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Die seltsame Gefälligkeit, mit welcher Fadladin dem ganzen letztern Theile dieser schadendrohenden Geschichte zugehört hatte, setzte die Prinzessinn und den Dichter in großes Erstaunen, und neigte ihm die Herzen solcher verdachtlosen jungen Wesen zu. Wie wenig kannten sie die Quelle eines so wunderbaren Nachgebens! Das Wahre an der Sache bestand darin: er hatte in den letztern paar Tagen einen höchstgründlichen Verfolgungsplan gegen den Dichter entworfen, sich auf die Folgerung einiger Stellen stützend, welche diesem am zweyten Abende seiner Vorträge entschlüpft waren, und dawider dem würdigen Kämmerling sowohl in Hinsicht des Ausdrucks als des Inhalts nichts Geringeres, als die Gipfelkritik des seid'nen Stranges anwendbar schien.
Es war deßhalb seine Absicht, gleich nach der Ankunft in Kaschmir den König Buchariens von den höchstgefährlichen Gesinnungen seines Minstrels zu unterrichten; – sollte alsdann unglücklicherweise der Monarch bey dieser Gelegenheit nicht mit angemessener Kraft verfahren, (das heißt: sollte er dem Feramors nicht den Seidenstrang und dem Fadladin eine Ehrenstelle zuerkennen) so stehe freylich das Ende aller rechtmäßigen Herrschaft in 71 der Bucharey zu befürchten. Er konnte jedoch nicht umhin, Besseres für sich und die Sache aller Regenten des Erdrundes zu erhoffen, und das Vergnügen, welches aus solchen gemischten Vermuthungen entstand, ergoß jene ungewöhnliche Behaglichkeit über all seine Gesichtszüge, und ließ seine Augen, den Mohnblüthen der Wüste gleich, über die weite Leerheit seines Antlitzes hinleuchten.
Indem er nun auf diese Weise die Strafe des Poeten im Voraus bestimmt hatte, hielt er es nur eben für Menschlichkeit, ihm die mindern Schmerzen der Kritik zu ersparen. Deßhalb – da man sich nächsten Abends im Gezelte versammelte, und Lalla Rukh schon erwartete, alle Schönheiten ihres Sängers eine nach der andern im Essig der Kritik fortschmelzen zu sehen, wie Perlen im Becher der Aegyptischen Königinn – täuschte er ihre Vermuthung auf angenehme Weise, indem er bloß mit ironischem Lächeln sagte, die Trefflichkeiten eines solchen Gedichtes verdienten vor einem höhern Tribunal gewürdigt zu werden.
Dann ging er schnell in eine Lobrede auf alle muselmännische Herrscher über, sie vorzüglich auf seinen erlauchten Herrn, den kaiserlichen Aurungzeb wendend, – den weisesten und besten aus allen Abkömmlingen Timurs, – welcher, unter andern großen Thaten für das Beste der Menschheit, auch ihm, dem Fadladin, den höchst einträglichen Posten eines Betelträgers und Scherbetkosters verliehen, und ihn zum Groß-Razir oder Kämmerling des Harems erhoben hatte.
