Thomas Moore
Lalla Rukh
Thomas Moore

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Lalla Rukh trug den ganzen Tag hindurch nur das Unglück der zwey jungen Liebenden in Gedanken. Ihre Lustigkeit war dahin, und selbst auf Fadladin mußte sie mit nachdenklichem Ernste blicken. Auch fand sie ohne zu wissen, warum, eine Art von wehmüthiger Freude, wenn sie sich vorstellte, Azim müsse eben so ein Jüngling gewesen seyn, als Feramors; eben so würdig, schmerzlos die Segnungen jener täuschenden Leidenschaft zu genießen, die, gleich den sonnigen Aepfeln Istkahars»Im Bezirke Isthakars gibt es eine Art von Aepfeln, deren eine Hälfte süß ist, die andere sauer.« — Ebn Haukal. nur Süßigkeit auf der einen Seite darbeut, und nur Bitterkeit auf der andern.

Als sie nach Sonnenuntergang einen abgelegnen Strom entlang zogen, erblickten sie ein junges Hindumädchen am Ufer, deren Beschäftigung so seltsam schien, daß man die Palankine des Zuges anhielt, um sie zu beobachten. Sie hatte ein Lämpchen voll Kokoa-Oehl angezündet, und es auf eine irdene, mit Blumen umwundene Schüssel setzend, überließ sie es mit zitternder Hand dem Fluß.Einem Berichte über diese Ceremonie gibt Grandpré's Reise in den Indischen Ocean.

Angstvoll bewachte sie dessen Fahrt stromunter, ohne sich um den glänzenden Reisezug in ihrer Nähe zu kümmern. Lalla Rukh war voller Neugier deshalb. Da fand sich unter ihren Begleitern Jemand, der an den Ufern des Ganges gelebt hatte, wo dieser Gebrauch so häufig geübt wird, daß oft im Abenddunkel der Strom ganz von Lichtern überglänzt erscheint, gleich dem Oton-tala oder See der Sterne»Die Gegend, wo der Wangho, ein Strom Tibets, entspringt, und wo man wohl mehr als hundert Quellen antrifft, die gleich Sternen funkeln, wird deshalb Hotun nor, d. h. der See der Sterne benannt. Beschreibung von Tibet, bey Pinkerton.. Er berichtete der Prinzessinn, dies sey die gewöhnliche Weise der Rückgebliebenen, Opfer für die glückliche Heimkehr ihrer Lieben von 68 gefährlichen Reisen darzubringen. Wenn die Lampe schnell versinke, sey es ein ungünstiges Vorzeichen; fließe sie aber leuchtend stromnieder, und fahre fort zu schimmern, bis man sie ganz aus dem Gesichte verliere, so gelte die Rückkehr des theuern Gegenstandes für gewiß.

Indem Lalla Rukh fürder zog, blickte sie mehr als einmal zurück, um zu spähen, wie es dem Lampenlichte der jungen Hindu ergehe; während sie es aber mit Vergnügen noch immer unverlöscht erblickte, konnte sie sich der Furcht nicht erwehren, alle Hoffnungen dieses Lebens seyen um nichts besser, als jener schwache Schimmer auf der Fluth. Man legte den übrigen Tageweg schweigend zurück. Zum erstenmal empfand sie jenen melancholischen Schatten, der über die Seelen blühender Jungfrauen schleicht, lieblich vorübergehend, wie ihr eigener Hauch auf einem Spiegel; und nicht eher erwachte sie aus den sie geleitenden Träumen, bis sie vernahm, wie Feramors Laute leise vor der Thür ihres Gezeltes anklang. Alsbald leuchteten ihre Blicke von Heiterkeit, und nach einigen unvernommenen Anmerkungen Fadladins über das Indecorum, daß ein Poet sich in Gegenwart einer Prinzessinn niederlassen dürfe, ward Alles wie am vorigen Abend geordnet, und mit lebendiger Theilnahme hörte der ganze Kreis die also fortgesetzte Geschichte:

       

Wer hat erbaut hier goldner Zelte Schaar,
Wo gestern alles wüst und stumm noch war?
Die Kämpferstadt, hier unversehn's geboren»Der Leskar oder das kaiserliche Lager theilt sich, gleich einer regelrechten Stadt, in Plätze, Gassen und Straßen, und bietet von ihrem Entstehen an eines der angenehmsten Schauspiele in der Welt dar. Auf unbewohnten Ebenen emporsteigend, erregt es das Bild einer durch Zauber erbauten Stadt. Selbst diejenigen, welche ihre Stadtwohnungen verlassen, um dem Fürsten eine Zeitlang auf seiner Fahrt nachzufolgen, sind öfters vom Leskar, wenn er auf einem schönen und angemessenen Platze steht, so entzückt, daß sie es nicht über sich gewinnen können, ihn zu verlassen. Um die dem Hofe daraus erwachsende Beschwerde zu vermeiden, gönnt der Kaiser den Handelsleuten nur eine bestimmte Zeit für dieses Mitziehn. Ist diese verflossen, so jagt man sie mit Feuer aus ihren Zelten.« — Dow's Hindostan.
Obrist Wilks gibt folgendes lebendige Gemählde einer Morgenländischen Lagerstätte: »Sein Lager, gleich dem der mehrsten Indischen Heere, zeigte eine bunte Sammlung von Bedeckungen gegen die sengende Sonne und den Thau der Nacht, verschieden nach dem Geschmack oder den Mitteln je des Individuums; bald eine Reihe prachtvoller Zelte mit äußern Umzäunungen farbigen Zitzes umgeben; bald zerlumptes Tuch von Linnen, über Stöcke oder Baumäste hingespannt, oder Palmblätter in Eile über ein ähnliches Gerüst ausgespreitet; schöne Gezelte und glänzende Baldachine, Pferde, Ochsen, Elephanten, und Kameele; Alles durcheinander ohne irgend ein äußeres Zeichen von Ordnung oder Absicht, ausgenommen die Flaggen der Hauptleute, welche gewöhnlich den Mittelpunct einer Anhäufung von solchen Massen bezeichnen. Die einzige geregelte Stelle des Lagers bilden die Straßen der Kaufläden, deren jeder nach der Weise einer Bude auf Englischen Märkten erbaut ist.« — Historical sketches of the South of India.
, –
Als wie durch jenen Zauber aufbeschworen 69
Dem schnell, wie eines Sterns Lichtblicke fliegen,
Die Pfeilerhallen Tschilminars entstiegen,Man glaubt, die Gebäude von Tschilminar und Balbek seyen durch Genien errichtet, unter den Befehlen des Jan ben Jan, der lange vor Adams Zeiten die Welt beherrschte.
Die Welt hier von Kriegshäusern, reich geschmückt,
Und Waffenglanz, so weit das Auge blickt! –
Fürstliche Zelte, karmoisin-umrollt
Durch reiche Tücher, Kugeln drauf von Gold; –
Manch Roß mit Decken, silberhell gesponnen,
Und Kett' und Brustzeug hell im Glanz der Sonnen;
Kameele, die vor jedes Lufthauchs Wellen
Mit leichtbewegten Glöcklein Yemens schellen!»Ein prächtiges Kameel, mit Schnüren und Büscheln kleiner Schellen geschmückt.« — Ali Bey.

Und gestern Abend noch die Haid' entlang
Nur tiefes Schweigen! Nur der ferne Klang
Des Stroms, und des Heuschreckenvogels Lied,Er ist ein Eingeborner von Khorassan, und wird gegen Süden gelockt, weil er dem Wasser von Schiras und Isfahan, – die Quellen der Vögel genannt – so begierig folgt, daß er ihm nachzieht, wo man es hinträgt.
Wenn jagend er durchs tiefe Dickicht zieht!
Jetzt, horch, wie ein Getön, vielfach vertauscht:
Gelächter, Jubelschreyn die Luft durchrauscht!
Der Rosse Wiehern, – klingelndes Gedränge
Von den Kameelen, – ihrer Herrn Gesänge,»Einige Kameele tragen Glocken am Halse, Andere an den Schenkeln, gleich denen, welche unsere Kärrner an den Hälsen ihrer Vorderpferde befestigen, welches in Verbindung mit den Treibern, die zu Fuß beyhergehen und die ganze Nacht singen, ein angenehmes Getön gibt, und die Reise ergötzlich macht.« — Pitt's Account of the Mahomedans.
»Der Kameeltreiber folgt den Thieren singend und bisweilen auf seiner Pfeife spielend; je lauter er singt und pfeift, je rascher schreitet das Kameel. Ja, wenn er von seiner Musik abläßt, stehen sie gänzlich still.« —Tavernier.

