Thomas Moore
Lalla Rukh
Thomas Moore

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Als am nächsten Abende die Gesellschaft ihren Lagerplatz erreichte, war man erstaunt und entzückt, 41 die Haine ringsum erleuchtet zu finden; einige Künstler aus Yamtschu hatten als Vorausgesandte diese Ueberraschung vollbracht.»Das Laternenfest wird in Yamtschu mit größerer Pracht, als irgendsonst wo, gefeyert, und man behauptet, die Erleuchtungen seyen dort so köstlich, daß einstmalen ein Kaiser, da er nicht öffentlich zu dieser Fahrt sein Hoflager zu verlassen wagte, sich sammt der Königinn und verschiedenen Prinzessinnen seiner Familie in die Hand eines Magiers gab, der sie in Einem Augenblick dorthinzuschaffen versprach. Er ließ sie zur Nachtzeit prächtige Throne besteigen, welche von Schwänen emporgehoben wurden, und augenblicklich zu Yamtschu anlangten. Der Kaiser sah mit aller Muße diese Feyerlichkeit an, in dem er auf einer Wolke schwebte, die, über der Stadt hängend, sich nach und nach senkte; dann führte ihn das selbige Fuhrwerk in selbiger Eile zurück, ohne daß irgend Jemand am Hoflager seiner Abwesenheit inne geworden wäre. — The present State of China, p. 156. An jeder Seite des Baumgartens, welcher nach dem königlichen Gezelt führte, waren kunstreiche Ziergebilde von BambuholzSiehe die Beschreibung der Hochzeitsfeyer des Wesyrs Ali: Asiatic Annual Register of 1804. errichtet, Schwibbogen darstellend, Minarete und Thürme, von welchen tausend Seidenlaternen, durch die erlesensten Mahler Canton's gefärbt, herniederschwebten. – Nichts Anmuthigeres konnte man sehen, als die Blätter des Mango-Baum's und der Akazie, vom Lampenlicht der Bambu-Gebäude durchfunkelt und einen Schimmer, sanft wie das Licht persistanischer Nächte, verstreuend.

Lalla Rukh jedoch war durch Zelika's und ihres Geliebten Trauersage zu sehr beschäftigt, um ihren Sinn auf irgend Andres zu wenden, als vielleicht auf den Sagenkündiger selbst, und so eilte sie durch all die Glanzgebilde fort, rasch in ihr Zelt, – zu großer Demüthigung der armen Künstler aus Yamtschu, – und eben so rasch eilte der Groß-Kämmerling ihr nach, unterwegs jenen alten Mandarin verwünschend, dessen Vatersorge durch die See-Erleuchtung der Ufer, wo seine Tochter wandelte und verloren ging, den Grund zu solchen phantastischen Lampenspielen China's gab.»Das Volk schreibt dies einer Begebenheit zu, die in der Familie eines berühmten Mandarinen statt fand. Dessen Tochter nähmlich, während sie einmal Abends am Ufer eines Sees lustwandelte, fiel hinein und ertrank. Der betrübte Vater lief mit den Seinigen dorthin, und um sie desto besser zu finden, ließ er eine große Menge vor Laternen anstecken. Alle Einwohner des Ortes drängten sich ihm mit Fackeln nach. Im folgenden Jahre zündeten sie selben Tages Lichter am Ufer an, und setzten die Ceremonie, Jedweder seine Laterne erleuchtend, Jahr für Jahr fort, bis sie endlich zu einer Sitte geworden war.« — Present State of China.

Ohne auch nur augenblicklichen Aufschub ward der junge Feramors eingeführt, und Fadladin, welcher nie seinen Sinn für das Verdienst eines Dichters zu erschließen vermochte, bevor er dessen Glaubens-Secte kannte, wollte ihn so eben fragen, ob er ein Schia oder ein Suni sey, als Lalla Rukh ungeduldig die schönen Hände zum Signal 42 des Stillschweigens an einander schlug, und der Jüngling sich unweit von ihr auf die Polster niederlassend, folgender Gestalt in seiner Erzählung fortfuhr:

       

»Fest steh nun, Azim! – Du in Griechenketten,
Noch trotzend stark, Dein edles Selbst zu retten!
Du, vor dem Macedon'schen Phalanx kühn,
Dem Speer' entschwirr'n und Flammen wild entsprühn! –
Ja, nichts dort irrte Dir so Herz als Geist! –
Doch mehr Gefahr droht, was Dich jetzt umkreist:
Manch holder Frau'nblick, – ja ein Heer von Blicken,
Aus jedem Land, wo Frau'n Scherz oder Wehmuth schmücken,
Von jeder Farbe, drin ihr Banner hebt,
Die Lieb', in Azur oder Schwarz gewebt;
Und jeder süße Krieg, von wo aus dunkeln
Nachtwimpern kühne Blitze feurig funkeln,
Bis zu dem Wink, der kaum dem Augenlied,
Gleich halbgezücktem Schwerte, rasch entflieht; –
So, Azim, droht Dir jene holde Macht.
Und laß Erobrer preisen Schlacht auf Schlacht,
Vom Sieg bekränzt, – wer in der Tugend Kraft
Sieg wider Reiz dem glüh'nden Herzen schafft,
Wer Zauber fühlt, und doch davor nicht fällt, –
Er bleibt vor All'n der best' und schönste Held. –

