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Sechster Brief.

E Eine fünfte Ursache der schnellen Verbreitung der Reformation, verehrte Gräfin, war die Lehre von der Gerechtigkeit aus dem Glauben, wonach der Mensch, auch ohne alle Tugenden zum Genuß der Seligkeit gelangen soll, wenn er nur den Glauben an Christus hat. Wir haben dieser wahnsinnigen, bereits von den häretischen Gnostikern und insonderheit von dem hirnverbrannten Manes Ein persischer Magier und Maler, welcher das Christentum mit der Zendlehre zu verschmelzen suchte und dem guten Gott einen bösen entgegensetzte, wurde unter Baharam ums Jahr 272 oder 275 lebendig geschunden. aufgestellten Lehren schon hin und wieder im Allgemeinen gedacht, müssen es aber hier noch im Besonderen, weil man so oft von uns Protestanten die verkehrte Entschuldigung hört: unser große Reformator habe unter »guten Werken« nur das katholische Fasten, Kasteien, Wallfahrten u. s. w., keineswegs aber die christlichen Tugenden verstanden. Lassen sie uns darum aus den vielen Stellen seiner Schriften nur einige hervorheben. »Wer an Christum glaubt, spricht er, den mögen keine Werk beschuldigen und verdammen, wie viel und böse ihr auch immer sind. Wiederum keine mögen ihn entschuldigen noch seligen, wie gut und viel ihr immer sind, sondern alles was unser ist, das beschuldigt und verdammt uns; allein Christus Werk entschuldigen und seligen uns.« Altenburger Ausgabe I. S. 379.

Ferner:

»Sie (die Katholischen) reden vom Glauben, den sie fidem formatam nennen, als müßte ihn die Lieb rechtschaffen machen, als müßte er sein Kraft, gerecht zu machen, von der Lieb empfahn. Diese allergiftigste und schädlichste Glosen, welche ohne Zweifel der leidige Satan selbst erticht hat, die kann und will ich nicht leiden, sondern muß sie verdammen. Die Verkehrer des Evangelii sagen noch weiter: daß der Glaube kurzum nichts tügen soll, es käme denn die Liebe dazu. Wo dies schädlich und giftig Gedichte der Sophisten bestehen soll, so müßte der Glaube eine arme, schwache Tugend sein. Auslegung des Briefes an die Galater fol. 148.

Hiezu der schauerliche Brief an Melanchthon, worin es heißt:

»Es ist genug, daß wir durch den Reichthum der Glorie Gottes das Lamm erkannt haben, welches die Sünden der Welt trägt. Von diesem wird uns keine Sünde trennen, obgleich wir tausend und abermals tausendmal an einem Tage Unzucht treiben, oder todt schlagen«. Ich setze auch die lateinischen Worte her: sufficit, quod agnovimus per divitias gloriae Dei agnum, qui tollit peccatum mundi. Ab hoc non avellet nos peccatum: etiamsi millies, millies uno die fornicemur aut occidamus. Epistol. reverendi Patris Dr. Martini Lutheri. Tom. prim, a. Johanne Aurifabro collectus fol. 345. b. Daher sein großer Zorn auf Moses und sein Sittengesetz, von welchem doch der Erlöser selbst sagt: daß er nicht gekommen, sei es aufzulösen, sondern zu erfüllen. Matth. 1, 17. Hören Sie und erstaunen Sie abermals über den fürchterlichen Mann. »Siehe, spricht er, Altenb. Ausg. Tom. 6. fol, 755 b. über das vierte Capitel der Epistel Pauli an die Galater, und ganz ähnliche Tischreden Eislebensche Ausg. fol. 168. a. daß du klug seist, und weisest Mosen mit seinem Gesetz nur fern von dir. Kehre dich nichts an sein Schrecken und Drohen, sondern halt ihn verdächtig, als den ärgsten Ketzer, verkannten und verdammten Menschen, der noch ärger ist als der Papst und der Teufel selbst.«

Aber nicht zufrieden, diese nicht bloß allem christlichen, sondern auch allem menschlichen Bewußtsein widersprechenden Grundsätze hin und wieder in seinen Schriften ausgesprochen zu haben, spottet er sogar auf öffentlicher Kanzel über die christlichen Tugenden. Ich habe zwar die bezügliche Stelle schon oben angeführt, wiederhole sie aber, um Ihnen und dem Leser das störende Nachschlagen zu ersparen. Er spricht in einer Predigt, gehalten am Pfingst-Montage 1532 über den schönen Text Joh. 3, 16. die schaamlosen, scheußlichen Worte: Keine Sünde ist mehr in der Welt, denn der Unglaube. Andere Sünden in der Welt sind Herr Simons Sünde; als wenn mein Hänsichen oder Lenchen in den Winkel hofirt, lachet man, als sei es wohl gethan. Also machet auch der Glaube, daß unser D…ck nicht stinkt für Gott. Hauspostill, Jenaische Ausgabe fol. 68. b. NB. Diese Hauspostille erklärt der Reformator für sein » bestes Werk

Dabei pochte er denn zugleich auf das in den Grundtext, wie wir gehört haben, fälschlich eingeschobene Wörtchen »allein.« Und als man ihm katholischer Seite diese letzte Perfidie aufrückte, was sagte er? hören Sie und erstaunen Sie! »Wenn Euer Pabst sich viel unnütze machen will mit dem Wort sola (allein), so sagt ihm flugs also: Doctor Martinus Luther wills also haben und spricht » Papist und Esel sei ein Ding.« Denn wir wollen nicht der Papisten Schüler und Jünger, sondern ihre Meister und Richter sein. In dem Bericht und Antwort auf zwei Fragen vom Dollmetschen. Altenb. Ausg Tom. V. fol. 269. b.

Wenn auf diese Weise die Nothwendigkeit der christlichen Tugenden nicht bloß bestritten, sondern sogar auf öffentlicher Kanzel verspottet wurde, so darf es nicht Wunder nehmen, daß nach dem einstimmigen Berichte aller katholischen wie lutherischen Schriftsteller der damaligen Zeit, die Moralität im Volke plötzlich auf eine furchtbare und nie erhörte Weise sank. Luther selbst gesteht an wer weiß wie vielen Orten in seinen Schriften diese grauenvolle sittliche Verheerung ein, schreibt sie aber nicht seiner wahnsinnigen Lehre, sondern nach seiner Weise dem Teufel zu, wie wir später sehen werden.

Kaum hatte er die Augen geschlossen, als der feige Melanchthon umsattelte und die Wittenbergischen Theologen beredete: für die Nothwendigkeit der guten Werke zur Seligkeit zu stimmen, was aber die Jenensischen also verdroß, daß sie ein eigenes Collegium zu Altenburg am 21. October 1568 bis 9. März 1569 hielten, in welchem sie diese Lehre nicht bloß eine papistische, ärgerliche, gefährliche, gottlose nannten, die churfürstlichen Theologen für Excommunicirte hielten und vermieden, sondern auch sogar in einer öffentlichen Sitzung beschlossen, dieselben weder zum Abendmahl noch zur Absolution oder zu Pathenschaft zuzulassen. Acta colloq. Altenb. ed Jen.
Noch mehr: in den sächsischen Herzogthümern wurde auf öffentlicher Kanzel gegen die Wiege der Reformation, gegen Wittenberg, als eine stinkende Cloake des Teufels, gepredigt, und die Mütter ermahnt, ihre Söhne lieber zu ermorden, als sie dorthin zu senden.
Döllinger a. a. O. I 470. nach einem ungedruckten Codex auf der Bibliothek zu München.

Dem armen Superintendenten Major, der auch von der Nothwendigkeit der guten Werke sprach, erging es noch ärger; er ward verjagt, und nur ein Mansfeldischer Prediger nahm sich seines ehemaligen Vorgesetzten an.

Und so ward länger als ein ganzes Jahrhundert von diesen wüthenden Pfaffen fortgefochten, wie sie die Welt nie verdammungssüchtiger und verblendeter gesehen, so lange der Himmel blau und die Erde schwarz gewesen ist. Denn als der Helmstädtische Theologe Calixtus ums Jahr 1640 wieder eine Annäherung der Protestanten an die katholische Kirche vorgeschlagen, und zugleich die guten Werke zu vertheidigen den Muth hatte, entstand ein solcher Mordscandal, daß alle protestantischen Fürsten und Universitäten in Aufregung geriethen, und eine neue Art von Confessionsschrift ausdrücklich festsetzte, daß folgende Lehre des Calixtus: »zur Erlangung der Seligkeit sei wenigstens nothwendig, sich des Ehebruches und des Todtschlags zu enthalten,« verdammt und geradehin gesagt wurde: wir verwerfen diejenigen, so da lehren, daß die wirkliche Liebe Gottes und des Nächsten und die Haltung seiner Gebote zur Erlangung der ewigen Seligkeit nothwendig sei. Consensus repetit. Witteb. Theol. pag. 960. punct. VI., p. 963 punct. X p. 961 punct. VIII.

Zum guten Glücke blieb es aber auch nur bei der Aufregung; hingerichtet, vertrieben und verjagt wurde Niemand; die Fürsten waren des ewigen Haders um »das reine, lautere Wort« schon müde, der Streit endete mit dem Tode der Häupter, und erst ein halbes Jahrhundert darauf gewann die lutherische Kirche durch Spener und Franke den sittlichen Ernst, welchen sie bis jetzt verfolgt hat, ohne freilich, wie die Katholische, die Mittel in Händen zu haben, ihn festzuhalten und fruchtbringend für das Leben anzuwenden, da sie muthwillig die meisten Sakramente und ihre heiligende Kraft aufgegeben.

Schließlich muß ich Sie und alle unsere Leser aber noch recht sehr bitten, verehrte Gräfin, etwa nicht zu glauben: Luther und seine Anhänger hätten aus reiner Bosheit, so aller Vernunft und allem menschlichen Bewußtsein widersprechende Lehren verfochten. Nein, alle diese religiösen Irrthümer gingen consequent aus dem zu Tode gehetzten Princip der menschlichen Unfreiheit hervor, grade wie heut zu Tage die meisten politischen Irrthümer aus dem zu Tode gehetzten Princip der menschlichen Freiheit hervorgehen, eine Wahrheit, die uns in ihren interessanten Vergleichungspunkten späterhin einmal beschäftigen soll.

Doch lassen Sie uns von diesen traurigen Betrachtungen abbrechen, und lieber unsern Siegmund auf die Burg seiner Ahnen zurückbegleiten, auf dessen reine und dennoch so bald getrübte Liebe eines Ihrer schönsten Lieder, verehrte Gräfin, seine Anwendung findet, das ich deshalb, wenn auch nicht für Sie, so doch für unsre Leser hieher zu setzen mich gedrungen fühle:

Ein stets erneutes Sorgen, Streben
Ein Ringen nach des Glücks Bestand,
Ein angstvoll Zittern – das ist Leben,
Ist Leben an der Liebe Hand.

Bei jedem Uhrschlag möcht man beten,
Damit zu rasch er nicht verklingt;
Zu jeder Glocke hemmend treten
Die allzu schnell den Pendel schwingt.

Ist diese Angst nicht Vorempfindung
Daß jede Erdenfreud vergeh',
Ist sie nicht ahnende Verkündung
Daß Menschenglück nie stille steh'?