Der Klang der Waffen, – Flattern der geschwellten
Tafftflaggen von mehr als zehntausend Zelten, –
Kriegsmärsche, mit dem schrecklichen Alarm
Von Pauk' und Trommel wirbelnd durch den Schwarm, –
Dann wieder, in den Pausen wilder Stimmen,
Des Hornes und der Flöte süß Verschwimmen,
Fernher, doch oft verstört im zarten Sang 70
Durch Abyssin'scher Tromba Adlerklang.Man nennt dieses Instrument öfters in Abyssinien nesser cano, welches Adlersang bedeutet.
Wen preist dies Heer als Feldherrn? – Fragt Ihr: wen?
Und saht ihr nicht die schwarzen Banner weh'n,
Nicht Nacht und SchattenDie zwey schwarzen Standarten, die man den Kalifen vom Geschlechte Abbas vortrug, hießen auf sinnbildliche Weise Nacht und Schatten. S. Gibbon. über jenem Zelt?–
Die Schaaren des Kalifen ziehn in's Feld! –
In seinem Schloß durch Kunden aufgestört,
Wie sich der lügende Prophet empört,
Wie sein mißglaub'ger Troß mit Brand und Tod
Den IslamDer muhamedanische Glaube. und die ganze Welt bedroht, –
Ob müde zwar vom Griechenkampf er feyert,
Im Schawlgezelt, das seine Hall'n durchschleyert,
Doch duldet nicht er solcher Läst'rung Hohn
Um seinen abendlich beglänzten Thron;
Nein, schwörend Sieg und Tod an heil'ger Gruft,»Die Perser schwören bey Schach Besad's Grab, welches sich zu Kasbin befindet, und wenn Jemand den Andern zu einer hohen Betheurung zwingen will, fragt er ihn, ob er bey jenem heiligen Grabe schwören will.« — Struy.
Entrollt er abermal zum Spiel der Luft
Die finstern Banner, und mit all den Schaaren,
Gewöhnt in Siegen durch die Welt zu fahren,
Stellt er sich dem Rebelln, deß frecher Zwang 71
Ihm seinen blüh'nden Sonnengau entrang.
Nie war ein Zug des Mahadi geschaart
In solchem Pomp; – selbst nicht auf jener Fahrt
Nach Mekka's Tempel, wo man See und Land
Erschöpft fast zu des Pilgrims Luxus fand;Mahadi verschwendete auf einer einzigen Pilgerfahrt nach Mekka sechstausend Gold Denare.
Als rings in heißen Sandes banger Schwüle
Nordfrüchte thauten ihre eis'ge Kühle,
Und ihm die Lipp' erfrischt' – im Gluthumfang
Von Mekka – Schnee aus Pers'schen»Nivam Meccam apportavit, rem ibi aut nunquam aut raro visam.« — Abulfeda. Bergeshang. –
Und nimmer strömten je ein mächt'ger Heer
Des Kalifates Königreich' einher.
Im Vortrab zieht das FelsenvolkDie Bewohner von Hejaz, dem steinigen Arabien, die ein östlicher Schriftsteller das Felsenvolk benennt. — Eben Haukal., auf Rossen:»Diese Pferde heißen bey den Arabern Kochlani, und haben geschriebene Genealogien bis auf 2000 Jahr. Man behauptet, daß sie von König Salomons Rossen abstammen.« — Niebuhr.
Leicht, klippenkühn, aus Königsstamm entsprossen;»Manche Gestalten auf ihren Klingen sind in Gold und Silber gearbeitet, oder auch mit kleinen Edelsteinen eingelegt.« — Asiat. Misc. v. t.
Dann Ritter aus Damaskus, trotzend kühn
Auf ihrer eingelegten Klingen Glühn;In Arabien oder Saba.
Die Männer von der Wolga Regionen, – 72
Schwarzwilde Schützen, die gen Mittag wohnen, –
Die Indier, weiß umturbant, Speer zur Hand,
Von Sinda's oder Attok's heil'gem Strand, –
Aus Myrthengärten ein braungelber Chor, –
Manch Inselmann vom Süd, manch keulbewehrter Mohr.

Nicht minder zahlreich, doch im Kriegsgedränge
Viel ungeübter zeigt sich jene Menge,
Die theils fanatisch, theils durch Druck erboßt,
Rings um des Lügners weiße Fahne tost.
Bey seinen vielen tausend Gläub'gen, – blind,
Brennend und stürmisch wie der Samielwind
Zog Mancher auch aus Scheu vor Islams Stahl –
Wohl schon verletzt durch ihn mehr, als Einmal, –
Zum Heer. – Die Führer aus dem Usbekstamm»Die Häuptlinge der Usbek-Tatarn tragen einen Busch von weißen Reiherfedern auf dem Turban.« Bericht über die freye Tatarey.,
Um deren Haupt der Schmuck des Reihers schwamm;
Turkmannen, zahllos, ihren Heerden gleich,
Aus nord'scher Flur, an würz'ger Waide reich;
Die wilden Krieger der Türkisenhügel;In den Bergen von Nischapur und Tus (in Khorassan) findet man Türkisen. — Eben Haukal.
Die auch, die stürmisch frey von Band und Zügel.
Der Schnee auf Hindu-KoschEine Schilderung dieser wundersamen Bergketten liefert Elphinstone's Cabul. trennt von der Welt:
Strombett ihr Lager! Fels ihr Schloß und Zelt! – 73
Doch Keiner aus Mokanna's ganzem Schwarm
Rauscht' in das Feld der Schlacht mit kühnerm Arm,
Mit strengerm Haß, als Iran's tapfre Aechter,
Die Feu'ranbeter,Die Ghebern oder Guebern, Persiens Urbewohner, ihrem alten Glauben – der Religion des Zoroaster – anhängig, wurden nach der Eroberung ihres Landes durch die Araber entweder in der Heimath verfolgt, oder zum Auswandern gezwungen. – glühend jeder Fechter
Nach Rach' am Heer der Sarazenschen Schlächter,
Nach Rache für zertretnes Vaterland,
Geraubten Thron, ruchlosen Tempelbrand.
Von Yezid's»Yezd, der Hauptsitz jener alterthümlich Eingebornen, welche Sonne und Feuer anbeten, erhalten das Letztre ohne augenblickliches Erlöschen sorgfältig brennend, seit nun schon mehr als 3000 Jahren. Dies geschieht auf einem Berge, Ater Quedah, oder Feuerhaus genannt. Man hält es für ein großes Unglück, fern von diesem Berge zu sterben.« — Stephan's Persia. ewig lichter Feuerwohnung,
Wo Heilg' entschlummern süß zur Heilsbelohnung, –
Von Baku, wo der Quellen blaue Gluth
Einlodert kühn bis tief in Kaspiens Fluth,»Bey nebligem Wetter lodern die Naphtaquellen (auf einer Insel unfern Baku) höher empor; oft fängt das Naphta auf der obern Erdfläche Feuer und läuft bis zu einer fast unglaublichen Entfernung flammend in den See.« — Hanway über das nie verlöschende Feuer zu Baku.
Ziehn sie heran, sorglos wofür man kriegt,
Wenn ihr Tyrann nur fällt, und Rache siegt!

So war der wilde, vielgemischte Chor,
Der rings die bunten Fahnen streckt' empor
Um den Propheten; – Aller Augen sahn 74
Nur nach des Silberschleyers Wink und Bahn,
Dem Leuchthurm, durch die Schlachtfluth Glanz versendend,
Dem Regenbogen, blut'ge Schauer spendend!