Sie waren jetzt nicht fern mehr vom verbotenen 72 Fluß,Der Attock.»Akbar befahl auf seinem Wege, eine Veste am Nilab zu erbauen, welche er Attock nannte; das heißt in der Indischen Sprache Verboten. Denn ein Aberglaube der Hindus hielt es für unrecht, diesen Fluß zu überschreiten.« — Dow's Hindostan. welchen kein Hindu überschreiten darf, und rasteten ein wenig in dem reichen Thale Hassun Abdaul, von jeher ein Lieblingsruheplatz der Kaiser auf ihren jährlichen Wanderungen nach Kaschmir. Hier war Jehanguir, jenes Licht des Glaubens, mit seiner geliebten und schönen Nurmahal gewandelt, und glücklich würde Lalla Rukh sich gefühlt haben, immer hier verweilen zu dürfen, aufgebend den Thron Buchariens und die Welt für Feramors Liebe in diesem einsam süßen Thal. Die Zeit nahte nun schnell heran, wo sie ihn nicht fürder sehen sollte, – oder ihn doch mit Augen sehen, – deren Blicke nur einem Andern gehörten, und es gab etwas schwermüthig Köstliches in diesen letzten Augenblicken, welches ihr Herz daran festwob, wie an das Leben selbst. Wirklich fühlte sie sich während des letztern Theiles der Reise in eine tiefe Traurigkeit versenkt, aus welcher nichts, als die Gegenwart des jungen Sängers, sie erwecken konnte. Gleich den Lampen in Gräbern, die nur aufleuchten, wenn die Luft hineinströmt, glänzten nur vor seiner Nähe ihre Augen lächelnd und belebt. Doch hier, in diesem lieben Thale, ward jeder Augenblick eine Lebenszeit voll Vergnügen. Tagtäglich sah sie ihn, und war also tagtäglich beglückt, – ähnlich darin, wie sie oftmal dachte, jenen Leuten von Zinge»Die Bewohner dieser Gegend (Zinge) werden nie von Traurigkeit oder Melancholie ergriffen. In Bezug hierauf dichtete Scheikh Abu-al-Kheir-Azhari folgendes Distichon:
»Wo ist der Mann ohne Sorge und Trauer? (Sprich!) daß ich meine Hand an ihm reibe.«
»(Siehe) die Zingianer ohne Sorge und Trauer, lustiglich in Rausch und Munterkeit.«
»Die Philosophen haben entdeckt, daß die Ursache dieses Frohsinnes vom Sterne Canopus komme, welcher allnächtlich über ihnen aufgeht« — Extract from a geographical Persian Manuscript, called Heft Aklim, or the Seven Climates, translated by W. Onseley, Esq., welche die niewelkende Heiterkeit, deren sie genießen, einem einzigen begeisternden Stern,Der Stern Soheil oder Canopus. allnächtlich über ihren Häuptern aufsteigend, zuschreiben.
In der That schien die ganze Reisegesellschaft 73 während der wenigen Tage, die man in dieser ergötzlichen Einsamkeit verlebte, aufs allerheiterste gestimmt. Die jungen Begleiterinnen der Fürstinn, denen hier ein freyeres Leben vergönnt war, als es sich für einen minder abgeschiedenen Ort geziemt haben würde, liefen fast wild durch die Gärten, und hüpften über den Rasen, leicht wie junge Rehe über die duftenden Ebnen von Tibet. Fadladin derweil, außer dem geistigen Trost, welchen ihm eine Wallfahrt an das Grab des Thalesheiligen gewährt hatte, fand Gelegenheit einigermaaßen seine Opferlust zu befriedigen, indem er einige hundert der unglücklichen kleinen Eidechsen umbrachte»Die Eidechse Stellio, von den Arabern Hardun genannt. Die Türken tödten sie, weil sie sich einbilden, dies Thier äffe ihnen durch die Neigung seines Hauptes die Stellung nach, worin sie ihre Gebete hersagen.« — Hasselquist., welche zu tödten jeder gewissenhafte Muselmann für eine Verpflichtung hält. –