Ein stets erneutes Sorgen, Streben
Ein Ringen nach des Glücks Bestand,
Ein angstvoll Zittern – das ist Leben,
Ist Leben an der Liebe Hand! Neueste Gedichte von Gräfin Oldofredi-Hager. Breslau, 1848, Seite 3.

Reise Hagers und seiner Freunde zu Dr. Luther gen Wittenberg.

So verlebeten wir in Murstätten etliche Täge herrlich und in Freuden, trieben allerlei Muthwillen und Mummerei, und ließ mein lieber Schwieger auch ein Blindenspiel fürnehmen, was ein gemein Ergetzen erweckete, obschon es mir nicht, weder meiner jungen Frauen gefallen wollte. Denn alle Blinden aus Nord und Süd mußten in einen Kreis zusammenkommen, allwo ein fett Schwein lag. Ein jeglicher hatte ein Keul, und welcher das Schwein traf, daß es todt wär, der solle das Schwein haben. Hei, wie hauten sich nu meine Blinden einander bald rechtes bald linkes, daß Mancher wohl eine Viertelstunde liegen blieb, und der andere ihn befühlete, vermeinend er hätte das Schwein troffen, so für Feistigkeit nit mehr gehen konnte, und nur auf dem Hinteren ein Eck fortrutschete und schrie oder grunzete, je nachdeme der Schlag fiel. So ging das Spiel etzliche Stunden, und purzelte der ein Blinde oftermalen über den andern, oder wenn er dicht vor der Sau war, so er etwan grunzen hörete, schlug er in den Erdboden, daß es dampfete, und stürzte schreiende als er lang war, über die Sau, daß er die Beine gen Himmel hielt, und ein gemein Gelächter entstunde. Letzlich traf ein Kerl in Wahrheit das Schweine also auf die Schnautze, daß es verreckete, und hatte den Preis gewonnen.

Da sprach der Harrach zu meiner Frauen, als welcher wohl gemerket, daß sie sein Morgengabe verdrossen: sehet da, junge Frau, der blinde Münch, wie Ihr den Lutherum nennet, hat letzlich doch die Pabst-Sau todt geschlahn! worauf sie aber alsbald zur Antwort gab: mit nichten Junker, ich achte die fette Sau ist der Lutherus, und die Blinden sind das blöde und das tumme Volk, so letzlich noch ihren eignen Propheten todtschlahn werden.

Solche Sag ergetzete Männiglich, und als der 3te Tag verschienen war und die Gäste sich zur Heimfahrt rüsteten, wollt mein alter Vater auch wegk, denn er fühlete, daß wiederum sein Zipperlein sich meldete, und sollten wir mitfahren.

Brachen darumb des andern Tages mit ihme und allen Gütern auf, aber er wird also schwach, daß er es auch auf der Gutschen nicht aushalten kunnte, und ich eine Sänfte miethen mußte, ihn heimb zu tragen.

So gelangeten wir in der Burg meiner Ahnen glücklich an, allwo unser Pfarrherr, Er Johannes Forst, der auch ein guter Maler war, so lange hausgehalten und meinen Auftrag gar schön vollenführet, wofür ich ihme einen güldenen Ring verehrete. Denn dieweil es üblich, daß in denen Burgen der Ritter die Wände etwan auch auswendig bemalt seind, hatt er zu beeden Seiten der großen Hauptporten, so zum Pallas führet, die Klause, den Wald, den alten lieben Ohm vor der Bildsäule des heiligen Antonius betende, abkonterfeiet, wie ich ihme Allens kleinhaarlich beschrieben. Item war des Immenschwarmes nicht, noch des Staaren in seim Käficht vergessen. Solches war uf einer Seiten der Hauptporten. Uf der andern aber war der grüne Wald mit zween weidenden Zickleins und dem Bächlein, und ein Knab und ein Dirnlein saßen daran in ihrer alten Kleiderfarb und griffen Krebse. Wer beede bedeuten sollten, wird man schon ohne mein Erinnern verspüren.

Als das mein lieb Weib sähe, schrie sie uf für Entzücken, fiel mir um mein Hals und rief: herzer Mündel ich sterbe für Freud! Wenn wir nu im Sommer am Brunnen unter den Linden sitzen, haben wir immer den frommen Ohm und die Klause für Augen. Eia, den frommen Ohm – Klatschete in die Händeken und verehrte dem Maler ebenmäßig ein güldenen Ring.

Aber am andern Morgen, als ich ufwachete, war mein lieb Weib wegk. So bin ich verwundert und rufe laut ihren Namen. Kummt Charitas v. Spiegelberg mit vergrämten Augen in die Schlafstuben, weiß aber auch nit, wo sie geblieben. Darum verkleidete ich mich, als rasch ich kann; aber Niemand weiß draußen, wo sie blieben, bis letzlich eine Magd vermeldet: sie wär in den Zwinger gangen. Gehe also erstlich in die Schmiede und das Schnitzhaus, allwo die Pfeile gearbeitet werden, aber da war sie nit, darum ruf ich nunmehro in alle Ställe: liebe Julia, bist du hier? bis sie mir letzlich aus eim tunklen Stall zur Antwort giebet: ja herzer Mündel, ich bin hier!

Sprich ich verwundert: sage um Gotteswillen, was machstu aber hier?

Spricht sie: lieber Mündel, ich melke die Zickleins! und als ich lachende zur Antwort gab: liebes Kind, das geziemet sich nicht, sprang sie alsbald herfür an mein Hals und rief betrübt: es hat sich doch so viele Jahre geziemet; mein lieber Mündel, nu verzage ich schier daß ich jemalen lerne, was sich geziemet und nicht geziemet. Ich gläubete immer, im Ehestande fände sich das von selbsten.

Item: so wollte sie desselbigen Tages noch mein Wald sehen, und obschon ich es verredete, dieweil die Bäume kahl und die Nacht der erste Schnee gefallen, mußt ich ihr doch den Willen thun, auch die Armbrust von dem alten Ohm mitnehmen, ob ich etwan eines Gewildes ansichtig würd. Darauf hinge sie die Zobelschaube umb, so ihr Clothar von Pötting verehret, und gingen wir in den Wald, wo etzliche meiner Knechte Holz fälleten.

Und als sie unfern uf dem frischen Schnee der Spur eines Thieres gewahr wurde, frohlockete sie und sprach: sich, herzer Mündel, das muß ein Baummarder gewest sein, sieh, sieh, sieh, da ist er auf die Eiche gangen. Ach herzer Mündel, steig doch einmal hinauf, ob er etwan dort in dem hohlen Ast sitzet?

Darauf gab ich abermalen lachend zur Antwort: liebes Kind, das geziemet sich nicht! was würden meine Knechte sagen, wenn ich wie ein Junge in den Baum kletterte; aber wir wollen uns einen von selbigen heranrufen, der mags thun.

Da ward sie abermals betrübt und sprach: Ach, ich wäre so glücklich wie die lieben Engel im Himmel, wenn ich bloß lernen könnte, was sich geziemet und was sich nicht geziemet. Nu-, da dus gesaget, seh ichs auch wohl ein: das geziemet sich nicht! Aber lieber Mündel, wie dumm bin ich noch!

Aber sie lernete von Tag zu Tag mehr was sich geziemet, und was sie mir an den Augen absehen konnte, das thät sie. Hielt auch gar fleißig über das Gesinde und die Wirthschaft, und ward in Summa ein fast trefflich Weib, so ich von Tage zu Tage immer brünstiglicher liebgewann.

Unter Mittag, wann die Sonne schien und sie sonst Zeit hatte, nahm sie ihre Zobelschaube umb und setzte sich mitten im Winter ein Weil unter die Linden am Brunnen und sah sich die Klause des guten Ohms an. Auch mußte der Pfarrherr ihr versprechen, im nächsten Vorjahr noch Etzliches an dem lieben Bild zu ändern, als dem Ohm eine längere Nas zu malen; item war der dürre Ast über der Eichen vor der Klausen vergessen, item der Haselbusch an dem Bach, wo wir gekrebset etc.; was der gute Mann auch zu thun versprach.

Des Abends lase ich aus den Scriptis Lutheri für, so mir der alte Harrach verehret, was vor meinen Vater lieblich zu hören war, aber nicht vor meine liebe Frau; doch sagete sie anfänglich nichtes, freuete sich hergegen aber, wenn Er Johannes Forst, der inzwischen von seinem Bischof ein alt Buch mit den Zeugnissen der Väter überkommen und gar eifrig drinnen gestudiret, den Lutherum angriffe und selbigen Lügen strafete. Aber in etlichen Dingen war er auch noch lutherisch, ich noch in etwelchen anderen mehr, und so wurden wir bald alle Abend strittig. Hierzu kam, daß das Exempel des alten Dietrichstein, der doch ein so verständiger Mann war, mich seit der Hochzeit noch hinterdenklicher gemacht, als ich leider Gottes ehender schon gewesen, so daß ich in meinem Zweifelmuth, wie der heilige Jacobus so trefflich geredet, in Wahrheit der wüsten Meereswoge glich, die vom Winde getrieben und gewebet wird; Jacobi 1, 6. denn ein Weil gläubt ich dies, ein Weil gläubt ich das; ein Weil hatte der Pabst Recht, ein Weil Lutherus. Solches bekümmerte mich gar sehr, und als ich eines Nachtes im Schlaf auffuhr und ausrief: der Lutherus hat doch recht! umbhalsete mich mein Weib mit vielen Thränen und bat, von dem bösen Ketzer zu lassen und seine Scripta ins Feuer zu werfen, die ihr wie mir, unser glücklich Leben vergälleten. Ich solle doch des guten Ohms gedenken, was er über den falschen Münch geurtheilt, und daß der Ohm niemalen die Unwahrheit gesprochen. Solches machte mich lachen und gab zur Antwort: nu liebes Herz, hat er dir vom Umbhalsen eine falsche Lahr gegeben, kann er sie dir auch vom Luthero geben haben, was sie verdroß und anhube laut zu beten, daß Gott mich bekehren müge.

Da begab es sich eines Tages, als ich sie wohl an die 4 oder 5 Wochen gehabt haben mochte, und wir letzlich fast alle Tage blos von wegen der Religion strittig wurden, daß der alte Franciscus von Dietrichstein das Schlaggatter senken ließ und in die Burg geritten kam. Sprach: er wölle gerade auf Wittenberg zusteuern, denn er müsse und müsse wissen, wies mit dem Luthero und seiner Sach stünde. Der Eine schwätze dieses und der Andere jenes; er wisse nit, wem er glauben sölle. Ihm wär ums Herze, wie einem Ehemanne, deme die böse Welt sein lieb Gemahl verdächtig gemachet, daß sie ihm untreu worden. Wie selbiger Ehemann nirgend bei Tag weder bei Nacht, Ruhe hätt, bis er hinter die Wahrheit gekommen, also hätt' er auch keine Ruhe bis er wisse, ob seine heilige Mutter, die Kirche ein treues Weib oder eine treulose Metze sei. Ob ich etwan nicht mitreuten und mich auf wenige Wochen von meiner lieben Frauen scheiden wölle? Solches war mir nu zwar aus der Seelen gesprochen, denn just also war mir auch zu Muthe, aber ich entschüldigte mich von wegen des Mitreutens mit meiner annoch zu großen Inbrunst zu meim jungen Gemahl.

