wohlgedüften ward, während Wasserkünste sich aus der Fluth erhoben, klar und ungebrochen zu solch einer blendenden Höhe steigend. daß sie gleich Demantsäulen im Sonnenlichte feststanden. Nachdem man unter den Schwibbogen verschiedenartiger Hallen dahingesegelt war, gelangte man endlich an die letzte und herrlichste, wo der Monarch die Ankunft seiner Braut erwartete; – und so tief drang ein wundersames Gefühl ihr durch Leib und Seele, daß sie nur mühsam die Marmorstufen 113 erstieg, welche mit Goldstoff zu ihrem Hinauftreten aus der Barke belegt waren. Am Ende der Halle standen zwey Throne, prächtig, wie der himmelblaue Thron Kulburga's»Bey Muhammed Schaw's Rückkehr nach Kulburgof (der Hauptstadt von Dekkan) bereitete er ein großes Fest, und bestieg mit großer Pracht und Herrlichkeit seinen Thron, ihn Firozeh oder den Himmelblauen nennend. Von alten Leuten, die unter der Regierung des Sultan Mamud Bhameni den Thron Firozeh noch sahen, habe ich dessen Beschreibung vernommen. Sie sagen, er sey 9 Fuß lang gewesen, und 13 breit; aus Ebenholz verfertigt, mit Platten reinen Goldes bedeckt, und mit köstlichen Steinen von unermeßlichem Werthe eingelegt.
Jeder Fürst des Hauses von Bhameni, welcher diesen Thron besaß, machte sich einen Ehrenpunct daraus, ihn mit einigen reichen Steinen zu verherrlichen; so daß, als er unter Sultan Mamud's Regierung zerstückt ward, um einige Juweelen für Becher und Gefäße herauszunehmen, die Juweeliere ihn auf eine Korrore von Uns schätzten (nahe an 4 Millionen Pfund Sterlinge). Zugleich erfuhr ich, er habe den Nahmen Firozeh bekommen, weil er zum Theil mit himmelblauer Farbe emaillirt gewesen sey, die aber zu seiner Zeit gänzlich durch die Menge der Edelsteine verdeckt war.« – Ferischta.
, auf deren Einem Aliris, der König Buchariens saß, während der Andre bestimmt war, in wenigen Minuten die schönste Prinzessinn der Welt zu empfangen. Unmittelbar nach Lalla Rukh's Eintritt in die Halte, stieg der Monarch von seinem Throne, ihr zu begegnen; doch kaum gewann er Zeit, ihre Hand in die seinige zu schließen, als sie mit einem Schrey der Ueberraschung zu seinen Füßen sank! – Feramors war, er selbst, der Alleinherrscher Buchariens, der in dieser Verkleidung seine junge Braut von Delhi her begleitet hatte, und, als demüthiger Minstrel ihre Liebe gewinnend, nun vollkommen verdiente, sein Glück als König zu genießen.

Die Bestürzung Fadladins bey dieser Entdeckung war für den Augenblick fast bemitleidenswerth. Doch das Umwechseln der Meinung ist eine Zuflucht, allzu hülfreich an Höfen, als daß dieser erfahrne Höfling nicht gelernt haben sollte, sich ihrer zu bedienen. Dem gemäß begann er augenblicklich all seine Kritiken zu widerrufen; er war für die Verse des Königs von einer eben so unbegränzten, als –wie er ihn zu glauben bat – uneigennützigen Bewunderung durchdrungen, und als ihn die nächste Woche in Besitz einer neuen Stelle sah, schwur er bey allem Heiligen des Islams, nun und nimmer habe es einen so großen Dichter gegeben, als König Aliris; auch zeigte er sich bereit, seine Lieblingsarzney, den Seidenstrang, für alle Welt – Mann, Weib oder Kind zu 114 verschreiben, dafern Jemand sich unterfangen sollte, von dieser Meinung abzugehen.

An der Glückseligkeit des Königs und der Königinn vom Bucharia findet nach einem solchen Beginnen wohl kaum noch ein Zweifel statt. Unter den mindern Zeichen derselben hat man auch auf gezeichnet, daß Lalla Rukh ihr ganzes Leben lang im Angedenken jener wonnevollen Reise den König nie mit einem andern Nahmen nannte, als Feramors.

 

Ende des zweyten Theils.

 


 << zurück