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Fünftes Kapitel

Beamish bog sich in die Wünsche Chloes mit der ihr immer erzeugten Ehrerbietung. Er verbot es sich, einen Schatten auf die Freude zu werfen, die er in ihr aufblühen sah, mehr noch, zu zweifeln daran, daß diese Freude ein solides Fundament habe. Die Rückkehr Caseldys nach Wells konnte für einen Lohn von Chloes Standhaftigkeit genommen werden, denn Wells war von ihnen beiden als der Treffpunkt bei ihrem letzten Zusammensein bezeichnet worden. So unerklärbar auch seine so lange Abwesenheit schien, die Sache endigte vielleicht doch mit einem Arrangement. Chloe antwortete auf alle Fragen nur mit einem glücklichen Schauer.

Beau Beamish dachte auch, Caseldy würde ein wertvoller Bundesgenosse hinsichtlich des Ihrer Durchlaucht der Herzogin zu erweisenden Respektes sein. So begab er sich sehr aufgeräumt und liebenswürdig disponiert zu Caseldy, um ihn zu begrüßen.

Er traf auf dem Wege Herrn Augustin Camwell und wechselte mit ihm einige Worte. Der Beau empfand für diesen jungen Liebhaber eine lebhafte Bewunderung, der, seine intimeren Empfindungen für sich behaltend, sehr nett von Chloe und den ihrem Geschick günstigeren Umständen sprach. Camwell schien es übrigens eilig zu haben.

Caseldy war nicht zu Hause. Der Beau begab sich zur Herzogin. Auch sie traf er nicht an, aber Chloe, die sie auch schon vergeblich gesucht hatte. Man beriet. Chloe nannte die Confiserie. Denn die Herzogin naschte gerne, und der Patissier verstand sich auf eine gewisse Sorte Törtchen, die sie sogar seinen noch berühmteren Hammelpasteten vorzog. Herr Beamish erfuhr, daß Ihre Durchlaucht dagewesen sei, zu früherer Stunde als sonst von ihr üblich, und in Begleitung eines Herrn, der wie ein Fremder aussah und einen ganz kleinen Schnurrbart hatte. Der Patissier sagte auch noch, daß Ihre Durchlaucht mehrere Törtchen gegessen habe, ebenso ihr Kavalier, der ihm zu seinen Torten gratuliert hätte, die besser seien, als man derart auf dem Kontinent bekomme. Der Beau blickte zu Chloe. Er suchte weiter im Springbrunnensaal, während Chloe durch das Café des Dames ging. Sie trafen sich wieder und gingen zusammen zurück ins Quartier der Herzogin. Auf der Straße vordem Hause spielte eine Truppe von fünf Leuten ein Musikstück, auf Befehl Ihrer Durchlaucht: was diese selber beträfe, sie sei am frühen Morgen fort, wohin wisse man nicht. »Mit welchen Worten würden Sie eine Definition von Madame Susanne Ochsenschlepp geben, nun, wo Sie sie einigermaßen kennen?« sagte der Beau zu Chloe, als sie auf der Hausschwelle standen, wie um zu gehen.

Chloe blieb ein Weilchen in Gedanken, dann:

»Ich würde immer das Wort ›gute‹ hinzufügen zu den böswilligsten Vergleichen, die Sie finden würden.«

»Aber doch nicht ohne zuzugeben, daß diese Vergleiche gerecht sind,« sagte wie abschließend der Beau. Dann machte er die Bemerkung, es würde schließlich alles so kommen, wie es die Natur von der Herzogin Susanne fordere. Er schätzte, daß sie einen guten und glücklichen Charakter habe, aber daß sie sich eben dadurch um so mehr den Versuchen ausgesetzt befände, wie sie das Menschengeschlecht in dessen Frühling anfallen. So fügte er das von Chloe gewählte Adjektiv zu den zahlreichen Epitheten hinzu, die nach den landläufigen Meinungen ebenso an die Natur wie an die Frauen gebracht werden können.