Spricht der von Dietrichstein: so macht Ihrs wie der Gast im Evangelium, der auch nit zur Hochzeit kommen wollte, sondern sprach: ich habe ein Weib genommen, darum kann ich nit kommen. Lucas 14, 20.

Als das mein lieb Weib hörete, fiel sie mir schluckende um den Hals und bat: ich müge doch um aller Heiligen willen, ihr die Liebe thun und mitreuten, und als ich fragete: ob sie mein schon überdrüßig, gab sie zur Antwort: Herzer Mündel, ich thus ja um deiner armen Seelen willen und daß du ruhig einschlafen kannst, herzer Mündel, sowohl auf deim Ehebett, als auf deinem Todtenbett; darumb thu mir den Willen und reute mit.

Da rief unser Pfarrherr alsbald: dann reute ich auch mit, gestrenger Junker! Ich werde allhie schon einen Vicarium stellen. Vielleicht daß ich Euch Beeden etwan dienen kann; denn ich bin Famulus bei dem Luthero gewest, und weiß am besten, wie mit ihme umzugehen.

In Summa: ich ließ mich überreden und ward beschlossen, schon des nächsten Tages gen Wittenberg abzureuten und sobald als möglich heimzukehren.

So nahm ich nu ein gar herzlichen Abschied von meim lieben Weib, und vermahnete sie, wann etwan andere Männer kämen, ja und ja Alles zu meiden, was sich nicht gezieme, und wäre sie zweifelhaftig, etwan Charitas von Spiegelberg oder unsern alten Vatern um Rath zu fragen, was sie auch zu thun versprach, und mit vielen Thränen uns aus dem Burgfriet nachschauete und mit dem Nasentüchlein aus einer Luken nachwinkete, so lange sie uns sehen kunnte.

Als wir nu in das Baiernland kamen, allwo an etzlichen Orten das reine, lautere Wort auch gar mächtiglich zu rumoren begunnte, begab es sich eines Sonntags Abends, daß wir in ein Dorf ritten, umb etwan dort zu nächtigen. Und waren wir 6 an der Zahl, dieweil ein Jeglicher unter uns einen reisigen Knecht hinter sich hatte, ich aber meinen getreuen Claus. Darum kundschafteten wir: ob es im Dorf eine gute Herberge hätte, oder wir weiter reiten müßten in den nähisten Markt.

Hierauf gab uns ein Kerl zur Antwort: daß die Herberge der Priester hätt, und groß genug vor Menschen und Vieh wäre; wir möchten nur mitkommen; er ginge auch dahin, uf den Tanzboden. Solches verwunderte uns fast sehr, wurden aber noch mehr verwundert, als wir in die Stuben traten und alldort ein Kerl in einem Chorrock mit der Geigen stund und den Bauern vorfiedelte, so einstheils tanzeten, anderstheils Bier soffen und auf den Banken mit Weibern und Kindern umhersaßen.

So hörte mein Priester gleich zu fideln auf, als wir unser Anliegen fürgebracht und sprach zu den Bauern: sie söllten nur ihre Zech bezahlen und heute nach Hause gehen, sie sähen, daß allhie fürnehme Gäste gekommen wären, und müsse er die Stube gebrauchen. Hätten sie ihm die andere Stube geklicket, wie er 10 mal darumb vergeblich gebeten, würd er sie allhie nit verjagen; aber anjetzo ging es nicht anders, und möchten sie hinfüro klug werden.

Solches verdroß zwar meine Bauern und brummeten Etliche, wollten auch nur zahlen vor den halben Abend, worüber ein großer Hader entstunde, doch gingen sie letzlich ihrer Straßen, hiergegen wir uns auf die Bank setzeten, und den Priester frageten: was das Ding zu bedeuten, und ob er allhie auch den Krüger spiele? worauf er zur Antwort gab: ja leider Gottes spiele er den Priester, den Krüger und den Fiedler zusammen; denn von seiner Priesterschaft könne er nicht mit Frau und Kinder leben, anerwogen der verteufelte Bauer ihme fast nichts mehr von Allem gebe, was vor Alters gebräuchlich gewest, und sich damit entschüldige, daß der Herr Christus gesaget: umsonst habt ihrs empfangen, umsonst gebt es auch. (Matth. 10, 8.) Dergleichen Nebenbeschäftigungen mußten viele unglückliche Prediger der damaligen Zeit treiben. Selbst der berühmte Carlstadt hatte im Kemberg Brandtwein, Bier, Charten und anderes feil. Matthesius Conc. VI. de Luthero p. 53. a. Und wurde, wie Luther selbst eingesteht, das Consistorium in Wittenberg bloß eingesetzt, um außer der Schlichtung von Ehesachen, die Bauern zur Zucht und Ordnung und der Erlegung der Abgaben an ihre Prediger anzuhalten ( ad persolvendos reditus pastoribus.) An Spalatin unterm 12 Januar 41. De Wette a. a. O. S. 329.

Ob er denn keinen Patronum habe?

Ach ja, hätten einen, hieß von Schömmer, wäre aber noch ärger denn die Bauern, und gönne ihme nicht das Weiße im Auge. Spräche mit vielen Anderen: Sauhirten, Schäfer und Schinder muß man in Städt und Dörfern haben, Prädicanten und Schulmeister gebraucht man nicht. Nach dem eigenen Geständniß Luthers; Altenburger Ausg. Tom. IX fol. 963. b. 964. a war dies eine gewöhnliche Redensart.

Spricht der alte Dietrichstein: aber wie mag es denn kummen, daß Edelmann und Bauer, welche früher so mildiglich gegen die Diener Gottes waren, anjetzo bei der neuen Lahr sie wöllen todt hungern lassen, wie ich aller Orten in Erfahrung ziehe?

Hierauf gab mein Priester zur Antwort: Weil nunmehro der Teufel die Welt regieret, und Gott das Regiment an ihme abgegeben, wie auch der theure Gottesmann Lutherus gläubet, und die Welt es alle Tag klärlich zeiget.

Als wir solches verredeten, und daß der Lutherus nimmermehr ein so hart Wort gesprochen, ging er an ein Spinde, und langete das getruckte Sendschreiben Erschien zuerst unter dem Titel: Wider die Antinomer. Wittenberg 1539. Bei de Wette V. 147. ff. herfür, so selbiger an Caspar Gürtel erlassen, und las uns also daraus für: Aber der Teufel ist Herr in der Welt, auch ich habe es selbst nit können gläuben, daß der Teufel sollt Herr und Gott der Welt sein, bis ich numals ziemlich erfahren, daß es auch ein Artikul des Glaubens sei: princeps mundi, deus hujus saeculi (der Fürst der Welt ist der Gott dieser Zeit). Item, sehet hier einen andern Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern, allwo unser dritte Elias auch saget: wir seind des Teufels Gefangene, als unsers Fürstens und Gottes, daß wir thun müssen, was er will und uns eingiebt. Altenb. Ausgabe Tom. III fol. 147. a. b. Ebenmäßig las er uns andere Glosen für, auch was Lutherus von sich, dem Teufel und seiner Käthen sage, so ich mich aber schäme allhie zu notiren.

Solches machte uns Alle grauen; sahen uns an und sprach letzlich mein Dietrichstein widder:

Aber wie mags zugehen, daß unser Herr Gott also plötzlich, seit die neue Lahr ufgekommen, dem Teufel dies Regiment abgetreten?

Ursach, gab mein Pfaff zur Antwort, ist, weil er sich rüstet zur Wiederkunft, um zu richten die Lebendigen und Todten, wie denn auch unser herzliebe Lutherus wohl 1000 mal uns vertröstet, daß der jüngste Tag für der Thür sei, anerwegen die Sünden also gräulich zunähmen, daß die Leute jetzo mit 7 Teufeln besessen wären, da sie zuvor unterm Pabstthum nur mit einem Teufel besessen gewest. In der That Worte Luthers: Hauspostill Jenaische Ausg. S. 10.

Ob denn seine Bauern allhie auch so böse wären?

Nähmen alle Tage in der Bosheit zu, wie die jungen Wölfe. Hätten diesen Sommer die ganze Kirch voll Biertonnen gefahren, damit das Bier kalt blieb, und als er sich an den Patronum gewendet, hätt ers ihnen zugestanden. Solches wär aber nit zu verwundern, anerwegen der theure Gottesmann ja selbsten klage, daß auch dorten die Bauern sprächen, wenn die Pradicanten sie zum Gehen in die Kirch vermahneten: ja lieber Herr Pfarrer, wenn ihr ein Faß Bier in die Kirch schroten und uns dazu berufen ließet; so wollten wir gerne kommen. Tischreden Eisleb. Ausg. fol 5. a. Unglaublich würde und müßte es Jedermann finden, daß der Churfürst von Sachsen den Bauern und Bürgern selbst die Erlaubniß ertheilt hätte, in der Kirche »aber nur zu Weihnachten, Fastnacht, Pfingsten und in den Städten auf des heiligen Leichnams Tag zu saufen,« wenn nicht der protestantische Arnold in seiner unparteiischen Kirchen- und Ketzerhistorie Thl. II S. 126 die diesfallsige Verordnung wirklich mittheilte. Bei so fleißigem Begießen mußte das reine, lautere Wort wohl gedeihen!

Ob sie denn in Wahrheit auch nicht zu ihm kämen?

Er wäre ein studirter Mann und hätte in Wittenberg zu Lutheri Füßen gesessen; das gäb ihm für vielen seinen Nachbaren, so nur Schneider und Schuster gewest, ein Ansehn; aber dennoch kämen sie auch bei ihme schlecht, insonderheit zum Nachtmahl, was aber auch nicht zu verwundern, angesehen der theure Gottesmann in der Vorred zu seinem kleinen Katechismus ja ausdrücklich fürbringe, daß numals Viele, etliche 1 Jahr, etliche 5, etliche 10 mehr oder weniger Jahr nit zum Sacrament gingen, item weilen sie in Wittenberg aus dem Kelch nit mehr so viel schlucken könnten, wie sie wöllten, marschireten sie aus der Kirchen gerade dem Wirthshause zu, und sauften sich voll Bier und Brandteweins. Sermon am Donnerstag nach Invocavit 1523 p. XIV. a.

Aber ob solches Alles nicht ein bös Zeichen für die neue Lehre sei, da doch Christus sage: an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen?