Zweymal ob ihrem Streit ging Sonne nieder,
Stieg zweymal auf, und fand sie ringend wieder;
Zu ihrer Mittagshöh' quoll' aus dem Kampf
Der blut'ge Duft, – heiß, wie der rothe Dampf,
Vor dem sich scheu die Karawan' umdacht
In brand'ger Wüste, wenn der Wind erwacht.Savary sagt vom Südwinde, welcher in Aegypten von Februar bis May weht: »oft erscheint er blos in Gestalt eines ungestümen Wirbelwindes, der schnell vorübereilt, und dem in der Wüste von ihm überraschten Reisenden verderblich wird. Ströme brennenden Sandes rollen vor ihm her, das Firmament umwebt ein dichter Schleyer, und die Sonne wird blutfarbig. Oftmal werden ganze Karawanen darin begraben.«
»Vor, Schwert des Herr'n!« ruft der Kalif durch's Feld.
»Den Siegern Kronen! Himmel dem, der fällt!«
»Vor, kühne Rächer!« ruft Mokanna aus.
»Die feigen Flüchtlinge trifft Eblis Graus!«
Nun gilt's den Hauptstreich, nun des Tages Glück, –
Schau, – des Kalifen Schaaren ziehn zurück! –
Ihr schwarzes Banner stürzt Mokanna's Hand, –
Nun ist der Orientswelten Kronenband
Ihm fast ersiegt, – doch horch, welch' Waffenschreyn!
Wer hält die Flucht der Moslems plötzlich ein? –
Sie wenden, – sammeln sich, – an ihrer Spitze
Ein Held, (gleich jenen Engeln die im Blitze
Der heil'gen Pracht aus Himmels Waffensaal
Die Krieger leiteten durch Beders Thal:Die Muselmannen sagen, Muhamed, als er seinen großen Sieg bey Beder erfocht, sey durch dreytausend Engel unterstützt worden. — Siehe den Koran und dessen Erläuterer. 75
Kühn, als beseelten ihn zehntausend Leben,
Dringt rasch feindan, mit so gewalt'gem Streben,
Daß die Verfolger schnell er rückwärts schreckt,
Und Muth und Zutraun in den Sein'gen weckt.
Mit jedem Schritt haut breite Lichtung durch
Grau'nvoll sein Säbel nach Victoria's Burg!
Vergebens steht Mokanna in der Flucht
Fest, wie der rothe Mond in stürm'ger Bucht,
Der flücht'ge Wolken läßt vorüberziehn,
Stät, unerschüttert durch ihr banges Fliehn! –
Vergebens gellt er seine Flüch' heraus,
Wirft mit rastlosem Schlag in Todesgraus
So Feind als Freund, dort strafend Muth, hier Zweifel,
Und scheint für Alle nur derselbe Teufel! –
Der pan'sche Schrecken wächst. »Ein Wunder« ruft,
»Ein Wunder!« Islams Heerschaar durch die Luft,
Staunt nach dem Jüngling, dessen Nah'n ein Licht
Umherstrahlt, wie's sonst nur durch Träume bricht,
Und jedes Schwert folgt ihm, wie der Magnet
Durch Wogenschwall sich zum Polarstern dreht.

Grad' auf Mokanna dringt er vor in Eil,
Rastlos als trag' er Himmels-Donnerkeil,
Zurückgehalten noch von heil'ger Macht
Ob schwächern Häuptern, halb nur schildbedacht,
Bis er auf ihn, den frechen Sünder, kracht! – 76
Umsonst, umsonst! – Zwar drängt' in blut'ger Stunde
Sich um Mokanna zorn'ger Engel Runde,
Zu Straf' und Fall die Feuerklingen roth, –
Mokanna's Geist wohl trotzte frech dem Tod; –
Doch nun reißt ihn der Flüchtenden Gedränge,
Zu stark für Menschenkraft, mit in's Gemenge.
Vergeblich stemmt er sich dem flieh'nden Keil
Von Tausenden; – verschwemmt von ihrer Eil,
Kennt in gezwungner Flucht sein Zornesmuth
Nur Einen Trost, – und der heißt: Blut auf Blut!
Er gleicht dem Tiger, den der Fluthen Macht
Im Hohlweg unversehns ergriff zu Nacht,
Wenn er, ertrinkend schon, die armen Heerden,
Mit ihm geschwellt in gleiche Fluthbeschwerden,
Zerreißt, und noch mit blut'gem Todesbann
Den Strom befleckt, den er nicht hemmen kann! –

»Alla Akbar!« Jauchzt dem Kalifen zu!Das Tekbir oder Feldgeschrey der Araber heißt: »Alla Akbar,« und bedeutet nach Ockley: »Gott ist höchst mächtig
»Alla! Alla!« – Schon ist er in Meru.
Laßt Tepp'che sich aus hellen Fenstern schwingen,
Laßt Eure freud'gen Ziralit'sDas Ziralit ist eine Art von Chor, den die Frauen des Ostlandes bey freudigen Gelegenheiten anstimmen. — Nussel. erklingen!
Den Schwertern Gottes blieb der Sieg! den Thron
Schmückt der Kalif, – der Lügner ist entflohn. 77
Wer neidet nun den jungen Krieger nicht,
Dem Islams Herrscher neigt sein Angesicht
In aller holden Dankbarkeit der Macht,
Ihm, der den Thron beschirmt' im Sturm der Schlacht?
Wer staunt nicht, wenn vom Jubelruf umkreist,
Der tausendstimmig seinen Nahmen preist, –
Ja zwischen Glorienklängen, die den Geist,
Den tugendstrebenden, oft leis' umfah'n,
Wie Sphärenklänge die Planetenbahn, –
Wenn er sich kalt abkehrt, als ob im Herzen
Ihm düstre Nacht verlösche Freudenkerzen!
Wenn all die Ehrenlichter, die in's Dunkeln
Des Gram's ihm funkeln, doch umsonst ihm funkeln! –
Ja, trüber Azim, solch ein Gram ist Dein!
Ganz trüb', ganz leer von jedem Hoffnungsschein, –
Ganz still, ganz kalt, nie glüh'nd von Lust noch Weh,
Tiefregungslos, wie Syriens starrer See,Das todte Meer, worin sich weder tierisches, noch Pflanzen-Leben regt.
Worauf vergeblich Lenz und Morgenroth
Zu lächeln wagt; – in ihm ist Alles todt!
Es gab wohl Herzen, auf die gleicher Gram,
Schrittweis geübt, gezähmt und langsam kam, –
Auf Dich, o armer Jüngling, – brach er los
Schnell, unversehns, in falscher Freude Schooß!
Als Hoffnung süß erwachte, freudethränend, –
Aus alter Nacht nun Sonnenaufgang wähnend, –
Da, eben da, auf junges Freudenbeet 78
Kam Elends Mehlthau plötzlich hergeweht, –
Da stockte Deines Herzens freud'ges Wallen,
Gleich Quellentropfen, frosterstarrt im Fallen,
Daß, ihnen gleich, kalt, starr und lichtesbaar,
Dein ganz Gefühl nur dauernd Elend war! –
Nur Ein Verlangen hielt, nur Eine Lust
Das Lebensfieber wach in seiner Brust:
Die Rache! – Grimm'ge Rach' am Frevelmann,
Der all sein Glück zerriß mit sünd'gem Bann.
Deshalb, als, fliehnd aus jener Trauernacht,
Er ein Gerücht vernahm von naher Schlacht,
Von Heeren, dem Verschleyerten geschaart
Als Feinde, lenkt er rasch dorthin die Fahrt, –
Wie Geyer hinfliegt, wo die Fahne schwellt, –
Und kommt, da Alles wirr schon flieht und fällt,
Wirft sein Gewicht hinein, und rettet eine Welt!
Für Rache lebt er nur, achtlos der Pracht,
Des Ruhm's, die kränzend seinen Bahnen lacht, –
Für Rach' allein, – wie Blitz, der niederzischt
Den räch'risch grimmen Keil, und dann verlischt.

