Thomas Moore
Lalla Rukh
Thomas Moore

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Als die Geschichte des verschleyerten Propheten von Khorassan zu Ende war, mußte man sich schon in die Nothwendigkeit ergeben, Fadladins Kritiken darüber anzuhören. Eine ganze Reihe von Fehlschlagungen und Zufällen war diesem gelehrten Kämmerling während des Tages zugestoßen. Gleich auf dem ersten Ruheplatz hatten die Eilboten – zwischen Delhi und der westlichen Küste von Indien angestellt, um, wie in der Regierung des Schach Jehan, die fortdauernde Zufuhr der Mangofrucht für die königliche Tafel rege zu erhalten, – diese Eilboten hatten durch irgend eine grau'nvolle Nachlässigkeit in ihrer Verpflichtung gefehlt, – und andre Mangofrüchte zu verspeisen, als die von Mazagong»Mazagong ist wegen seiner Mangofrüchte berühmt, welche allerdings das beste Obst ausmachen, welches ich jemals genoß. Der Urbaum, von dem all die andern dieser Gattung geimpft sind, wird während der Fruchtzeit durch eine Wache von Seapoy's geehrt, und solang Schach Jehan regierte, waren Eilboten zwischen Delhi und der Mahrattaküste aufgestellt, um der königlichen Tafel einen reichlichen und frischen Zufluß von Mangofrüchten zu sichern.« — Mrs. Grahams Journal of a Residence in India., war aller anständigen Sitte zufolge durchaus unmöglich. – Bis zum zweyten Halt hatte der Elephant, 99 welcher ihm sein feines und alterthümliches PorzelanDies alte Porzellan findet man durch Nachgrabungen, und »es wird nicht sowohl irgend eines neuen Grades von Schönheit halber geschätzt, den es etwa in der Erde empfangen hätte, sondern nur, weil es seine alterthümliche Schönheit behauptet hat, und diese ist nur in China von besonderer Wichtigkeit, wo man große Summen für die kleinsten Gefäße hingibt, welche unter den Kaisern Yan und Chun gebraucht wurden. Ihre Regierungszeit fällt in unterschiedliche Zeitalter, vor der Dynastie des Tang, und damals bedienten sich die Kaiser zuerst des Porzellans.« (Um das Jahr 442.) – Dunns Collection of curiosus oservations etc. – eine schlechte Uebersetzung von einigen Theilen der Lettres édifiantes et curieuses, durch Jesuitische Missionare herausgegeben. trug, in einem ungewohnten Anfall von Lebhaftigkeit die ganze Ladung zu Stücken zerschlagen, – ein ganz unersetzlicher Verlust! Denn manche der Gefäße waren von so auserlesenem Alter, daß sie schon unter den Kaisern Yan und Chun gedient hatten, die längst vor der Dynastie des Tang das Kaiserthum regierten. Auch sein Koran, welchen man für die echte Copie desjenigen hielt, in dessen Blättern Mahomeds Taube zu nisten pflegte, war durch seinen Koranträger drey ganze Tage lang verlegt gewesen: ein geistiger Schreck für Fadladin, der, obgleich mit andern rechtgläubigen Muselmannen alles Heil im Koran suchend, doch im Verdachte stand, er suche es eigentlich nur wieder in der ihm eigenthümlich gehörigen Abschrift. – Nun füge man noch zu all diesem Kummer die Hartnäckigkeit der Köche, statt des Serendibzimmets den Kanara-Pfeffer an alle Gerichte thun zu wollen, und man wird leicht ermessen, daß er sein kritisches Tagewerk mindestens mit einem gehörigen Grade von Reitzbarkeit begann.

»Um hinlänglich,« – hub er an, indem er mit großer Wichtigkeit den Perlenkranz an seinem Gürtel hin und wieder drehte – »um hinlänglich meine Ansicht von der Erzählung, welche dieser junge Mann vorgebracht hat, auszusprechen, wird es nöthig, daß wir einen Ueberblick aller Erzählungen fassen, die jemals –«

»Guter Fadladin,« – rief die Fürstinn ihn unterbrechend, aus, – »fürwahr, wir verdienen's nicht, daß Ihr Euch unserthalben so viel 100 Mühe gebt. Eure Meinung über das eben vernommene Gedicht wird zweifelsohn erbaulich genug ausfallen, ohne daß Ihr noch irgend etwas von Eurer werthgeschätzten Gelehrsamkeit dabey zu verschwenden braucht.« – »Wenn mehr nicht erfodert wird,« – sagte der Kritiker, sichtlich verletzt, daß man ihm nicht vergönnte darzuthun, wie viel er von allen möglichen Dingen außerhalb des vorliegenden Gegenstandes wisse, – »wenn mehr nicht erfordert wird, so ist die Sache bald erschöpft.« Er fuhr nun fort, das Gedicht zu entwickeln, in jener den unglücklichen Sängern Delhi's nur allzu wohl bekannten Manier, wo Tadel zu einer Strafe ward, draus Wenige mit dem Leben entkamen, und selbst das Lob nach dem Honig schmeckte, welche man aus den bittern Aloeblumen preßt. – Die Hauptpersonen der Geschichte seyen, wenn er selbige recht verstehe, ein Herr von unangenehmen Aussehn, mit einem Schleyer vor Gesicht; – eine junge Dame, deren Vernunft verreise und wieder komme, je nachdem es dem Poeten bequem falle, sie mit oder ohne Sinn darzustellen, – und dann ein Jüngling mit einer jener scheuslichen Bucharenmützen, der den obenbenannten Herrn im Schleyer für eine Gottheit ansehe. – »Aus solchen Werkstücken,« –sprach er, – »was steht da wohl sonderliches zu erwarten? – Nachdem sie mitsammen in langen Reden und Albernheiten gewetteifert haben, durch ein paar tausend Zeilen fort, nicht eben verdaulicher, als Lampertnüsse von Berdaa, thut unser Freund im Schleyer einen Satz in einen Kübel voll Scheidewasser; die junge Dame stirbt in einem 101 wohlgeordneten Redefluß, daran einzig zu loben steht, daß er ihr letzter ist: der Liebhaber dagegen bringt es zu einem anständig hohen Alter, in der lobenswerthen Absicht, ihren Geist zu sehen. Diese führt er denn auch endlich aus, und stirbt. Ihr werdet mir zugestehen, dies ist eine richtige Inhaltsanzeige der ganzen Historie; und hätte Nasser, der Arabische Handelsmann, nicht besser erzählt, so hätte unser heiliger Prophet (dem Ehre sey und Ruhm!) nie irgend eine Eifersucht über dessen Geschicklichkeit im Märchenverkünden zu hegen gebraucht.« –D'Herbelot berichtet, die Araber seyen dergestalt von Nassers Fabeln eingenommen gewesen, daß sie auf Muhameds Erzählungen entgegneten, die von Nasser gefielen ihnen besser. Dies zog ihm die Verwünschung Muhameds und all seiner Schüler zu.