Ja, an ihren bösen Früchten, gab mein Pfaff zur Antwort; denn selbige müssen folgen wo das Wort lauter und rein geprediget wird, wie wirs denn auch aller Orten gewahr werden. Bis dato seind gute Früchte im blinden Pabstthum gefolget; jetzunder aber, da das Evangelium wieder ufgekommen und der jüngste Tag vor der Thür stehet, müssen böse Früchte folgen, wie der Herr selbsten spricht Matth. 25., daß man erst eitel böse Früchte und den Gräuel der Verwüstung sehen müßte, ehebevorn er käme, um aus großer Inbrunst alle armen Sünder die an ihne gläuben, selig zu machen, zum Aerger des Satan und aller Papisten, die dann mit ihrer Werkgerechtigkeit mit Heulen und Zähneklappern zur Höllen fahren werden. Wer sollte diese wahnsinnige Entschuldigung des eingerissenen Sittenverderbnisses damaliger Zeit nicht für eine muthwillige oder gar boshafte Uebertreibung von meiner Seite halten. Und dennoch ist sie es leider nicht. Man höre, wie der protestantische Wizel in seinen Annotationen zu den Propheten, Eisleben fol. 260. b. die damaligen Evangelischen wegen ihres ärgerlichen Lebenswandels sich entschuldigen läßt: »je mehr und besser man predigt, je ärger werden die Leut. Es müsse aber so zugehn, sonst wäre es Gottes Wort nicht. Das sei ein Zeichen, daran man erkennen soll, wo Gottes Wort gepredigt werde, nämlich: wo es nicht recht zugehe, und die Leute Uebles thun

Ob wir denn auch noch in der papistischen Blindheit wären, wie es ihme fürkomme? das hätte er ehe verspüren söllen; so hätt er seine Bauern nit laufen lassen. Wir möchten uns doch bekehren, denn der jüngste Tag stehe vor der Thür etc.

So gaben wir zur Antwort: wir wären des gerades Wegs zu Luthero, umb uns das Wittenbergische Wesen selbsten anzusehen, wären aber müde, und müge er uns darumb ein Lager bereiten.

Als das mein Schwarmgeist hörete, und daß wir zu Luthero reuten wollten, ward er freundlicher, und thät alsbald, wie wir gebeten.

Doch hatt er uns am andern Morgen gut in die Kreide gezäubert, und nachdeme als wir uns gelöset, und noch eine große Vormahnunge von wegen unserer Bekehrung angehöret, ritten wir frisch unserer Straßen, und hatten unterwegs ein groß Disputiren über Alles, was wir gesehen und gehöret. Insonderheit aber verwunderten sich der alte Dietrichstein und ich über Lutheri Lahr vom Satan; aber Er Johannes sprach: Ein solches müßten wir ihme nit verüblen; denn an eim andern Ort lehre er widder ein Anderes. Just so mache er es mit dem Pabest und der katholischen Kirchen. Denn als er schon gar viel uf selbige schimpfiret, und Beede in den Abgrund der Höllen vermaledeiet, auch bereits anno 1523 gesprochen: darum ist Christus Lehr und Babst Lehr wider einander, wie Tag und Nacht, wie Tod und Leben, Sendebrief an die christliche Gemein der Stadt Eßlingen. Altb. Ausg. II. 362. habe er im Jahre 1528, als ihme die Wiedertäufer begunnten uf die Nase zu spielen, und ihme bange ward in seim Gewissen, sich also vernehmen lassen: »wir bekennen, daß unter dem Pabstum viel christliches Guts, ja alles christlich Gut sei und auch daselbst herkommen an uns, nämlich wir bekennen: daß im Pabstum die rechte heilige Schrift sei, rechte Tauf, recht Sacrament des Altars, rechte Schlüssel zu Vergebung der Sünden, recht Predigt-Amt, rechter Katechismus, als das Vater Unser, Zehen Gebot, die Artikel des Glaubens.« An zwe Pfarrherrn von der Wiedertaufe. Alt. Ausg. Tom. IV. fol. 375. b. 376. a.

Hergegen hätt er solch Bekenntniß 1531 schon widder ausgeschwitzet, und triebe ganz das Widerspiel, wenn er also spräch:

»Es hat zuvor Niemand gewußt, was das Evangelium, was Christus, was Taufe, was Beichte, was Sakrament, was der Glaube, was Geist, was Fleisch, was gute Werke, was die zehn Gebot, was Vater unser sei; Summa: wir haben gar nichts gewußt, was ein Christ wissen soll. Alles ist durch die Pabst-Esel verdunkelt und unterdrückt. Es sind ja Esel und große, grobe, ungelehrte Esel in christlichen Sachen.« Warnung an seine liebe Teutschen. Alt. Ausg. Tom. V. fol. 544. b. – Item ein Jahr darauf, anno 32 habe er sich schon widder anders besunnen, und belobe die alte Kirch gegen den Markgrafen Albrecht von Brandenburg just so, wie anno 28 gegen die beden Pfarrherrn. Alt. Ausg. Tom. V. fol. 965. b. Solches wär ein gräulicher Widerspruch, verdamme aber nur den Lutherum und nicht seine Sach. Freilich hätt er auf seiner Hochzeitfahrt und auch gestern allhie widder gar gräuliche Dinge gesehen von der Gerechtigkeit aus dem Glauben, aber es möchten etwan auch hie und dorten gute Früchte herfürbrechen. Denn ein jeglich neu Fürnehmen, insonderheit, wann es so groß und gewaltig als das Fürnehmen Lutheri sei, hätte immerdar auch manche Unordnunge im Geleite.

Nu, sprach der alte Dietrichstein hierauf, wir werdens ja in Erfahrung ziehen! Aber, daß wir uf andere Gedanken kommen, werthe Freund und Gesellen, so wisset, daß unfern von hier uf Neuendorf mein alter Waffenbruder, Elias von Lörmer gesessen, der ein Ausbund aller katholischen Tugenden ist. Selbigen wollen wir heimsuchen und bei ihme die Früchte vergessen, so uns das »reine, lautere Wort« bis dato gewiesen. Wir haben zusammen gefochten vor Wien, Pavia und im Bauernkrieg, und hab ich kaum ein frommen Mann, der mäßiglicher gewesen, gesehen. Keusch war er wie ein frisch geborenes Knäblein, doch dieweil seine Gesellen ihn einmal trunken gemacht, gelobete er nimmer widder, seis des Weins oder des Biers, oder sonst eines starken Getränks, das Geringeste zu genießen. Habe ihne vor etzlichen Jahren erst wieder heimbgesuchet, allwo er noch immer solcherlei Getränk verredete. War aber ein Wittwer, und hatte nur einig Töchterlein bei 14 Jahren. Darum, sprach er, hab ich Gott mein zeitlich Gut gelobet, und begunnen ein Kloster vor alle ausgesprungenen Nonnen zu bauen, so sich in Wahrheit sehnen Buße zu thun, die aber kein ander Kloster wieder aufnehmen will. Wo sollen die Würmleins hin, welche Lutherus verführet, wenn ihnen die Lust dieser Welt vergället ist, und das Gewissen kommt und an ihre Seele poltert?

Mein Töchterlein mag etwan heute oder morgen ihre Domina spielen, wenn sie es nicht vorzeucht, ehelich zu werden, was ich ihr anheim stellen will, wann sie zu verständigen Jahren gelanget ist. Ich habe uf die Dotation all mein Vermügen verwendet, und hoffe zu Gott, daß es ein gut katholisch Werk ist, so ich unternommen. – Und besahen wir hierauf des Kloster, welches dicht am Dorf auf eim Hügel am Bach gelegen und fast gänzlich schon ufgerichtet war. Alle Zellen, Refectorium, Küche, Kirche etc. waren gar räumlich und säuberlich eingerichtet, und über der Hauptporten stunden die Worte unsers Herren: Venite ad me omnes qui laboratis et onerati estis, et reficiam vos; tollite jugum meum super vos et discite a me, quia mitis sum et humilis corde, et invenietis requiem animabus vestris; jugum enim meum suave est et onus meum leve. Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. Matth. XI. v. 28-30.

Solches war uns angenehme und trabten wir lustig weiter, bis wir an ein Eck Waldes gelangeten, allwo ein Kerl saß, so der Kühe hüthete und in Lutheri Hauspostill lase. Sprach, er wäre der Pfarrherr zu Neuendorf, und als wir uns seines Handwerkes verwunderten, gab er zur Antwort: daß die undankbaren Bauern ihne zwängen umbwechselnd zu hüthen, Man sehe hierüber die eigene Aeußerung Luthers zu Anfang des 5. Briefes. und heute sein Tag sei. Könne sich Armuths halber keinen Knecht halten, und müsse darumb nur selbst in den sauren Apfel beißen. Das wär der Dank davor, daß der theure Gottesmann Lutherus das Volk von dem Pabest und seiner Tyrannei gefreiet. Unter dem Pabest hätten sie den Dienern des Teufels Alles umsonst geben, aber den Dienern des wahren Gottes gäben sie Nichtes, ja wöllten ihnen noch das Wenige nehmen, so sie hätten etc.

So thät mein Dietrichstein ganz verwundert die Frag: ob denn sein alter Freund Lörmer auch lutherisch worden, daß er seinen Pfarrherrn der Kühe hüthen ließ.

Wäre von Luthero selbsten bekehret, aber der Glaub wär ihme nur bis an die Rippen kommen, nicht an sein Herze. Läge jetzo und hätt die bösen Blattern, Die Lustseuche, welche bekanntlich damals noch unheilbar war. Denn das, einige Jahre vorher von Paracelsus erfundene und noch jetzt gebräuchliche Heilmittel war noch wenig bekannt. verrede aber das Nachtmal, soviel er ihne dazu vermahnet, und hätte davor als ein abtrünniger Bub widder zu eim katholischen Pfaffen geschicket, um ihme die papistischen Sacramenta zu reichen. Möchte auch allbereits schon todt sein, denn am Morgen, als er ausgetrieben, wär das Geschreie im Dorf gegangen, daß er fast schwach wär.

Als das mein Dietrichstein hörete, schriee er für Schmerz: du leugst verdammter Pfaff, es ist so unmüglich, daß dein Patronus lutherisch worden, als daß er die bösen Blattern hab! – Solches verdroß den Kerl und gab zur Antwort: wenn du papistische Sau das nit glauben willt, so geh zum Teufel und laß mich in Frieden! worauf er mit seim Vieh in den Busch trieb, auch nit widder umkehrete, wie sehr wir ihn baten.

Davor begegneten wir aber alsbald seinem Küster, welcher ihme in einem Essenstopf das Mittagsbrod nachtruge. Trieb erst ein groß Geschwätze, als wir ihn anredeten, von der großen Ungerechtigkeit seines Patroni, anerwogen selbiger den tummen Schneider Müller zum Pfarrherrn erwählet; hergegen ihne den Küster spielen ließe, obschon er gelahrter in der Schrift wär, als der tumme Schneider, wie auch die ganze Gemein sage. Und müsse er dem geizigen Schelm nur das Essen nachtragen, weil ihme die Gemein solch Officium in der Mittagszeit bei allen Bauern auferleget, wovor er von einem Jeglichen zu Weihnachten eine Wurst überkäm; sonst würd er sich hüthen, etc.