Etwa zwey Stunden von Hussun Abdaul befanden sich die königlichen GärtenIch verdanke diese nähern Kunden von Hussun Abdaul, der sehr interessanten Einleitung des Herrn Elphinston, zu seinem Werke über Kabul., emporgeblüht unter der Sorgfalt so mancher lieblichen Augen, und immer noch blühend, obgleich jene Augen sie nicht mehr zu sehen vermochten. Dieser Ort mit seinen Blumen und seinem heiligen Schweigen, nur unterbrochen durch das Flügeltauchen der Vögel in den Krystall der Marmorbecken, welche sich aus den reinsten Quellen der umliegenden Hügel füllten, – es war Alles für Lalla Rukh, was ihrer beseelten Phantasie nur an Wohlgedüften, Kühlung und beynahe himmlischer Ruhe vorschweben mochte, wie der Prophet einst von Damaskus sagte, daß es allzu ergötzlich sey»Beym Eintritte in den Bazar außerhalb des Thores von Damaskus sieht man die grüne Moskee, also benannt, weil ihr Thurm mit grün glasirten Backsteinen überzogen ist, und dadurch sehr glänzend erscheint; seine Dachspitze bildet ein Pavillon von selbigen Stoff. Die Türken sagen, man habe die Moskee auf diesem Platz erbaut, weil Muhamed, bis dahin gelangt, nicht in die Stadt gehen wollte, äußernd, daß sie allzu ergötzlich sey.« — Thevenot. – Dies erinnert an folgende schöne Stelle in Isaak Walton: »als ich zum letztenmal auf dieser Schlüsselblumenbank saß, und über diese Matten hinunterblickte, dachte ich davon, wie Kaiser Carl von der Stadt Florenz: »dergleichen seye zu anmuthig, um anders, als an Festtagen beschaut zu werden.«; – und hier auf Feramors süße Stimme lauschend, oder in seinen Augen lesend, was er doch nimmer ihr auszusprechen wagte, schwanden ihr die erlesensten Augenblicke ihres ganzen Lebens vorüber. Eines Abends, als man von der Sultaninn 74 Nurmahal sprach, dem Lichte des Harems,Nurmahal bedeutet Licht des Harems. Späterhin nannte man sie Nuriehan oder das Licht der Welt. ehedem so oft unter diesen Blumen wandelnd, so oft an diesen Marmorbecken mit eigenen Händen den kleinen glänzenden Fischen, denen sie so hold war, Speise streuend, – fragte der Jüngling, um den Augenblick der Trennung hinauszuschieben, ob er wohl eine kurze Geschichte, oder vielmehr ein Liederspiel vortragen dürfe, dessen Heldinn jene angebetene Herrinn sey. Es habe Bezug, sprach er, auf die Ausgleichung eines Minnestreites, der sich zwischen ihr und dem Kaiser während eines Rosenfestes zu Kaschmir erhoben habe, und die Prinzessinn werde sich dabey wohl eines ähnlichen Streites zwischen Harun-al Raschid und seiner schönen Geliebten Marida erinnernHaroun al Raschid, cinquième Khalife des Abassides, s'étant un jour brouillé avec une de ses maitresses nommée Maridah, qu'il aimoit cependant jusqu'à l'excès, et cette mesintelligence ayant déjà durée quelque temps, commença à s'ennuyer. Giafar Barmaki, son favori, qui s'en apperçut, commanda à Abbas ben Ahnaf, excellent poëte de ce tems là, de composer quelques vers sur le sujet de cette brouillerie. Ce poëte executa l'ordre de Giafar, qui fit chanter ces vers par Moussali en présence du Khalife, et ce Prince fut tellement touché de la tendresse des vers du poëte et de la douceur de la voix du musien, qu'il alla aussitôt trouver Maridah, et fit sa paix avec elle.« — D'Herbelot., welchen die sanften Saitenklänge des Musikers Mussali so glücklich beylegten. Da beynah das Ganze singend vorgetragen werden sollte, und Feramors unglücklicherweise seine eigene Laute im Thale vergessen hatte, borgte er der kleinen Persersclavinn Lalla Rukhs ihre Wina ab, und begann folgendergestalt:
Wer hörte nicht schon von Kaschmirs Thal, O sieh es am Abend, – wenn warm auf dem See Oder sieh es im Mondlicht, das goldig und lind Doch nimmer je bey Tag und Nacht, Die Stunde war's, wo Düfte schwammen Und welche Wildniß süßer Blumen! Das fühlte der prachtvolle Sohn des AkbarJehanguir war der Sohn Akbar des Großen., Wohl Schönheiten gibt's, alles Wechsels baar, Doch heut, wo weilt sie, in der Nacht Ach, wie so leicht doch Kleinigkeit O Ihr, die Liebeswächter seyd, Ein Zwiespalt von so ernster Art – Aus gleichem Grund bleibt Nurmahal Sie kannte Spruch und Talisman, 'S war Mitternacht. Durch das Spalier, »O, meinen Locken Wie sah entzückt die Zauberinn Ich weiß, wo die luft'ge Träumeschaar, Das Liebesgebild, im nächt'gen Fliehn Der Traum, wie ihn oft schon Geizige sahn, Und des lieblich duldenden Mädchens Traum, Kaum daß die Blumenkron' umschlingt Ich komme von Tschindara's tönendem Quell,»Ein fabelhafter Quell, wo man beständig den Klang von Tonwerkzeugen vernehmen soll.« — Richardson. Denn mein ist der fröhliche Minnesang, Mein ist die Kunst, derem mystischem Reigen Ich bin's, der im lieblichen Sang' erfrischt Des Kriegers Herz, belebt es mein Hauch, Es tagt; – wohl nur mit frühstem Blick, Ja, Reiz und Jugend funkelt dort Schon prangt der Tisch mit Obst und Wein; Und Selim zecht aus jedem kühn; Doch ach, wie Wein so matt nur rinnt, Eilt her! O hieher! – Bey Nacht und bey Tag Hier seufzen die Mädchen; ihr Seufzen ist Duft Hier funkelt der Nektar, der liebeshell Kaum war des Mägdleins Lied verklungen, Wohl gibt's einen Segen, den Lied nicht erreicht, Nicht war's das Lied, nicht war's die Weise, Fleuch zu der Wüste, fleuch mit mir! Im Liede war ein solch Gefühl, Die Larve fällt, – der Zauber siegt, – |
Beym Schlusse dieses leichten Sangspieles nahm Fadladin Gelegenheit, seine Meinung über die gesammte Poesie des Kaschmirschen Jünglings vorzutragen, die, wie er bey sich meynte, an diesem Abende zum letztenmale geklungen hatte. Nach einiger Wiederholung der Beyworte: »frivol« – »unharmonisch« – »nonsensicalisch« – kam er zu der Bemerkung, diese Poesie im günstigsten Lichte betrachtet, gleiche Einem der Maldivischen Kähne, auf welche die Prinzessinn in ihrem Traume angespielt habe; – einem leichten, vergoldeten Dinge sonder Ruder oder Ballast in die Weite hinausgeschickt, und nichts an Bord führend, als leere Süßigkeiten und verwelkte Blumen. Wahrlich, die verschwenderische Menge der Blumen und Vögel, welche dieser Poet bey jeder Gelegenheit in Bereitschaft habe, noch Thautropfen, Gemmen und dergleichen gar nicht zu rechnen, – sey ein höchlich ängstender Ueberfluß für die Hörer, und verleihe unglücklicherweise seinem Styl alles Geflitter eines Blumengartens ohne dessen Ordnung, und alles Geflatter einer 107 Vogelhecke ohne deren Gesang. Noch überdies wähle er seine Gegenstände schlecht, und sey immer durch die übelsten Theile derselben am mehrsten begeistert. Die Reize des Heidenthums, das Verdienst der Empörung, – das seyen die Themata, denen er mit absonderlichem Enthusiasmus zu huldigen pflege; ja, in der eben vorgetrag'nen Dichtung preise er durch eine der schmackhaftesten Stellen das Getränk der Ungläubigen, den Wein. – »Doch ist er vielleicht« – setzte er hinzu, seine Strenge in Lächeln umwandelnd, als schlage ihn das Gewissen wegen seines eignen Harem-Charakters in diesem Punct – »doch ist er vielleicht einer jener Sänger, deren Phantasie all ihre Erleuchtung der Traube verdankt, gleich dem so merkwürdigen als seltnen Porcellan»Die Chinesen besaßen früherhin die Kunst, auf die Seiten der Porcellanvasen Fische und andre Thiere zu mahlen, welche nur sichtbar wurden, wenn das Gefäß von irgend einer Flüssigkeit angefüllt war. Sie nennen diese Gattung Kia-tsin, d. h. Azur in der Presse, in Bezug auf die Art, mit welcher der Azur aufgetragen wird. – Sie versuchen noch bis jetzt hin und wieder, die Kunst dieser magischen Mahlerey neu aufzufinden, aber ohne Erfolg.