Was den Styl betreffe, so sey er dem Gegenstande völlig angemessen; es fehle ihm sogar an jener feingefeilten Structur, wovon die Gemeinheit durch das Privilegirte der Manier gehoben werde, – wie auch an jener poetischen Phraseologie, wodurch Gefühle, niedrig zwar an sich selbst, dennoch – gleich dem Schurzfelle des Grobschmidts, welches zum Banner wardDer Grobschmidt Gao, welcher dem Tyrannen Zohab mit Erfolg Widerstand leistete, und dessen Schurzfell die königliche Standarte von Persien ward. – – sich gar leicht mit Vergoldung und Stickerey zur Bedeutsamkeit erheben lassen. Was die Versification betreffe, so wollte er, um nichts ärgeres davon zu sagen, sie nur bloß abscheulich nennen; man finde darin weder die strömende Fülle des Ferdusi, noch die 102 Süßigkeit des Hafiz, noch den sentenzenreichen Festgang des Sadi; dagegen scheine sie ihm in der bequemen Schwerfälligkeit ihrer Bewegungen, dem Gange eines sehr ermüdeten Trampelthiers nachgebildet zu seyn. Auch die darin vorkommenden Lizenzen seyen unverzeihlich. – Zum Beyspiel die folgende Zeile, – und das Gedicht sey überflüßig mit ähnlichen versehn:

»Musik, gleich süßem Klang aus sehnendem Traum!«

»Welcher Kritiker,« rief Fadladin, »dafern er zählen kann und die Vollzahl seiner Finger dazu besitzt, würde nur augenblicklich dergleichen syllabischen Ueberfluß dulden?« – Hier blickte er rings umher, bemerkend, daß fast seine sämmtliche Zuhörerschaft in Schlaf versunken sey, während die verglimmenden Lampen sich bereit machten, ihrem Beyspiele zu folgen. Er konnte daher nicht umhin, obgleich mit innerm Schmerzgefühl, seinen viel wiegenden Bemerkungen für den Augenblick ein Ende zu machen, und deshalb schloß er mit einem Anstande vornehmer Zartheit also: »ungeachtet der Beobachtungen, die ich es für meine Schuldigkeit hielt auszusprechen, ist es keinesweges mein Wunsch, den jungen Mann zu entmuthigen; – ja, so fern davon ist mein Gemüth, daß, falls er nur seine Schreib- und Denkweise gänzlich umändern will, mir es kaum noch zweifelhaft scheint, ihm dereinst meine völlige Zufriedenheit gewähren zu können.« –

Einige Tage verstrichen nach dieser Redeübung des Groß-Kämmerlings, eh Lalla Rukh es wagen mochte, eine andere Erzählung zu begehren. 103 Stets war der Jüngling ein willkommner Gast im Gezelte, – für Ein Herz vielleicht nur allzuwillkommen, – doch jegliches Erwähnen der Poesie ward, wie durch allgemeine Uebereinstimmung, vermieden. Zwar hegte Niemand aus der Gesellschaft eine besondere Verehrung für Fadladin, aber seine Censuren, so im Tone des Meisters ausgesprochen, machten doch einen unläugbaren Eindruck auf Alle. Der Dichter selbst, welchem die Kritik – als gänzlich in Kaschmir, diesem Paradiese Indiens, unbekannt – wie eine ganze neue Operation vorkam, empfand den Anstoß, wie man ihn gewöhnlich auf's erstemal zu empfinden pflegt, bis die Gewohnheit dem Leidenden einen höhern Grad von Duldsamkeit dagegen schenkt; – den Damen stieg die Ahnung auf, sie hätten sich eigentlich nicht ergötzt fühlen müssen; auch schien Fadladins Rede ihnen um so mehr gesunde Vernunft zu enthalten, als er sie sämmtlich dadurch in einen so gesunden Schlaf gewiegt hatte;– während der selbst zufriedene Kämmerling in seinen Gedanken des Triumphes genoß, nun zum hundert und fünfzigstenmal in seinem Leben einen Poeten verlöscht zu haben. Lalla Rukh allein – und die Liebe mag wissen warum – bestand darauf, durch alles Vernommene sehr erfreut zu seyn, und noch mehr Aehnliches, sobald als möglich, zu vernehmen. Die Art jedoch, wie sie zuerst auf den Gegenstand zurück kam, war von ausnehmend ungünstigem Erfolge. Während man nähmlich um die Mittagsgluth an einem Brunnen rastete, welchem irgend eine Hand mit rohen Zügen diese wohlbekannten Worte aus Sadi's Rosengarten eingegraben hatte: 104

»Manche, gleich mir, haben diesen Brunnen gesehen; aber sie gingen vorüber, und ihre Augen sind geschlossen für immer« –

nahm die Prinzessinn Gelegenheit von der wehmüthigen Schönheit dieser Stelle, sich über den Reiz der Dichtkunst im Allgemeinen auszulassen. – »Gewiß,« – sprach sie, – »nur wenige Dichter können es jenem erhabenen Vogel gleichthun, der immer in den Lüften schwebt, ohne je die Erde zu berühren;Der Huma.»Der Humma, ein dem Osten eigenthümlicher Vogel. Man glaubt, er fliege endlos in der Luft, ohne je den Boden zu berühren; er gilt für den Vogel guter Vorbedeutung; jedes Haupt, welches er beschatte, meynt man, werde mit der Zeit eine Krone tragen.« — Richardson.
In dem Allianz-Tractat, welchen Fuzzel Ula Khan mit Hyder abschloß, hieß eine der Bedingungen: »er solle die Auszeichnung zweyer hinter ihn stehenden Ehrendiener genießen, die in ihren Händen Fächer aus dem Gefieder des Humma trügen, der Sitte seines Stammes gemäß.« — Wilke's South of India.. – Er fügt in einer Anmerkung hinzu: – »Der Humma ist ein fabelhafter Vogel. Das Haupt, über welches sein Schatten Einmal hingleitet, hat die Umkränzung einer Krone zu erwarten. Der glänzende kleine Vogel, den man 1799 zu Seringapatnam über dem Thron des Tippusaib-Sultan hängen fand, sollte dies poetische Gebilde darstellen.«
– nur Einmal durch viele Menschenalter hin, erscheint ein Genius, dessen Worte, gleich jenen des spruchgezierten Berges»Den Pilgern des Berges Sinai haben wir die Inschriften, Gestalten, u. s. w. beyzumessen, welche sich auf diesem Felsen finden, und ihm den Nahmen des beschriebenen Berges erwarben.« — Volney. – Herr Gebelin und Andere, haben sich viele Mühe gegeben, diesen Inschriften einen geheimnißreichen und wichtigen Sinn beyzulegen; doch Niebuhr sowohl als Volney meynen, es seye das Alles in müßigen Stunden durch die Pilger des Berges Sinai ausgeführt worden, welche sich damit vergnügten, den rauhen Felsen mit irgend einem spitzigen Instrumente zu ritzen. Ihren Nahmen und dem Datum ihrer Reise fügten sie einige rohe Gestalten hinzu, welche die Hand sehr ungeübter Künstler verrathen.« — Niebuhr., die Zeiten überdauern; doch gibt es immer Etliche, die – obgleich minder wundervoll, doch eben so ergötzlich vielleicht – nicht just als Sterne über unsern Häuptern, aber doch als Blumen zu unsern Füßen leuchten, und deren Lieblichkeit wir für den Augenblick dankbar einathmen sollten, ohne von ihnen den Glanz und die Dauerhaftigkeit, die ihrem gesammten Wesen fremd sind, zu erheischen.« – »Ueberhaupt,« – fuhr sie fort, erröthend, als könne man sie in ihrer eigenen Rede fangen, – »mir scheint es überaus grausam, daß ein Dichter nimmer durch seine eigenen Zaubergärten wandern darf, ohne daß – dem alten MeermanneSiehe die Geschichte Sindbads in 1001 Nacht. vergleichbar – sich ein Kritiker auf seinen Nacken hängt!« – Zweifelsohn zog Fadladin diese letzte unglückliche Anspielung auf sich, und wollte sie im Gemüthe als einen Wetzstein für seine nächste Kritik aufbewahren. Ein plötzliches Stillschweigen erfolgte, und die Prinzessinn, nur 105 ihren Blick nach Feramors hinüberstreifen lassend, fühlte klar, daß sie eine muthigere Stimmung abwarten müsse.