Doch stets noch athmet jener böse Feind;
Mit den Verzweifelten, ihm noch vereint, –
Dem letzten Bruchstück aus dem Heergewimmel,
Das Trotz vor wen'gen Tagen bot dem Himmel, –
Flieht nach Meru er, – strömt das letzte Blut
Auf den gestürzten Thron, – durch JihonsDer Oxus der Alten. Fluth
Eilt er sodann, und sammelt die Bethörten,
Die im Besiegten noch den Retter ehrten, 79
Pflanzt hoch die weiße Fahn' auf Nekschebs Thor,Eine Stadt in Transoxianien.
Und trotzt nun ungezähmt dem Sieger-Chor.

    Von seines Harems ganzem Bienenreich,
An Klang und süßem Lichtgefunkel reich,
Nahm Eine nur mit sich der Bösewicht,
Und nicht um Lieb', um ihren Reiz auch nicht; –
Glich Zelika im blühenden Gewühl
Doch welker Blüthe, die schon gestern fiel
Vom Almabaum und starb, derweil im Glänzen
Der heut'gen Pracht sie Andre bunt ergänzen!»Man kann das Auge nie auf diesen Baum richten, ohne entweder Blüthen oder Früchte darauf zu finden; und kaum daß eine Blüthe zu Boden fällt, (wie diese purpurfarbigen Blumen ihn denn zahlreich bedecken,) so sprießen andre wieder, sie ersetzend, auf;« u. s. w. — Nieuhoff.
Nein, nicht um Liebe! Der Verdammten Schaar
Räng' eh nach Himmelsglorien licht und klar,
Eh' nur ein Fünkchen Lieb in ihm würd' offenbar! –
Nein! Opfer ist sie ihm! Da liegt für ihn
Ihr hoher Reiz, den nichts ihr kann entziehn,
So lang' in seiner Brust noch Hölle glüht,
In ihrer Brust Ein Himmelsfünklein blüht.
Den Engel zu verderben, – dieses Blatt,
Weiß wie es Tugend je entfaltet hat,
Geschwärzt zu sehn von glüh'nder Teufelshand,
Ein Siegel drauf von sünd'gem Seelenbrand, –
Das ist Triumph ihm! Solch ein Freudenblitz
Gibt ihm ob allen Teufeln höchsten Sitz!
Das hat sein Opfer, wie es vor ihm stöhnt,
Gewelkt und hin, mit Glorenlicht verschönt, 80
Ein Licht, wie es der Hölle Flamm' entzündet,
Wenn sie verzehrend sich um Sünder windet!

Doch anders Thun jetzt ruft ihn kühn und scharf,
Dazu er all des freveln Muths bedarf
Den ihm die DivenDie Dämonen der Persischen Sagenlehre. eingehaucht, – denn schau! –
Die Ebn' heran, sonst trüb' im nächtigen Grau,
Ziehn sonder Zahl Laternen, gleich den Fliegen
Die Indiens Regennacht mit Glanz durchfliegen;Carreri erwähnt der Feuerfliegen in Indien während der Regenzeit. S. dessen Reisen.
Und weit, wie jen' ihr furchtbar Licht verbreiten,
Sieht man des Feindes Zelte kühn sich spreiten:
Fern an des Horizontes dunklem Pfad,
Dann näher stets, in Zirkeln dicht genaht,
Bis sie an Quell'n und in den Hainen glänzen,
Die rings die wehrumthürmte Stadt bekränzen.
Doch furchtlos schaut vom luft'gen Mauerwall
Mokanna auf die mächt'gen Schaaren all;
Ja, lächelnd denkt er, ob umringt, geschlagen,
Daß nur Myriaden ihm zu trotzen wagen. –
Daß freundlos, thronlos, er, den Noth umschwillt,
Doch hier so viel, als dort Myriaden, gilt!
»O jetzt vom Engelsfittig Einen Kiel,
Davor Assyriens KönigsheerSennacherib's Heer, welchen die Orientalen König von Mussa nennen. S. D'Herbelot. verfiel
In Blindheit, und ich füll' den Höllenschacht
Mit diesem ganzen Heer noch diese Nacht! –
Doch komm', was will! Mag auf dem Throne schimmern, 81
Kalif, – Prophet: – das Menschenvolk soll wimmern!
Mag Priester, König, – wer da will, – es plagen!
Wird nur dies ekle Weltenrund geschlagen,
Durchdringt es Knechtsgeheul und Opferschrey'n,
So freut der Klang mich bis ins Grab hinein!«
So sprach er zu sich selbst. – Dem kleinen Zug,
Der ihn umgab, klang der viel andre Spruch.
»Ihr Glorienhelden, deren Arm verficht
Der mir verlieh'nen Himmelskrone Licht,
Das weder Blut, noch Nacht, noch Erderschüttern
Zu löschen wagt, – vor dem das bleiche Flittern
Der eitlen Welt, Geraschids Kronenmacht
Und ParvizChosroes. Ueber die Beschreibung seines Thrones oder Palastes s. D'Herbelot. ThronEs hieß, unter diesem Thron oder Palast des Khosru Parviz befänden sich hundert Gewölbe, angefüllt mit so unermeßlichen Schätzen, daß einige muhamedanische Schriftsteller uns berichten, ihr Prophet, um seine Schüler zu ermuthigen, habe sie an einen Felsen geführt, der sich auf sein Gebot aufschloß, und ihnen eine Durchsicht in die Schätze des Khosru öffnete.« — Universal History. und auch die Reigerpracht»Die Krone Geraschids ist wolkig und trüb von dem Reigerbusch Deines Turbans.« – Au seiner der Elegien oder Lobgesänge auf Ali, die in goldnen Schriftzügen um Abbas Grab verzeichnet sind. S. Chardin.
Die über Ali's schönen Augen fächelt,Die Schönheit von Ali's Augen war so ausgezeichnet, daß die Perser, um irgend etwas als höchst lieblich zu bezeichnen, sprechen: es ist: Ayn Halî, d. h. Ali's Augen. — Chardin.
Versinkt, wie Sterne, wenn der Morgen lächelt!
Jauchzt! denn wir sind nach wilder Fahrt vereint
Im Siegesport, der Alles überscheint!
Ja, Sieg verheißt uns jenes Buch der Wesen,
Darin nur heil'ger Engel Blicke lesen,
Verheißt, daß Islams Scepter vor uns bricht,
Zur Stunde wenn der Mond im klaren Licht, 82
Er selbst, ans Nekschebs heil'gem Borne steigt,
Und wunderbar sich Aller Augen zeigt;
Schaut! Wendet Euch!