« — Dunn., dessen Bilder nur sichtbar werden, wenn man Liquor hineingießt.« – Ueberhaupt sey es nach den angehörten Proben, denen er allerdings die ermüdendsten Stunden dieser Reise zuschreiben müsse, seine Meinung, daß – wie viel anderweitige Verdienste dieser wohlerzogene junge Herr auch besitzen möge – die Poesie auf keine Weise für seinen absonderlichen Beruf gelten könne; »und in der That,« – so schloß der Kritiker – »aus seiner Zärtlichkeit für Blumen und Vögel möchte ich zu folgern wagen, daß die Benennung eines Blumisten oder Vogelfängers weit angemessener für ihn seyn würde, als die eines Poeten.« –
Sie hatten nun angefangen, jene dürren Berge zu ersteigen, die Kaschmir von dem übrigen Indien trennen; und da die Hitze unerträglich ward, während sich zugleich die Zeit ihres Lagerns nur auf wenige Stunden, für Erfrischung und Schlaf 108 unentbehrlich, beschränkte, so hatte es ein Ende mit all ihren entzückenden Abenden, und Lalla Rukh sah nichts mehr von Feramors. Sie fühlte, daß nun ihr kurzer Traum von Glückseligkeit vorüber sey, und daß ihr nichts mehr bleibe, als die Erinnerung jener wenigen Stunden, dem Einen Trunke süßen Wassers vergleichbar, der das Kameel auf seiner ganzen Wüstenfahrt belebt, – um ihr Herz in der schrecklich vor ihr liegenden Wüste des Lebens zu erfrischen. Der Mehlthau, welcher auf ihre Lebensgeister gefallen war, fand bald auch den Weg zu ihrer Wange, und ihre Frauen sahen mit Betrübniß, obgleich nicht ohne einigen Verdacht der Ursache, – daß die Schönheit ihrer Herrinn, auf die sie beynahe so stolz, als auf die eigene, waren, mehr und mehr in dem Augenblicke dahinschwand, wo sie ihrer am nöthigsten bedurft hätte. Was mußte der König Buchariens fühlen, wenn statt der belebten und schönen Lalla Rukh, durch die Poeten Delhis für vollkommner gepriesen, als die göttlichsten Bilder in Azors WohnungEin ausgezeichneter Verfertiger von Götzenbildern, welchen der Koran für Abrahams Vater ausgibt. »Ich habe solch ein liebliches Idol als man es im Azors Hause nicht findet.« — Hafiz., er nun ein bleiches und schier hauchloses Opfer empfangen sollte, auf dessen Wangen weder Freude noch Gesundheit blühte, und aus dessen Blicken die Liebe geflohen war, – um sich desto tiefer im Herzen zu verbergen!
Hätte irgend etwas die Schwermuth ihrer Seele hinwegzuzaubern vermocht, so hätten es die frischen Lüfte und die entzückenden Gestaltungen des Thales gethan, welches die Perser, mit so vollem Rechte, das Unvergleichliche nennen.Kaschmir bi Nagir. — Forster. Aber weder die 109 Kühle seiner Atmosphäre, so köstlich nach dem Erklimmen jener dürren und glühenden Berge, – weder der Glanz seiner Minarete und Pagoden, wie sie aus der Waldestiefe hervorleuchteten, noch die Grotten, Einsiedeleyen und WunderquellenDer verzeihliche Aberglaube des sich absondernden Volkes, hat die Anbetungsorte des Mahadeo, des Beschau und des Brama vermehrt. Ganz Kaschmir ist heiliger Boden und überfließt an Wunderquellen.« — Major Rennel's Memoirs of a Map of Hindostan.
Jehanghir erwähnt »eine Quelle in Kaschmir, Tirnagh geheißen, welches Schlange bedeutet; vermuthlich weil dort ehedem eine große Schlange gehaust hatte.« – »So lange mein Vater lebte, kam ich zweymal zu dieser Quelle, die etwa zwanzig Koß von der Stadt Kaschmir entfernt ist. Die Spuren von verehrten und heiligen Orten finden sich in zahlloser Menge unter den durch die Nachbarschaft verstreuten Trümmern und Höhlen.« — Toozk Jehangeery. – S. Asiat. Misc. vol. 2.