»Der Graf ... bei sich zu Hause nennt man Ihren Caseldy Graf ... der Graf ist, wie man mir sagte, spazierengegangen. Wenn er Sie mitnimmt von hier, so sorgen Sie dafür, daß er den Grafen wieder verliert.«

»Sprechen Sie nicht von der Zukunft über diesen Monat hinaus,« sagte Chloe mit raschem Atem und so drängend, daß Beamish ihr einen fragenden Blick zuwarf. Sie antwortete: »Einen Monat Freude und Glück, ist das nicht alles, was man verlangen darf?«

Der Beau legte seine Ellenbogen an die Seiten als ein Zeichen philosophischer Zustimmung.

Nachmittags begegneten sie Herrn Camwell auf dem Hauptplatz. Die Damen promenierten, aufgetakelt und von ihren Hofmachern begleitet, langsam nach Vorschrift des Arztes und mit Überzeugung, um sich Appetit zu machen. Da Herr Camwell über die Abwesenheit der Herzogin schwieg, machte der Beau eine Anspielung und erfuhr, daß sie sich seit einigen Stunden in den Wiesen erginge, »nicht ohne Schutz«, wurde hinzugefügt.

»Ich sehe,« sagte Beamish zu seinem jungen Freund, »wir haben einen Argus.« Und da die Herzogin nicht auf der Anhöhe erschien und Wolken sich vor die Sonne schoben, ging Herr Camwell die Wiese hinunter. Chloe schloß sich mit Beamish an: sie verbarg nicht Verachtung, drückte sie im Gesichte aus und sprach kein Wort zu dem andern Begleiter, während sie die Hand des Beau nahm, als sie den Gattersteg überkletterte. Herr Camwell erriet ihre Gedanken, verstand es aber trotzdem, das Aussehen eines Soldaten zu bewahren, der zu seiner Pflicht resigniert. Er trug den Kopf wie ein Mensch, der nicht im entferntesten daran dachte, daß er die peinliche Rolle eines Spions hätte spielen können. Chloe hielt sich weg von ihm aus Widerwillen. Sie sahen bald die Herzogin Susanne, die ihnen hoch im Gras gehend über eine Wiese entgegenkam, mit einer singenden Lerche über ihr um die Wette singend, und Caseldy an ihrer Seite. Als sie die drei sah, blieb sie mitten im Schritt stehen und sagte etwas zu ihrem Kavalier: dann ging sie weiter und rief in einem naiven Ton: »Ists nicht genau das, was Sie wünschten, daß ich tun solle, Herr Beamish?«

»Nein, Madame. Sie haben von mir Instruktionen in einem ganz entgegengesetzten Sinne erhalten.«

»Wieso? Ich dachte, ich sollte von Zeit zu Zeit durch die Felder gehen, um meine Einfachheit zu konservieren. Mir ist doch so, als hätte mir jemand diesen Auftrag gegeben, wer ist denn dieser Jemand?«

Caseldy wurde Herrn Beamish vorgestellt, der sich mit liebenswürdiger Beeiltheit verbeugte und die Hand reichte. Er drückte solcherart das Verlangen aus, alte Beziehungen zu erneuern.