                                    Sie schau'n, wohin er zeigt;
Sie wenden sich, – derweil er spricht, schon ganz
Umleuchtet rings von unverseh'nem Glanz!
Ein mächt'ges Rund von Licht entsteigt der Quelle,
Fernaus ergießend seiner Strahlen HelleWir haben von diesem Kunststücke des Betrügers keinen andern Bericht, als daß es eine Maschine gewesen sey: »qu'il disoit être la Lune.« – Nach Richardson kam das Wunder in Nekscheb zu Stande. – »Nekscheb der Nahme einer Stadt in Transoxianien, wo, der Sage zufolge, sich ein Quell befinden soll, darin der Mond sich bey Nacht und Tage spiegelt.«,
Durch Stadt und Ebne ringshin, meilenweit.Il amusa pendant deux mois le peuple de la ville de Nekscheb en faisant sortir toutes les nuits du fond d'un puits un corps lumineux, semblable à la Lune, qui portoit sa lumière jusqu'à la distance de plusieurs millesD'Herbelot. – Von daher bekam er den Beynahmen Sazendeh mah, oder der Mondmacher.
Es glänzt, umhüllt von lichter Herrlichkeit,
Manch Tempeldach, manch heilig Imaret,
Wie wenn die Sonn' im Herbstlicht niedergeht.
Da flüstert staunend die gesammte Schaar:
»Ein hohes Zeichen – Göttlich! – Wunderbar« –
Der Gheber neigt sich, meynend, nun erwache
Sein Götzenstern, durch nächt'ge Wolkenwache
Kühn brechend, winkend ihm zu Feu'r und Rache!
Es wähnt, die Mussa's Glauben folgt, die Schaar,
Nun mahne kühn, von neuem offenbar,
Das Licht, – auf ihrer ArcheDie Schechinah, im Koran Sakinat genannt. — S. Sale's Anm. zum Koran, 2. Cap. ruh'nd in Tagen
Uralter Herrlichkeit, – die Ketten zu zerschlagen!
»Zum Siege!« ruft auf Einmal Alles laut, –
Und nicht Mokanna zögert solchem Laut;
Die Riesenpforten thun sich krachend auf, 83
Und wie ein kleiner Strom den kühnen Lauf
In's Meer tief einströmt, dringt ihr wilder Reihn
Rasch in der Moslems mächt'ges Lager ein.
Die Wachen, – die sogar den Schall vergaßen,
Womit sie sonst durch kleine Trommeln maaßen
Den Gang der Nacht,Die Abtheilungen der Nacht werden theils durch musikalische Instrumente kund gegeben, theils durch die Runden der Wächter mit Anrufen und kleinen Trommeln. — S. Burdeus Oriental Customs, vol. 1. p. 119. – sie stehn jetzt wie versteint,
Vor'm Wunderleuchten, das am Himmel scheint,
Und sinken unter unverseh'nem Arm,
Und stöhnen todesächzend nur: »Alarm!« –
Da ruft Mokanna: »nach den Lampen vor!
Zum hohen ZeltDie Serrapurda, aus hohen Schirmen von rothem Tuch, mit Rohrstäben ausgespannt, bestehend, pflegte einen beträchtlichen Raum um die königlichen Gezelte her einzunehmen. — S. Anmerk. zum Bahardanusch. – Spart hier den bleichen Chor!Die Gezelte der Fürsten wurden gewöhnlich erleuchtet. Norden erzählt uns, das Zelt des Bey von Girge sey durch vierzig vor demselben aufgehängte Laternen von den übrigen unterschieden gewesen. — S. Harmers Observations on Job.
Dort rastet der KalifEin Lanzenstoß
Macht nun die Welt beglückt und bandenlos!« –
Sie streben kühn; ein Volk, das, für das Ziel
Endloser Lust, sein Letztes wirft in's Spiel –
Doch länger dient ihm Glück nicht. – Kling' auf Klinge
Blitzt durch die Nacht, daß ihm sie näher dringe;
Und wie das Waffenklirr'n nur erst beginnt,
Schwärmt, Bienen gleich von Kauz'runsAus den Orangenhainen zu Kauzerun ziehn die Bienen einen weitberühmten Honig. — Moriers Reisen. Labyrinth, 84
Die nach der Trommel hellem Wirbel fliegen,
Heran das Lagerheer zum raschen Siegen; –
Da fleucht zurück nach Nekscheb's Thor, – umher
Den Plan mit Blut besä'nd, – das kleine Heer.
Der Silberschleyer in der Letzten Lauf
Strahlt hin und wieder, wie ein Seegel, auf,
Das noch in stürm'ger Nacht auf bangem Kah'n
Des Blitzes Lichter wechselnd rasch umfah'n!

Und sank auch jetzt der stolze Geist nicht ein?
Ward seinem frechen Muth nicht Hemmung? – Nein!
Ob halb die Schaar, die nächtig er entbot
Zu Glanz und Sieg, verwundet lag und todt,
Doch hört der Morgen ihn mit frechem Trügen
Die Andern neu durch Sieg und Glanz belügen; –
Und o, sie glauben's! – Ob dem Blick vielleicht
Der Liebende mißtraut, der ihm die Seel' erweicht, –
Ob Knabe merkt, daß nie sein Griff erreicht
Den Regenbogen, – ob dem Tiegelgold
Der Alchymist nur Zweifelglauben zollt, –
Fanat'scher Wahn, der Einmal sich ergötzt
Am Truggebild, – er hegt es bis zuletzt!

Und wohl verstand der Lügner jeden Bann
Des Luzifer, der Herzen angeln kann;
Auch war in letzter, wilder Plän' Ermessen
Zum Menschentrug nicht Zelika vergessen.
Unsel'ge Zelika! – War halb Dein Sinn
Nur wach, es hätt' in all der Gräul Beginn
Der Tod auf Einmal Dir mit linder Hand
Den Geist entführt in's ew'ge Heimathland.
Nun ward's nicht so. – Ein Träumen, tief erstarrt, 85
Senkt sich auf halb lebend'ge Gegenwart,
Und auf die Gluthen jener nächt'gen Schatten,
Wo Fried' und Himmel sie verlassen hatten; –
Und schoß ein Blitz von Raserey dann auch
Hervor, – wie durch vulkanisch dumpfen Rauch
Bisweilen wüste Schimmer sich ergehn,
Verkündend inn'rer Flammen tiefe Weh'n, –
Doch blieb sie meist verhüllt in düstre Nacht; –
Nicht Azim gleich, auf seinen Gram bedacht
Von außen ruhig wie des Todten Stirn,
Dem inn'rer Wurm durchnagt so Herz als Hirn! –
Nein, fühllos ganz erstarrt, und frey blieb sie
Von Sinn und Schmerz, Gespenst der Apathie,
Kalt, blaß, mit selten nur lebend'gem Leben
Dem Willen ihres Schlächters hingegeben; –

Und wieder schmückt' er seine Priest'rinn aus,
Wie einst in Meru's gold'nem Tempelhaus,
Und führte glänzend hin an seinem Arm,
Sein Opfer vor den roh erstaunten Schwarm,
Gleichwie die junge, hingegeb'ne Braut
Des wilden Nils, wo man im Pomp sie schaut,
Und bald der Wogen Fluth sie überthaut»Ein jetzt noch bestehender Gebrauch scheint mir zu beweisen, daß ehedem die Aegypter dem Nilgott ein junges Mädchen opferten. Jetzt nähmlich führen sie ein irdnes Bild in Jungfrauen-Gestalt herbey, theilen ihm die Benennung: ›Verlobte Braut‹, und stürzen es in den Strom.« — Savary.!
Wenn nun sein Haupt das arme Kind still neigt,
Wie Eine, die nur kaum dem Grab' entsteigt,
Umringt vom Gafferschwarm, – da sprach der Feind 86
Zu seinen Gläublingen, sie sey versteint
Durch Zauber, – und nach kurzen Schweigens Nacht
Sey bald, nun bald, der heil'ge Spruch erwacht.
Und wenn oftmal, erweckt durch innern Sporn
Der Schuld, sie ausbrach in wild kühnen Zorn,
So wußte bald der Läst'rer all ihr Schäumen
Frech zu verdreh'n zu ernsten Schicksalsreimen.
Aus ihren Blicken späht' er Himmelsspruch,
Und Götterwort nannt' er den grimm'gen Fluch.
Doch endlich fehlt' ihm List und Lug. – Es brach
Verzweiflung ein. – Der Hunger ärndet nach,
Was nicht das Schwert gemäht. – Vergeblich schaut,
Wann Morgen dämmert, und wann Abend graut
Er ungeduldig nordwärts; – von dem Heer
Der Berg-Tataren naht kein einz'ger Speer.
Sie brechen ihr Gelübd, – indeß der Feind
Mordschleudernde Maschinen rings vereint,
Furchtbar, und neu;Das Griechische Feuer, welches die Kaiser gelegentlich ihren Verbündeten liehen. »Es ward entweder« – sagt Gibbon – »in glühenden Kugeln von Stein und Eisen fortgeschleudert, oder durch Pfeile und Wurfspeere verschossen, die rings mit Flachs und Werg, von dem brennbaren Oehle ganz durchdrungen, umwickelt waren.« – Wurfspeere, deren Schwung
Die Nacht durchschießt mit rauch'ger Dämmerung,Daß unter den Muselmannen das Geheimniß des Griechischen Feuers schon früh im 11. Jahrhundert bekannt war, ergibt sich aus Dow's Bericht über Mahmud den Ersten. »Als er zu Multan anlangte, und die Gegend der Jits durch große Ströme vertheidigt fand, ließ er fünfzehnhundert Nachen erbauen, jedweder mit sechs ehrnen Spitzen bewaffnet, aus Vordertheil und Seiten hervorragend, damit sie nicht von dem Feinde durch Entern – eine Gattung des Krieges, worin dieser sehr bewandert war – erobert würden. Sobald er diese Flotte vom Stapel ließ, bemannte er jedes Boot mit zwanzig Bogenschützen nebst fünf Andern, die Feuerkugeln führten, wie auch Naphta, um das ganze Ufer in Brand zu stecken.«
So hält man auch den Agni aster, der in Indischen Gedichten als ein Werkzeug unlöschbaren Feuers vorkommt, für eine Gattung des Griechischen Feuers. – S. Wilk's South of India, vol. 1. p. 471. – Und in dem merkwürdigen Japanischen Gedicht, Brata Yudha, durch Herrn Raffles in seiner Geschichte von Java mitgetheilt, heißt es: »er zielte nach Soëta's Herzen mit der scharf gespitzten Waffe des Feuers.«
Das Schießpulver, als längst vor dessen angenommener Entdeckungsperiode in Europa unter den Arabern gebräuchlich, schildert Eben Fadhl, ein Aegyptischer Geograph, der im 13. Jahrhundert lebte: – »Körper,« –sagt er, – »in Scorpiongestalt, mit Salpeterpulver rings umbunden und gefüllt, machen im Dahingleiten ein ziemliches Geräusch; dann, zerplatzend, gleichen sie dem Blitz, und brennen. Aber es gibt auch noch andre, die – grade in der Luft emporgeschleudert und wolkenähnlich – fürchterlich brüllen, wie der Donner brüllt, und, von allen Seiten Feuer speyend, zerspringen, brennen und was ihnen in den Weg kommt, zu Asche verwandeln.« – Der Historiker Ben Abdalla sagt, wo er von den Belagerungen des Abulualid im 712. Jahr der Hegira spricht: »eine Feuerkugel, durch brennbare Materien mit gewaltigem Lärm rasch hinausgeschleudert, trifft mit der Gewalt des Blitzes, und erschüttert die Burg.« – S. die Auszüge aus Casiri's Bibl. Arab. Hisp. im Anhange zu Berington's Literary History of the Middle Ages.