Wie Licht an Licht im Harem glänzt so hell!
Wie rasch die Schatten ziehn! Man schmückt sich schnell. –
Die Zofen gehn von Zimmern rasch in Zimmer. – 43
Die Eine flicht geübt des Turbans Schimmer,
Und wirft den schatt'gen Schleyer so geschickt,
Daß, ob man nur das Eine Aug' erblickt
Der Süßerröthenden, mit holdem Gift
Der Eine Blick»Du hast mein Herz mir mit Einem Deiner Blicke geraubt.« — Soliman's Gesang. schon alle Herzen trifft; –
Die Andre bringt das Hennablatt,»Sie färben ihre Fingerspitzen mit Hennascharlachfarb, so daß sie Korallenzweigen ähnlich sehen.« — Geschichte des Prinzen Futtun in Babardanusch. die Spitzen
Der Finger zart mit Rosengluth zu spritzen,
So funkelnd daß sie in des Spiegels Helle
Korallen gleichen, glüh'nd durch Meereswelle.
Noch Eine mischt des Kohol»Die Frauen schwärzen das Innere ihrer Augenlieder mit dem Pulver, welches man schwarzen Kohol nennt.« — Bussel. Farbennacht»Keine von diesen Damen« – sagt Shaw – »würde sich für ganz geputzt halten ehe ihr Haar und der Rand ihrer Augenlieder mit dem Pulver des Wasserbleys gefärbt wäre. Die Operation beginnt mit dem Eintauchen eines kleinen Holzstäbchens, von der Dicke einer Federpose etwa, in das Pulver, und dann zieht man es oberhalb des Augensterns durch das Augenlied hin, so daß wir ein lebendiges Bild von dem erhalten, was vermuthlich der Prophet (Jer. 4, 30.), mit dem Ausdrucke meynt: ›Deine Augen mit Mahlen zerreißen.‹ [Anmerkung des Uebersetzers: Luther sagte blos: ›Dein Angesicht schminken.‹ Doch hat er wohl öfters in ähnlichen Fällen – wie billig – den allgemein verständigen Ausdruck statt einer kleinlichen, den ungelehrten Leser verwirrenden und von der Hauptsache ableitenden Antiquitätenkrämerey erwählt.] Diese Gewohnheit ist ohne Zweifel sehr alterthümlich. Denn außer dem schon angeführten Umstande lautet auch noch die Stelle (Buch der Könige, 9, 30) wo es heißt, Jesebel habe ihr Angesicht geschminkt, im Original wörtlich: sie schminkte ihre Augen mit dem Pulver des Wasserbleys.« — Shaws Reisen.,
Dem Blick verleih'nd ernst süßer Sehnsucht Macht,
Davon Cirkassia's Frauen – Könige prangen
Mit ihrer Schönheit! – Siegerreiz' erlangen. –
Es regt sich alles; – Perl' und Feder funkeln
Und Ringe! – Doch im monderhellten Dunkeln
Schleicht manche jüngre Maid zur Gartenblüthe,
Und sticht sich frische duft'ge Schattenhüte.
Ihr Tändelnden! Hold ist's und weh, zu sehn
Wie All' und Jede zu den Pflanzen gehn,
Daraus Erinnrung sproßt an Kindheitstunden,
Am Vaterland und Freund', ach fern entschwunden
Das Indiermädchen, froh, daß wieder Gold
Des Kampak-Zweigs»Die Blüthe des goldfarbigen Kampak, auf dem schwarzen Haar der Indierinnen glänzend, hat die Sanskrit-Poeten mit mancher zierlichen Anspielung ausgestattet.« — Asiatic Researches, Vol. IV. dicht in den Schooß ihr rollt, 44
Gedenkt der Zeit, wo ihr an Ganges Strand
Der kleinen Spielgenossen liebe Hand
Noch Blüthen streut' in's lange schwarze Haar,
Das glänzend hell vom heil'gen Strombad war; –
Derweil Arabiens Kind, gelockt vom Duft
Der Blüthen aus der heim'schen Bergeskluft, –
So der Elkaya, als von jenen Zweigen,Von der Mimosengattung, welche wie Niebuhr berichtet, ihre Zweige dem Nahenden entgegensenkt, als wolle sie ihn unter ihren Schatten begrüßen.
Die sich dem Wandrer gastlich grüßend neigen, –
Vor ihrem Geist erblickt, von trautem Hauch umschwellt,
Born und Kameel und ihres Vaters Zelt! –
Zur Heimath, draus sie floh um höhres Glück,
Seufzt sie, und wünscht selbst ihren Gram zurück. –
Azim derweil geht durch erhellte Hallen; –
In ihren stummen Glanz rauscht nur das Fallen
Der duft'gen Wasser, die ringsher im Saal
Aus Jaspisbecken sprühn den kühlen Strahl.
Verwildert streift er um, und faßt es nicht,
Was deuten will solch einsam prächt'ges Licht.
Hin führt sein Weg ob würflich buntem Gang,
Auf Tepp'chen von Kairo, fern entlang.
Aus Silberschaaren glüht im süßen Rauch
Der Aloe, des Sandels duftger Hauch.
Die würz'ge Nelke,»Gewürznelken bilden ein vorzügliches Ingredienz in der Mischung duftiger Wurzeln, die Leute von Stande unablässig in ihrer Nähe brennen lassen.« — Turner's Tibet. deren Schein zu Nacht 45
Durch Tibet strahlte, hauchte ihr lichte Pracht,
Wie einer Peri Zauberruthe blinkt,
Die hoch zum Himmel sel'ge Geister winkt! –
Da thut vor ihm sich auf ein Glanzgemach,
Hell, weitverbreitet, wie der klare Tag.
Inmitten tändeln, bunt in Regenbogen
Den Strahl rückwerfend, eines Springborns Wogen
Und sprützen bis zur Kuppel, deren Rund
Reich prangt mit Arabesken, goldig bunt.
Des Bodens Mosaik scheint freundlich durch
Vom Fundament der wasserhellen Burg,
Gleich jenen Muscheln, leuchtend, bunt und feucht,
Wie sie der Strand des rothen Meeres zeigt.
Auch merkt er hier der Frauen holde Spuren
In all den zarten, lebenden Naturen
Aus Land und See, die man – gleich ihnen – pflegt
Um ihren Reiz, doch auch bewachend hegt.
Es glänzt im unerwartet schnellen Blitz
Durch Wasser, klar wie der krystallne Sitz,
Darin es wallt, manch Fischlein ihm entgegen,
Wie Stufen Gold aus magischen Gehägen.
Auch sieht aus duft'gem Holz von Komorin,C'est d'ou vient le bois d'aloes que les Arabes apellent Ond Comari, et celui du sandal, qui s'y trouve en grande quantité.D' Herbelot.
Er Gitter sich entlang die Hallen ziehn,
Drin aller Lüfte schönste Vöglein schimmern:
Der farb'ge Specht,»Tausend von verschiedengestalteten Spechten besuchen den Korallenbaum.« — Barrow. deß blaue Fittge flimmern 46
Auf des Korallenbaums rothblüh'ndem Ast,
Wo sonn'ge Inseln Indiens Meer umfaßt; –
Die heil'ge Taube Mekka's;»In Mekka giebt's eine Menge von blauen Tauben, die Niemand zu schrecken oder zu kränken, und minder noch zu tödten wagt.« (Pitt's Bericht über die Mahomedaner). reich an Klang,
Die Drossel Hindostans,Die Pagoden-Drossel gilt für eine der vorzüglichsten Chorsängerinnen Indiens. Sie senkt sich auf die heiligen Pagoden, und läßt von dort ihren melodischen Sang ertönen. — Pannats Hindostan. den heil'gen Sang
Zu Abend wirbelnd vom Pagodendach; –
Die goldnen Vögel die – wird Sommer wach, –
In Gärten taumeln, irr, nach Trunkner Weise,
Berauscht von allzuwürz'ger Lieblingsspeise;Paradiesvögel, die um die Jahrszeit der Muskatnüsse in Schwärmen von den Südseeinseln nach Indien kommen, und – wie Tawernier sagt – von den Muskatdüften berauscht, zum Tode trunken auf die Erde taumeln.Tavernier fügt hinzu, während die Paradiesvögel in diesem berauschten Zustande lägen, kämen die Ameisen hinzu, und nagten ihnen die Beine ab; daher entstehe die Sage, daß sie überhaupt keine Füße hätten.
Die auch, die auf Arabiens milden Au'n
Ihr hohes Nest aus blüh'ndem Zimmt erbau'n;»Der Vogel, welcher in Arabien sein Nest aus Zimmet erbaut.« S. Browns vulgar errors
Kurz, was an selten schönen Wesen fliegt
Durchs Firmament, –fröhnt, sanft von Licht gewiegt,
Dem Schlaf hier still, wie sel'ger Vögel Reih'n
Goldgrün in Edens Asphodilienhain,Die Geister der Martyrer werden den Körper grüner Vögel bewohnen.« S. Gibbon 9. Theil.
So wechseln Bilder, stets mit Bildern kühn, –
Weit ähnlicher dem, was im wüsten Glüh'n 47
Ersann der FürstSchedad, welcher den ergötzlichen Garten von Irin erbaute, sich bestrebend, das Paradies nachzubilden, ward vom Blitze erschlagen, als er den ersten Eintritt dorthin wagte. den an der Freuden Schwelle, –
Der Todesengel traf mit Blitzes-Schnelle, –
Als daß man dächt', ein Seher wart' im Hain
Hier auf den Wink, die Menschheit zu befrey'n.
Streng' wandelt Jüngling Azim, durch die Irren!
Der Waffenrock, der Sporen kriegrisch Klirren
Paßt schlecht zum Pomp, den alle Wände zeigen
Und zum wollüstig eingelullten Schweigen. –
Er spricht: »soll dies der Weg denn wirklich seyn,
Vom dunkeln Erdennebel zu befreyn
Des Menschen Geist? Lehrt so man ihn sein Leben
Nur hoher Tugend Segnung hinzugeben,
Daß, wann er stirbt, sein Nahme mag auf Höh'n
Des Ruhms als Landungszeichen winkend stehn? –
So lehrte nicht, o Land voll kühner That
Und edler Bilder, Deiner Weisen Rath!
Nicht so in Lauben wüster Lust erzog
Die Freyheit Deine Geister stolz und hoch!
Nicht unter schwächend bunter Lust Umgürten
Nicht tändelhaft entblühten jene Myrten,
Womit das Schwert der tapfre Arm umwand
Zu ew'ger That! – Nein! In der Arbeit Band,
In Mäß'gung einte sich der Geist zum Stand
Aether'scher Tugend, draus im sel'gen Kranz
Gesundheit blüht' und Heil und Freyheitsglanz! –
Wer, überschaun'd die kurze Lebenszeit, – 48
Dies flücht'ge Licht im Nachtgraun wilder Zeit,
Den Isthmus, strebend, daß zwey ew'ge Schlünde: –
Vergangenheit und Zukunft – er verbünde, –
Wer ließ die Bahn hier dürr, befleckt wohl gar? –
Da ihm's vergönnt ist, Tempel und Altar
Für seinen Nahmen herrlich zu erbauen,
Daß künft'ge Wandrer gleichem Heil vertrauen! –
Doch nein! Es ist unmöglich; Er, den Gott
Hersandte, zu verstreu'n der Lüge Spott, –
Prophet der Wahrheit, dessen Sendung kam
Vom Himmel, – wie? Er sollt' in Sünd' und Schaam
Durch eitlen Pomp versinken? – Mein Gefühl
Sagt Bess'res mir! – Er wähnt mich schwach! – Dies Spiel
Des Luxus soll den jungen Geist nur prüfen. –
Wohlan! – Mein Geist steht fest in seinem Tiefen!«