»Es gibt noch einen andern Bericht über Kaschmir von Abul-Fazil, den Verfasser des Ayin-Achari, welcher« – sagt Major Rennel – »zufolge seiner Beschreibung der Heiligthümer des Thales von der Begeisterung desselben etwas ergriffen war.«, die jede Stelle dieser Gegend zu geweihtem Boden erheben, weder die zahllosen Wasserfälle, hernieder rauschend in's Thal von all den hohen und romantischen Bergen, die es umringen, noch die anmuthige Stadt des Sees, deren Häuser, mit Blumen gedeckt»Auf ein festes Holzdach legt man eine Bedeckung edler Erde, welche den Bau vor der großen Menge des im Winter herniederfallenden Schnee's beschirmt. Diese Schutzwehr verbreitet eben sowohl Wärme im Winter, als eine erfrischende Kühlung in der Sommerzeit, wenn die Gipfel der Häuser, mit verschiedenartigen Blumen bepflanzt, aus einiger Entfernung den Anblick schöner, schachbretartiger Beete darbieten.« — Forster. aus einiger Entfernung wie ein weites und vielfarbiges Beet erscheinen, – nicht all diese Wunder und Glorien der lieblichsten Gegend unter der Sonne vermochten ihr Herz nur augenblicklich von den trüben Gedanken zu lösen, die sich bey jedem Schritte vorwärts dunkler und herber gestalteten.
Die heitern Festlichkeiten und Ehrenzüge, welche ihr bey dem Eintritte in's Thal begegneten, wie auch die Pracht, auf allen Pfaden glänzend, machte dem Geschmacke und der ritterlichen Sitte des jungen Königs Ehre. Es war Nacht, als man sich der Stadt nahete, nachdem die letzten zwey Stunden herdurch der Zug unter Schwibbogen hingegangen war, die sich von Hecke zu Hecke verzweigten, einzig mit jenen seltensten Rosen bewunden, aus welchen das Altar Gul, köstlicher noch, als Gold, gepreßt wird, und in reichen und phantastischen Gebilden mit Laternen von den dreyfarbigen Schildkrötenschalen Pegu's»Zweyhundert Sclaven werden zu keinem andern Dienste gehalten, als die Wälder und Sümpfe nach dreyfarbigen Schildkröten für die Tafel des Königs zu durchspüren. Von den Gehäusen derselben macht man auch Laternen.« — Vincent le Blanc's Travels. erleuchtet. Bisweilen brach aus einer dunkeln Waldung zur Seite des Weges ein Schaugepränge von Feuerwerken los, so plötzlich und so funkelnd, daß ein Bramin hätte wähnen mögen, den Hain zu erblicken, in 110 dessen Purpurschatten der Gott der Schlachten geboren ward, zur Flamme emporsprühend im Augenblick seiner Geburt; während ein andermal wieder ein schneller und spielender Strahlenglanz fortwährend alle Gefilde und Gärten, durch welche man dahinzog, beleuchtete, eine Reihe von tanzenden Lichtern am Horizont bildend, – gleich den nördlichen Meteoren, von jenen Waidmännern erblickt, welche den weißen und den blauen Fuchs an den Ufern des Eismeeres verfolgenEine Beschreibung der Aurora Borealis, wie sie solchen Jägern erscheint, gibt die Encyklopädie..
An diesen Schwibbogen und Feuerwerken ergötzten sich die Damen der Prinzessinn ausnehmend, und schlossen, ihrer gewohnten guten Logik zufolge, der König der Bucharey, mit einem solchen Geschmacke für Illuminationen begabt, müsse den aller exemplarischsten Ehegemahl abgeben, den man sich nur erdenken möge. Und auch Lalla Rukh selbst konnte nicht umhin, die Freundlichkeit und Pracht zu empfinden, womit der junge Bräutigam sie bewillkommte; – doch gleichfalls auch empfand sie, wie schwer die Dankbarkeit laste, welche durch Dienstfertigkeit eines Gegenstandes, den man nicht zu lieben vermag, heraufbeschworen wird. Ja, sie fühlte, daß ihre holdesten Worte sich dem Herzen mit all der eisigen und tödtenden Süßigkeit entrangen, womit jener kalte und wohlgeruchduftende WindDieser Wind, welcher sich vom Damascanischen Syrien aus erheben soll, ist nach muhammedanischer Lehre eins von den Zeichen der Annäherung des letzten Tages. Ein andres dieser Zeichen ist folgendes. »Große Noth in der Welt,« so daß ein Mensch, bey dem Grabe des Andern vorübergehend, sprechen wird: »wollt Gott, ich wär' an seiner Stelle!« — Salés Preliminary Discourse. die Erde in ihren letzten Tagen dereinst anhauchen soll.