Aber die Strahlen der Natur und ihr duftig milder Anhauch, freudig über den Strom jugendlicher Geister hinspielend, vermögen wohl tiefere Wunden zu heilen, als alle dumpfe Fadladins dieser Welt sie zu schlagen vermögen. Ein oder zwey Abende nachher gelangte man zu dem schmalen Gartenthal, welches der Kaiser vor einigen Jahren für seine Lieblingsschwester Roschinara während ihrer Reise nach Kaschmir anpflanzen ließ; und nimmer seit den Gulzar-e-Irem – oder den Rosenlauben von Irem – gab es eine glänzendere Versammlung lieblicher Blüthen. Jede strahlende Blume, durch Lied oder Liebe oder Sage jemals geheiligt, war dorten zu finden; von jener dunkeln Hyazinthe, mit welcher Hafiz die Locken seiner Herrinn vergleicht, bis zu der Kamalata, deren rosige Blüthen Indra's Himmel durchduften.»Die Kamalata (Linnaeus nennt sie Ipomaca) ist die schönste ihrer Gattung, sowohl an Farbe als Gestalt ihrer Blätter und Blüthen; ihre zarten Blumen sind von himmlischem Rosenroth, der echten Farbe der Liebe, und haben ihr mit Recht den Nahmen Kamalata oder Liebesranke verschafft.« — Sir W. Jones.
»Kamalata kann auch eine mythologische Pflanze bedeuten, durch welche jedes Verlangen Denjenigen gewährt wird, die den Himmel des Indra bewohnen. Und wahrlich, wenn je eine Blume des Paradieses werth war, so ist es unsre bezaubernde Ipomäa.« — Ebenders.

Als sie nun im kühlen Hauch dieses erquicklichen Geheges saßen, und Lalla Rukh bemerkte, hier könne sie sich den Wohnsitz der blumenfreundlichen Nymphe denken, welche man in den Tempeln von Kathay verehrtDem Pater Premare in seiner Abhandlung über die Chinesische Mythologie zufolge, war Fo-hi's Mutter die Tochter des Himmels, und trug den Beynahmen Blumenliebe. Als sie einstmalen allein am Ufer eines Stromes ging, fand sie sich plötzlich von einem Regenbogen umringt. Sie ward schwanger darnach, und gebar nach zwölf Jahren einen Sohn, eben so strahlend, als sie selbst.« — Asiat. Res., – oder einer jener Peri's, jener anmuthigen Lustgeschöpfe, die von Wohlgerüchen leben, und denen eine Stelle, wie diese, gewissermaaßen Entschädigung reichen könne für ihr verlornes Paradies, – da erschien sie dem Dichter, wie eines jener glänzenden Wesen selbst, von denen sie redete, und zögernd sprach er, daß er sich der Geschichte einer Peri erinnre 106 und – wenn die Prinzessinn es nicht verbiete – wohl unternehmen möchte, sie zu erzählen. – »Es ist dies« – sprach er mit einem beschwichtigenden Blick auf Fadladin – »eine leichte und anspruchlosere Weise, als die vorige.« – Dann, ein paar ungekünstelte doch melancholische Accorde seiner Zither entlockend, begann er folgendergestallt: –

Das Paradies und die Peri.

                 

An Edens Pfort' in Morgen-Glanz
Stand eine Peri, trostlos ganz; –
Und wie sie lauschte nach dem Spring
Des Lebens drin, harmonisch fließend,
Ihr Fittig Strahl auf Strahl empfing,
Sich durchs halb offne Thor ergießend,
Weint sie, daß solcher Heimath Recht
Verlor einst sünd'gend ihr Geschlecht.

»Wie glücklich,« – so rief dies Kind der Luft –
»Ist ein seliger Geist wohl dort im Duft
Der Blumen, die Welken nicht trifft, nicht Fall:
Ob mein sind die Gärten auf Land und Wogen,
Ob Sterne mir haben Blumen erzogen, –
Eine Blüthe des Himmels überblüht sie all! –

Ob sonnig des kühlen Kaschmirs Fluth,
Die schattigen Inseln spiegelnd,»Zahlreiche kleine Inseln tauchen aus dem See von Kaschmir empor.« Forster. ruht,
Ob tief im Thale rauscht Wasserfall, 107
Ob in Sing-Su-Hay der lautre Quell
Und die goldnen Wogen streifen so schnell,»Der Altan Kol oder goldne Strom von Tibet, welcher sich in die See'n von Sing-Su-Hay ergießt, führt einen Ueberfluß von Goldsand, dessen Einsammlung die Umwohner den ganzen Sommer hindurch beschäftigt.« — Pinkersons Beschreibung von Tibet.
Ach – Selige wissen's allein, wie hell
Die Himmelswog' überstrahlt sie all

Geh, schwing' Deinen Flug von Stern zu Stern,
Von Welt zu leuchtender Welt so fern,
Wie die flammenden Mauern breitet das All!
Magst aller Sphären Wonnen erfahren,
Magst jede verdoppeln in endlosen Jahren –
Ein Himmelsmoment überwiegt sie all!« –