Der Jüngling denkt's. – Doch ob die Eitelkeiten
Des Zaubers er verhöhnt, fühlt zaubrisch gleiten
Er sie durch jeden Sinn, – der Weihrauchduft,
Süß, überredungsvoll, – durch stille Luft
Das Wasserrieseln, murmelnd gleich dem Flüstern
Von Indiens Biene, die im Abenddüstern
Tief in der Nilika»Meine Pandits versichern mich, daß die gegenwärtige Pflanze (die Nilika) ihre Sephalika sey, also benannt, weil man glaubt, daß die Vögel in ihren Blüthen schlafen.« — W. Jones. Duftblüthe dringt 49
Und sich im Blumenbett' in Schlummer singt; –
Und dann Musik, die ein ihr offner Geist
Als aller Magierinnen Stärkste preist,
Fernher vernommen, ja vernommen kaum, –
Musik, gleich süßem Klang aus sehn'ndem Traum, –
Es war zu viel für ihn! Zu voll des Lichts! –
Ein Herz, das dies nicht fühlt', – es fühlte nichts! –
Gesänftigt sank er auf ein Kissen hin,
Und sanft bewegten Seen glich sein Sinn,
Wo Sturm entwich, und Well an Welle rinnt. –
Er dacht' an Zelika, das holde Kind,
Und an die Zeit, wo Beyd' auf Seufzerschwingen
Holdschaund Seel' in Seele ließen dringen,
Beglückt und stumm, als wär's sonst nichts zu schau'n,
Auf den diesseit'gen, himmlisch sel'gen Au'n!