Als der Kerl uns letzlich nu auch zu Worte kommen ließ, bestättigte er leider Gottes die Sag, so sein Priester gethan, und als dem alten Dietrichstein die Thränen herfürbrachen und er schluckende sprach: aber wie ist es müglich, daß er die bösen Blattern hat? gab er zur Antwort: das macht die papistische Werkgerechtigkeit, worauf er gebauet. Hat allhie ein Kloster fundiret vor ausgesprungene Nonnen, worüber jeder hirnhabende Mensch in der ganzen Gegend sein Gespötte trieb. Denn es fanden sich bald an die 12 Metzleins, wovon er eine, Clara von Bittboch geheißen, zur Abatissa machete, etwan weil sie ihm die frömmste schien. Aber sie trug noch das reine, lautere Wort im Herzen, und war nur von allerlei Noth gezwungen, widder die Nonn zu spielen. Summa: selbige Nonn bekehrete ihn alsbald zu dem neuen Glauben, also, daß er auch selbsten gen Wittenberg gewest ist. Als das die andern Nonnen verspüreten, wollten sie auch Bekehrer haben (Ihr verstehet schon, sprach er lachende, was ich sagen will) und lagen diese Haderkatzen sich alle Tage in die Haare, balgeten sich oftermalen am hellen Morgen auf dem Klosterhof, also, daß es ein Gräuel zu sehen war. So ging das Ding ein Weil, bis der Patronus ein groß Stück Geldes vor die Bauleute überschickt bekam, dieweil er selbigen noch was Rechtes schuldig geblieben.

Mein Metzlein hatt es aber kaum verspüret, nahm sie bei Nacht und Nebel das Geld und lief zum Teufel, worauf er im Zorn die andern Nonnen mit der Hetzpeitschen auch zum Teufel jagete, und Nichtes zum Dank gewonnen als die böse Krankheit, womit die Metze ihn beschenket.

Aber da möget Ihr es mit Händen greifen, welch ein Gräuel unserm Herrn Gott die Werkgerechtigkeit ist, daß er sie also strafet an diesem elendigen Menschen. Und dennoch ihr Herren, ist er so verstocket und verblendet, daß er, wie man spricht, ich aber unmüglich gläuben kann, auf seim Todtenbette widder zum Pabstthum umkehren will, obschon er am besten weiß, wohin ihne die papistischen Werk geführet. Gläubs wers will, ich gläubs nicht, daß ein Mensch so tumm sein kann! –

Hatt mein Dietrichstein nicht geseufzet, so begann er jetzo zu seufzen, sprach: wir müssen hinauf reuten; ich muß ihn selbsten sehen, obs etwan doch noch ein böser Leumund wär.

Aber an dem Kloster sahen wir schon, daß hier in Wahrheit Wunderliches fürgefallen. Die Hauptporte stund weit offen, und stach aus selbiger die Deichsel von eim Wagen herfür. Aus eim Fenster unten hatt eine Kuh den Hals gestrecket, und im oberen Gaden flogen die Tauben auch durch die zuschlagenen Fenstern aus und ein. Eine Burg war nicht fürhanden, sondern ein alt verfallen Haus mit Stroh gedecket, aber Niemand auf dem Hof, weder drinnen zu sehen. So ließen wir unsre Pferd von unsern Knechten halten, und dieweil wir das Geschrei von eim Weibe hören, gehen wir selbigem nach, sehen aber zu unserm Entsetzen ein jung, fast nacketes Weib, gar schön von Gestalt mit gelben, langen Haaren, so wie ein Mantel über ihre Blöße walleten, an einer Ketten mitten in der Stuben liegende. Da prallen wir zurücke, hergegen sie an der Ketten uf uns einspringet, wie ein wildes Thier, die Zähne fletschet, und schreiet, als laut sie kann, inwährendem sie mit dem Finger uf Dietrichstein weiset: ja kumm nu her, du schandbarer, feister Luther, ich friß dich auf mit meinen Zähnen!

Darumb schlugen wir die Thüre wieder zu, als bald wir konnten, und klopften auf der anderen Seiten, wo uns eine Stimm entgegen scholl: »seid Ihrs lieber Herr Pfarrer? ach Gott, wie lange hab ich mich nach Euch gesehnet!« – Die Stimm kam aber von dem elendiglichen Lörmer, welcher im Bette lag mit blöden Augen, sein Antlitz und insonderheit die Näs mit schwarzen Pflastern bedecket.

Da hob der alte Dietrichstein abermalen an zu schlucken und gab mit gebrochener Stimmen zur Antwort: ich bin nicht der Pfarrer, ich bin dein alter Waffenbruder Franciscus v. Dietrichstein; ists möglich mein Elias, was ich von dir gehöret, ists möglich; ich kanns nicht gläuben! Ja, es ist alles wahr, gab der Kranke mit heiserer Kehlen zur Antwort. Ich hab zum Lohn vor mein Lutherthum die bösen Blattern empfangen. Ach Luther, Luther, wehe, wehe!

Ille: Und wärest ehender so keusch als ein frischgeborener Knabe.

Hic: Ja Bruder, aber ich wachete und betete, wie der Heiland lehret, und betäubete und bezähmete meinen Leib mit St. Paulo; aber seit ich in Satans Schule gelernet: daß keine Werk uns seligen, wie gut sie wären, und hinwider keine Werk uns verdammeten, wie böse sie wären, besondern allein der Glaub uns selige, ward ich alle Tage lasser, bis mir jetzo der Herr den verdienten Lohn gegeben. Ach Luther, wehe, wehe, Luther, Luther!

Hierauf kunnte mein Dietrichstein weiter nichtes herfürbringen für lautem Schlucken, als daß er abermalen ausrief: wie ists müglich, wie ists müglich, mein Elias! Da sprach der arme Lazarus: wies möglich sei höre dies Exempel mein Bruder: In meiner Vaterstadt war ein Spittel vor alte Leute, und mußte sich ein jeglicher, ders gut haben wollte in seim Alter, mit etzlichen Gülden hineinkaufen. Umsonst kam Niemand hinein, obschon man Etlichen einige Gülden davon zu schenken pflegete, wann sie einen guten Fürsprecher hatten. Darum kams, daß ein Jeglicher der ins Spittel wollte, in jungen Jahren spaarete, und sichs oft an der Kost abdarbete, damit er nur den Kaufschilling gewänne. Als die gute Stadt nu luthrisch wurd, sprachen die neuen Spittelväter: es wär ein papistisch, geizig und ärgerlich Ding, die Leut nur vor Geld ins Spittel zu lassen; hergegen ein recht evangelisch Werk auch derer sich zu erbarmen, die Nichtes hätten und Nichtes brächten. Was geschah? Als das Volk dieses hörete, spaarete Niemand mehr, und die, so sich einen Schatz gesammelt, vergeuteten ihn alsbald, wie der verlorne Sohn, jubilireten und sprachen: »wir kommen nu umsonst in den Spittel, Eia, lasset uns fröhlich sein!«

Aber der Fürst war anderes Sinnes, und nachdeme er vergeblich das unartige Volk bedräuet, verschloß er in seinem Zorn den Spittel gänzlich, also daß Niemand mehr hinein kunnte. Merket ihr Herren: der Spittel ist das Himmelreich, der Kaufschilling seind die guten Werk, die fürsprechen, wann etwan ein Dreierlein fehlet, sind Christus und seine Heiligen, die neuen Spittelväter sind die lutherischen Prädicanten, das Volk ist die Christenheit, so jetzt all überall mit mir armen Thoren seinen gesammelten Schatz wieder vergeutet. Der zornige Fürst aber der den Spittel verschleußt, ist der gerechte Gott. Merkestu jetzo mein Bruder, wies müglich? Die Sünde stecket in uns Allen, wie das Unkraut in der Erden und raufestu es nit aus und sprichst: es schadet nicht, wird es bald das gute Pflänzlein, so du gesäet, ersticken.

Als er solches gesaget, schriee das elendige Mägdlein uf der anderen Seiten wieder also in die Höhe, daß die Fenster schwirreten, worauf der arme Lazarus die trögen Arme gen Himmel hube und also zu schlucken begunnte, daß ein Stein in der Erden sich hätte vor Jammer umkehren mögen.

So riefen wir nu alle drei ebenmäßig: was ists mit dem elendigen Maidlein, so in der anderen Stuben gar nacket an einer Ketten lieget, und abereins so gräulich schreiet?

S' ist mein einzig Kind, sprach der arme Lazarus, und machet das erschröckliche Gericht Gottes über mich also erschröcklich, daß Job gegen mich ein glücklicher Mensch zu preisen! – Denn Job verlor seine Kinder und seinen gesunden Leib unschuldig, ich aber hab mein Kind und meinen gesunden Leib durch meine Schuld verloren. Ach Luther, Luther, wehe, wehe! ihr Berge fallet über mich, und ihr Hügel bedecket mich, es ist zu viel und nimmer ein Mensch, wie ich gestrafet! Also klagete er lange Zeit, bis er wieder in etwas ruhig wurde und sprach: Als mich der Teufel trieb gen Wittenberg zu diesem Seelenmörder zu reisen, nahm ich mein Töchterlein Helene auch mit, so eine schöne Jungfer bei 19 Jahren war. Da kartet es Satan, daß Melanchthons ältester Sohn sie lieb gewinnet, sich heimlich mit ihr verlobet, und sie Beede mit ihrem eigenen Blut auf eim Zeddul sich ewige Treue und Liebe schwören. Letzlich kam ich hinter den Handel und willige, wiewohl ungerne ein. Auch Melanchthon läßt einen Brief an mich laufen, worin er seine Einwilligunge giebet. Aber was geschieht? Der thürstigliche Luther hatte just eine Fehde mit den Juristen und dem Konsistorium zu Wittenberg, dieweil sie die heimlichen Ehgelübde gebilliget, auch Einem, Namens Caspar Beyer gestattet, uf solch heimlich Gelöbniß seine Braut zu ehelichen.