»Madame,« sagte er lachend zur Herzogin, »Sie machen mich an eine Geschichte aus meiner Kindheit denken. Einer meiner Spielgenossen zartesten Alters, Tommy Plumston, genoß das Privilegium, zum intimen Freund einen Jungen, namens Jimmy Clungeon, zu haben; die beiden waren ein Herz und eine Seele. Eines schönen Tages zog er mit diesem abenteuernden Vagabunden los zu einer Tour in der Umgebung trotz der Verbote seiner Mutter, das Haus in ihrer Abwesenheit auch nur für eine Minute zu verlassen. Etwa dreiviertel Meilen weit weg vom Hause bemerkte er, vielleicht eben wegen dieser weiten Entfernung, seine liebe Mama. Er sah sie zu gut, um zu zweifeln, daß auch er von ihr gesehen worden war. Tommy und Jimmy verständigten sich, darauf schoß Tommy los zu seiner Mama, die sich ein strenges Gesicht zurechtlegte. Ich wiederhole Ihnen seine Worte wie er sie gesagt hat, damit Sie die herzhafte Grazie des unschuldigen Bengels schätzen: ›Ich dlaube, daß ich dlaubte, du hast mich derufen, Mama, und Jimmy Clungeon, der dlaubte auch, daß er dlaube, du hast.‹ Auf solche Weise kamen sich beide höchst klug vor, wie Sie merken, wenn Sie acht haben auf die feine Unterscheidung im Gebrauch der Tempi. Der eine glaubt, wo der andere glaubte, und das schien ihnen hinreichend, ihrer Erklärung das Aussehen voller Ehrlichkeit zu geben.«

»Die Wahrhaftigkeit eines Jungen, der einen Freund namens Clungeon hat, kann nicht bestritten werden.« sagte Caseldy.

Die Herzogin Susanne machte ganz große Augen.

»Vier Meilen weit vom Hause? Und was tat seine Mutter mit ihm?«

»Die Mama von Tommy?«

Und Beau Beamish erzählte ohne Umschweife, was Tommys Mama machte, denn damals herrschte eine köstliche Freiheit, welche erlaubte, in passablen Ausdrücken mit der Natur zu bleiben. – die des Dekorums wegen ausgestoßenen Fidonc genügten, alles in Ordnung zu bringen.

»Mir ist, als hätte ich vor einer Stunde Ihre Silhouette dort drüben auf dem Hügel gesehen,« sagte Caseldy zu Herrn Camwell.

»Wie Sie aus dem Wald herauskamen? In dem Fall haben Sie recht gesehen,« sagte der junge Mann.

»Sie sind weitsichtig.«

»Es scheint so.«

»Ich bins auch,« sagte Chloe.

»Unsere Chloe würde Sie sicher auf eine Meile Entfernung erkennen, es ist ihr sogar schon passiert,« bemerkte der Beau.

»Man strengt sich eben so sehr an, was zu sehen, daß man am Schluß immer was sieht.« sagte Chloe. »hat man sich getäuscht, wirds vergessen, hat man richtig gesehen, nennt mans ein Wunder.«

Und ihre Stimme ging, um von was andrem zu reden, in ein kleines Lied über.

Aber Beamish gab das Gespräch nicht auf.

»Sie verbergen also einen Verdacht, Sie Spitzbübin, der Ihnen damals kam, als wir das Vergnügen hatten, die Herzogin von weitem zuerst zu sehen?«

Die Herzogin kam dazwischen:

»Unterbrechen Sie doch nicht ein so hübsches Lied!«

Caseldy nahm summend die Melodie auf.

»Ja, ja,« rief sie, »singt zusammen! Ich hab doch Singen mitten auf dem Lande so gern! Ein himmlisches Vergnügen! Das Orchester für die Stadt, fürs Feld die Stimme, so lieb ichs. Wenn Sie doch mit Chloe singen wollten, Graf, hier auf der Wiese, wo kein Mensch ist und wo es so still ist! Herrlich! Kaum spricht man von Musik, macht auch mein Herz schon tik-tak. Singen Sie, Herr Alonzo?«

»Schlecht,« sagte der junge Mann.

»Aber der Graf, der kann, und Chloe ist wie ein Engel, wenn sie singt.«

Und sie bat ihre süße Chloe, vor der Caseldy mit einer schönen Handbewegung eine Reverenz machte, die aussah wie ein Präludium.

Chloes Stimme schwang sich nun frei auf, die männlich timbrierte Caseldys sekundierte vollendet. Es war ein fröhliches Lied, das sie sangen. Nach einer fremden Sitte schlug er zuweilen die Finger wie Kastagnetten aneinander. Breit und voll kamen die Töne aus seiner gutgewölbten Brust. Er sang mit Gefühl, den feinsten Modulationen seiner liebwerten Genossin zu folgen, immer geschickt. Während alldem entging ihm das Entzücken der Herzogin nicht.