»O süße Herrinn! Wie Dein Zauber stät,
Wohin ich wandre, siegend mit mir geht! –
Für Dich ja such' ich, nur für Dich allein
Der Glorie Pfad! – Aus deiner Wangen Schein
Erblüht mein schönster Preis! –Winkst Du mir hold,
So ist's, als schrieb' ein Engel mich mit Gold
Ein in sein Buch! Ja schenkt mir Seligkeit
Dein Lächeln, so erquickt mich Müh und Streit! –
Werd ich den sel'gen Augenblick ertragen,
Wann mein, ganz mein, ihr Herz mir wird entgegenschlagen? –
Mein! Ich verdien' es nicht. Der Best' allein
Verdient, der Allerseligste zu seyn! – 50
Wann ich von jahrlang unberührten Lippen
Die Seelenthränen darf im Kusse nippen,
Die Thränen warm, die Küsse heilig fromm,
Wie als der Schmerz der Trennung uns durchglomm!
O Du mein Leben, – warum trennet doch
Ein Tag, Ein Augenblick von Dir mich noch!« –

So seufzt er. Und es schwebt' im Näherziehn
Ein Chor von träum'risch süßen Harmonien,
Und jeder Klang wob einen neuen Ring
Zur sanften Kette, die ihn weich umfing.
Er blickt dorthin. Aus langem Bogensaal,
Durchhellt von Lampen – wie der Sonne Strahl,
Womit im Scheiden sie den See durchflicht: –
Langaus der Pfad, und zitternd hold das Licht –
Nah'n im verschlung'nen Tanz sich Frau'ngestalten!
Die Einen wundersam verknüpft gehalten
Durch Fesseln, wie sie schmiedet Gartenpracht, –
Gefangn' in Blumenkönigs holder Macht;»Sie schoben es auf, bis der Blumenkönig seinen Thron von laubigem Schmelzwerk besteigen werde.« — Bahardanusch.
Viel andre schwärmen rings, bandlos und frey
Wie spottend ob der Schwestern Sclaverey
Im Wirbeldrehn, das näher stets sich flicht,
Wie Motte lustig spielt um's Lampenlicht; –
Noch Andre wecken im gemeßnen Gang
Die Seele der Musik aus Psalterklang,
Aus himmlisch holdem Flöt'- und Zitherspiel
Und eignem Sang, ach himmlischer noch viel!
Sie nah'n sich ihm, Gestalten, schöner nie
Geformt, wenn vor Natur die Phantasie
Den Pinsel neigt, im Wettkampf gern besiegt,
Weil nie ihr Schwung so herrliches erfliegt.
Erst tanzen sie, dann theilen sie sich leise 51
Wie Abendwölkchen, rosig hell im Kreise
Rings um der goldnen Sonne Zeltesport, –
Dann schleichen stumm sie und unmerklich fort,
Auf Bahnen, die im vielverschlungnen Gleiten
Hinab zu Mondscheinwies' und Garten leiten.
Ihr fernes Lachen hallt im Abendwind; –
Nur eine Schöne bleibt, und bebt und sinnt, –
Winkt sie umsonst zurück, – sie sind schon weit, –
Allein steht sie in lichter Herrlichkeit,
Kein Schleyer über ihren holden Brauen,
Im Schaamerröthen schöner drum zu schauen.
Wie es der Schirasjungfrau'n Sitte war,
Umglänzt ein goldnes Netzwerk rings ihr Haar»Eine Gattung des Kopfputz Persischer Frauen besteht aus einem leichten goldenen Netzwerk, mit kleinen Perlen besetzt. Eine dünne Goldplatte von der Stärke eines Kronenstückes, worauf ein Arabisches Gebet eingegraben ist, hängt bis unterhalb des Ohres auf die Wange nieder.« — Hanways Reisen. – [Anmerkung des Uebersetzers. Das Original nennt an der angeführten Stelle neben den Mädchen von Schiras auch noch die von Yezd, und fügt hier erläuternd folgendes hinzu:
»Gewißlich sind die Frauen von Yezd die schönsten in Persien. Ein Sprichwort sagt, um glücklich zu leben müsse man ein Weib von Yezd haben, des Brotes von Yezdekas essen, und des Weines von Schiras trinken.« — Tavernier.]
,
Von welchem Amulete zierlich hängen;
Drauf stehn in Gold aus Korans heiligstrengen
Geboten viel, und minder göttlich kaum
Manch weiser Spruch aus edlem Dichtertraum.
Die zarte Linke hielt erbebend hold
Ein Zitherspiel von Sandelholz und Gold,
Das ein-, zweymal sie mit der Rechten rührte,
Doch zitternd bald die Finger ihm entführte.
Wie aber flüchtig sie nach Azim sah,
Trat sie mit wachsendem Vertraun ihm nah, –
Durch seinen milden Ernst in Trost gewiegt, –
Wie halbgezähmt sich Antelope schmiegt.
Sie naht, ob noch bewegt von flücht'gem Schrecke,
Setzt, kühner dann, sich auf des Kissens Ecke,
Hebt nach pathet'scher Art von IsfahanDie Perser, gleich den alten Griechen, nennen ihre Musikweisen nach den verschiednen Gegenden oder Städten, z. B. die Weise von Isfahan, Irak u. s. w.
Ein Vorspiel und dies Lied, ihm folgend, an: 52

»An Bendemir's StromEin Strom, unfern von den Trümmern Tschilminars. ist ein Rosenhain,
Wo Nachtigall singt den lieben langen Tag.
Und als Kind da lullt' es wie Träume mich ein,
In den Rosen zu hören der Nachtigall Schlag.
Des Haines, des Klanges vergess' ich nie,
Oft einsam denkend in Frühlings Zier:
Tönt dort wohl noch Nachtigallmelodie?
Blüh'n Rosen am Strand noch des Bendemir?