Der Pförtnerengel, glorienleuchtend,
Sah wie sie stand, die Wange feuchtend,
Und als er lauschte, näher schleichend,
Dem trüben Sang, da quoll erweichend
Ins Aug' ihm hell ein Thränenlicht,
Gleich Paradieses Quellenthau,
Der, wie Braminensage spricht,
Benetzt der Himmelsblume Blau.»Die Braminen dieser Provinz bestehen darauf, die blaue Kampakblume blühe nur im Paradiese.« — Sir W. Jones. Es ergibt sich indessen aus einem merkwürdigen Briefe des Sultans von Menangkabo, den Marsden uns mitgetheilt hat, daß auch noch eine irdische Gegend Anspruch auf deren Besitz machen kann.« Dies ist der Sultan, welcher die blaue Champakablume besitzt, welche man in keinem anderen Lande als dem seinigen, findet. Denn überall sonst blüht sie gelb. – Marsdens Sumatra.
»Dir, Nymph' aus irr'nd, doch holdem Stamm« –
Sprach sanft er – »bleibt ein Hoffnungs-Damm!
Im Buch der Schickung steht das Wort:
Der Peri mag verziehn werden,
Die bringt zu diesem ew'gen Port,
Was mehrst der Himmel liebt auf Erden! 108
Geh! such die Sühnung zu erfassen. –
Süß ist's, Versöhnte einzulassen!« –

Schnell wie der Kometen Lauf
Strebt zur Sonn' Umarmung auf, –
Rascher als die stern'gen Klingen,
Welche nächtig Engel schwingen»Die Muhamedaner halten die Sternschnuppen für Feuerschwerter, womit die guten Engel die Bösen zurücktreiben, wenn diese sich dem Empyräum – der Himmelsgränze – zu sehr nahen« — Fryer.
Wider Geister schwarz und kühn,
Die zum Empyräum glüh'n, –
Weit schneller flog vom Himmelsblau
Die Peri, wiegend ihr Gefieder
Auf einem Strahl im Morgenthau,
Und sah nach unsrer Welt hernieder.

Doch wo nun sucht der holde Geist
Die Himmelsgabe? – »Allermeist« –
Spricht sie – »mag ich die Urnen kennen,
Wo zahllos die Rubinen brennen
Unter den Säulen von Tschilminar!Die vierzig Pfeiler: so nennen die Perser die Ruinen von Persepolis. Sie bilden sich ein, dieser Palast und die Gebäude von Balbek seyen durch Geister erbaut, um in den dortigen unteridischen Gewölben unermäßliche Schätze, die noch stets dort verborgen lägen, zu bewahren.
Die Inseln weiß ich, so duftig klar,Diodorus gedenkt der Insel Panchaja, im Süden des glücklichen Arabien, wo sich ein Tempel des Jupiter befand. Diese Insel, oder vielmehr Inselgruppe, ist verschwunden; »versunken« – wie Grandpré sagt – »in den Abgrund, welcher durch das Feuer unterhalb ihrer Grundlage entstand.« — Voyage to the Indian Ocean.
Manch eine Klafter tief unter dem Meer,
Um Arabiens sonnigen Südstrand her;Die Inseln von Panchaia.
Ich kenne der Genien hüthenden Schritt 109
Um den Edelsteinkelch ihres Herr'n Jamschid»Der Becher des Jamschid, sagt man, ward entdeckt, als man zur Gründung des Fundaments von Persepolis in die Erde grub.« — Richardson.
Wo Lebenskraft glüht im schäumigen Licht –
Doch Gaben wie die, will der Himmel nicht! –
Wo glänzte je ein Juweel doch schon,
Wie die Stufen um Alla's Wunderthron? –
Und Lebenstränke verrinnen – ach weit!
In die grundlosen Tiefen der Ewigkeit.«

So sinnend, fühlt sie am Geflügel
Die süße Luft der Ind'schen Hügel,
Die Balsamluft, wo Oceans Fluth
Ob Ambra und Koralle ruht,»Anders ist es mit dem Indischen Meer, dessen Boden einen Reichthum von Perlen und Ambra enthält, dessen Küstenberge Gold und Edelgestein füllet, dessen Meerbusen Geschöpfe hervorbringen, die Elfenbein gewähren, und unter dessen Uferpflanzen sich Ebenholz findet, Rothholz und das des Hairzan, Aloe, Kampfer, Gewürznelken, Sandelholz, und was man sonst würzig und wohlgeruchduftend nennt; wo Pfauen und Papageyen das Geflügel des Waldes bilden, und Muskus und Zibeth auf den Auen gesammelt wird.« — Reisen zweyer Muhamedaner.
Wo Berg', umarmt vom süß entbrannten
Sonn'licht, gebären Diamanten,
Wo Bäch', als reiche Bräut' im Glanz,
Goldfunkelnd halten süßen Tanz,
Wo Sandelhaine würzig glühn,
Als Peris-Paradiese blüh'n! –
Jetzt quollen roth die Bäche hier
Von Menschenadern! Blutesrauch
Drang auf aus würz'gen Heiligthumen,
Und Mensch, des Menschen Opferthier,
Vermischte sein Gestöhn dem Hauch,
Aufwehend aus unschuld'gen Blumen! –
Wer, Sonnenland, entweiht den Boden
Der Pfeiferhallen und Pagoden?— — — — Im Boden wurzeln
Gesenkte Zweige; laub'ge Töchter sprießen
Rings um den Mutterbaum als Pfeilerhallen,
Hoch überwölbt, und Echo wandelt drinnen.
                                                Milton.
Eine genaue Beschreibung und Abbildung des Banyanbaumes gibt Cordiner's Ceylon.

Wer die Idol' und Hölengänge?
Der Kön'ge reiches Throngedränge?»Mit diesem unermeßlichen Schatze kehrte Mamud nach Ghizni zurück, und bereitete im Jahr 400 ein prächtiges Festmahl, wo er vor dem Volke seinen Reichthum an goldnen Thronen und anderm Schmuck auf einer großen Ebne außerhalb der Stadt Ghizni entfaltete.« — Ferischta. 110
'S ist der Gazna!Machmud von Gazna, oder Ghizei, der Indien im Beginne des 11. Jahrhunderts eroberte. – Wuth im Sinn
Kommt er, und Indiens Kronen sinken
Vor seinem Trümmerpfad dahin.
Sein Hetzhund trägt Juweelen blinken,»Es wird berichtet, des Sultan Machmud Jagdgeräthe sey so prachtvoll gewesen, daß er 400 Windspiele und Schweißhunde hielt, deren Jeder ein juweelenbesetztes Halsband trug, und Decken, mit Gold und Perlen verbrämt. Allgemeine Weltgeschichte. 3. Theil.
Entrissen dem verletzten Nacken
Manch zartgeliebter Sultaninn;
Die Jungfrau trifft der Streitaxt Zacken,
Der Priester sinkt im Tempel hin,
Und frech in Weihgefäße packen
Die Krieger Altars Raubgewinn. –

Die Peri schaut hinab zum Kampf,
Und sieht durch Schlachtfelds blut'gen Dampf,
Wie noch ein junger Krieger stand,
Allein am Heimathstrom sich wagend,
Das blut'ge Schwert zerschellt zur Hand,
Den letzten Pfeil im Köcher tragend.
»Leb,« – spricht der Sieger; – »theil mit mir
Trophä'n und reiche Kronen hier!« –
Der Jüngling stand im stillen Muth,
Und zeigte schweigend nach der Fluth,
Ganz Purpur von der Brüder Blut;
Schoß dann des letzten Pfeiles Erz
Als Antwort auf's Tyrannenherz. –

Falsch fliegt der Pfeil, ob gut geschnellt, –
Der Zwingherr lebt, – es sinkt der Held. 111
Doch merkt die Peri sich die Stelle.
Da Kampfgetos nun fürdersetzt,
Schwebt sie herab auf Morgenhelle,
Und fängt den Tropfen, der zuletzt,
Aus edler Brust zuletzt noch drang,
Eh' frey der Geist sich aufwärts schwang.