Beamish und Camwell applaudierten.

»Ich weiß nie was sagen, wenn mich meine Gefühle überwältigen,« und die Herzogin entließ von ihren Lippen einen Seufzer.

»Stellen Sie sich vor, Beamish, er kann Flöte blasen. Er hat mir versprochen, bei einer unserer köstlichen Abendmusiken ins Orchester zu gehn und ein klein bißchen mitzuspielen. Das wird reizend werden!«

»Er hat Ihnen das versprochen, Madame? Hat er Ihnen das auf Ihrem Wege nach den Wells versprochen?«

»Auf dem Wege hierher?« rief sie mit ihrer süßesten Stimme. »Aber wie kann er mir denn das versprechen, bevor er mich sieht? Sie stellen drollige Fragen, mein Lieber. Nein, heute, auf unserm Spaziergang hat er mirs versprochen. Er bewundert seine Chloe ... oh, und wie er sie bewundert! Aber das ist nicht überraschend schließlich. Sie kann stricken, nähen, singen, tanzen – und wie sie zu sprechen versteht! Nie fehlen ihr die Worte. Sie läßt vor einem Szenen passieren voll tausend Sachen, ich sag ihr immer, mich erinnere es an Gemäldegalerien. Und immer vergnügt! Nie auch nur eine Minute lang verstimmt! Wo ich manchmal wie eine alte Milchschüssel bin, gerade gut, der Katz zu geben. Man geht hier so spät schlafen, daß ich jemand brauche, der mich morgens auf den Train bringt. Chloe singt mir eins ihrer Lieder und ich sage mir: da schau, da kommt mein Singvögelchen.«

»Und Sie erinnern sich, daß sie ein Herz hat,« fügte Beamish hinzu.

»Natürlich hat sie eins.«

»Sie hat ein Herz, Madame.«

»Ja, und?«

»Ja, und – das ist alles.«

Sie mochte wollen oder nicht, das Gesicht des Beau sagte nicht mehr. Er schien von diesem herzoglich gekrönten Naturkinde in Verwirrung gesetzt und erschien es noch mehr bei dieser ihrer Bemerkung:

»Sie wissen ja, wie es um ihr Herz steht. Herr Beamish.«

Er gab es mit einem Blick zu, kannte er doch dieses Herzens unverrückbare Ergebenheit für Caseldy. Aber was bedeutete die Malice, welche die Herzogin in den Ton ihrer Bemerkung gelegt hatte? Gewiß, man konnte kaum erwarten, daß eine Frau, erzogen wie diese, es immer genau trifft, ihrem Wort den Akzent, den Tonfall zu geben, den sie ihm zu geben wünscht. Und das auszuproben und sie auszukundschaften, begann er von Caseldy zu sprechen, bewunderte die gleichmäßige Schönheit seiner Züge, die Grazie seines Profils.

»Genau das habe ich auch Chloe gesagt.« bemerkte die Herzogin, und er war über diese Antwort glücklich.

»Wir können sie bereits als ein Paar betrachten, sie sind ein Herz und eine Seele.«

»Das habe ich vorhin Caseldy gesagt,« antwortete die Herzogin, »sie wird sich immer ganz vortrefflich Ihren Wünschen fügen.«

Der Beau wiederholte entzückt diese Worte, bei sich der Überzeugung ihrer gutgemeinten Absurdität. Bergère von Seele wie Geburt, Mädchen vom Lande, war es bei ihr nötig, daß man die Wache und gutbewaffnet aufziehen lasse um ihre von ihrer Einfachheit nur schlecht geschützten Reize. So beurteilte er den Fall. Beim ersten Blick hatte er diese Meinung gefaßt und die unschuldigen Augenaufschläge und Blicke der Herzogin ließen ihn immer auf diese erste Hoffnung zurückkommen, trotz aller seiner höchst subtilen Theorien über Mann und Frau. Manchmal verwirrte ihn etwas die Erinnerung an jenen Herrn zu Pferd, den Chloe dank ihrer guten Augen von weitem an der Equipage der Herzogin gesehen hatte.