Nein! Welkend hängen die Rosen am Strand!
Doch Blüthen pflückte man sorgsamlich,
Und preßte den Thau vom frischen Gewand,
Draus Sommerluft athmet, ob Sommer entwich.
So zieht Erinn'rung aus sterbender Lust,
Den Duft, bewahrend entschwundene Zier.
So blüh'n wie dem Auge vordem, in der Brust
Nun süß mir die Lauben des Bendemir

»Du Arme!« – denkt der Held; – »wenn man Dich schickt,
Mit Lautenklang und holdem Reiz geschmückt,
Zu wecken mir unheil'ger Flamme Dunst
Im treuen Sinn, so übst Du schlecht die Kunst.
Denn ob die Lippen zum Verführen taugen, –
Den Ton bestritten diese keuschen Augen,
Wär' nicht von selbst Dein Lied so rein und klar,
Daß es emporruft jedes Kindheitjahr,
Und den etwa verirrten Geist an's Glück
Der frühsten Unschuld lieblich mahnt zurück. 53
Eh' hielt im Flug die Taub ich fesselnd auf,
Die heim zum Nest kehrt den befreyten Lauf,
Als daß ich Einen Seufzer Deiner Jugend
Abwendete vom Pfad der reinen Tugend!« –

Noch sinnt er so, – da strahlt durchs lichte Blau
Von Schleyern, rings umwallnd den luft'gen Bau, –
Jetzt leicht verschoben, – wie am Abendhimmel
Die Sterne lauschen, ein schalkhaft Gewimmel
Von schönen Augen, lachend ob dem Paar,
Daß drin so schweigsam melancholisch war. –
Der Vorhang rauscht, – und in die Halle fliehn
Aus kühler Luft, umschauert von Jasmin,
Den die von außen streu'n in reichen Düften,
Zwey Mädchen, leicht wie Elfen, in den Lüften
Von Blumenathem lebend, – ziehn den Rund,
Sich jagend schnell, und treten kaum den Grund,
Und mahlen, ohn' im Wechseltanz zu stocken,
Sehnsucht und Scherz, und Sprödigkeit und Locken, –
Zu treues Bild und widerstehbar kaum! –
Indessen sie, die ihren Heimathstraum
So lieblich sang, sich scheu von hinnen schleicht,
Wie Veilchen schwinden, die der Sommer bleicht; –
Doch folgt aus Azims Herzen ihr das Ach,
Das manchmal wohl aus unserm Herzen brach,
Wo Lichtgebilde, allzuhold für's Weilen,
Im Weltgedräng' uns nah'n, um zu enteilen! –
Den weißen Hals der Tanzesnymphen kränzt
Ein Schmuck von Orientsgemmen, und erglänzt
Mehr als das Seeglas, mit deß reichen Strahlen 54
An Kaspiens Meer die Hügel sich bemahlen»Zu unser Nordseite (am Ufer des Kaspischen Meers in der Nähe von Baku) befand sich ein Berg, der wie von Diamanten glänzte; dies entsteht aus seiner Fülle an Seeglas und Krystallen.« — Reise des Russischen Gesandten nach Persien, 1746..
Aus langen, dunkeln Haars gelockten Reihn
Ertönen Glöcklein, also silberrein,
Wie die an Edens»Hierzu wird der Laut jener Glocken kommen, die an den Bäumen schweben, vom Windhauch des göttlichen Thrones bewegt, so oft sich die Seligen nach Musik sehnen.« — Sale's Uebersetzung des Koran. goldnen Bäumen schweben,
Und ihren Klang aus ew'gem Hauch beleben.
Sie tönen süß bey jedem Schritt und Sprunge,
Wie zarter Füßlein wundersame Zunge! –
Zuletzt, sich ruh'nd nach ihrer Tanzesjagd,
Stehn sie umarmt; indessen flüstert sacht
Durch kühl'gen Saal, verwebt in's Seufzerweh'n
Der Mondlichtblumen, wie aus stillen See'n
Entquill'nd Musik hold, lieb und sehnsuchtsvoll,
Und wie nach leisem Fall sie kräft'ger quoll,
Konnt' endlich klar aus all den süßen Schlingen
Des jungen Chors dies Lied zum Ohre dringen:


»Es waltet ein Geist, deß duftiger Hauch
Glüht eben jetzt durch Luft und Meer;
Wo Wangen sich röthen, da ist er auch,
Wo Lippen sich küssen, da ist auch er!

Sein Athem entweht diesem Blumenduft, –
Seine schwimmenden Augen, – o sie schwellen 55
Wie der WasserlilienDie blaue Lotosblume, die in Kaschmir und Persien wächst. Blau, wenn Duft
Bewegt ihres Stromes zitternde Wellen!»Deren spielende Augen blauen Wasserlilien gleichen, vom Lufthauche bewegt.« — Jayadeva.

Heil Dir, Heil Dir, o Du zündende Macht!
Heil, Geist der Lieb' und des Segens Dir!
Deine heiligste Stund' ist Mondlichtnacht,
Und Mondlicht war nimmer so süß, als hier!

Bey der Huld, die dem Muth
Erröthend sich eint,
Wie vom Sonnenlicht Fluth
Am Abende scheint!

Bey der Thräne, die schwillt
Vor der Leidenschaft,
Wie der Regen quillt
In des Mittag's Kraft!

Beym Seufzen der Brust
Zum erstenmal!
Bey des Wiedersehns Lust
Und der Trennung Qual!