Darüber ergrimmet der Münch, schreiet: es wär papistischer Sauerteig, kanzelt seine eigenen Juristen abe Man sehe den Brief Luthers an den Kurfürsten Johann Friedrich vom 22. Jan. 44 und die folgenden, worin sein trotziger Hochmuth ihn dieß Alles selbst erzählen läßt. Bei de Wette V. 611 ff. Die Hauptursache seines unversöhnlichen Zornes war aber wohl: weil die Juristen seine widerspruchsvollen Schriften spottweise »Catönichen« nannten, und sie ungeeignet zur Entwerfung eines besondern Kirchenrechts erklärten., nennet sie papistische Säu, Lotterbuben, Sophisten etc., es sölle hinfüro kein heimlich Gelübde mehr in seiner Kirchen sein, die Aeltern möchten nachgehends einwilligen oder nicht, es blieb ihme gleich; sobald ein heimlich Gelübd füraufgangen, würde Nichtes aus der Hochzeit, schläget darauf ein Knippslein mit dem Finger, und schreiet wie besessen und als laut er kann von der Kanzel: Ich Martin Luther, Prediger dieser Kirchen, nehme dich heimblich Gelübd und den väterlichen Willen so darauf gegeben, sammt dem Pabest, deß Geschäft du bist, und dem Teufel der dich gestiftet hat, koppel euch zusammen und werfe euch in den Abgrund der Höllen, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Solches Alles wissen wir nicht, setzen den Hochzeitstag an, und kommen auch alle Gäst und wünschen der Braut Glück, aber der Bräutigam kömmet nicht, weder sein Vater Magister Philippus. Davor läuft ein Brief von Luthero mit eim Boten ein, worin er diesen Ehebund, weilen ein heimlich Gelübd füraufgegangen, verfluchet, vermaldeiet und in den Abgrund der Höllen verwünschet; auch mein Töchterlein ihren Blutbrief zurissen, und ich sprich nicht womit sonsten besudelt, zurückesendet; ja der Bote sprach: er hätte Vater und Sohn geprügelt, dieweil sie nicht von dem Handel hätten lassen wöllen, und letzlich den Sohn bedräuet: ihne von der Oberkeit einsperren zu lassen, wenn er nicht den Blutbrief meines Töchterleins widder herfürlangete. Dieser That rühmt sich der große Reformator noch in einem lateinischen Briefe vom 4. Ang 44 an Joh. Lang mit folgenden Worten: So habe ich den Sohn des Magister Philippus, der sich mit schrecklichem Eide einem Mägdlein verpflichtet ( adstrinxisset) mit Dreistigkeit ( fiducia) losgesprochen, so den Herzog Ernst von Braunschweig an unserm Hofe ( in aula nostra) losgerissen, der das Eheversprechen mit seinem eigenen Blut, außer den hinzugefügten Schwüren geschrieben hatte. Bei de Wette V. 676. In dem eben angezogenen Briefe an den Churfürsten setzt er noch hinzu: daß er große Mühe gehabt den Mag. Philippus und sein Weib von der Hochzeit abzuwenden, oder vielmehr abzuschrecken. So handelte derselbe Mann, welcher früher gelehrt hatte: Heirathen sei nöthiger denn Essen und Trinken, Fegen und Auswerfen, Schlafen und Wachen! Vom ehelichen Leben Altenb. Ausg. 11. fol. 209. a. Wäre der Fürfall ein halb Jahr später geschehen, als er sich allbereits mit den Juristen verglichen, hätt er sicherlich seine Einwilligunge gegeben, wie bald darauf dem Caspar Beyer Als endlich die Juristen Luther darin nachgaben, daß fortan alle heimlichen Ehegelübde verworfen werden sollten, ließ er sich die Hochzeit dieses Beyer gefallen, gegen welche er früher so entsetzlich geeifert hatte, ja lud ihn selbst in einem lateinischen Briefe vom 27. Jan. 45, mit seiner Braut ein, der so schmeichelhaft ist, daß weder De Wette noch ich ihn begreifen können, da Falschheit keineswegs in dem Charakter Luthers lag. Man lese diesen Brief selbst a. a. O. S. 721. Was aber seine, auf Verwenden des Churfürsten mit den Juristen geschlossene Versöhnung anbelangt; so war sie nur scheinbar; denn noch kurz vor seinem Tode nahm der fürchterliche Mann seinem Sohn Johannes das Versprechen ab: kein Jurist werden zu wollen. »Denn wo ich wüßte, fügte er hinzu, daß du wolltest ein Jurist werden, wollte ich dich über die Elbebrücken in die Elbe stürzen und ertrinken lassen, zweiffelte auch nicht, ich wollte diese Sünde eher gegen Gott verbeten, denn, wann ich dich ließ wider meinen Willen ein Juristen und Schalk werden. Ratzebergers Leben Luthers, herausgegeben von Neudecker. S. 136. Der Sohn versprach es 3 mal kein Jurist werden zu wollen, ward aber dennoch Jurist – der würdige Sohn eines würdigen Vaters!, nu aber mußt mein arm Kind seinen Zorn auf selbige mit dem Wahnsinn büßen. Denn als sie ihren zurissenen und besudelten Blutbrief wieder sahe, fiel ihr gleich das Haupt mit dem Myrthenkranz auf den Busen. So saß sie ein Weil, und als sie letzlich das Haupt wieder aufrichtete, war sie tobsüchtig, mußte noch an ihrem Hochzeitstag und in ihrem Hochzeitspracht an Händen und Füßen gebunden werden, dieweil sie gleich anhub, sich die Kleider vom Leibe zu reißen, was sie auch jetzunder noch thut, wenn sie freie Hände hat.

Als wir uns nu Alle entsetzten, sprach er weiters: aber meinet Ihr, daß das Gericht Gottes über mich elendesten Wurm der Erden hiemit zu Ende sei? Mit nichten! Ich kann keinen katholischen Priester gewinnen, um mich von meinen Sünden zu absolviren, wie sehr ich darumb bestrebt gewest, und muß dahero gläuben, daß der Herr mich ganz in seinem Zorne verworfen, und ich hier zeitlich und dort ewiglich geplagt werden soll. Aber auch das ist leider meine Schuld, meine große, große, schwere Schuld! Denn wisset ihr Herren, daß ich zu meinem und ihrem Verderben auch alle meine Unterthanen lutherisch gemachet, und um an dem Pfarrgut zu lucriren, einen Schneider hab zum Priester einsetzen lassen. Darum versaget mir Jeglicher den Dienst, einen katholischen Priester zu rufen; spricht: er wölle mich nicht mit Leib und Seelen zur Höllen fahren lassen, ich sölle doch bei dem Schneider zum Sakrament gehen. Und, wenn Etliche auch durch mein vielfach Bitten sich bewegen lassen, daß sie ja, ja! sagen, gehen sie doch hinaus und lassens unterweges. Hiezu kömmt, da ich mich nicht rühren kann und mein Töchterlein unsinnig ist, daß das böse Volk mir Alles stiehlet und fortträget, selbst aus der Stuben, worin ich liege. Haltens für keine Sünde, dieweil der Glaub allein selig macht und nicht die Werke, wie der Pfaff ihnen alle Sonntage fürschwatzet. Urtheilet nun ihr Herren, ob es einen elendigeren Menschen als mich geben kann, und ob die Hand Gottes in Wahrheit nicht schwerer auf mir ruhet, dann weiland auf dem armen Job?

Da sprach Er Johannes Forst: so freuet Euch, ich bin ein katholischer Priester!

Als das der arme Lazarus hörete, brache durch seine blöden Augen ein heller Strahl, hub auch an so freudig zu lächeln, daß das Pflaster auf seinem Antlitz verrucket ward, und wir zu unserm Entsetzen die nackte Todtennase sahen, in währendem er die dürren Arme herfürstreckete und rief: seid Ihr ein Priester, so erbarmet Euch und höret meine Beichte, und spendet mir die heiligen Sakramente, denn ich fühl, daß ich etwan noch heute oder morgen sterben werd.

Hierauf gab Er Johannes zur Antwort: da möget Ihr sehen, daß unser Herr Gott vor Euch elendigen Lazarus gesorget, und Euch mit nichten ewiglich verstoßen will. Denn ich würde Euch nit haben helfen können, wenn es mir nicht eins und abereins wie durch eine göttliche Eingebunge beigegangen wäre: nimm deine priesterlichen Kleider und etwas Chrysam, auch etzliche geweihte Hostien mit auf deine Reis', wenn etwan unterwegs auf der Landstraßen ein Sterbender läg, oder sonst in lutherischen Landen ein Mensch eines Priesters begehrete, sein aber gleich wohl nicht mächtig werden könnte. Und so hab ichs denn gethan und will Euch helfen, obschon ich selbsten ein armer Sünder bin, und dem Luthero in allerlei Dingen das Wort geredet hab. Aber, Dank sei Gott und seiner heiligen Mutter! durch Eure Krankheit bin ich gesundet, und von dem Krebs der neuen Gerechtigkeit geheilet! Als er solches geredet, ließ er sein Felleisen abschnallen, und machete sich bereit dem armen Lazarus das Zehrgeld in die Ewigkeit zu reichen, inzwischen wir andern Beede auf dem Hof, und sonsten umhergingen, und Nichtes denn Unordnunge und Verwirrunge trafen. Schaueten auch noch einmal durch das Fenster nach dem elendigen Mägdlein, welches dasaß ihr Haupt auf die Brust geneigt, aber als sie unser entwahr wurde, abermalen zu schreien und auf uns loszuspringen begunnte, wie eine wilde Katz, also daß ihre Ketten klangen.

In Summa: was soll ich des erbärmlichen Abschieds gedenken, wo beede Waffenbrüder wie die Kinder weineten? Wir ritten, alsbald der Priester fertig, unserer Straßen, und wollt ich, als wir fürs Dorf kamen, das Roß widder umwenden, bat auch die anderen es zu thun, anerwogen wir genug gesehen und gehört, umb in unserer heiligen Kirchen zu bleiben. So war Er Johannes es auch zufrieden, aber mein Dietrichstein wollte nicht. Sprach: das wär ein halbgethan Werk; und obschon er klug wie wir worden wär, wöllten wir doch weiter ziehen, um diesen wüthenden Seelenmörder, verstehe den Lutherum gänzlich kennen zu lernen, und nachgehends gegen Männiglich, so zweifelmüthig worden wär, ein desto gewisser Zeugniß ablegen zu können. Denn dieses thäte im Lande zu Oesterreich jetzunder wie überall noth, anerwogen, wie er aus gutem Munde wisse, selbst in Wien der Fürfall sich ereignet, daß das Volk einem Priester, der mit dem Hochwürdigsten zu eim Kranken gewollt, fast gesteiniget hätte. Dahero auch schon König Ferdinandus mehre Mal die Priester, so zum Kranken mit dem Sakramente gingen, mit bloßem Schwert begleitet. Hormayrs Denkwürdigkeiten. Wie sehr sich in der That auch in Oesterreich die reformatorischen Ideen verbreitet hatten, ergab nach demselben Verfasser die Visitation der Klöster vom Jahr 1563, wo man 122 noch bewohnte neben vielen verlassenen fand, ingleichen 436 Mönche mit 55 Ehefrauen, 199 Concubinen, 160 Nonnen, 443 Kinder.

Aber ich wollte das Mitreuten abermalen verreden, worauf Herr Franciscus das Widerspiel versuchete, und anhub mich mit meiner jungen Frauen zu närrende. Solches half; denn ich schämete mich, ich tummer Narr und folgete ihm. Ach, daß ich ihm nicht gefolget und umgekehret wäre! – Annoch will ich allhie gleich notiren, eh ichs aus meim Kopf kriege, daß wir bei unserer Heimkehr erfuhren: der arme Lazarus wäre bald nachhero auch in Wahrheit gestorben, und sein elendiglich Töchterlein zweien Tage darauf in einer kalten Nacht erfroren, inmassen man vergessen, ihr Zimmer zu heizen. Besahen auch das eine Grab, in welches sie Beede geleget waren, und thäten unser Gebet davor. Gott sei ihrer armen Seelen gnädig! Amen.

Unterweges sahen wir fast aller Orten viele Verwilderungen des Volkes, aber nicht allein bei den Lutherischen, sondern auch bei den Unseren, welche durch das böse Exempel verführet waren, daß sie nu auch allerlei Freiheit begehreten, welche ihnen ehender nie in den Sinn gekommen, und anhuben des Bauches mehr denn der Seelen pflegen, sprechende: können die andern ohne Werke selig werden, können wirs auch. Doch will ichs überwischen allhie, dieweil es nicht sonderlich Neues war. Aber eines Fürfalls muß ich gedenken, anerwegen er uns ein groß Lachen erweckete.