Für Fundament die Dummheit einer Person halten ist das sicherste Mittel, sich manchmal anführen zu lassen. Er wäre der erste gewesen, der einem einzuführenden Neophiten das gesagt hätte. Aber es verlangt die Klugheit der Theoretiker die Sekundierung durch einen immer wachen mißtrauischen und scharfsichtigen Geist, – ohne das wird die Weisheit sich nicht zu messen verstehen mit unschuldigen Blicken und unserer Überzeugung von ihrer Unschuldigkeit.

»Sie haben von Chloe mit ihm gesprochen?« sagte er.

»Aber natürlich! Er liebt sie. Und wie er sie liebt! Es war mir ein Vergnügen, ihn davon sprechen zu hören. Das ist einer von den Männern, mit denen zusammen ich mich nicht furchtsam fühle.«

Er hielt ihr eine kurze Mahnrede über die Vorzüge solcher Furchtsamkeit, indem solche das schwache Geschlecht schütze und bewahre. Hierauf und bedenkend, daß das Sentiment nicht im Spiele sei bei einer nicht eingeschüchterten Frau, trat er seinen Platz an Herrn Camwell ab und ging zu Caseldy, um nun diesen auf den Zahn zu fühlen.

Dieser junge Mann war von einer mitteilsamen Aufrichtigkeit. Chloe war von ihm weg in die Wiese geschritten, und er erzählte, wie er, nach England zurückgerufen und hier damit beschäftigt, eine Sache mit Prozeßfolge zu regeln, sehr zu seinem Bedauern verhindert sich gesehen habe, die Saison in Wells zu verbringen. Das Spiel hätte ihn nicht geschreckt, denn er habe diese Schwäche, der er einmal nachgegeben, überwunden. Aber, nicht wahr, Chloe konnte es von ihm verlangen und erwarten, daß er sich ihr nahe mit entwölkter Stirne. Auch habe er zuvor beträchtlicher Verdrießlichkeiten Herr werden wollen, mit denen sie sich herumgeschlagen hätten. Einige Gründe derselben Art gab er dafür, nicht geschrieben zu haben. Es habe ihn zu sehr danach verlangt, sich an der Überraschung zu delektieren.

»Und ich bin dafür belohnt worden,« sagte er, als ob er das allerunglücklichste Opfer seiner Abwesenheit gewesen wäre. »Ich fand ihre Augen, ich kann es Ihnen ja sagen, Herr Beamish, ich fand ihre Augen ganz angefüllt von Liebe. Von göttlicher Natur ist sie solches unter den Unsterblichen ebenso durch ihre Dehors wie durch ihre Beständigkeit.«

Sie kamen auf die Herzogin zu sprechen. Caseldy anerkannte, wenn auch ungern, daß man sie ohne gegen schuldige Rücksicht zu fehlen nicht der Dienste und der Gesellschaft Chloens berauben könne für die kurze Zeit, die sie noch in Wells bliebe. Er habe auch deshalb nichts gesagt. Die Herzogin sei ja ein Kind, ein harmloses unschuldiges Kind, töricht durchaus nicht, aber man müsse einsehen, daß der Umstand ihrer Verpflanzung aus obskurer Situation in Rang sie in gewissen Hinsichten weniger gut ausgerüstet gelassen habe als andere Frauen.

Der Beau sprach von den Schwierigkeiten seiner Wächterrolle, erwähnte den unbekannten Herrn zu Pferd, den Chloes gute Augen bemerkt hätten.

Caseldy lächelte.