»Dies sey« – so rief sie im Fittigschwingen –
»Die Gabe, den Thoren des Lichts zu bringen!
Ob oftmal rinnt manch trübe Quelle
Durchs Schlachtfeld, – Blut, wie dieses so helle,
Vergossen für Freyheit, – es ist so rein,
Es trübte wohl nicht den seligsten Schein
Durch ewige Lauben rieselnder Welle.
O gibt es auf diesem irdischen Heerd
Eine Gabe, dem Himmel lieb und werth,
So ist es des Opfertrankes Pracht,
Für Freyheit aus scheidender Seele gebracht!«

»Süß ist,« – so ließ der Engel klingen
Sein Wort, als er in Strahlenhand
Die Gab' empfing, – »süß unser Singen
Dem Sterbenden für's Vaterland. –
Doch sieh – ach, der krystall'ne Schrein
Bleibt fest vor Eden! – Heil'ger viel,
Als dies noch, muß die Gabe seyn,
Die Dich erhebt ans sel'ge Ziel! –

Von erster Hoffnung schnell verlassen,
Fliegt sie zu Afrikan'schen Stellen,
Wo Mondgebirge»Die Mondgebirge, oder die Montes Lunae des Alterthums, an deren Fuß man den Ursprung des Nils vermuthet.« Bruce. sich umfassen;»Man nennt sie bisweilen« – »Jibbel Kumrie oder die weißen oder mondfarbigen Berge; so heißt auch ein weißes Pferd bey den Arabern ein mondfarbiges Pferd.« 112
Sie taucht die Schwingen in die Wellen
Des Nilstrom's, dessen Kindheitmorgen
Vor Erdensöhnen bleibt verborgen,
Tief in den einsamlichen Hain,
Wo Wassergeister ziehn den Reih'n,
Singend um ihres Nilus Wiege
Des jungen Riesen künft'ge Siege!»Die Abyssinier kennen den Nil unter dem Nahmen: Abey und Alawy oder der Riese. — Asiat. Research. 1. Th. S. 337.
Dann ob Aegypters Palmenhallen
Ob KönigsgräberSiehe in Perry's Ansicht der Levante eine Schilderung der Grabmähler im obern Thebä, und der zahllosen Grotten in Ober-Aegypten, über und über mit Hieroglyphen bedeckt. dunkeln Zellen
Muß der verbannte Geist nun wallen,
Hört das Gegirr der Tauben hallen
Durchs Thal Rosetta's,»Die Baumgärten Rosetta's sind voller Turteltauben.« — Sonnini. sieht im Fallen
Des Mondlichts klar die Fitt'ge schwellen
Den Pelikan, der lichthell schwimmt
Von Meeres blauer Wog' umglimmt.Savary gedenkt des Pelikans auf dem See Moeris.
Schön war die Aussicht! – Hold're Pracht
Hat nie ein sterblich Aug' erblickt.
Wer dächt' im Anschaun dieser Nacht,
Vor diesen Thälern, reich geschmückt,
Wo Goldfrucht rein im Sternglanz lacht, –
Vor diesen Dattelgruppen, wiegend
Leis' ihr laub'ges Haupt im Duft, 113
Gleich Mädchen, welche Schlaf mildsiegend
Auf die Seidenbetten ruft,»Der prächtige Dattelbaum, dessen Haupt sich müde zurücklehnt, einer vom Schlaf überwundenen Schönen gleich.« Dafard el Hadad.
Vor Jungfraulilien, Nächtelang
Im Seebad ihre Schönheit fächelnd,
Und schöner dann und heller schlank
Geliebter Sonn' entgegenlächelnd, –
Wo Tempel und wo Schlosses-Trümmern
Gleich Nester goldner Träume schimmern, –
Wo durch die blüh'nden Oeden dumpf
Nur Eulenruf das Ohr umschrillt,
Dem Aug' die Wolke – flüchtig schnell
Enthüll'nd des Mondes Silberflimmern –
Den Königsvogel purpurhell»Der schöne Vogel, dessen Gefieder vom zartesten Glanzblau, Schnabel und Schenkel purpurfarb, ihn zum natürlichen Schmuck der Griechischen und Römischen Tempel und Paläste bestimmen, erhielt wegen seines stattlichen Anstandes und seiner strahlenden Farben den Nahmen Sultana oder Königsvogel.« — Sonnini.
Zeigt auf der Marmorsäule Rumpf,
Stillfunkelnd, wie ein Götzenbild, –
Wer dächte daß just hier, just hier,
Auf dieser Bilder stille Zier
Pest-Dämon her vom Fittig schauert
Den gift'gen Hauch, drin Siechthum lauert,
Weit tödlicher als Gluthen-Hauch
Je stieg aus flamm'ger Wüste Rauch!
Schnell mordend, daß, wo Menschenoden
Nur leise saugt den grimm'gen Broden, 114
Die Brust hinwelkt, wie Blum' und Strauch
Verkohlt, wenn Samum streift den Boden!

Der Abendstrahl traf manche Stirn
Noch hell von Blüth' und Frisch' umthau't, –
Doch jetzt schon Pestesgluth im Hirn,
Die Morgenstrahl nie mehr beschaut.
Und ach, die unbegrab'nen Leichen,
Drob träumend Mondeslichter schleichen! –
Ja selbst die Geyer flieh'n weit ab,
Scheu'nd solch ein Mahl, wie eignes Grab!
Es stapfen nur Hyänentritte,Jackson, von der Seuche sprechend, welche während seiner dortigen Anwesenheit die westliche Barbarey betraf, sagt: »die Vögel in der Luft flohen vor jedem menschlichen Aufenthalt. Die Hyänen dagegen besuchten die Grabstätten,« u. s. w.
Grimm durch der öden Straßen Mitte»Gondar war mit Hyänen angefüllt, von der Abend- bis zur Morgendämmerung, die verschiedenen Stücke geschlachteter Leichnahme aufsuchend, welche dieses grausame und schmutzige Volk ohne Begräbniß auf die Straßen wirft, fest glaubend, jene Thiere seyen Falaschda's aus den nahen Bergen, die, durch Magie verwandelt, herab kamen, nun in Dunkel und Sicherheit Menschenfleisch zu essen.« — Bruce.
Nach Todtenraub um Mitternacht, –
Weh dem Halbsterbenden, verlassen,
Sieht er in grausenvoller Pracht
Das Blauaug'Siehe Bruce. glühn durch finst're Gassen!