Kamen also durch einen Markt an der Baierschen Gränzen, ich sprich nicht mehr wie er geheißen, allwo auf dem Kirchhof ein Priester in seiner Reverende stund, der einen halbgewachsenen Jungen bei 10 Jahren über ein Leichenstein geleget, und deme er hinten aufzählete und bei jedem Schlag rief: das ist der Unterscheid du böser Schelm, wie zwischen asinis und asinabus, kennest du nun den Unterscheid? So brüllete mein Junge immer dazwischen, als laut er kunnte, ja ja! inwährendem mein Priester aber nicht müde ward, sondern schriee: ich muß ihne dir aber noch besser festkloppen. Der Unterscheid ist, wie zwischen asinis und asinabus! immer tapfer hauende, worüber Schulmeister und alle Jungen, so den Kopf über die Kirchhofsmauer gestrecket, sich schier zu Tode lachen wollten.

Da hielten auch wir unsre Roß an und riefen dem Priester zu: was allhie sich ereignete, daß er den Buben so hart züchtige.

Ja, gab er zur Antwort: erstlich muß ich wissen, ob Ihr von den Unsern, oder ob Ihr lutherisch seid?

Und als wir ihme Auskunft gaben, ließ er den Jungen fahren, trat an die Mauer und raunete uns halblaut entgegen, daß die Umständer es nicht hören sollten: ich bin der Pfarrer allhie, und hab etzliche junge Alumnen, so nachgehends Priester werden wollen, umb mich gesammlet, die ich nebst einem Praeceptor in allerlei schönen Künsten unterweise, anerwegen unsere Schulmeister Die sogenannten Humanisten, welche den meisten Geistlichen an Kenntnissen überlegen waren und sie wegen ihres Einflusses, ihres Ranges und Reichthums ebenso beneideten als haßten, erklärten sich im Anfange fast sämmtlich für die Reformation, und förderten sie gleichfalls nicht wenig. heut zu Tage die liebe Jugend nur mit heidnischen und lutherischen Gräueln erfüllen, und dahero diese böse Zeit aller Orten durch so viel böse Priester fördern. Und glaubte ich alle meine Schäflein so bewahret zu haben, daß sie nie kein unnütz Wort hören noch reden. Da begiebt es sich, als sie heute unter Mittag auf dem Kirchhof sich greifen und die deutsche Schul auch aus ist, als vor welcher ich sie immer kräftiglich geschützet, dieser böse Bub, den ich bis dato mit vor den besten gehalten, den Kopf über die Kirchhofsmauer stecket, und einen deutschen Schüler bittet, ihme doch zu sagen, wie der Unterscheid zwischen einer Jungfer und eim Junggesellen geschaffen? Darüber komme ich nu zufällig hinzu und habe ihme den Unterscheid erkläret, wie meine Herren gesehen, hoffe auch, er soll ihn im Leben nicht widder vergessen. – Dieses ist der ganze Handel.

Als wir nu lachende unserer Strassen ritten, begegnete uns alsbald ein groß Hauf Bettler, Männer, Weiber, Kinder, worunter ein langer Kerl in eim rothen Rock, und mit einer großen Narben über sein Maul. Hatten alle Rosenkränze in Händen, beteten laut das ave Maria und das Vater unser, wie die Wallfahrer einhergehende, und möchten wir doch um der lieben Heiligen willen ihnen eine Verehrung thun. Gott sei gelobet, daß sie endlich widder in ein katholisch Land gekommen! Die bösen Lutherischen hätten sie aus Düringen von wegen ihres allerheiligsten Glaubens vertrieben etc. So gläubeten wir ihnen und bedachten sie fleißig, aber was geschieht schon nach wenig Tagen? siehe, als wir ins Mandsfeldische kamen (denn wir mußten hindurchreuten, weil die Saala in dem Spaatjahr fast überall aus ihren Ufern getreten, item auch Er Johannes gar gerne seinen Bruder heimsuchen wollte, der ein Heidereuter bei Artera war, begab es sich, als wir bei selbigem Bruder in eim großen Dorf, so lutherisch war, angeländet und genächtiget hatten, daß dieselbe Bande, so wir ehender angetroffen, den rothen, langen Kerl an der Spitzen, ins Dorf gezogen kam, aber ohne Rosenkranz. Sungen Lutheri Liedel: nu freut euch lieben Christen g'mein. Und als sie bei dem Versch kamen:

Mein guten Werk, die galten nicht,
Es war mit ihn' verdorben,

hielten sie ein Weil inn, und erhoben erst ein laut Gelächter, worauf sie, als das Liedel beendet, um Gottes willen baten, ihre Armuth zu bedenken. Sie kämen aus Baiern, allwo die papistischen Hunde sie um des reinen, lauteren Wortes willen, so sie liebgewonnen, erbärmlichen vertrieben, daß sie arme Leut worden wären etc.

Da sahen wir recht klärlich, wie verderbet das Volk überall durch den neuen Glauben worden, was der Heidereuter bestätigte und sprach: Niemand könne sich mehr und insonderheit auf der Grenzen für Bettlern bergen. Kriegten sie Nichtes, so setzten sie den Leuten zur Nacht den rothen Hahn auf das Haus oder thäten Menschen und Viehe etwas Böses an, kriegten sie nit genug, so verhöhneten oder verspotteten sie noch dazu den Geber, oder trieben ihne gar mit Steinwürfen von dannen. Darumb gäbe jeder aus Furcht, was er könne, und wäre heut zu Tage für alles faule Gesindlein kein besser Handwerk, denn der Bettelsack. Lebeten herrlich und in Freuden, und hab er selbst gesehen, daß ein solch Hauf sich in der Heiden ein lustig Feuer angemachet und Eier gesotten, nachgehends das Weiße abgeschälet und mit den Worten wegkgeworfen: das ist die papistische Gerechtigkeit, die freße der Teufel, worauf sie das Gelbe allein ins Maul gestochen, sprechende: aber das ist die Gerechtigkeit aus dem Glauben allein, die schmecket besser.

Doch wie's zu verwundern, daß das Volk also böse worden; die Herrschaft wäre ja noch ärger. Ach wehe, wies dem armen Lande inwendig weniger Jahre ergangen! Es wäre ehender Sprichwort in Sachsen gewest: glücklich wie in Mansfeld, anjetzo müsse es heißen: unglücklich wie in Mansfeld.

Denn die lutherischen Grafen wären alle durch den neuen Glauben also verderbet, geizig, tyrannisch und versoffen Siehe Luthers Brief an den Grafen Albrecht von Mansfeld voll der traurigsten Vorwürfe über seine Sittenveränderung bei de Wette a. a. O. V. 512. vergl. S. 445. worden, daß sie die Unterthanen fast unmenschlich drängeten und sich selbsten in den Haaren lägen, von wegen ihrer Gränzen und Staaten, wie wir auch wohl schon gehöret haben würden.

Und als wir es verneineten sprach er weiters: daß allhie besagte lutherische Grafen ihren Unterthanen frank und frei ihre Güter und Erbsteuer in denen Bergwerken wegknähmen, so man ihnen vor Alters zum Lehen gegeben. Solches sucheten die katholischen Grafen Ernst und Hoyer zu wehren, aber die beeden Lutherischen wollten von Nichtes wissen, sondern die Erbsteuer nunmehro vor eigene Kosten verwalten lassen, wodurch allbereits hundert arme Leute worden wären, so Lutherum als ihren Landsmann, schon öfter um seinen Beistand angerufen. Aber es habe Nichtes verfangen wollen, ja man spreche, obs wahr sei wisse er nicht, daß Graf George, als er sich vollgesoffen und in Dr. Melchior Klingens Hause zu Wittenberg in der Herbergen gelegen, zwar am andern Morgen, als er widder nüchtern worden, die Vermahnungen angehöret, so ihm Lutherus, als sein Landskind gegeben, aber alsbald selbigem den Rücken gewendet, sein gespottet und ausgerufen, als Lutherus noch nicht aus der Stuben gewesen: »Geck, Geck, was soll der Doctor von diesen Sachen verstehen? Es gehet mich gleich so viel an, als pfiff mich eine Gans an. Ratzeberger a. a. O. S. 128 ff. Item wären diese lutherischen Grafen so schlimm, daß sie Tag und Nacht söffen, und als Lutherus einmal drüber zugekommen und gesehen, daß sie den Wein aus Muthwillen in den Zimmern herum so häufig vergossen, daß er die Treppe herabgelaufen, habe selbiger gesaget: auf dieses Begießen werde schon das Gras wachsen. Arnold unpartheiische Kirchen- und Ketzerhistorie T. II. S. 54. Und dennoch sei besagter Lutherus etwan vor 6 Wochen mit Magister Philipp In Eisleben gewesen, um die gevetterten Landesherrn widder mit ihren Unterthanen und unter sich zu vertragen; aber da es vergeblich gewest, habe Graf Albrecht sein abermals vom Kurfürsten von Sachsen begehret, und hieße es, er müge etwan alle Tage wiederkommen. Würde aber auch nichts verfangen, denn Graf Albrecht wäre der schlimmeste. Habe bereits auch vor, alle Juden zu vertreiben, alldieweilen Lutherus die Christen ja aufgefordert ihre Schulen mit Feuer zu verbrennen, ihnen die Bibel zu nehmen, ihren Gottesdienst ihnen bei Todesstrafe zu verbieten, item sie zu plündern und nachgehends aus dem Lande zu jagen. Besonders in der schmachvollen Schrift »vom Schem Hamphoras« (Altb. Augsb. VIII. fol. 281. b.) Noch wenige Jahre vor seinem Tode, auf der eben gedachten zweiten Reise nach dem Mansfeldischen, wurde seine Wuth gegen die armen Juden wieder aufs Neue angestachelt, weil er Ausgangs Januar (ich unterstreiche das Wort mit Fleiß) durch ein Judendorf dicht vor Eisleben gekommen und »ihm ein so kalter Wind durchs Barret gegangen sei, als wollt er das Gehirn zu Eis machen.« Diesen Wind haben nach seiner Meinung die Juden erweckt, und darum, so fährt er in dem Schreiben an seine Hausfrau vom 1 Febr. 46 bei de Wette V. 610 fort: und darum, wenn die Hauptsachen ausgeschlichtet wären; so muß ich mich daran legen, die Juden zu vertreiben. Graf Albrecht ist ihnen Feind und hat sie schon Preis gegeben, aber Niemand thut ihnen noch nichts. Wills Gott, ich will auf der Kanzel (!) Graf Albrecht helfen, und sie auch Preis geben.«
So weit Luther, und frage ich mit Recht: ist hier die rachsüchtige Bosheit, oder die abergläubische Dummheit größer? –

Wiewohl nu Graf Albrecht nichts thäte von dem, was Lutherus lehre, wölle er doch hierin gar thürstiglich seine Lehre befolgen, und wären alle Jüden in großer Angst und Sorgen, dieweil sie ihn genugsam kenneten. –

Als wir das höreten, und wie der Lutherus bald widder gen Eisleben kam, beschlossen wir am anderen Morgen zeitig aufzubrechen, ob wir ihn etwan noch einholeten, und nachdeme als Er Johannes Forst ein brünstig Gebet gesprochen, dieweil es der heilige Abend für Weihnachten war, gingen wir zeitig zur Ruhe.