Bey Allem, was eilend
Ins Erdengewimmel
Du schickst, – blieb' es weilend,
Die Erde wär' Himmel! –

Dir rufen wir lockend, o siegende Macht!
O Geist der Lieb' und des Segens Dir! 56
Deine heiligste Stund' ist Mondlichtnacht,
Und Mondlicht war nimmer so süß, als hier!«


Nicht länger duldend, daß ihm wink' ein Bild,
Davor ihm wider Will'n die Seele schwillt,
Wo Lächeln, Duft, Musik ihn süß umkreist,
Und jedes Wanken schon Erliegen heißt,
Springt auf der Held, und wendet seinen Blick
Von diesem üpp'gen Nymphenspiel zurück,
Beschauend der Gemählde reiche Wand;Man hat allgemein angenommen, bey den Muselmannen sey jedwedes Gemählde belebter Geschöpfe verboten; aber Toderini thut dar, daß obgleich diese Arbeit durch den Koran untersagt ist, sie dennoch den gemahlten Figuren und Portraits nicht abgeneigter, als andere Völker sind. Aus Herrn Murphys Werk lernen wir, daß die Spanischen Araber nichts gegen das Einführen belebter Gestalten in die Mahlerey einzuwenden fanden.
Glanzbilder, die man ohne Wort verstand,
Und Gegenden, wie aus dem Feyenland!
Doch neue Zauber sind hier angefacht; –
Was irgend nur des Pinsels Wundermacht
In's Leben ruft von zarter Schönheit Blüh'n,
Von Lieb' und Leidenschaft: hier sah man's glühn; –
Doch nicht zu dreist! Nein, mit der feinen Kunst,
Die nur das Rein're schöpft aus Minnegunst,
Und immer halb verhüllt die Schönheit zeigt,
Wie ihr Planet, wenn er dem West entsteigt,
Und lieblich schimmernd ein Gewölk durchstreicht! –
Viel herrliche Gestalten frühster Zeit
Sind hier im zarten Minnespiel gereihtAnmerkung des Uebersetzers. Das Gedicht führt hier einige Liebesscenen des alten Testamentes an. Wohl weiß ich, daß Muhammed die heilige Urkunde misbrauchte und entweihte. Dadurch ist aber dem christlichen Dichter noch keine Erlaubniß gegeben, leicht mit jenen heiligen Gestalten umzugehen. Auf die Gefahr hin, von mancher Seite als ein Frömmler verschrien zu werden, zog ich es daher vor, lieber unvollständig, als gegen das Heilige unzart zu seyn.; 57
Auch Muhammed, zu Lieb und List geboren,
In's Lächeln seiner Huldinn süß verloren,
Die einen Engel winkt aus heil'gem Hain,
Durch neuen Spruch ihr Lieben einzuweihnNähere Kunde von der Liebe Muhammeds zu einem Koptischen Mädchen, und wie er zur Rechtfertigung seines Gefühls den Koran mit einem neuen Capitel vermehrte, findet man in Gagniers Bemerkungen über Abulfeda, S. 151..
Mit raschem Schritt – da oft der Blick doch weilt –
Hat Azim die Gemähldereih' durcheilt,
Und kommt zu einem Zimmer, von dem Strahl
Des ruh'gen Mondes hell. Das Gartenthal
Sah frisch von draußen her, so schlafumgeben,
Als wohn' auch nicht in Luft und Fluth mehr Leben.
Hier weilt er; die Musik, fern, halb verloren,
Sprach jetzt mit heil'germ Hauch zu seinen Ohren,
Als ob der Raum, und jener Himmelsschein,
Durch den die Klänge flossen, sanft und rein
Abstreife, was zu irdisch klang hinein.
O konnt' er anders nun, – in Mondlichträumen
Und klangumspielt, – als von der Liebsten träumen? –
Träum', Ahnungsloser, – weil Du kannst – von Glück!
'S ist Deines Friedens letzter Scheideblick!
Ja, drück' ihr Bild an's Herz, von Lieb' entzündet,
Eh all das Licht, drum Du es liebtest, schwindet! 58
Denk' an ihr Lächeln: Reinheit, Schönheit ganz
Im Scheiden noch – besiegt durch keinen Erdenglanz;
Ruf Dir zurück der Thränen lichtes Scheinen,
Wie Engel weinen, – falls die Engel weinen!
Denk' nur, sie harr' auf Dich in ihrer Zelle,
Mit stäter Herzensgluth und Schönheitshelle,
Doch, außer Dir, nichts mit der Welt gemeinsam,
Wie jeder Stern am Himmel, klar und einsam!
O daß so holder, langgehegter Traum
So fürchterlich nun bald verrinnt in Schaum! –

Es schwieg der Sang, es schwand der Nymphenreih'n
Und er blieb selig sinnend und allein; –
Allein? – Ach, nicht allein! – Ein Hauch voll Wehe,
Ein Seufzen quoll von Jemand in der Nähe, –
Was ist das? – Wohnt das Elend denn auch hier,
Hier selbst im zaubrisch-blühenden Revier?
Er wendet sich; – er sieht ein Frauenbild,
Das sich, wie ohnmachtschwindelnd, tiefverhüllt,
An eine Säule lehnt; nicht hell im Glänzen
Von Blum' und Schmuck, wie sich die Andern kränzen, –
Nein, im tiefblauen, trauernden Gewand,
Wie, wann ein Freund starb, oder fern entschwand,
Bokhara's Jungfrau es zu tragen pflegt»Dunkelblau ist bey ihnen die Farbe der Trauer.« — Hanway.!
So hatt' auch Zelika es angelegt, 59
Als er sie ließ, die letzten Thränenschauer
Abküssend ihrer Wang' in stummer Trauer.
Ein seltsamlich Gefühl ist ihm erwacht,
Ein stärkres, als des Mitleids stille Macht; –
Er streckt ihr unbewußt die Arm' entgegen, –
Sie eilt ihm zu mit Lebens letztem Regen, –
Doch sinkt, verstört vom schlimmbeschwornen Bund,
Eh sie ihm naht, mattschwindelnd auf den Grund,
Der Schleyer fällt, – sie faßt die Knie ihm – ja,
Sie ist's! – Er schaut sie selbst, – schaut Zelika!
Doch ach, Ein Liebender nur konnt' entdecken
In dieser bleichen Trümmerschönheit Schrecken
Die einst verehrte Göttinn! – Und auch Er
Stand erst verstummt, und strich, von Zweifeln schwer,
Die Locken aus der Stirn ihr, staunte nieder,
Auf die einst lichtumstrahlten Augenlieder,
Eh' er es glaubte, dies sey Zelika,
Sein holdes Lieb, die er so oft schon sah
In Freud' und Leid, und immer schön in Beyden: –
Ja selbst im tiefsten Jammer noch, im Scheiden,
Als er zum Kampf zog, – saß in ihrem Schmerz
Sie der NachtblumeDie trauernde Nyktanthe – (wohl unsere Nachtviole?); – die nach Sonnenuntergang ihren reichen Duft zu verbreiten beginnt. gleich, wann himmelwärts,
Vom Dunkel hold mit Thränenpracht geschmückt,
Sie ihre duftig-süßen Seufzer schickt!