Mild seufzte die Peri: »Du armes Geschlecht
Wie büßest Du schwer um der Ahnen Fall! –
Dir blüh'n wohl noch Blumen vom Gartengeflecht
Aus Eden, – doch Schlang', überschleichet sie all!« –
Da weinte sie, – hell ward die Luft
Rings vor der süßen Tropfen Scheinen.
Ein Zauber lebt im Thränenduft,
Wenn Geister hold um Menschen weinen. 115

Da, unter den Orangenzweigen,
Wo Blüth' und Frucht im süßen Neigen
Mitsammen kos'ten, süß geschaukelt,
Wie Alter wohl mit Kindheit gaukelt, –
Dort in der blühenden Lauben Runde,
Hört sie am See ein Seufzen schwer
Von Jemand der in solcher Stunde,
Einsam zu sterben, schlich hierher;
Jemand, der einst im frischen Leben
Viel hundert Herzen an sich band,
Doch nun, dem Sterben hingegeben,
Verhallt wie fremd und nie gekannt!
Bey ihm wacht Niemand! – Und das Weh,
Das feurig ihm die Brust durchschwillt,
Löscht Niemand aus dem weiten See,
Der frisch vor seinen Augen quillt!
Und keine Stimme, sonst so hold,
Regt sich, das Scheidewort zu sprechen,
Bey dem, wenn andrer Klang entrollt,
Wie bey Musik die Augen brechen!
Dies letzte: »fahr Du wohl!« am Strand
Der rauhen Welt, – ob Alles schwand, –
Den Geist erfreu'nd, bevor sein Schiff
Hinströmt zum dunklen Klippenriff! –
Verlaßner Jüngling! Ein Gedanken
Warf Licht in seine Todesnoth:
Daß sie, die jahrlang ohne Wanken
Er liebt' im hoffenden Umranken,
Fern sey von dieser Nacht voll Tod,
Still ruh'nd in Vaters Königshallen
Wo kühle Lüft' aus Brunnen wallen, –
Durchhaucht vom würz'gen Düfteblau
Verbrannter Zweig aus Indiens Au, 116
Rein, wie sie selbst, die hohe Frau! –
Doch sieh, – wer schleicht heran so blühend
Im melanchol'schen Laubengange,
Gleich der Gesundheit Botinn glühend,
Der Rose Pracht auf zarter Wange?
Sie ist's! – Fernher im Mondgefunkel
Erkannt die Braut der junge Held,
Die eh' mit ihm sucht Todesdunkel,
Als ohn' ihn Herrschaft aller Welt! –
Sie schlingt die Arm' um ihn erschrocken,
Naht ihren Mund dem bleichen Mund,
Flicht ihre seegenetzten Locken
Um seines glüh'nden Hauptes Rund!
O wie doch konnt' er je es ahnen,
Er werd' einst im Entsetzensmahnen
Zurücke schaudern vom Umschlingen
Der süßen Arme, heilig ihm,
Gleich Edens duftgen Schattenringen
Als Wiege zarter Cherubim!
Jetzt gibt er nach, – kehrt schaudernd jetzt
Sich ab, als wär' mit Gift genetzt
Das ihm sich nah'nde Lippenpaar: –
Nur jetzo dreist in Todsgefahr,
Sonst nie den seinen nahgekommen
Als heiß erfleht und schaamentglommen!

»O laß mich athmen nur die Luft,
Die holde Luft, gehaucht von Dir!
Ob Tod sie bringt, ob Heilungsduft,
Süß, immer süß doch ist sie mir!
Da! – Trink von meiner Thränen Fall!
Würd' – ach! – mein Blut zu Balsamtränken,
Du weißt ja, ich vergöß' es all, 117
Minutenlang dir Ruhe zu schenken,
Nicht dreh' Dein holdes Antlitz ab!
Bin ich nicht Deine Braut? Nicht Dein?
Die Auserwählt', in Freud' und Grab
Dir immer einzig nah zu seyn?
Meynst Du, ich, deren Lebenslicht
Aufstrahlt' aus Dir in dunkler Welt, –
Ich trüg' die Nacht freudlos und dicht,
Von deinem Blick nicht mehr erhellt?
Ich leben, sonder Deinen Schein,
Der Du mein Leben bist? – Nein! Nein!
Zugleich mit trauter Wurzel matt
Welkt ja ihr herzentsproßnes Blatt!
Drum wende, Liebster, wende dich
Zu mir, eh', gleich Dir, welk' auch ich.
Küß' die noch frischen Lippen, theilend
Das reine Leben, hier noch weilend!«
Sie wankt, – sinkt! – Schnell wie Lampenlicht
In dumpfen Todesgrüften bricht,
Muß vor des Freundes pest'gem Hauchen
In Nacht ihr süßes Auge tauchen.
Ein Stöhnen, – aus ist seine Noth.
Ihr Freund entschwand dem trüben Leben.
Noch Einen Kuß in Todes Noth
Gibt sie zuletzt, und stirbt im Geben! –

»Schlaf!« sagte die Peri, in sanfter Lust
Entschöpfend den Seufzer aus sterbender Brust,
So rein, als je sie hüthet' ein Weib, –
»Schlaf, und in blumigen Träumen bleib,
In Lüften, balsamischer, als sie gewährt
Des einsamen Phönix magischer Heerd, 118
Wenn scheidend er selbst sein Sterbelied singt»Man glaubt im Orient, der Phönix habe fünfzig Oeffnungen im Schnabel, die mit seinem Schweife in Verbindung stehen; wenn er tausend Jahr gelebt habe, erbaue er sich selbst seinen Todesscheiterhaufen, singe ein melodisches Lied in verschiedenen Harmonien aus all seinen fünfzig Orgelpfeifen, und schlage die Flügel mit einer Schnelligkeit, die das Holz entflamme, und ihn selbst verzehre.« Richardson.
Und in Klang und Weihrauch von hinnen sich schwingt!«

Sie sprach's, – und überird'scher Duft
Ist rings aus ihrem Hauch ergangen.
Ihr wall'ndes Haar durchhellt die Luft,
Und strahlt auf beyder Leichen Wangen,
Zwey Heil'gen ähnlich, sonder Mängel,
Am Abend vor den Welt-Gericht,
Im Weihrauchschlaf dem Grab' enthoben; –
Die Peri sitzt, als guter Engel
Bey ihnen, wachend hold und licht,
Bis ihre Seelen zieh'n nach oben! –

Doch schon beginnt es mild zu tagen.
Auf schwebt die Peri hoffnungsvoll,
Den Seufzer himmelan zu tragen,
Der reiner Opferlieb' entquoll.
Hoch schlägt ihr Herz, vom Trost umfächelt,
Bald nun sey Edens Palm' erreicht,
Weil hold der Pförtnerengel lächelt,
Als sie die neue Gab' ihm zeigt.
Schon hört in Paradieses Zweigen 119
Sie hellkrystallner Glöcklein Ton,
Wenn sich die Bäume lieblich neigen
Im Ambrahauch von Alla's Thron.
Sie kann die stern'gen Kelche zählen,
Die ringsher um die Seefluth blinken,
An deren Strand versühnte Seelen
Den ersten Trank der Glorie trinken!»An den Ufern eines viereckten See's stehn tausend Becher, aus Sternen geformt, aus welchen die Seelen, zum Genusse der Seligkeit vorherbestimmt, von den krystallnen Fluthen trinken.« – Aus Chateaubriands Beschreibung des muhamedanischen Paradieses in seinen Beautés du Christianisme.