Heißrothe Globen, die im Flug zerknallen,
Daß wild, wie aus der Naphtafluthen Wallen,
Verzehrend Feu'r von ihnen niedersprühtS. Hanways Bericht über die Naphtaquellen zu Baku, (welches Lieutenant Pottinger Ivala Muki oder Flammenmund benennt) wenn sie Feuer fassen und in die See laufen. Doctor Cooke erwähnt in seinem Journal einiger Quellen in Cirkassien, stark mit diesem brennbaren Oele geschwängert, von welchen sprudelndes Wasser aufsteigt.– »Obgleich« – fügt er hinzu – »es eben damals sehr kalte Witterung gab, brachte doch die Wärme dieser heißen Wasserquellen in ihrer Nähe das Grün und die Blüthe des Frühlings hervor.« –
Major Scott Waring sagt, dieses Naphta werde von den Persern zu Lampen gebraucht, wie man uns Aehnliches aus der Hölle berichtet:
        »– – – – manche Reihe
        Von stern'gen Lampen und von glühenden Becken,
        Genährt mit Naphta und Asphalt, gab Licht,
        Als käm's vom Firmament« –
(Vermuthlich nach Milton, der in diesem Augenblicke dem Uebersetzer nicht zur Hand ist.)
, –
Vergleichbar – wie ihr Flug durch Wolken glüht, – 87
Der bangen Vögel unglücksel'gem Chor,
Die nächtlich schickt der Magier Kunst empor
Bei Flammenfesten, glüh'nde Sträuße bindend
An ihren Fittig, und die Wälder zündend!»Bey dem großen Flammenfeste, Scheb Seze genannt, pflegte man große Gebünde von trocknen und brennbaren Gegenständen um wilde Thiere und Vögel zu befestigen, Feuer daran zu legen, und dann die unglücklichen Geschöpfe los zu lassen, so daß Erde und Himmel wie ein großes Lichterfest anzuschauen war. Flohen nun diese geängsteten Wesen, Schutz suchend, nach den Wäldern, so kann man leicht ermessen, welche Feuersbrünste sie veranlassen mußten.« — Richardsons Abhandlung.
Durch all die Stadt, und all die Nacht zumal
Verkündet Jammerruf der Armen Qual,
Die solche Flamme traf! – Durch Tempelhallen,
Durch Straßen, drin noch Kranzgeflechte wallen,
Durch jetzt verlass'ne Märkte, wo, als Trümmern
Von jüngst versprengter Pracht, Golddecken schimmern, –
Auf Marmorbäder, deren eitles Spiel
Nun blutig schäumt, – und auf das hohe Ziel
Der Minarete – nicht mehr von Gebet
Ertönend, wenn der Abend niederweht, –
Auf all das, wechselnd, stürzt der Feuerball,
Und Tod und Brand erfüllen überall
Den bangen Ort mit grausem Opferschall! –

Mokanna sieht: nicht ihm mehr dient die Welt.
Noch Einen gift'gen Stich ersinnt er, eh' er fällt.
»Was? Weichen jetzt?« – so ruft er sonder Schaam 88
Zum kleinen Haufen, der ihn noch vernahm,
Aus all der abgezehrten Knechte Zahl,
Todt, sterbend rings in Tempelbrandes Strahl; –
»Was? Weichen jetzt? – Jetzt? Wir erlesner Chor,
Uns drängend schon durch sichern Sieges Thor! –
Wißt: Alla litt' in unsern Reihen nicht
Die gröbern Zweige länger, die sein Licht
Uns hinderten! Wir erben nun die Pracht
All seines Strahls, sind Kinder seiner Macht,
Erkorne wir zum freud'gen Triumphiren,
Wann Thron und Kön'ge sich in Nacht verlieren!
Schwachmurrende, verlort ihr ganz und gar
Den Trost auf den, der Euer Sternlicht war?
Vergaßt des Glorienauges Ihr? Es glüht,
Umhüllt von diesen Schleyern. Wann es sprüht,
Wird wie vor'm Sonnenpfeil im Wüstenstaub,
Millionenstarkes Heer dem Tod ein Raub! –
Lang' – viel zu lang' –hat dieser Blitz geschlafen;
Nun soll, entschleyert, er den Erdrund strafen! –
Zu Nacht – ja, Ihr Geheiligten, zu Nacht
Lad' ich Euch all' auf eines Festes Pracht,
Dort soll sich Euer müder Leib erfrischen
Mit Speisen, funkelnd sonst auf Engel-Tischen, –
Soll Euer Geist, drin jetzt sich Zweifel mischen,
Neu glüh'n vor Wein, den Himmels Jungfrau'nblüthen,
Mit Muskussiegeln ihren Freunden hüthen»Den Gerechten soll reiner, versiegelter Wein zum Tranke dienen, und das Siegel soll Muskus seyn.« — Koran, Cap. 83.;
Dann zeig ich endlich Eurem Angesicht
Die Wunder dieser Stirn im ew'gen Licht, 89
Leit' Euch hinaus, und streu' mit Einem Wink
Die Gegner heulend durch den Erdenring!« –

Sie lauschen gierig, – Wort auf Wort dringt ein
Belebend in der matten Herzen Schrein, –
Trügrisch belebend nur, wie der Pokal,
Der den Gespießten löst von Leben und von Qual! –
Mit Waffen deuten sie zur Abendpracht
Der Sonn', und Alles ruft: »zu Nacht! Zu Nacht!« –
»Zu Nacht!« so wiederhallt Mokanna's Schrey,
Mit höllerfreu'nder Teufelsneckerey! –
Betrogne! Nimmer ward der Welt bewußt
So trauervolle Trau'r, als Eure Lust! –
Hier drängt sich zu den Wen'gen – fest an Muth
Und ehrner Kraft, – trotz Hunger noch und Blut, –
Ein bleicher Haufen, dessen Jubel hallt,
Wie Lachen aus wahnwitz'gem Munde schallt; –
Dort tanzen Andr' auf Sterbenden und Leichen
Um dampf'ge Gluth, wie irre Geister streichen
Um ein Begräbnißfeu'r in wilder Eil; –
Ein bleicher Gast sieht zu, hat rasch den Pfeil
Aus seiner eignen Wunde losgepflückt,
Und schwingt ihn über's Haupt, grau'nvoll entzückt.