Aber ich konnte nit einschlafen, wachete und wachete bis an die eilfte Stund, allwo ich ein wunderlich Gespräch in dem anderen Stüblein vernahm, in welchem der lange rothe Kerl mit der Schmarren, und wie es sich nachgehends ergab, noch zween andere Kerls lagen, dieweil der Heidereuter ebenmäßig den Krüger spielete; das andere Volk lag draußen auf der Dielen, oder etwan bei den Nachbaren umher.

Denn der Schmarrenkerl trat in die knarrende Thür und sprach: jetzt muß die 11te Stunde da sein. Denn ich hab überall umher gesehen, ob das Viehe schon ufgestanden, um den Heiland der Welt zu empfangen. Und im Haus und in den Ställen ist alles auf den Beinen, Pferd und Kühe, Schaafe, Hunde, Gänse, ja die Hühner und Enten sind ufgestanden zur Ehre des gebenedeieten Weibessaames, der in dieser Nacht von der Jungfrau Maria geboren ist, und nur die Säue liegen, wie sie denn auch immer pflegen. ein poetischer Volksglaube damaliger Zeit. Darumb lasset uns nu das allerböseste Werk fürnehmen, so mag erdacht werden, und das Bilde Lutheri beschwören, daß er binnen wenigen Tagen des Todes sein muß, und wir selig werden ewiglich. Halte das Bilde Peter, Niclas kann es stechen, und ich werd's beschwören.

Da merkete ich gleich, daß die Bestien ein opus magicum mit dem Bildniß Lutheri fürnehmen wollten; was aber der Kerl von dem allerbösesten Werk gesprochen, gläubete ich: er hätt sich verredet, und etwan sagen wöllen, das allerbeste Werk.

Darumb ging mir gleich bei: wenn ihr das Bilde hättet und es dem Luthero fürwieset, würd ers Euch großen Dank wissen, anerwogen Niemand abergläubischer ist denn er, und ja selbsten gesprochen: der Teufel wäre öfter umb ihn, als seine Käthe. Weckete also die Anderen, so meinen Einfall verjaheten, und dieweil wir unabgekleidet im Heu lagen, zündeten wir flugs ein Lichtlein an, und sprungen alle 3 mit blanken Schwertern in das hintere Stüblin, allwo ein Kerl auch in Wahrheit ein Wachsbilde hielt, und ein zweeter es mit einer Nadel prickelte, in währendem der Schmarrenkerl ein magisch Hemde umbhatte und dumpfe Worte mümmelte. –

Da schrie ich gleich: was willtu böse Bestia mit dem Bilde Lutheri machen? Gieb mir das Bilde, oder ich haue dir die Schmarren über dein Maul abermalen auf, daß sie nur in der Gruben dir wieder zuheilt.

So gaben nu die bösen Zäuberer, dieweil sie keine Waffen hätten, uns das Bilde, worauf Er Johannes sie ermahnete, von so losen Werken abzustehen. Denn wenn der Tod Lutheri auch von tausend und abertausend katholischen Christen gewunschet würd, hätte Niemand nicht das Recht ihm diesen Tod anzuthun, als Gott allein, der ihn schon finden würde, wenn es Zeit wär. Auch wärs ein schnöder Aberglauben, so sie fürhätten, und ein unmöglich Ding, ein Menschen in seim Bilde todt zu zäubern, und wärs müglich, werde die Straf des gerechten Gottes vor so große Missethat nimmer ausbleiben.

Darüber lachete mein Kerl und gab zur Antwort: er sähe, wir wären noch blinde Papisten, so die guten Werke belobeten und sprächen: je besser das Werk, je größer die Seligkeit, da doch ganz das Widerspiel in der Schrift stünde; denn je böser das Werk, welches wir thäten, je lieber würden wir Christo, je größer würde unsere Seligkeit, wie wirs denn klärlich an dem armen Schächer sähen, als welcher nicht durch seine guten, sondern durch seine bösen Werke in den Himmel gekommen, item an dem losen Metzlein Maria Magdalena, von welcher der Heiland ja selbsten gesaget, daß sie viel geliebet, und ihr darum viel vergeben würde, item an St. Paulo, welcher ein noch böser Werk vorgenommen und St. Stephanum zu Tode steinigen helfen, davor aber auch den größesten Lohn unter den Aposteln gewonnen, und blos St. Peter wäre ihm fürgegangen, denn St. Petri Werk »die Verläugnung seines Herrn,« wäre das allerböseste gewesen, so die Creatur hätte fürnehmen können, und eben darum wär auch sein Lohn der allergrößeste worden, und Christus hätte ihn zu eim Fürsten der Apostel erkläret. Wär aber Judas nit ein so grober Esel gewesen und hätte sich erhenket, hätte er nach der Auferstehung sicherlich St. Petro den Lohn für der Nasen weggeschnappet. Ursach von dem Allen wär, weil jedes gute Werk, so wir thäten, uns hochmüthig mache, was Gott ein Gräuel wär, hergegen jedes böse Werk demüthig, was Gott angenehm wär, anerwogen St. Petrus selbst gesaget, weil er wohl gewußt, wo der Pfeffer wüchs: Gott widerstehet den Hoffärtigen, aber den Demüthigen giebet er Gnade. Item: weil Christus den leidigen Satan nicht mehr ärgern könne, als wenn er ihme einen armen Sünder aus dem Rachen riß, den er schon gläube im Magen zu haben, was die Selbstfreude Christi über sein Verdienst, hergegen aber auch die Unfreude und die Verdammniß des Satans alle Tage mehre.

Vor solcher Sag entsatzten wir uns Alle, und sprach Er Johannes nach einigem Hinterdenken: ob denn der Lutherus dies auch lehre?

Ille: Ei was Lutherus? Selbiger ist auf halbem Wege stehen geblieben, immaßen er die Welt nur halb von der papistischen Blindheit erlöset; ein anderer Mann ist's, der das Rädel treibt. Denn Lutherus lehret bloß: die guten Werk seind unnütz zur Seligkeit, hergegen dieser auf den Grund der Schrift gar klärlich zeiget, daß die guten Werk schädlich seind zur Seeligkeit.

Hic: Wie heißt der verdammte Ketzer, der diese verfluchte Lahr ausgespieen?

Ille: Das bliebe sich gleich, das sage er nicht; die Welt würd es wohl noch erfahren, wenn erst der Lutherus todt wär.

Ego: Wenn du es nicht sagest, verfluchter Schelm, ruf ich meine Knecht und lasse dich binden, übergebe dich auch morgen schon den Grafen, damit du übermorgen aufs Rad gestoßen werdest.

Hic ( ängstlichen): Es wär ein weit größer Mann, wie der Lutherus. Denn Lutherus wär nur ein gemeiner Pfarrherr, hergegen dieser ein mächtiger und fürnehmer Bischof, und: unmöglich, daß er irren könne.

Ego: So nenne seinen Namen, oder dir wiederfährt zur Stunde wie ich dir gedräuet.

Ille: Es wäre der Hochwürdigste Bischof von Naumburg, Nicolaus Amsdorf, so diese Lahr wenigen Erwählten, worunter auch er und diese zwee Männer gewesen, als die rechte Schriftlahr communiciret, wogegen Männiglich hätt geloben müssen, dieselbe so lange geheim zu halten, bis der Lutherus todt, dieweil selbiger ein gar guter Freund von besagtem Bischof wär, aber sothane reine Lahr sicherlich verwerfen würd, da er ein alter, schwacher Mann sei, und noch bis an die Ohren im Pabesthum und allen seinen Gräueln stecke.

Ego: Ob der Bischof ihme denn etwan aufgetragen, dem Luthero zum Tode zu verhelfen, oder ihn durch dies Bilde zu verzäubern?

Ille: Nein, mit nichten; solches hätten sie drei sich nur fürgenommen, um auch einen so hohen Lohn wie St. Paulus im Himmel zu gewinnen, dieweil Lutherus ja ebenmäßig wie St. Stephanus, ein Jünger und Apostel des lieben Heilands sei, und es unmöglich gewesen, ein noch böseres Werk zu thun und etwan St. Petro nachzufolgen. Hätten zwar auch den Bischof selbsten umbringen können; darüber würde sich aber der Teufel gefreuet haben, anerwogen ihm alsdann viel Aerger erspaaret worden, da die reine Lahr des theuern Mannes Gottes bis dato noch unter dem Scheffel stünde und Wenigen bekannt wär. Wer von meinen Lesern, der die Geschichte unserer sogenannten Reformation nicht kennt, wird diese ganze Darstellung nicht abermals für eine übel angebrachte poetische Uebertreibung halten? Und dennoch ist sie leider die reine Wahrheit. Nicolaus von Amsdorf, früher Prediger in Magdeburg, von dem sich Luther der Sünde rühmte, wie der protestantische Hase in seiner Kirchengeschichte S. 432 voll Unwillen ausruft, »daß er einen Bischof geweiht hätte ohne Chresem und ohne Butter, Schmalz, Speck, Theer, Schmeer, Weihrauch und Kohlen,« wurde von Luther aus eigener Machtvollkommenheit zum Bischof von Naumburg eingesetzt, und trat einige Jahre nach dessen Tode mit der lästerlichen Schrift hervor: daß die propositio: gute Werke sind schädlich zur Seeligkeit, eine recht christliche Proposition sei. Durch den gelehrten Flaccius erhielt seine Parthei einen nicht geringen Anhang, und mehrte die Sittenverwilderung und das Aergerniß dieser fürchterlichen Zeit. Darum hätten sie sich den Lutherum in dieser Weihnachtsnacht fürgenommen, denn nu wärs just Zeit, wenn alles Vieh zu Christi Ehr ufstünde, ein solch Werk zu unternehmen.

Als ihme nu Er Johannes sagete, daß er selbsten ein Vieh wär, und dummer als die dummsten Ochsen und Esel in des Wirthes Stall, war es doch vergeblich ihn zu bekehren, und legeten wir uns wieder auf unser Lager, nachdeme wir ihn bedräuet, daß wir es der Herrschaft morgen anzeigen wöllten, welche Bestia allhie im Lande mit seinen Helfershelfern umherginge, und sich in eim Dorf katholisch, im andern hergegen widder evangelisch stelle. Er müge also machen, daß er aus dem Ländichen kam, und vor die bösesten Werke die besten Werk erwählen, anerwegen er sonsten sicherlich auf das Rad käme, er ginge zu den Papisten oder zu den Evangelischen, ja zu Türken, Juden und Heiden. Alle würden seine verfluchte Lahr als unmenschlich verdammen, und ihne für ein eingefleischtes Kind des lebendigen Teufels halten, wies denn auch nit anders wär.

Am andern Morgen hob sich das Geilen wieder an umb die Heimbkehr. Denn was brauchen wir weiters Zeugniß, sprachen einmüthig Er Johannes und ich. Aber mein Franciscus geilte, daß wir weiter reiten wöllten, und als wir letzlich das Loos wurfen, stund es uf Wittenberg.

Und da uns auch ein fahrender Schüler, so aus Wittenberg kame, die Botschaft brachte, der Lutherus würde erst inwendig dreier Wochen gen Eisleben kommen, machten wir uns widder aus den Weg, und erblickten nach etzlichen Tagen ohne sonderliche Ebenteuer, als daß sich der Pöfel fast überall ufsatzig gegen seine Prädicanten zeigete, die Thürme von Wittenberg.

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