»Wenns wirklich einen solchen Herrn zu Pferd gab«, sagte er, »und Chloe sieht weit, so können wir doch wohl kaum von der Herzogin erwarten, daß sie ihn zugibt.«

»Und warum nicht, Herr Caseldy, wenn sie so unschuldig ist, wie Sie sagen?« bemerkte Herr Beamish ziemlich treffend.

»Sie hat Angst vor Ihnen. Sie haben es dahin gebracht, ihr eine ganz ungewöhnliche Angst einzuflößen.«

»Glauben Sie das?« sagte der Beau.

Er hatte im ganzen genommen es darauf abgesehen gehabt, eine solche Wirkung hervorzurufen und war ein bißchen stolz darauf, nicht etwa fortgerissen von unserer natürlichen Eingebildetheit, sondern weil ihn der Gedanke erleichterte, daß er ein Mittel der Kontrolle über das seiner Sorge anvertraute zerbrechliche Objekt besitze. Immerhin würde man nur mit einiger Kühnheit behaupten, er sei von genannter Eingebildetheit ganz frei gewesen. Er war ein sehr männischer Mann und hatte, wie wir gesehen haben, so seine besonderen Gedanken über die Wirkung, welche Angst auf weibliche Herzen ausübt. Wie auch immer, – es passierte etwas, das ihn jenen Herrn zu Pferd vergessen ließ.

Lebhafte Unterhaltung zwischen Chloe und Camwell veranlaßte sie, zu den dreien zu treten. Und die Herzogin gab ihnen in ihrer abrupten Art Erklärungen.

»Sie will, daß er nach Haus geht und er ist unter der Bedingung einverstanden, daß sie ihm diese doppelte Seidenkordel gibt, mit der sie spielt, und sie sagt, das täte sie nicht und wenn er noch so darum bäte. Da sagt er, er will dann nicht gehen, und ich finde, er hat doch recht, und Chloe sagt, er soll dann bleiben, aber ihr Kollier bekäme er doch nicht, wie sie den Strick da nennt. Und da zieht Camwell an dem Ding, und Chloe wird wild. Was kann das Mädchen wilde Augen machen! Großer Gott!«

Caseldy trat für Herrn Camwell ein. Den Mund am Ohre Chloes:

»Geben Sie ihm das Zeug, so hat der arme Kerl eine Erinnerung von Ihnen und wir sind ihn los.«

»Ich höre was Sie sagen«, rief die Herzogin, »es ist wirklich nett von Ihnen.«

»Sie können ihm«, sagte der Beau, »dies Klein-Mädchen-Kollier geben, und er braucht deswegen nicht fortgehen. Ich kann Alonzo nicht verlieren.«

»Nein, Madame«, sagte sie mit einer verweigernden Geste zur Herzogin.

»Sie denken doch nicht etwa, so was um den Hals zu tragen?« begann Caseldy wieder leise zu Chloe.

»Pardon,« sagte Chloe, »ich denke wirklich daran.«

»Ist das hier Mode?«

»Noch nicht.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, was für ein Medaillon man an einem solchen gedrehten Seidenstrang tragen kann.«

»Mein Gott, ein Säckchen mit Asche ist kein sehr wertvolles Anhängsel.«

»Also ein Memento mori?«

Und er mokierte sich über ihren Aberglauben.

»Teuerste, die Befreiung von der Pest eines unzeitgemäßen Eifersüchtigen ist mit diesem Geschenk billig erkauft. Geben Sie ihm damit erst ein paar auf die Hände und dann lassen Sie ihn damit laufen.«

»Ist Ihnen seine Gegenwart denn unangenehm?«

»Ich versichere Ihnen, es ist kein Vergnügen, ständig verfolgt und bespitzelt zu werden vom trübsinnigen Blick dieses Individuums. Er überwacht uns in diesem Augenblick, weil meine Lippen ganz nah bei ihrem Gesicht sind. Er soll weg, er ist hier zuviel. Expedieren Sie ihn und geben Sie ihm das Souvenir, das er verlangt, mit auf die Reise.«

»Ich brauch es für eine Reise, die ich selber mache, vielleicht.«

»Mit mir?«

»Ja, Sie folgen mir. Sie können nicht anders als mir folgen, Caseldy.«

Er suchte auf ihrer Stirn ihren Gedanken zu lesen. Chloe lächelte zärtlich.