'S war über Mitternacht. Ein tiefes Schweigen
Folgt' auf des lauten Jubels Wahnsinnsreigen,
Den bey des eingeschley'rten Teufels Mahl
Durch Königsgärten zog der Gäste Zahl, –
Als Zelika, – ach, von des Eides Trug
Verdammt, mit ihm zu theilen jeden Fluch! –
Durch einen Sklaven hörte: »Du sollst kommen!« –
Doch kaum hat sie den Stammelnden vernommen,
So schwärzt sich sein Gesicht, und nachtumschwommen 90
Wie ein Gespenst, liegt, eh er das Gebot
Noch wiederholt, zu ihrem Fuß er todt.
Hin geht sie schaudernd ihren bangen Pfad;
Die Ahnung, daß ihr eignes Ziel sich naht,
Weckt ihr Gefühl, und wirft noch Einmal wieder
Den Geist auf jede grause Folter nieder.
Rings schlief die Welt; – der Gegner auch hielt ein –
Als bann' ihn jener Teufelsorgien Reih'n –
Mit Gluthgeschoß. – Was noch an Himmels Rand
Rothleuchtend aufzuckt, ist nur ferner Brand.
Doch horch! – Sie zögert, – lauscht! – Was trifft ihr Ohr?–
Mokanna's Lachen! Und dann dringt empor
Ein ängstlich langes Stöhnen! – Ist das hier
Der Raum der Lust! Der Schwelgerey Revier?
Sie tritt hinein, – o Allah, welch Gesicht! –
Sie schaut bey früher Dämm'rung blassem Licht
Beym Flackern von manch halbverlöschtem Brand,
Gesunken rings aus manch lebloser Hand,
Die Tische, weit im prächt'gen Spotte prangend,
Duftbecken athmend, – Kränze drüberhangend, –
Goldbecher, gemmenfunkelnd, draus man trank
In Schwelgerlust, – doch o, was war der Trank?–
Wer diese Gäste schaut, ermißt es leicht, –
Ihr bleich geschwoll'nes Haupt zur Brust geneigt, –
Auch Mancher gräßlich starr'nd zum Himmelsport,
Als such' er, doch nicht Hülfe find' er dort,
Als fühl' er, ob zerrissen ganz vom Gift,
Wie doch Gewissensangst noch herber trifft! –
Indeß die Tapfersten, – vom Lügnerheld
Recht auserkoren, – sie, die stets im Feld
Bey ihm durch Tod nach Ehre wollten werben, 91
Hier stumm erstarrten, – aber noch im Sterben
Nachglühend rollten ihrer Augen Brand,
Umsonst ihm dräund mit todtgelähmter Hand.

Mit bangen Schaudern nur war anzuschau'n
Der ganz versteinte Blick voll Grimm und Grau'n,
Womit so viel der Todesopfer blickten,
Und ihrem Quäler letzte Flüche schickten; –
Dem spött'schen Feind, deß Schleyer, nun entwallt,
Den Sterbenden wies seine Gräu'lgestalt
In ihrem Todeskampf; nicht jenen Glanz: –
Sieg, Ueberstrahlung, heil'ger Segen ganz, –
Nein, Züge, grimm'ger, als die Höll' ersann! –
Der Spuk der Wüste»Die Afghanen glauben, jede der vielen Einöden und Wüsten ihres Landes sey von einem einsamen Dämon bewohnt, welchen sie den Ghuli Biibau nennen, oder den Geist der Wüste. Oft schildern sie die Wildheit irgend eines feindlichen Stammes, sprechend: sie sind wild, wie der Dämon der Wüste.« — Elphinstone's Cabul., – der vom Sonnenbann
Auf Kirchhofgräbern festgehaltn'n Alraun
Erstarrt nicht so die Menschen die ihn schau'n,
Wie dieses Lügners grau'nvoll Angesicht,
Der nun voll grimm'gen Hohns die Worte spricht:
»Seht, weise Heil'gen, Euern lichten Stern!
Ihr seyd bethörte Opfer, – seyd's ja gern!
Ist's nun genug? – Wie, oder soll ich lügen,
Bis Eurer weisen Brust die letzten Hauch' entfliegen?
Soll schwören, jener Todesbrand in Euch
Sey Vorspiel nur von Himmels Freudenreich?
Und dies entstellte, scheuslichste Gesicht, – 92
Nach göttlichem Geschmack sey's schön und licht?
Soll – aber sieh! – in meiner Grüße Mitten
Seyd Ihr unhöflich mir bereits entglitten,
Ihr süßen Seelen! Nun fahrt wohl, Ihr Herrn!
Liebt Eblis Euch, wie ich, so sterb' ich gern. –
Ha, schöne Braut! – Wohl gut!– Nimm Platz bey mir!
Komm! Schauderst? – Sahst Du Leichen nie bis hier? –
War doch ihr Reigen uns're Hochzeitzier!
Und diese, meine Gäste, tranken froh
Den Scheidekelch. – Komm, Lieb! Trink Du auch so! –
Doch, – was ist dies?– Geleert schon durch die Zecher?
Schon küßten heiße Lippen diese Becher
Vor Dir, o junge Braut! – Halt! – Noch ein Tropfen!
Der soll durch meiner Priestrinn Adern klopfen. –
Trink! – So! – Wenn nun Dein Holder zu Dir dringt,
Eh aller Reiz sich Deiner Lipp' entschwingt, –
Gib halb im Kuß das Gift ihm Deiner Brust,
Und ich beneid' ihm nicht die Siegerlust!«

»Ich – nun ich sterb'! – auch ich! – Doch nicht so schlecht,
Wie hier dies schwach verwesende Geschlecht!
Nicht diese Stirn soll, wann mit Todes Grauen
Sich paart ihr eig'nes Grau'n, mein Räuber schauen!
Nicht sey mein Ruhm des knecht'schen Hohnes Raub:
»Seht, seht! da wird der Göttliche zu Staub!« –
Nein, ekles Volk, – seit mein Bewußtseyn wacht, 93
Warst Du mein Spiel, – bleibst es in Todes Nacht!
Sieh die Cistern' im Schatten dort! – Sie schwillt
Von Gluth, für diese Stunde längst gefüllt;»Il donna du poison dans le vin à tous ses gens, se jetta lui-même ensuite dans une cuve pleine de drogues brûlantes et consumantes, afin qu'il ne restàt rien de tous les membres de son corps, et que ceux qui restoient de sa secte puissent croire qu'il étoit monté au ciel, ce qui ne manqua pas d'arriver.« — D'Herbelot.
Da stürz' ich mich in wall'nder Flamme Spiel, –
O schönes Bad an des Propheten Ziel!
Da sterb' ich, und eh' Ohnmacht Dich umhaucht,
Ist all' mein Körper spurlos schon verraucht.
Mein Heer verkündet, wo sein Klingenschein
Die Welt durchblitzt, mich nahm der Himmel ein,
Mich Heil'gen! Von der Erd' entschwunden heut,
Bis wiederkehrend sie mein Blick erfreut,
Mein unverschley'rter Blick! Mir bau'n sie Tempel,
Wo Thoren knieen, nach der Schuft' Exempel,
Und in der Mystik dunkel trübem Muth
Man mir zum Opfer Blut vergeußt auf Blut,
Zum Himmel strebend wild mit Höllenwuth!
So soll jahrhundertlang mein Banner schwellen,
Daß Raub, Empörung, Trug sich dort gesellen!
Noch ungeborne Kön'ge jammern bang
Dereinst vor meines Nahmens Feldgesang,
Und – stets Derselbe – tost umher mein Geist,
Froh, wie schon hier, wo Mord und Sünde kreist –
Doch horch! – Ihr Wurfgeschütz dröhnt schon am Walle –
Wohl, dröhn' es! – Sterbend höhn' ich noch sie Alle! –
Nicht eine Spur von mir schau'n sie ringsum.
Dir trau ich, Weib! – Denn bald nun bist Du stumm.
Nun merk' auf mich Unglücklichen! – Ein Sprung,
Und mich umleuchtet Sieg und Anbetung!« –
Er sprang und sank mit dieses Rufes Wuth, 94
Und über ihm schloß sich die glüh'nde Fluth, –
Und Zelika blieb in den weiten Reih'n
Der Mauern lebend, – lebend ganz allein,
Sie, die Unsel'ge! Angeweht doch auch
In Todes Wüste schon vom gift'gen Hauch!
Sie glich blutlosen Geistern, welche matt,
Wie Sage spricht, in Schweigens trüber Stadt»Sie hegen alle eine große Ehrfurcht vor Begräbnißplätzen, welche sie zuweilen mit dem poetischen Nahmen: Städte des Schweigens bezeichnen, und die ihr Glaube mit Geistern der Abgeschiednen bevölkert, jeglicher, unsichtbar menschlichen Augen, zu den Häupten seines eignen Grabes sitzend.« Elphinstone.,
Von Alla nur geseh'n, auf Gräbern sitzen,
Den eig'nen Moderleib noch zu beschützen.