Die Hochzeitfeyer war für den Morgen nach ihrer Ankunft bestimmt, wo sie zum erstenmale dem Monarchen in dem kaiserlichen Palast am See, Schalimar genannt, vorgestellt werden sollte. Obgleich wohl nie eine Nacht voll so schlafloser und 111 ängstigender Sorge in dem glücklichen Thale verlebt seyn mochte, erschien doch Lalla Rukh nach derselben ihren Frauen, während sie sich am Morgen einfanden, um ihr in der Anordnung des bräutlichen Schmuckes zu helfen, noch Einmal so schön, als sie je sich erinnern konnten, sie früherhin erblickt zu haben. Was ihr an Blüthe und Strahlenpracht ihrer Reize verloren ging, ward mehr als ersetzt durch jenen tiefgemüthlichen Ausdruck, jene Seele in den Augen, dagegen alle andere Lieblichkeiten zurückstehen.
Sobald sie ihre Finger mit dem Hanna-Laub gefärbt, und ein zartes Kränzlein von Juweelen auf ihre Locken gedrückt hatte, in der Form, welche die Bucharischen Königinnen alter Zeit zu tragen pflegten, umhüllte sie ihr Haupt mit dem rosenfarbnen bräutlichen Schleyer, und schritt hinab, wo die Barke bereit lag, sie über den See zu führen; – doch küßte sie noch vorher, einen trauernden Blick im Auge, das kleine Karniol-Amulet, welches in der Scheidestunde der Vater um ihren Nacken hing.
Der Morgen war so schön, als die Jungfrau, zu deren Hochzeitfest er emporstieg, und der strahlende See, ganz mit Nachen bedeckt, – die Minstrels, an den Inseln spielend, – die gedrängten Lusthäuser auf den grünen Hügeln ringsher, Schawls und Banner von deren Dächern wehend, – das Alles stellte solch Bild lebendiger Freude dar, daß nur der Gegenstand dieser Herrlichkeit es ohne Entzücken zu betrachten vermochte. Für Lalla Rukh allein war es ein trübseliges Gepränge; ja, sie hätte es wohl nicht einmal über sich vermocht, 112 einen Blick auf das ganze Spiel zu richten; nur daß sie noch immer hoffte, vielleicht in dem Gedränge einen Scheideblick von Feramors zu gewinnen. So ganz und gar ergriffen war ihre Einbildungskraft durch diesen Gedanken, daß sie kaum an irgend einem Inselchen oder Boot vorüberfuhr, ohne daß ihr Herz vor dem augenblicklichen Wahne, dort müsse sie ihn finden, hoch aufschlug. Glücklich in ihren Augen das demüthigste Sclavenwesen, auf welches ein Licht seiner lieben Blicke fiel!
In der Barke unmittelbar hinter der Prinzessinn befand sich Fadladin, die Seidenvorhänge weit auseinandergezogen, damit ja alle Welt den Segen seiner erhabenen Gegenwart genieße, und dabey den Kopf ganz voll von der Rede, welche er dem Könige vorzutragen gedachte, betreffend Feramors, und die Literatur, und den nahe damit verknüpften Seidenstrang.