»Sind Sie glücklich, Chloe?«

»Nie habe ich Glück wie dieses empfunden.«

Der Glanz ihrer Augen bestätigte ihre Worte.

Er warf einen Blick auf die Herzogin Susanne, die unter dem strahlenden Licht aussah wie eine Sonnenblume. Und sein Blick blieb für einen Augenblick auf ihr. Die üppige und glänzende Jugend dieser Frau übte auf das Auge eines Caseldy einen faszinierenden Zauber aus.

»Wir werden also bis zum Ende des Monats im Glücke schwimmen. Und nachher? Aber befreien Sie uns von Monsieur le Jeune, schenken Sie ihm diese Bagatelle, ich trete sie ihm ab. Er wird selig davon, und kostet uns nichts weiter als ein Bündelchen Seidenfaden. Wenn wir ihn hierbehalten, um ihn von seiner Passion zu kurieren, geht das nicht – Kinder wie dieses drehen sich wie der Wind in England und wechseln von einem Gegenstand zum andern – geht das nicht auf Kosten dieser schönen harmlosen Frau, die Ihrer Obhut vertraut ist? Einfache Suggestion. Wechselseitiger Einfluß, leicht zu bemerken. Sie spricht von ihm. Aber wie Sie wollen. Unbegreiflich, eine Bagatelle wie das da, wo es sich darum handelt, von einem mißgünstigen Auge befreit zu werden.«

»Es liegt Ihnen soviel daran, daß er abreist?« sagte Chloe.

Er zog die Schultern.

»Dieses Wesen geniert uns doch in jeder Bewegung.«

»Sie glauben, seine Anwesenheit bedeute eine Gefahr für meine unschuldige Herrin?«

»Das glaube ich in der Tat.«

Sie hielt den halbgeflochtenen Seidenstrang in den Händen als ob sie dessen Stärke proben wollte, schlug einen zweiten Knoten hinein und steckte ihn in ihren Beutel. Das getan, bekam sie allsofort wieder den Ausdruck lustiger Festgenossin, und niemand erreichte darin ihren Zauber. Denn sie machte sich zum Kameraden der Männer, ohne vom fraulichen Rang herabzusteigen. Wie ein wohlerzogener, manierlicher und geistsprühender Junge war sie, dem die Älteren das Stichwort für seinen Witz gaben, und dieses Jungenhafte, diese entzückende Drolerie ihres Geistes temperierten liebliche weibliche Nuancen. Wie eine Botin ihres Geschlechtes war sie, beauftragt, dem gröberen Geschlechte zu zeigen, wo und wie es das andere begegnen könnte; sie schlug sozusagen eine Brücke über den Wildbach, der die Geschlechter trennt, damit sie ihr Bestes in heiterem Tausche geben könnten. Sie entbrannte nicht, der Anblick der Flamme versuchte sie nicht, und doch hatte sie in sich alle Elemente, das Feuer zu entzünden und Herzen in Brand zu setzen. »Glücklicher Mann, der sich dieses Viaticums bemächtigen wird,« sagte der Beau zu Susanne.

Es wurde ihr nicht leicht, einen metaphorischen Ausdruck zu verstehen, aber sie las sehr rasch aus der Physiognomie. Als sie den Enthusiasmus auf des Beau Gesichte mit dem verlegenen, erschreckten und zurechtgemachten Ausdruck Caseldys verglich, faßte sie Mitleid für den Liebhaber, der fühlte, daß seine Geliebte ihm nicht den größeren Teil ihrer Neigung gebe. Caseldy blickte auf die Herzogin, und diese Frau mit dem mitempfindenden Herzen war nah am Weinen, so empfindlich zeigte sich Caseldy darüber, daß Chloe den andern vorzöge.


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