»Blick auf, o Zelika! – Ein einz'ges mal
Zeig' mir in Deines holden Auges Strahl, 60
Dein lieblich Leben sey noch nicht entflohn;
Nein, dorten schimmr' es noch auf süßem Thron!
Komm! Deinen Azim sieh! – Ein Wink, der lacht,
Wie ehmals, gibt mir Heil! Was Dich gebracht
In diesen Rund, – ich preis' es als mein Glück! –
Mein Lippenpaar, du gibst den Kuß zurück?
Und mich durchzuckt er wie ein Lebensschein,
Und neu bist mein Du, bist auf ewig mein!
O des Ergötzens! – Wär' in dieser Nacht
Die ganze, reiche Welt in meiner Macht,
Dich hätt' ich, Dich allein, Du holdes Wesen,
Mir aus den Schätzen aller Welt erlesen! –
Du bey mir! – Abermal ich gänzlich Dein
Du gute, reine Zelika! – Du mein!« –

Bald war vor diesen Lippen, heiß geliebt,
Der Augen Sonnenfinsterniß verstiebt,
Und nach und nach, wie Schnee, vor Himmelsodem
Wegschmelzend, offenbart den blum'gen Boden,
Erschloß ihr Auge sich. – Die Blicke sah'n
Empor, – nicht, wie noch jüngst, im irren Wahn,
Ruhlos und wild, – nein, hold auf süßer Bahn
Zu seinen hin, wehmüthig froh bewegt,
Weil augenblicklich nah das Herz des Lieben schlägt;
Ja kaum noch fühlt sie halb ihr Seelenbangen,
Weil der Ersehnte süß sie hält umfangen.
Doch als er sein sie nannt' und gut und rein, –
O, 's war zu viel! – Nicht trug sie diese Pein!
O, wie sie scheu sich seinem Arm entflicht,
Die Hände fest vor'm schuld'gen Angesicht,
Ausrufend, daß es Felsen möchte spalten: 61
»Mein Gott, ich rein! – Ach, ich für rein gehalten!« –

Der Schrey – die so verwandelte Gestalt
Gesiegelt mit der Sünde Gramgewalt, –
Und dieses Auges sterbend banger Strahl,
Drin sonst – hätt' überraschend auf Einmal
Er sich genaht – sein endlos schimmernd Bild
Der freud'ge Azim säh' in Wonnethränen mild,–
Und dann der Ort, o der unheil'ge Ort,
Wo Laster lauernd haust im Blumenport,
Im Reich der Lust, – wie Viper sacht und leicht
Durch wundersüße Balsamblätter schleicht, –»Nach den Vipern, die Plinius als häufig unter den Balsambäumen lauernd beschreibt, hielt ich vorzügliche Nachfrage; mehrere wurden mir, theils zu Yambo, theils zu Jidda, lebendig gebracht.« — Bruce
Das Alles traf sein Herz mit Eins wie Tod,
Kalt, sicher schnell; – Erzählen war nicht Noth.
Nein! Deutlich war's geschrieben, wie vom Brand
Der heißen Schaam! – Gleichviel jetzt, wessen Hand
Dem Himmel stahl und ihm so süßen Schimmer; –
Für Himmel ist und ihn sie hin auf immer! –
Graunvoller Augenblick! Jahrlange Thränen,
Jahrlange Pein im ungestillten Sehnen –
Nichts wiegt dich auf! – Der grimmste Wetterschlag
Des Unglücks brach mit Einem dunkeln Krach
Durch seinen Geist, mit Einem Schicksalsstoß, –
Da lag sein ganzes Leben hoffnungslos! 62
»O« – ruft sie – »fluch mir nicht!« – als zu den Thoren
Des Himmels wild die Hand er streckt; – »verloren, –
Ich bin's! Doch Schuld und Falschheit kannt ich nie,
Nein! Gram und Raserey – die thaten's! Die!
Ach, glaub' mir doch – schwand Deine Lieb' auch ganz, –
Ich weiß, sie schwand! – Doch glaub mir: jeder Glanz
Der lenkenden Vernunft, – er mußt' erblassen
Im Hirn mir, eh' von Dir ich konnte lassen!
Man sprach, Du wärest todt; – warum, o Freund,
War unser Leben auch nicht ausgeweint
Im Trennungsaugenblick? – O könnt'st Du wissen,
Wie meinen Gram ich hegte, frommbeflissen,
Wie, seit Du schiedest, immer Sinn und Herz
Dein Bild sah, – nur Dein Bild! – Das Bild ward Schmerz!« –