Sie befanden sich nun in dem Kanal, welcher vom See nach den prachtvollen Kuppeln und Hallen des Schalimar führt, und glitten durch Gärten einher, von jeder Seite des Ufers mit blumigen Gebüschen durchwebt, davor die Luft zu lautern Wohlgedüften ward, während Wasserkünste sich aus der Fluth erhoben, klar und ungebrochen zu solch einer blendenden Höhe steigend. daß sie gleich Demantsäulen im Sonnenlichte feststanden. Nachdem man unter den Schwibbogen verschiedenartiger Hallen dahingesegelt war, gelangte man endlich an die letzte und herrlichste, wo der Monarch die Ankunft seiner Braut erwartete; – und so tief drang ein wundersames Gefühl ihr durch Leib und Seele, daß sie nur mühsam die Marmorstufen 113 erstieg, welche mit Goldstoff zu ihrem Hinauftreten aus der Barke belegt waren. Am Ende der Halle standen zwey Throne, prächtig, wie der himmelblaue Thron Kulburga's»Bey Muhammed Schaw's Rückkehr nach Kulburgof (der Hauptstadt von Dekkan) bereitete er ein großes Fest, und bestieg mit großer Pracht und Herrlichkeit seinen Thron, ihn Firozeh oder den Himmelblauen nennend. Von alten Leuten, die unter der Regierung des Sultan Mamud Bhameni den Thron Firozeh noch sahen, habe ich dessen Beschreibung vernommen. Sie sagen, er sey 9 Fuß lang gewesen, und 13 breit; aus Ebenholz verfertigt, mit Platten reinen Goldes bedeckt, und mit köstlichen Steinen von unermeßlichem Werthe eingelegt.
Jeder Fürst des Hauses von Bhameni, welcher diesen Thron besaß, machte sich einen Ehrenpunct daraus, ihn mit einigen reichen Steinen zu verherrlichen; so daß, als er unter Sultan Mamud's Regierung zerstückt ward, um einige Juweelen für Becher und Gefäße herauszunehmen, die Juweeliere ihn auf eine Korrore von Uns schätzten (nahe an 4 Millionen Pfund Sterlinge). Zugleich erfuhr ich, er habe den Nahmen Firozeh bekommen, weil er zum Theil mit himmelblauer Farbe emaillirt gewesen sey, die aber zu seiner Zeit gänzlich durch die Menge der Edelsteine verdeckt war.« – Ferischta., auf deren Einem Aliris, der König Buchariens saß, während der Andre bestimmt war, in wenigen Minuten die schönste Prinzessinn der Welt zu empfangen. Unmittelbar nach Lalla Rukh's Eintritt in die Halte, stieg der Monarch von seinem Throne, ihr zu begegnen; doch kaum gewann er Zeit, ihre Hand in die seinige zu schließen, als sie mit einem Schrey der Ueberraschung zu seinen Füßen sank! – Feramors war, er selbst, der Alleinherrscher Buchariens, der in dieser Verkleidung seine junge Braut von Delhi her begleitet hatte, und, als demüthiger Minstrel ihre Liebe gewinnend, nun vollkommen verdiente, sein Glück als König zu genießen.
Die Bestürzung Fadladins bey dieser Entdeckung war für den Augenblick fast bemitleidenswerth. Doch das Umwechseln der Meinung ist eine Zuflucht, allzu hülfreich an Höfen, als daß dieser erfahrne Höfling nicht gelernt haben sollte, sich ihrer zu bedienen. Dem gemäß begann er augenblicklich all seine Kritiken zu widerrufen; er war für die Verse des Königs von einer eben so unbegränzten, als –wie er ihn zu glauben bat – uneigennützigen Bewunderung durchdrungen, und als ihn die nächste Woche in Besitz einer neuen Stelle sah, schwur er bey allem Heiligen des Islams, nun und nimmer habe es einen so großen Dichter gegeben, als König Aliris; auch zeigte er sich bereit, seine Lieblingsarzney, den Seidenstrang, für alle Welt – Mann, Weib oder Kind zu 114 verschreiben, dafern Jemand sich unterfangen sollte, von dieser Meinung abzugehen.
An der Glückseligkeit des Königs und der Königinn vom Bucharia findet nach einem solchen Beginnen wohl kaum noch ein Zweifel statt. Unter den mindern Zeichen derselben hat man auch auf gezeichnet, daß Lalla Rukh ihr ganzes Leben lang im Angedenken jener wonnevollen Reise den König nie mit einem andern Nahmen nannte, als Feramors.
Ende des zweyten Theils.