Doch ach, – auch Peri's Hoffnung irrt!
Nicht mildert sich der Spruch! Nicht klirrt
Die Pfort', in Engels Hand so licht!
Trüb weigernd flüstert er: »noch nicht!« –
Und schließt das Thor vor Edens Strahlen.
»Treu war die Jungfrau, und es mahlen
Ob Alla's Haupt glanzhelle Zeilen
Ihr Thun, es Engeln mitzutheilen.
Doch sieh' nur, – der krystall'ne Schein
Bleibt fest vor Eden! Heil'ger viel,
Als die noch, muß die Gabe seyn,
Die Dich erhebt an's sel'ge Ziel!« –

Nun ruht auf Syriens RosenhainRichardson meynt, Syrien habe seinen Nahmen von Suri, einer schönen und seltnen Rosengattung, wegen welcher diese Gegend immer berühmt gewesen sey; – daher: Suristan, das Land der Rosen.
Mild hell der stille Abendschein. 120
Es steht vor nahem Sonnenglanz
Der Libanon in Glorie ganz,
Der heil'ge Berg, der Eises-Strahlen
Zu seines Hauptes Zier gebraucht,
Ob seinen Fuß in ros'gen Thalen
Der Sommer schlummernd süß umhaucht. –

Sie, die aus jener obern Luft
Her sah durch mag'schen Blüthenduft, –
Wie schön doch sah wohl sie die Welt,
Von Lebens-Funken reich geschwellt!
Durch Gärten hin manch Flussesband,
Und Goldmelonen rings am Strand,
Noch gold'ger in der Sonne Flimmern; –
Lazerten die durch Tempel-Trümmern»Die Zahl der Lazerten (Eidexen), die ich eines Tages im großen Hofe des Sonnentempels zu Balbek sah, belief sich auf mehrere Tausende; Boden, Mauern und das Gestein der zertrümmerten Gebäude waren mit ihnen bedeckt.« — Bruce.
Geschäftig schlüpfen, rasch belebt,
Hell, wie aus lauterm Licht gewebt: –
Ja, prächt'ger noch manch reiche Flucht
Von Tauben an der Felsenbucht,
Ruhlos mit ihren Fitt'gen schlagend,
Und immer Wechselfarben tragend
Im Abendstrahl, – wie eingelegt
Mit Edelsteinen, wie umhegt
Vom Regenbogen, der das Land
Der Peris wolkenlos umspannt! –
Und dann der alt-idyll'sche Sang
Von Schäferflöten,»Die Syrinx oder Pansflöte ist noch immer ein schäferliches Instrument in Syrien.« — Russel. leiser Klang 121
Von Palästinas Bienenreihn»Wilde Bienen in Palästina, gibt's häufig in hohlen Stämmen oder Baumästen, wie auch in den Felsenspalten. – So heißt es im 81. Psalm: Honig aus dem Felsen.« — Burders Oriental Customs.,
Die schwelgend froh durch Blüthen wallen,
Und Jordan, o Dein Uferhain,
So süß durchtönt von Nachtigallen! –»Den Jordanfluß umgeben auf beyden Seiten kleine dichte und anmuthige Haine, durch welche Tausende von Nachtigallen ihre Lieder ineinanderwirbeln.« — Thevenot.

Doch nichts kann Trost der Peri bringen; –
Mit trübem Sinn, mit matten Schwingen
Schaut sie, wie Phöbus Sonnenblitz
Umspielt den einst ihm heil'gen Sitz,Der Sonnentempel zu Balbek.
Daß Säulen, schlank und losgereiht,
Hochher die Schatten streu'n ins Thal,
Gleich Weisern, dran die Hexe Zeit
Ermißt all ihrer Jahre Zahl!

Doch dort wohl, unter stillen Trümmern
Des Sonnentempels liegt noch wo,
Ein Amulet, geweiht im Schimmern
Der heil'gen Gluth, – ein Blatt drauf flimmern
Alt-heil'ge Zeichen: Salomo!
Draus möcht' ihr geistig Auge lesen,
Wo unterm Mond auf Land und See
Der Zauber wohnt, des Pannacee
Verirrte Geister läßt vom Weh
Der Sünde schnell zum Heil genesen! –

Sie schwebt hinab voll sel'gem Hoffen; –
Noch lacht des Himmels Aug' im Glanz;
Noch steht der Abendwolken Kranz
Im gold'nen West hellblühend offen, –
Da – langsam über's Thal sich schwingend
Von Balbek – sieht ein Kindlein sie, 122
Froh zwischen wilden Rosen singend,
So rosig und so wild, als die,
Mit rascher Hand, hochglüh'nd die Wangen,
Will die Libell'»Man sieht dort eine beträchtliche Menge schöner Insecten von einer merkwürdigen Gattung. Die Zierlichkeit ihrer Gestalt und ihr Schmuck verschaffen ihnen den Nahmen der Jungfrauen.« Sonnini. im Flug es fangen,
Die – als belebte Blum', – als Gemme,
Beschwingt, – umkost Jasminenstämme; –
Und wie das Kind, spielmüde nun,
Im Rosennest beginnt zu ruh'n,
Da steigt, wo nah ein Brünnlein floß,
Im bäuerlichen Rinnsal blinkend,
Ein Reiter ab vom heißen Roß,
Voll Müdigkeit und Eile trinkend.
Drauf kehrt er wild sein Angesicht
Zum Kind, das furchtlos nah ihm saß,
Obgleich wohl kaum das Sonnenlicht
Jemal ein grimm'ger Antlitz maaß:
Trübgrimmig, wie in Wolkenfluth
Das Dunkel schwebt um Blitzesgluth!
Der Peri Auge las daraus
Manch finstrer That ruchlosen Graus:
Entehrte Unschuld, – Tempelraub –
Eidbruch, – getränkt der Schwelle Staub
Mit Gastes Blut, – dort stands geschrieben
Schwarz aus dem Tropfen nachgeblieben,
Der Kläger-Engels Kiel' entzischt,
Bis Gnad' ihn sanft mit Thränen lischt.