Doch Morgen steigt empor! Durchs Lager hin
Der Gegner streift erfrischter Kriegessinn.
Sind jene Feuergloben auch, – gespendet
Aus Griechenland – nun ganz und gar versendet,
So ist doch Pfeil- und Speerflug nicht geendet,
Der aus Ballisten stiegt. Kühn drängt der Knall
Des Mauerbrechers auf den festen Wall, –
Kurz, Alles kündet, daß die Islamiten
Dem Thurm und seinen Zinnen Kampf entbieten,
Zu prüfen, ob nicht eh' die Mauer bricht,
Als drin das trotz'ge Herz, das sie verficht.
Der Erst' in Wuth und Mühsaal, dringt hinann
Held Azim! – Schaut' er nur den Lügenmann
Erst einmal nah,– nicht zorn'ger Löwen Springen
Und nicht der Boa-Schlange wild Umschlingen
Hielt Schritt und Maaß mit seinem Kampfumfang, 95
Beflügelt durch der Rache wilden Drang! –
Laut stürmt der Widder an das Wallgestein;
Die Mauer kracht, – Strebpfeiler brechen ein, –
Doch keine Bresche zeigt sich; – »noch Einmal!
Aus Aller Kraft noch, wie ein Donnerstrahl!« –
Da bebt die Mauer! – Alles ruft: »nun her,
Den stärksten Katapult aus unsrem Heer,
Auf diesen Fleck, und Nekscheb ist ersiegt!« –
Es ist geschehn! – Die Zinne kracht und liegt.
Der Wall von solchem Blitzschlag wie zerbissen,
Gähnt, kraterähnlich, grimm aus Finsternissen,
Und zeigt die Stadt zerstört, zerdampft, zerrissen; –
Doch seltsam! – Nicht Ein Athemzug mehr weht! –
Man starrt, und sieht sich an, und fragt und schaut, –
»Vor! Durch die Bresche vor!« ruft Azim laut; –
Doch der Kalif scheut einen Hinterhalt
Bey dieser Still' und winkt den Schaaren »halt!« –
Just da kam aus den Trümmern langsam vor,
Ein fernes Bild – die Sonne strahlt empor
Und gibt mit Eins den Silberschleyer kund;
»S' ist er! das ist er selbst!« – so tönts im Rund;
»Mokanna ist's! Allein!« – Da springt vom Pferde
Der Jüngling Azim blitzesrasch zur Erde,
Ruft: »heiliger Kalif, mir, mir den Streich
Auf diesen, und mein Lohn ist überreich!«
Grimm fliegt er vor auf des Dämon'schen Pfad,
Der langsam sich und seltsam wankend naht, –
Nun galt's, nun Anfall kühn und Gegenwehr, –
Da stürzt' er raschen Schwungs in Azim's Speer, –
Der Schleyer fiel, – o Gott, und Azim sah's:
Das Herzblut, das hier fleußt, ist Zelika's! 96
»Nicht wollt' ich Freund,« – sie flüstert's lindbethränt,
Wie sie das Haupt sanft auf den Arm ihm lehnt,
Und all sein Zittern fühlt, und im Gesicht
Die Angst ihm sieht, davor sein Herz schier bricht, –
»Nicht wollt' in Deine Hand dies Werk ich legen; –
Zwar, Tod in deinem Arm, – es ist ein Segen,
Dem gern Du gönntest mir auf letztem Pfad,
Wär Dir bewußt, wie oft ich Gott drum bat!
Zu langsam wirkte Feindes giftge That, –
Fort! Fort! das weckt mir Wahnsinn! – und ich dachte,
Wenn dieser Schley'r dem Heer sich sichtbar machte, –
Nein, sieh nicht hin auf ihn, – so träf ihn gleich
Aus Aller Wuth vielfacher Todesstreich. –
Doch so ward's lieblicher. – O, glaube mir,
Nie Deiner Liebkosungen Trauerzier,
Nie Tod in Deinen Armen möchte ich geben
Um höchsten Glückes Pracht im Erdenleben;
Was schreckenstrüb vor meinem Auge stand,
Und vor dem irren Geist mir, – es verschwand;
Ein Licht kommt über mich aus Deinen Blicken,
Wie Sühnung strahlt aus Regenbogenbrücken;
Und spricht Dein süßer Mund, mir sey verzieh'n,
So hallen's nach der Engel Harmonie'n.
Mein Azim, lebe Du; – o, nenn' ich mein
Nochmals Dich, Azim? – sel'ger Traumesschein! –
Leb', wenn Du Deine Zelika geliebt,
Wenn einst'ges Wiedersehn Dir Freude gibt,
O leb' und bet' um mich! O beug' Dein Knie
Bey Tag und Nacht der Gottheit, welche nie
Vor Lipp' und Herz wie Deine fleckenbaar, 97
Dem Ringen des Gebets verschlossen war; –
Ja, fleh' um die Vergebung meiner Sünden,
Daß ich durch Dich noch Gnad' und Huld mag finden,
Und jeder irdischen Erinn'rung frey, –
Als der an Dich, – nächst Gott, nur Dir ganz eigen sey!
Geh heim zu den Gefilden, wo uns glühte
Die reine Jugendminne! – Jede Blüthe,
Sich Dir entgegenrankend holdbekannt
Mahnt dann Dich süß an unser schuldlos Band,
An jener hellen Stunden Thrän' und Scherz, –
Und neu gehört mir armen Kind Dein Herz.
Dann fliegt Dein Beten, wie vom Blumenflor
Der Frühthau schwebt im Morgenlicht empor,
In junger Liebe Macht an's Himmelsthor! –
Und wenn – o, meine schwachen Sinn' entfliegen!
O nur noch dies!– Wenn Deine Bitten siegen,
Und Seelen, holdbegnadigt, noch ihr Heil
Verkünden dürfen ihrem liebsten Theil
Hienieden, – träumst Du einst mein ew'ges Wohl! –
O Gott, – ich sterb', – o Liebling, lebewohl!« –

Die Zeit entfloß; Jahr flog auf Jahr dahin.
Nur Wen'ge die im mitleidsvollen Sinn,
Mit feuchten Augen sterben sah'n die Maid
Und ihres Jünglings wohl noch herbres Leid, –
Nur Wen'ge lebten noch; da kommt, gekrümmt am Stab,
Bey Amu's Fluth zum ländlich stillen Grab
Ein Greis, gealtert an der ernsten Stelle
Im Beten, so bey Sonn' als Sternen-Helle, 98
Kniet hin zum Letztenmal, und durch das Dunkel
Des nahen Todes spielt ihm Lichtgefunkel –
Verklärend selbst den Tod – um Wang' und Blick, –
So wie ein innres Licht oft bleibt zurück
Am fernen Horizont, und ahnend lacht,
Wenn alles Andre schon verhüllt die Nacht! –
Sein Geist sah ein Gesicht im sanften Schlummer; –
Die Seel' um die er fleht' im heil'gen Kummer
Durch manch ein Jahr, – sie schwebte lächelnd her,
Und sang in's Ohr ihm, daß sie selig wär; –
Da stirbt er, während Dank sein Auge weint;
Am Strom, draus seines Glücks Erinnrung wiederscheint,
Schläft er mit seiner Zelika vereint.



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