»Wie Tropfenfall, der Nacht- und Taglang währt,
Rastlos, – so hat Erinn'rung mich verzehrt!
Hätt'st Du gesehn, wie bleich ich saß im Haus,
Die Augen stets nach Deinem Weg hinaus, –
All, all in langer Nacht von Furcht und Hoffen
Mein Ohr für Deinen Gang und Ruf nur offen, –
O Gott, Du würd'st nicht staunen, daß zuletzt,
Als jeglich Hoffen hin war und verletzt,
Als ringsum gräul'ge Stimmen zu mir sprachen: 63
Azim ist todt!‹ – daß Geist und Sinn mir brachen,
Und ich – zertrümmert Schiff! – aufs Ungefähr
Nicht Stern mehr schau'nd, nicht Himmel, glitt umher!
Verwildert ganz – selbst durch dies treue Lieben
Mit Zaubergluth zur Sünde fortgetrieben; –
Du schenktest Mitleid mir! Kein Himmelsstrich
Umwölbt ein halb so elend Ding als mich.
Der Teufel, der mich lockte, – sacht! Komm näher!
Auch Dich, auch Dich sonst trifft der grimm'ge Späher, –
Er sprach zu mir, – o mit so arger Kunst!
Wohl Bess're hätt' umstrickt sein Lügendunst! –
Er sprach von ew'gen Sphären, sprach von Dir;
Und dorten, – dient' ich treulich nur ihm hier, –
Sollt' endlos ich in Deinem Lichte blinken,
Und reine Wonn' aus Deinen Augen trinken!
Denk, denk, wie ganz ich war der Tollheit Spott,
Zu wähnen, Laster helf' zu Dir! – zu Gott! –
Du weinst um mich! – Thu's! – Dürft ich in mich nippen
Die Thränen! – Doch verflucht sind meine Lippen; –
Fern sey ihr Gruß von Dir! – Ein Augenblick
Der Huld, Einmal Vergessens himmlisch Glück –
Ich trank's in Deinen Arm! – Bis zum Erkalten
Will den Erinn'rungstrost ich fest mir halten.
Ihn, meiner Erdenfreuden letzte Trümmer, –
In dieser wüsten Nacht den einz'gen Schimmer,
Ihn wahrt mein Herz aus frühem Liebeslicht,
Sich labend dran, sich sänft'gend, bis es bricht! – 64
Doch Du, – ja Du mußt fort! Für immer fort!
Dies ist für Dich, – o nein, für Dich kein Ort!
Sollt' ich nur halb Dir künden, – still, – Dein Hirn –
Es müßt entbrennen, mein's sich neu verwirr'n.
Genug: hier herrscht die Schuld, kühlt ihre Wuth
An Herzen, grimm befleckt, einst rein und gut!
Genug: wir sind getrennt! – Hinrollt der Fluß
Des Grau'ngeschicks im unaufhaltbar'n Schuß,
Und scheidet mein' und Deine Seele weit,
Wie Höll' und Himmel fern in Ewigkeit!« –

»Zelika! Zelika!« so ruft er aus,
In all' der Qual, die fast zum Tollheitsgraus
Den Geist entflammt, – »bey jenen Himmelsthüren,
Wo Dir verzieh'n wird, wenn Gebet' ihn rühren,
Verzieh'n, wie Dir dies arme Herz verzeiht
Trotz deinem wildverwirrten Sündenleid!
Bey der Erinn'rung unsrer Lieb', einst rein
Und selig, die wie Kirchhofs Lampenschein
Auf unsrer Seelen trübe Grabstatt flimmert,
Dein Sünd'gen, mein Verzweifeln noch durchschimmert, –
Beschwör' ich Dich! glüht noch ein Funk' in Dir
Von Unschuld, so entflieh, entflieh mit mir
Aus diesem Ort.« –

                              »Mit Dir? O Segensstrahl,
Nicht theu'r erkauft durch ganzer Jahre Qual!
Die Sünd'rinn nimmst Du mit Dir? Du vereinst
Mich Deiner holden Nähe, wie als einst
Wir beyde glücklich lebten, rein, getrost, – 65
O Himmelstraum! – Ja, gibt's auf Erden Trost
Für dies gesunkne Herz – der ist's allein,
Tagtäglich dir Geleiterinn zu seyn,
Zu hören Deinen Engelspruch – zu sehn
Wie nicht die reinen Augen mich verschmähn,
In ihrem Licht zur Tugend zu erstehn,
Wie sich beflecktes Kleid hell bleicht und reint
Weil es der Sonne reines Licht bescheint! –
Und beten wirst für mich Du! – Beten! Ja!
Wann in der Abendstunde schaurig nah
Die Schuld mein Herz beengt, hebst Du die Blicke
Voll süßer Thränen auf zur Himmelsbrücke,
Und bittest dort für mich, bis – dreister schon –
Mein sünd'ges Auge naht dem sel'gen Thron, –
Bis güt'ge Engel, sehn sie stets mich beten
Angstvoll und blaß bey Dir, auch mich vertreten,
Und Deinthalb künden: wohl! Ihr ist verziehn!
Sein weinend Mägdlein mag er aufwärts ziehn!
O ja, ich flieh' mit Dir!« –

                                            Kaum sprach sie's aus,
Halb athemlos, –da scholl ein Klang voll Graus,
Wie Zauberruf der Todte ruft heraus! –
Und beyde Liebende, sie starr'n! – Es schreyt
Durch's nahe Fenster her: »Dein Eid! Dein Eid!« –
O Himmel wie das Mägdlein starrt und blickt!
»Er ist es!« – wimmert sie, von Schreck verzückt,
Und schließt die Augen, ob durch's Fenster nur
Das Mondlicht schaut und feyernde Natur,
Und Alles friedlich, still wird, wie vorhin!
»Er ist es! – Ich bin sein! – 'S ist Alles hin!
Geh! Flieh sogleich, sonst bist auch Du verloren. 66
Mein Eid, mein Eid – o Gott, zu fest geschworen,
Fest wie der Wurm sich in dies Herz grub ein!
Ich bin Mokanna's Braut, – sein, Azim, sein!
Die Leichen waren Zeugen unsrem Bund;
Noch wiederhallt mein Schwur an ihrem Mund! –
Auf mich her starrten sie, als ich den Trank –
Noch fühl' ich seine Gluth – zur Lippe schwang!
Und der verhüllte Bräutgam, – still! – Zu Nacht
Sah' ich, was nie ein Engel hat gedacht, –
Ein Bild so scheußlich, – o nie starr' auf Dich
Was niemand sah bis jetzt, als Höll' und ich.
Doch fort muß ich! – Fort! Dir bin ich entrafft.
Der süßen Lieb', und jeder Himmelskraft! –
Nicht halt mich! – Ha! – Wähnst Du die Teufel scheiden
Nur Herz, nicht Hand? – Fort denn! Auf ew'ges Meiden!«
Mit Kraft, wie Schwachen leih't die Raserey,
Flog sie aus seinen Arm! Mit solchem Schrey, –
Ein Schrey, der – müßt' er mehr auch Jahre leben,
Als Elend zählt, – nie mehr ihm könnt' entschweben,
– Flog hin durch jener Hallen Licht-Allee'n,
Wie Nachtgeflügel bey der Sonn' Ersteh'n
Durch Strahlen flieht, – und ward nicht mehr geseh'n! 67



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