Doch ruhig blieb der Sündenmann, –
Als ob des Abends duft'ger Bann 123
Die Seel' ihm stillte – lag und sah
Das ros'ge Kinderspiel so nah; –
Zwar wenn sein düst'rer Blick einmal
Traf in des Knaben Augenstrahl, –
Das wilde Licht in reines Licht, –
War's gleich der Fackel, deren Glanz
Beschien gottlosen Zaubertanz,
Und nun vor Morgens Glorien bricht.

Doch horch! – Von Minareten ruft,
Den Tausenden in Syriens Thalen,
Gebethesmahnung durch die Luft,
Weil schon verglüh'n der Sonne Strahlen –
Der Knabe starrt vom Blüthenflor,
Darin sein Haupt er barg, empor,
Knie't leis' auf duft'gen Blumensaamen, –
Und flüstert, des Gesichtleins Rund
Gen Süden wendend, Gottes Nahmen,Befindet sich ein Türk unterweges, wenn die Stunde des allgemeinen Gebetes einfällt, oder ist er zu beschäftigt, um eine Moskee besuchen zu können so bleibt er dennoch verpflichtet dieses Gebet auszuüben. Auch weiß man nicht, daß sie dessen ermangelt hätten, sondern wie die Stunde schlägt und was sie irgend vorhaben mögen, – an der Stelle, wo sie eben sich befinden, heben sie ihr Gebet an. Hat man z. B. einen Janitscharen als Begleiter durch die Stadt erhalten, und er vernimmt die Gebetesmahnung von den Tempeln, so wendet er sich, steht, und winkt mit der Hand, seinem Pflegebefohlnen zu verkünden, daß er sich auf eine Weile gedulden müsse. Dann nimmt er sein Schnupftuch heraus, spreitet es auf den Boden, kauert mit gekreuzten Schenkeln darauf nieder, und sagt sein Gebet her, sey es auch mitten auf offnem Markt. Sobald es vollbracht ist, springt er rasch empor, grüßt den, welchen er zu geleiten hatte, und erneuert den Gang mit dem milden Gruße: »ghellgehnumgell!« d. h. »komm, Lieber folge mir!« — Aaron Hills Travels.
Aus schuldlos reinem Cherubs-Mund,
Ausseh'nd, – als er so Aug und Hand
Erhob zum glüh'nden Wolkenband –
Wie irr aus Paradieses Land
Zur Blumenau herabgefallen,
Und strebend, wieder heimzuwallen.
Dies Kind, – der Himmel – 's war ein Bild, –
Dem bösen Geist entquölle mild
Wohl selbst ein sehnend Ach! davor
Um des verscherzten Friedens Flor! –

Was erst fühlt er, – der trübe Mann.
Dort rastend, – während ihn durchrann
Erinnerungsschauder mancher Schuld,
Sein Geist umsonst nach Licht und Huld 124
Ob dunklen Lebens Fluth sich wand,
Und keinen Oehlzweig dorten fand!
»'S war eine Zeit,« – spricht er, und sinnt
Gebrochnen Herzens, – »glücklich Kind,
Wo rein und hold, wie Dein's mein Thun,
Mein Blick und Beten war, – doch nun,« –
Er senkt das Haupt. – Was je sein Lauf
Seit Kindheitjahren Edles meynte, –
Gefühl und Wunsch, – nun wacht' es auf
Ergriff ihn, – und er weint'! Er weinte!

Oh, inn'ger Reue sel'ge Zähren,
Ihr könnt in holder Rein'gungsgluth,
Zuerst, und einzig Ihr, gewähren
Schuldlose Lust dem schuld'gen Muth! –
Die Peri sprach sinnend: »wohl gibts einen Thau, –
Der tränkt die juniuswelkende Au
Im AegypterlandDer Nukta, oder Wundertropfen, fällt in Aegypten genau am St. Johannistag, und man glaubt, daß er die Wirkungen der Pest hemme. mit so heilendem Saft,
So balsamischer Huld, daß ein Tröpflein schafft
Von Pest und Weh ein süßes Genesen,
Erfrischend auf Erd' und Wolken die Wesen!
O, thut nicht auch das – Du voll sünd'ger Schmerzen,
O Mensch! – der reuigen Thränen Fall?
Ob Sünd' und Pest Dir wüthet im Herzen, –
Ein himmlischer Tropfen vertreibt sie all!«
Und nun, – sieh' bey dem Kind' ihn knie'n,
Gebethe seiner Lipp entflieh'n! 125
Im selben Blick des Sonnenscheins
War Sünder und Entsühnter Eins,
Und Himmels Hymnus jubilirt
Weil ein Versühnter triumphirt.
Als schon kein Sonnengold mehr schien,
Lag noch das Paar auf seinen Knie'n;
Da plötzlich strahlt' ein schön'res Licht,
Denn je aus Sonn' und Stern es bricht,
Die Reuethräne lieblich an,
Die sanft von Sünders Wange rann.
Wohl kam es Menschen Augen vor,
Wie Nordlicht oder Meteor, –
Doch die entzückte Peri sah:
Ein Engelslächeln kam so nah
Herab, die Thräne zu begrüßen
Die Gloria's Thor ihr soll erschließen!

»Heil! Heil für immer! Mein Kampf ist gekriegt!
Aus offener Pfort' ist mir Himmel ersiegt!
O bin ich nicht selig? Wie schwimmet, verschwamm, –
Vor dir, mein Eden! wie dunkel, wie matt,
Die Edelsteinburg von Schaduklam,Das Land des Ergötzens, – der Nahme einer Provinz im Königreiche Dschinnistan, dessen Residenz die Juweelenstadt geheißen ist. Amberabad ist eine andere Stadt Dschinnistans.
Und das Duftgehege von Amberabad; –

Fahr' wohl du Erdenduft! Du, verraucht
So schnell, wie ein Liebender Seufzer haucht! 126
Am Tubabaum»Der Baum Tuba steht im Paradiese, in Muhameds Palaste.« S. Sale's Prelim. Disc.. – »Tuba.« – sagt D'Herbelot – »bedeutet Seligkeit oder ewiges Glück.« nun athm' ich erfreu't!
Sein Duft ist der Hauch der Ewigkeit.

Fahrt Blumen wohl! Ihr Welkenden schon,
Ihr webtet vergänglich, doch schön mir den Kranz!
O wie ist der Schönsten Pracht entfloh'n
Vor dem heiligen Lotos, an Allahs ThronDas 53. Capitel des Koran berichtet, Muhamed habe den Engel Gabriel gesehen: »am Lotosbaume, jenseit dessen es keine Bahn mehr gibt; nahe dabey ist der Garten, wo der Ewige wohnt.«. – Die Commentatoren sagen, dieser Baum stehe im siebenten Himmel, zur Rechten des göttlichen Thrones.
Eine Seel' in jeglichen Blattes Glanz!
Heil, Heil für immer! – Mein Kampf ist gekriegt!
Durchschwebt ist die Pforte, der Himmel ersiegt!«



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